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Absehen von Fahrverbot bei Trunkenheitsfahrt – Anforderungen

Trunkenheitsfahrt: Wann kann auf Fahrverbot verzichtet werden?

Das Bayerische Oberlandesgericht (BayObLG) hat das Urteil des Amtsgerichts Coburg aufgehoben, das von einem Fahrverbot für einen betrunkenen Autofahrer abgesehen hatte. Das Gericht argumentierte, dass die Entscheidung des Amtsgerichts, kein Fahrverbot zu verhängen, rechtlich nicht haltbar ist. Es betonte die Notwendigkeit, die grundsätzliche Angemessenheit eines Fahrverbots bei Trunkenheitsfahrten zu berücksichtigen.

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Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Aufhebung des Urteils: Das BayObLG hebt das Urteil des Amtsgerichts Coburg auf.
  2. Fahrverbot: Das Amtsgericht hatte von einem Fahrverbot abgesehen, was vom BayObLG als nicht gerechtfertigt angesehen wurde.
  3. Trunkenheitsfahrt: Der Fall betraf einen Autofahrer, der mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,47 mg/l gefahren ist.
  4. Geldbuße: Ursprünglich wurde eine Geldbuße von 1.200 Euro verhängt.
  5. Rechtsbeschwerde: Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil des Amtsgerichts Rechtsbeschwerde ein.
  6. Rückverweisung: Der Fall wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Coburg zurückverwiesen.
  7. Begründung des Gerichts: Das Gericht argumentierte, dass die Trunkenheitsfahrt die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt und das Regelfahrverbot somit angemessen ist.
  8. Gesetzliche Indizwirkung: Das BayObLG betonte, dass die gesetzliche Indizwirkung eines Regelfahrverbots bei einer Atemalkoholkonzentration von mehr als 0,25 mg/l nicht durch das Nachtatverhalten des Betroffenen entkräftet wird.

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Eine Trunkenheitsfahrt ist ein ernstzunehmendes Vergehen, das nicht nur das eigene Leben, sondern auch das Leben anderer Verkehrsteilnehmer gefährden kann. In solchen Fällen wird oft ein Fahrverbot verhängt, um den Betroffenen zur Einsicht zu bringen und die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Doch wann kann ein Fahrverbot tatsächlich abgesehen werden?

Anforderungen an das Absehen von Fahrverbot

Das Bayerische Oberlandesgericht (BayObLG) hat kürzlich ein Urteil des Amtsgerichts Coburg aufgehoben, das von einem Fahrverbot bei einer Trunkenheitsfahrt abgesehen hatte. Das Gericht argumentierte, dass die Entscheidung des Amtsgerichts, kein Fahrverbot zu verhängen, rechtlich nicht haltbar ist. Es betonte die Notwendigkeit, die grundsätzliche Angemessenheit eines Fahrverbots bei Trunkenheitsfahrten zu berücksichtigen. Doch welche Anforderungen müssen erfüllt sein, damit ein Fahrverbot abgesehen werden kann? Lesen Sie weiter, um mehr über dieses Urteil und seine Bedeutung zu erfahren.

Trunkenheitsfahrt: Umdenken beim Fahrverbot

In einem bemerkenswerten Fall, der das Verkehrsrecht in Deutschland betrifft, hat das Bayerische Oberlandesgericht (BayObLG) eine richtungsweisende Entscheidung getroffen. Das Gericht hob ein Urteil des Amtsgerichts Coburg auf, das von einem Fahrverbot für einen betrunkenen Autofahrer abgesehen hatte. Der Fall dreht sich um einen Soldaten auf Zeit, der nach Teilnahme an einem Junggesellenabschied und einer emotional belasteten Auseinandersetzung, alkoholisiert mit seinem Fahrzeug fuhr. Die polizeilich festgestellte Atemalkoholkonzentration lag bei 0,47 mg/l, fast doppelt so hoch wie der gesetzliche Grenzwert von 0,25 mg/l. Trotz einer nur kurzen und geringen Fahrtstrecke von ca. 200 Metern und dem sofortigen Rückkehren zu seinem Parkplatz, nachdem er seinen Zustand realisiert hatte, entschied das Amtsgericht auf eine Geldbuße von 1.200 Euro, sah aber von einem Fahrverbot ab.

Die Rolle der Staatsanwaltschaft und des Gerichts

Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil des Amtsgerichts Rechtsbeschwerde ein, vertreten durch die Generalstaatsanwaltschaft München. Sie rügte die Verletzung materiellen Rechts. Im Kern argumentierte die Staatsanwaltschaft, dass das Amtsgericht die Bedeutung und die gesetzlichen Vorgaben eines Fahrverbots bei Trunkenheitsfahrten verkannt hätte. Das BayObLG stellte fest, dass das Amtsgericht Coburg die gesetzlich verankerte Indizwirkung eines Regelfahrverbots bei Trunkenheitsfahrten missachtet hat. Hierbei betonte das Oberlandesgericht, dass ein Fahrverbot bei solchen Delikten die Regel ist und nur in Ausnahmefällen davon abgesehen werden kann.

Die Bedeutung der Atemalkoholkonzentration und des Nachtatverhaltens

Interessant ist die Bewertung der Atemalkoholkonzentration und des Nachtatverhaltens des Betroffenen. Das BayObLG stellte klar, dass trotz der geringen Fahrtstrecke und des umgehenden Rückkehrverhaltens des Fahrers, die hohe Alkoholkonzentration und die damit verbundene potentielle Gefährdung des Straßenverkehrs nicht ignoriert werden können. Auch das von Reue und Schuldeinsicht geprägte Verhalten nach der Tat konnte die Notwendigkeit eines Fahrverbots nicht aufheben.

Zurückverweisung an das Amtsgericht Coburg

In der Konsequenz wurde das Urteil des Amtsgerichts im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Coburg zurückverwiesen. Besonders erwähnenswert ist, dass das BayObLG betont, dass die Wechselwirkung zwischen Fahrverbot und Geldbuße berücksichtigt werden muss. Das Amtsgericht wird nun erneut über die Verhängung eines Fahrverbots unter Berücksichtigung aller Umstände entscheiden müssen.

Das vorliegende Urteil zeigt deutlich, wie wichtig es ist, bei Trunkenheitsfahrten die gesetzlichen Vorgaben strikt zu beachten. Das Gericht legt Wert darauf, dass die Sicherheit im Straßenverkehr oberste Priorität hat und auch emotionale Ausnahmesituationen oder ein vermeintlich verantwortungsbewusstes Nachtatverhalten ein Fahrverbot bei erheblicher Alkoholisierung nicht aufheben können. Dieser Fall wird sicherlich als Referenz für zukünftige Entscheidungen in ähnlichen Fällen dienen und könnte das Bewusstsein für die Ernsthaftigkeit von Alkohol am Steuer weiter schärfen.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


In welchen Fällen kann von einem gesetzlich angeordneten Fahrverbot abgesehen werden?

Ein gesetzlich angeordnetes Fahrverbot kann in bestimmten Ausnahmefällen umgangen oder abgemildert werden. Diese Ausnahmen werden jedoch nur in Einzelfällen gewährt, um die erzieherische Funktion des Fahrverbots zu gewährleisten und die betroffenen Personen dazu zu bringen, ihr Fahrverhalten zu überdenken.

Eine Möglichkeit, ein Fahrverbot zu umgehen, besteht, wenn die Folgen des Fahrverbots eine unzumutbare Härte darstellen würden. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn eine Person beruflich stark auf das Fahrzeug angewiesen ist. Allerdings rechtfertigt ein erschwerter Arbeitsweg üblicherweise keine Ausnahmen.

Eine weitere Ausnahme kann für bestimmte Fahrzeugklassen gelten. In der Praxis betrifft dies üblicherweise die Klassen T und L, die vor allem für die Tätigkeit in der Landwirtschaft häufig unerlässlich sind.

Darüber hinaus kann ein Fahrverbot in ein höheres Bußgeld umgewandelt werden, allerdings führt dies in der Regel zu deutlich höheren Kosten.

Ersttäter haben die Möglichkeit, den Beginn des Fahrverbots innerhalb eines Zeitraums von vier Monaten nach der Rechtskraft des Bescheids selbst festzulegen.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Entscheidung über Ausnahmen immer von einem Richter im Einzelfall getroffen wird.

Insgesamt ist es also in bestimmten Fällen möglich, von einem gesetzlich angeordneten Fahrverbot abzusehen, allerdings sind die Hürden dafür hoch und es bedarf einer individuellen Beurteilung durch einen Richter.

Welche Rolle spielt das Nachtatverhalten eines Betroffenen bei der Bewertung einer Trunkenheitsfahrt?

Das Nachtatverhalten eines Betroffenen kann eine erhebliche Rolle bei der Bewertung einer Trunkenheitsfahrt spielen. Es kann insbesondere dann sorgfältig geprüft werden, wenn die Anlasstat eine Trunkenheitsfahrt ist.

Das Gericht kann sowohl die Schwere der Tat als auch die Bemühungen des Täters zur Besserung berücksichtigen. Beispielsweise kann das Gericht von einem Fahrerlaubnisentzug absehen, wenn der Täter nach der Tat Besserungsbemühungen zeigt.

Zudem kann durch frühzeitiges, zielgerichtetes Nachtatverhalten die Entscheidung des Gerichts zugunsten des Angeklagten beeinflusst werden. Dies könnte beispielsweise durch die Teilnahme an einer Therapie oder einem Fahrsicherheitstraining geschehen.

Auch das Vorhandensein oder Fehlen einschlägiger Vorstrafen kann bei der Bewertung des Nachtatverhaltens eine Rolle spielen.

Es ist jedoch zu betonen, dass die Entscheidung immer von einem Richter im Einzelfall getroffen wird und von vielen Faktoren abhängt, einschließlich der spezifischen Umstände der Trunkenheitsfahrt und des individuellen Verhaltens des Betroffenen nach der Tat.


Das vorliegende Urteil

BayObLG – Az.: 202 ObOWi 780/23 – Beschluss vom 28.09.2023

I. Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Coburg vom 23. Februar 2023 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen sowie in der Kostenentscheidung aufgehoben.

II. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Coburg zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit stehenden Betroffenen wegen einer am 30.07.2022 als Führer eines Pkws fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit des Führens eines Kraftfahrzeugs mit einer Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,25 mg/l oder mehr bzw. einer zu einer solchen führenden Alkoholmenge im Körper gemäß § 24 a Abs. 1 mit Abs. 3 StVG zu einer Geldbuße von 1.200 Euro verurteilt. Die mit dem Atemalkoholmessgerät ‚Dräger Alcotest 9510‘ polizeilich festgestellte AAK ergab eine solche von 0,47 mg/I im Mittelwert. Von dem im Bußgeldbescheid vom 11.08.2022 neben einer Geldbuße von 500 Euro angeordneten Fahrverbot von einem Monat nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG hat das Amtsgericht unter gleichzeitiger Erhöhung des an sich verwirkten Regelbußgeldes gemäß § 4 Abs. 4 BKatV von 500 Euro auf 1.200 Euro abgesehen.

Nach den Urteilsfeststellungen nahm der Betroffene am Tattag an einem Junggesellenabschied teil, in dessen Rahmen auch Alkohol, überwiegend Bier, konsumiert wurde. Gegen 20.00 Uhr kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Betroffenen und der Zeugin V., in deren Verlauf sich die Zeugin von dem Betroffenen, mit welchem sie eine gemeinsame Tochter hat, trennte. Daraufhin wollte sich der Betroffene „der Situation entziehen“. Hierzu befuhr er um 20.17 Uhr als Führer eines Pkws Seat die N.-Straße in P., obwohl er hätte erkennen können und müssen, dass er infolge vorausgegangenen Alkoholgenusses eine Alkoholmenge im Körper hatte, die zu einer AAK von 0,25 mg/I oder mehr führte. Als der Betroffene kurz nach Fahrtantritt realisierte, dass er aufgrund seines Alkoholkonsums kein Fahrzeug mehr führen durfte, kehrte er aus eigenem Antrieb wieder zu seinem Parkplatz in die N.-Straße zurück. Die Fahrt dauerte insgesamt nur wenige Minuten und die zurückgelegte Fahrtstrecke betrug insgesamt ca. 200 m. Aus Sorge um den Betroffenen hatte die vorgenannte Zeugin in der Zwischenzeit bereits telefonisch die örtliche Polizeidienststelle über die Wegfahrt des Betroffenen informiert. Noch während dieses Telefonates war der Betroffene wieder zurückkehrt und hatte den Pkw wiederum auf dem Parkplatz abgestellt, wo er zusammen mit der Zeugin auf das Eintreffen der Polizei wartete.

Mit ihrer gegen dieses Urteil zu Ungunsten des Betroffenen eingelegten, ausweislich der Begründung in der Rechtsmittelrechtfertigungsschrift vom 03.04.2023 auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten, von der Generalstaatsanwaltschaft München vertretenen Rechtsbeschwerde rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Die zur Rechtsbeschwerdebegründung der Staatsanwaltschaft abgegebene Stellungnahme des Verteidigers des Betroffenen vom 04.05.2023 lag dem Senat bei der Entscheidung ebenso vor wie die zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 03.07.2021 abgegebene Stellungnahme des Verteidigers vom 25.07.2023.

II.

Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 3 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige, wegen der wirksamen Beschränkung des Rechtsmittels allein den Rechtsfolgenausspruch betreffende Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist begründet und führt auf die erhobene Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht, weil die Begründung, mit der dieses von der Anordnung eines Fahrverbots abgesehen hat, einer rechtlichen Überprüfung nicht standhält.

1. Zwar hat das Amtsgericht erkannt und seinen Erwägungen zum Rechtsfolgenausspruch zutreffend vorangestellt, dass ein Absehen von dem gesetzlich angeordneten Regelfahrverbot nach §§ 24 a Abs. 1 und 3, 25 Abs. 1 Satz 2 StVG i.V.m. § 4 Abs. 3 BKatV nur in einem Härtefall ganz außergewöhnlicher Art in Betracht kommen kann, oder dann, wenn wegen besonderer Umstände äußerer oder innerer Art das Tatgeschehen ausnahmsweise aus dem Rahmen einer typischen Ordnungswidrigkeit nach § 24 a Abs. 1 StVG derart herausfällt, dass die Verhängung des Regelfahrverbots als offensichtlich unpassend anzusehen wäre (vgl. schon BGH, Beschluss vom 28.11.1991 – 4 StR 366/91 = BGHSt 38,125, 134 = BeckRS 1991, 2653 = ZfSch 1992, 30 = NJW 1992, 446 = VerkMitt 1992, Nr 11 = NStZ 1992, 135 = DAR 1992, 69 = NZV 1992, 117 = MDR 1992, 275 = BGHR StVG § 25 Fahrverbot 1 = NJ 1992, 174 = VRS 82 [1992], 216; ferner u.a. OLG Bamberg, Beschluss vom 11.03.2005 – 2 Ss OWi 236/05 und 20.08.2008 – 3 Ss OWi 966/08 = DAR 2009, 39 = Blutalkohol 45 [2008], 394 = OLGSt StVG § 25 Nr 43 = BeckRS 2008, 22409). Denn anders als bei den Katalogtaten nach § 4 Abs. 1 und 2 BKatV, in denen ein Fahrverbot lediglich in der Regel „in Betracht“ kommt, „ist“ bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 a StVG gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG i.V.m. § 4 Abs. 3 BKatV in der Regel ein Fahrverbot anzuordnen. Den Gerichten ist deshalb in den Fällen des § 24 a StVG bei der Entscheidung darüber, ob von einem Fahrverbot im Einzelfall ausnahmsweise abgesehen werden kann, ein geringerer Ermessensspielraum als in den Fällen nach § 4 Abs. 1 BKatV und § 4 Abs. 2 BKatV eingeräumt. Angesichts des höheren Unrechtsgehalts und der Gefährlichkeit einer derartigen Ordnungswidrigkeit versteht sich vielmehr die grundsätzliche Angemessenheit eines Fahrverbots einschließlich seiner vorgesehenen Regeldauer von selbst (st.Rspr.; vgl. neben BGH u. OLG Bamberg, Beschluss vom 20.08.2008 – 3 Ss OWi 966/08, jeweils a.a.O. u.a. OLG Bamberg, Beschluss vom 29.10.2012 – 3 Ss OWi 1374/12 bei juris = BeckRS 2012, 24386 u. 02.07.2018 – 3 Ss OWi 754/18 bei juris = NStZ-RR 2018, 325 = BeckRS 2018, 15192; OLG Celle, Beschluss vom 18.12.2019 – 2 Ss [OWi] 338/19 = Blutalkohol 57, [2020] 47 = NZV 2020, 255 = VerkMitt 2020, Nr 26 = OLGSt StVG § 24a Nr 24 = BeckRS 2019, 33532 sowie OLG Zweibrücken, Beschluss vom 29.06.2021 – 1 OWi 2 SsBs 40/21 bei juris = BeckRS 2021, 18277 = ZfSch 2021, 650 = NZV 2022, 101, jeweils m.w.N.).

2. Das Amtsgericht hat aber – entgegen diesen Maßstäben – aufgrund der konkreten Tatumstände des Verkehrsverstoßes in Verbindung mit dem Nachtatverhalten des Betroffenen zu Unrecht die tatbestandsbezogene gesetzliche Indizwirkung des Regelbeispiels nach den §§ 25 Abs. 1 Satz 2, 24a StVG als entkräftet angesehen.

a) Das Amtsgericht hat bereits aus dem Blick verloren, dass unbeschadet der festgestellten Wegstrecke von immerhin ca. 200 m und der wenigen Minuten andauernden Fahrt schon aufgrund des Tatverlaufs wegen der damit belegten psychischen Ausnahmesituation zur Tatzeit gerade nicht von einer die Sicherheit des Straßenverkehrs weniger oder gar nur marginal beeinträchtigenden Trunkenheitsfahrt auszugehen ist, so dass die Annahme, das Tatgeschehen falle wegen besonderer Umstände äußerer oder innerer Art derart aus dem Rahmen einer typischen Ordnungswidrigkeit nach § 24 a Abs. 1 StVG, dass die Verhängung des Regelfahrverbots als offensichtlich unpassend anzusehen wäre, nicht gerechtfertigt ist.

b) Hinzu kommt, dass der Betroffene zur Tatzeit mit einer festgestellten AAK von 0,47 mg/I im Mittelwert den gesetzlichen Atemluftgrenzwert nach § 24a Abs. 1 StVG von 0,25 mg/l nicht nur geringfügig überschritten, sondern die AAK nahe zum Grenzwert der (absoluten) Fahruntüchtigkeit i.S.v. § 316 Abs. 1 StGB lag.

c) Auch das von Schuldeinsicht und Reue geprägte Nachtatverhalten des Betroffenen vermag die tatbestandsbezogene gesetzliche Indizwirkung des Regelbeispiels nach den §§ 25 Abs. 1 Satz 2, 24a StVG nicht zu entkräften. Es handelt sich insoweit zwar um anzuerkennende Umstände zugunsten des Betroffenen, ihnen kommt aber bei der gebotenen Gesamtschau nicht ein derartiges Gewicht zu, das zur Entkräftung der Regelwirkung führen würde.

III.

Aufgrund des sachlich-rechtlichen Begründungsmangels ist auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mitsamt der Kostenentscheidung aufzuheben und die Sache in diesem Umfang an das Amtsgericht Coburg zurückverwiesen. Wegen der engen Wechselwirkung zwischen Fahrverbot und Geldbuße betrifft die Aufhebung nicht nur die Fahrverbotsanordnung, sondern den gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 353 StPO).

Das Amtsgericht wird in einer neuen Hauptverhandlung u.a. Feststellungen zu der Frage zu treffen haben, ob ein einmonatiges Regelfahrverbot unter besonderer Berücksichtigung einer nach Sachlage zu gewährenden vorläufigen Vollstreckungserleichterung nach § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG (sog. ‚Vier-Monats-Regel‘) für den Betroffenen tatsächlich die von diesem beschriebenen Folgen für sein berufliches Fortkommen bis hin zum Verlust seiner beruflichen Existenz zeitigen würden, wozu weitere Feststellungen zu treffen sein werden.

IV.

Der Senat entscheidet durch Beschluss gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG.

V.

Gemäß § 80a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.

 

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