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Aufbauseminar – nach Versäumung der Frist zur Teilnahme – Fahrerlaubnisentziehung

Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 5 MB 39/20 – Beschluss vom 31.03.2021

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 3. Kammer, Einzelrichter – vom 14. Dezember 2020 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutz über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers.

Mit Bescheid vom 12. Februar 2020, zugestellt am 14. Februar 2020, ordnete die Antragsgegnerin aufgrund eines Verkehrsverstoßes in der Probezeit die Teilnahme an einem Aufbauseminar für verkehrsauffällige Fahranfänger an und setzte dem Antragsteller zur Vorlage einer Teilnahmebescheinigung eine Frist bis zum 12. April 2020.

Gemäß Anmeldebescheinigung einer Fahrschule vom 19. Februar 2020 meldete sich der Antragsteller zu einem Seminar an, das am 20. März 2020 beginnen sollte. Das Seminar fand wegen der seinerzeit geltenden der SARS-CoV-2-Bekämpfungsverordnung nicht statt.

Mit Schreiben vom 10. September 2020 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an und teilte ihm mit, dass er bis zum 20. September 2020 die Teilnahmebescheinigung vorlegen könne.

Gemäß Anmeldebescheinigung vom 17. September 2020 meldete sich der Antragsteller daraufhin für ein Seminar ab dem 23. Oktober 2020 an. Am gleichen Tag teilte er dies der Antragsgegnerin mit und führte sinngemäß aus, ihm sei im Frühjahr 2020 gesagt worden, „dass es erstmal fallen gelassen wurde“ und er auf einen Anruf warten solle.

Mit Bescheid vom 14. Oktober 2020 entzog die Antragstellerin dem Antragsteller die Fahrerlaubnis für die Klassen B mit sofortiger Wirkung. Hiergegen ließ der Antragsteller nach erfolglosem Widerspruch Klage erheben (3 A 387/20). Gemäß Teilnahmebescheinigung vom 11. November 2020 nahm er zwischenzeitlich an einem Seminar teil.

Mit eidesstattlicher Versicherung vom 16. November 2020 (GA 84) erklärte er unter anderem sinngemäß, er habe der Antragsgegnerin seinerzeit schriftlich mitgeteilt, dass der Kurs ausfällt. Ferner habe er sich „immer gleich gekümmert“, sobald er ein Schreiben von der Fahrerlaubnisbehörde erhalten habe.

Am 25. November 2020 hat der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Entziehung des Führerscheins anzuordnen.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt, weil der Bescheid bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig anzusehen sei. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit in Frage gestellt. Es sei zweifelhaft, ob sich der Antragsteller rechtzeitig darum bemüht habe, eine Fristverlängerung zu erreichen. Außerdem habe er sich zu spät darum bemüht, das ausgefallene Seminar nachzuholen. Hiergegen richtet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Er ist der Ansicht, die Entziehung der Fahrerlaubnis sei unverhältnismäßig.

II.

Aufbauseminar - nach Versäumung der Frist zur Teilnahme – Fahrerlaubnisentziehung
(Symbolfoto: ADV images/Shutterstock.com)

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2020 ist unbegründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.

Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 2a Abs. 3 StVG ist nicht unverhältnismäßig. Der Verhältnismäßigkeit steht nicht entgegen, dass der Antragsteller an der Einhaltung der Frist ohne eigenes Verschulden aufgrund der seinerzeit maßgeblichen SARS-CoV-2-Bekämpfungsverordnung, die Zusammenkünfte in privaten Bildungseinrichtungen vom 18. März 2020 bis zum 17. Mai 2020 untersagte, gehindert war.

§ 2a Abs. 3 StVG macht die Rechtsfolge der Führerscheinentziehung nicht von einem Verschulden des Nachschulungspflichtigen an der Versäumung der dafür gesetzten Frist abhängig (OVG Saarlouis, Beschluss vom 21. September 1989 – 1 W 144/89, beckonline.de; vgl. auch Trésoret in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 2a StVG (Stand: 06.01.2020), Rn. 199).

Bei einer unverschuldeten Säumnis kann eine Entziehung der Fahlerlaubnis gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen, wenn ein Fahranfänger rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung der Frist unter gleichzeitiger substantiierter Darlegung der Hinderungsgründe sowie der Äußerung des erkennbaren Willens, das Aufbauseminar bei nächster Gelegenheit zu absolvieren, stellt. Im Falle der nachträglichen Verlängerung der Frist gemäß § 89 Abs. 7 Satz 2 LVwG hat der Fahranfänger zudem darzutun, weshalb er an einer vorherigen Mitteilung der Hinderungsgründe innerhalb der Frist gehindert war (vgl. Trésoret in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 2a StVG (Stand: 06.01.2020), Rn. 201 m.w.N.). Diese Voraussetzungen hat der Antragsteller nicht erfüllt.

Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, eine Verlängerung der Frist vor Fristablauf oder unmittelbar nach dem Wegfall von Hinderungsgründen beantragt und dabei den erkennbaren Willen geäußert zu haben, das Aufbauseminar bei nächster Gelegenheit zu absolvieren. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht hervorgehoben hat, lässt sich den Verwaltungsakten lediglich das Schreiben des Antragstellers vom 17. September 2020 entnehmen.

Selbst wenn dieses Schreiben als Fristverlängerungsantrag auszulegen wäre, fehlen darin Gründe, die erkennen lassen, dass der Antragsteller an einer fristgerechten Beantragung der Fristverlängerung bis zum 17. September 2020 gehindert war. Der in dem Schreiben enthaltene Hinweis des Antragstellers, ihm sei gesagt worden, „es“ sei „erstmal fallen gelassen“ worden und er solle „auf einen Anruf“ warten, reicht hierzu nicht aus. Denn diese Äußerung gibt schon nicht verlässlich zu erkennen, wer dem Antragsteller diese Auskunft wann gegeben haben soll. Der Verwaltungsvorgang enthält keinen entsprechenden Telefonvermerk. Die von der Antragsgegnerin vorgelegte E-Mail der beteiligten Fahrschule (GA 75) deutet eher darauf, dass der Antragsteller von der Fahrschule informiert wurde. Jedenfalls erscheint es dem Senat vor dem aufgezeigten Hintergrund nicht glaubhaft, dass der Antragsteller vor dem 17. September 2020 telefonisch bei der Antragsgegnerin um eine Fristverlängerung gebeten hat.

Ein rechtzeitiger Fristverlängerungsantrag war entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht deshalb entbehrlich, weil die Schließung der Fahrschulen für alle Beteiligten erkennbar gewesen ist. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit besteht kein Anlass, die Fälle der unverschuldeten Säumnis nach ihren Ursachen zu differenzieren und unterschiedlich zu handhaben.

Bei dem Antragserfordernis handelt es sich auch nicht um eine sinnlose Förmelei, weil die Schließung der Fahrschulen im Zuge des „lock down“ für alle Beteiligten erkennbar war. Denn die in einem (nachträglichen) Fristverlängerungsantrag darzulegende Dauer einer unverschuldeten Säumnis kann die offenkundige Dauer einer nach der SARS-CoV-2-Bekämpfungsverordnung vorgesehenen Einschränkung durchaus übersteigen. So scheint es nach wochenlangen Schließungen der Fahrschulen durchaus möglich, dass gerade in der Anfangszeit nach ihrer Wiederöffnung die Nachfrage nach Seminaren das Angebot übersteigt, so dass eine unverschuldete Säumnis über den Zeitraum der Schließung hinaus andauern kann. Es war Sache des Antragstellers, sich hierüber ohne erneuten Anstoß durch die Fahrerlaubnisbehörde fortlaufend selbst zu informieren und seine Erkenntnisse der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit einem situationsgerechten Fristverlängerungsantrag mitzuteilen. Die Tatsache, dass der Antragsteller „stets reagiert“ hat, wenn er von der Antragsgegnerin hierzu aufgefordert wurde, vermag die von ihm verlangten Aktivitäten nicht zu ersetzen.

Anhaltspunkte dafür, dass der Zustand der unverschuldeten Säumnis aufgrund eines Mangels an Seminarangeboten so lange fortgedauert hat, dass es dem Antragsteller ohne Verschulden nicht möglich war, bis zum 20. September 2020 eine Teilnahmebescheinigung hierüber vorzulegen, sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

Deshalb ist es auch nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Schreiben vom 10. September 2020 bis zum 20. September 2020 eine kurze Frist zur Vorlage der Bescheinigung gesetzt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

 

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