Bußgeldverfahren: Rücknahme des Einspruchs durch Zahlung der Geldbuße?
In einem interessanten Fall, der vor dem AG Waren verhandelt wurde (Az.: 321 OWiG 232/19), drehte sich alles um die Frage, ob die Zahlung einer Geldbuße als stillschweigende Rücknahme eines zuvor eingelegten Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid zu werten ist. Dies stellt die Grundproblematik des Verfahrens dar und wirft wichtige Fragen im Bereich des Verkehrsrechts und insbesondere des Bußgeldverfahrens auf.
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Übersicht
Das Verfahren und die Antragsstellung
Zu Beginn des Verfahrens wurde der Antrag des Verteidigers gestellt, dass der Bußgeldbescheid des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte, der dem Betroffenen ausgestellt wurde, nicht in Rechtskraft erwachsen ist. Der Landkreis hielt den Bußgeldbescheid für rechtskräftig und damit unanfechtbar. Der Verteidiger stellte jedoch klar, dass die Zahlung der Geldbuße keine Willenserklärung darstellt, den zuvor eingelegten Einspruch zurückzuziehen.
Einbindung der Rechtsprechung
In seiner Argumentation bezog sich der Verteidiger auf die völlig einheitliche Rechtsprechung sämtlicher deutscher Gerichte. Die Zahlung des Bußgeldes war möglicherweise von der Ehefrau des Betroffenen erfolgt, was nach Ansicht des Verteidigers nicht als Willenserklärung des Betroffenen zur Rücknahme des Einspruchs gewertet werden kann. Diese Argumentation ist insofern von Bedeutung, als sie den Schwerpunkt auf die individuellen Umstände und die Rolle der verschiedenen Akteure im Bußgeldverfahren legt.
Verfolgungsverjährung und deren Rolle
Ein weiterer relevanter Aspekt dieses Falles betrifft die Verfolgungsverjährung bei Ordnungswidrigkeiten. Die Frist beträgt drei Monate, solange wegen der Handlung weder ein Bußgeldbescheid ergangen noch öffentliche Klage erhoben ist, danach sechs Monate. Da der Bußgeldbescheid jedoch innerhalb dieser Frist erfolgte, wäre die Verfolgungsverjährung in diesem Fall nicht eingetreten.
Auswirkungen und Schlussbemerkungen
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieser Fall das Verkehrsrecht, das Bußgeldverfahren und die rechtlichen Konsequenzen von Bußgeldbescheiden in ein neues Licht rückt. Insbesondere die Frage, ob die Zahlung einer Geldbuße als Rücknahme eines Einspruchs zu werten ist, hat weitreichende Auswirkungen auf die Rechtspraxis. Die letztendliche Entscheidung in diesem Fall könnte daher zukünftige Bußgeldverfahren maßgeblich beeinflussen und einen Präzedenzfall für ähnliche Situationen darstellen.
Das vorliegende Urteil
AG Waren – Az.: 321 OWiG 232/19 – Beschluss vom 02.07.2020
Er wird auf Antrag des Verteidigers auf gerichtliche Entscheidung festgestellt, dass der Bußgeldbescheid des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte vom … nicht in Rechtskraft erwachsen ist.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse. Es wird davon abgesehen die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen.
Gründe
I.
Gegen den Betroffenen ist mit Bußgeldbescheid des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte vom 22.06.2018 wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldbuße von 85 Euro festgesetzt. Gegen den dem Betroffenen am 26.06.2018 zugestellten Bußgeldbescheid legte sein Verteidiger mit Schriftsatz vom 26.06.2018 per Fax Einspruch ein. Am 02.07.2018 überwies der Betroffene einen Betrag von 113,50 Euro an den Landkreis Mecklenburgische Seenplatte. Als Verwendungszweck wurde „Bußgeldbescheid vom 25.06.2018 … Az.: … angegeben. Mit Schreiben vom 09.07.2018 hat der Landkreis den Betroffenen darauf hingewiesen, dass er die Zahlung vom 02.07.2018 als Rücknahme des Einspruchs werte. Dieses Schreiben wurde in Ablichtung an den Verteidiger gerichtet. Auf das Schreiben des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte vom 09.07.2018 hat der Verteidiger erst mit Schreiben vom 16.09.2019 reagiert. Er macht geltend, dass mittlerweile Verfolgungsverjährung eingetreten sei und beantragt, das Bußgeldverfahren einzustellen. Zur Begründung legt er einen Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 09.07.2018 vor. Dieser Beschluss basiert auf einem Antrag desselben Verteidigers, der am 25.04.2018 bei der Stadt Osnabrück eingegangen ist. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf den Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 09.07.2018 – 200 Ordnungswidrigkeit 326/18 Bezug genommen.
Zur Einstellung des Verfahrens hat der Betroffene dem Landkreis – Mecklenburgische Seenplatte eine Frist bis zum 30.09.2019 gesetzt. Mit Schreiben vom 26.09.2019 hat der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte mitgeteilt, dass er den Bußgeldbescheid für rechtskräftig und damit unanfechtbar hält. Hiergegen wendet sich der Verteidiger mit Schreiben vom 30.09.2019 und beantragt gerichtliche Entscheidung. Die Zahlung der Geldbuße stelle nach völlig einheitlicher Rechtsprechung sämtlicher Gerichte Deutschlands keine Willenserklärung dar. Auf Nachfrage des Gerichts ergänzt der Verteidiger seine Antragsbegründung mit Schriftsatz vom 05.02.2020: Am 26.06.2018 sei durch die Kanzlei des Verteidigers Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt worden. Wann die Zahlung „des Bußgeldbescheides erfolgt“ sei, könne er der Akte nicht entnehmen. Das müsse er bei dem Betroffenen erfragen, weil diese Zahlung auf Veranlassung und mit-Wissen und Wollen des Betroffenen erfolgt sei. Die Zahlung sei durch irgendjemandem innerhalb der Tierärztlichen Klinik des Betroffenen möglicherweise durch dessen Ehefrau erfolgt. Er werde recherchieren, wann und durch wen und wie im Einzelnen die Umstände der Überweisung der Geldbuße von statten gegangen sei und hierzu noch umfassend vortragen. Weiterer Vortrag ist – entgegen der Ankündigung – nicht eingegangen.
II.
Der zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist begründet.
Die Frist der Verfolgungsverjährung beträgt bei Ordnungswidrigkeiten nach Paragraph 24 StVG (Verkehrsordnungswidrigkeiten) drei Monate, solange wegen der Handlung weder ein Bußgeldbescheid ergangen noch öffentliche Klage erhoben ist, danach sechs Monate. Tatzeit ist der 23.04.2018. Die letzte Unterbrechung der Verjährung ist mit Erlass des Bußgeldbescheides am 22.06.2018 erfolgt. Danach ist die Verjährung nicht mehr unterbrochen worden. Mit Ablauf des 21.09.2018 ist die Ordnungswidrigkeit verjährt. Die Verjährung wurde nicht durch die Zahlung der Geldbuße verhindert. In der Bezahlung der Geldbuße kann grundsätzlich ohne Hinzutreten weiterer Indizien nicht der Verzicht auf die Einlegung des Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid gesehen werden. Zwar hat die Bußgeldbehörde den Verteidiger insoweit um Klarstellung gebeten. Diese Anfrage hat der Verteidiger allerdings unbeantwortet gelassen und die Zweifel somit nicht ausgeräumt. Bleiben – wie im vorliegenden Fall – Zweifel, ob eine Einspruchsrücknahme vorliegt, so muss von dem Willen ausgegangen werden, dass Bußgeldverfahren fort zu setzten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 62 Abs. 2 Ordnungswidrigkeitsgesetz, 467 Absatz 1, Absatz 3 Nummer 2 Strafprozessordnung. Nach Aktenlage hat der Betroffene die Ordnungswidrigkeit begangen. Einer Verurteilung steht hier nur ein Verfahrenshindernis entgegen. Es ist daher angemessen, den Betroffenen mit seinen Auslagen zu belasten.