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Wiedererteilung Fahrerlaubnis – Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG

Fälschung von MPU-Gutachten führt zu Rücknahme der Fahrerlaubnis

Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat im Urteil Az.: 7 A 2441/20 vom 01.02.2024 entschieden, dass die Rücknahme der Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis durch den Beklagten rechtens ist, soweit es die Zukunft betrifft. Die Rücknahme auch für die Vergangenheit wurde jedoch als ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig bewertet. Der Kläger hatte die Wiedererteilung seiner Fahrerlaubnis mit einem gefälschten Gutachten erschlichen, was eine arglistige Täuschung darstellt und die Rücknahme der Fahrerlaubnis rechtfertigt. Die Kosten des Verfahrens wurden zu 80 % dem Kläger und zu 20 % dem Beklagten auferlegt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 7 A 2441/20 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  • Die Rücknahme der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis für die Zukunft wird als rechtmäßig angesehen, da der Kläger durch Vorlage eines gefälschten Gutachtens eine arglistige Täuschung begangen hat.
  • Die Rücknahme für die Vergangenheit wird als ermessensfehlerhaft bewertet, da der Beklagte keine hinreichenden Gründe für eine Rückwirkung angeführt hat.
  • Der Kläger trug die Hauptkosten des Verfahrens, da er die Fahrerlaubnis unter Vortäuschung falscher Tatsachen erwirkt hat.
  • Das Gericht stellt fest, dass die Eignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen aufgrund des Drogenkonsums und der vorherigen Verstöße gegen Verkehrsrecht nicht gegeben ist.
  • Die Anwendung von § 48 Abs. 1 VwVfG als Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Fahrerlaubnis wird als angemessen betrachtet.
  • Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Verkehrssicherheit und den Schutz anderer Verkehrsteilnehmer vor ungeeigneten Fahrern.
  • Die Ermessensentscheidung bezüglich der Rücknahme der Fahrerlaubnis auch für die Vergangenheit wird kritisch gesehen.
  • Die Wichtigkeit einer korrekten und wahrheitsgemäßen Vorlage von Unterlagen bei der Beantragung oder Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis wird betont.

Rücknahme der Fahrerlaubnis bei Wiedererteilung: Rechtliche Rahmenbedingungen und Herausforderungen

Wiedererteilung Fahrerlaubnis
(Symbolfoto: Aleksandar Malivuk /Shutterstock.com)

Die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis nach einem Entzug stellt ein komplexes rechtliches Verfahren dar, das von den zuständigen Behörden sorgfältig geprüft und entschieden werden muss. Im Fokus steht dabei die Frage, ob die Voraussetzungen für eine erneute Erteilung der Fahrerlaubnis vorliegen und ob die ursprüngliche Entziehung rechtmäßig erfolgt ist. In diesem Zusammenhang spielt § 48 Abs. 1 VwVfG eine zentrale Rolle, der die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte regelt.

Die Rechtsprechung zeigt, dass die Rücknahme einer Fahrerlaubnis strengen Voraussetzungen unterliegt und die Behörden eine sorgfältige Prüfung der Sachlage vornehmen müssen, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Dies wird unter anderem in Entscheidungen des VG Köln und des VG Trier deutlich, die die Anforderungen an die Rücknahme einer Fahrerlaubnis präzisieren. Insbesondere wird betont, dass eine Rücknahme nur erfolgen darf, wenn die ursprüngliche Entscheidung rechtswidrig war und die Rücknahme im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht.

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Der Fall des gefälschten Gutachtens und seine Folgen für die Fahrerlaubnis

Im Kern dreht sich der Fall um die Rücknahme einer Fahrerlaubnis, die aufgrund eines gefälschten medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU-Gutachten) wiedererteilt wurde. Der Kläger, dem ursprünglich wegen Trunkenheit am Steuer die Fahrerlaubnis entzogen wurde, stellte einen Antrag auf deren Wiedererteilung. Vom Beklagten wurde er daraufhin aufgefordert, ein MPU-Gutachten vorzulegen, um seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen erneut zu beweisen. Das vom Kläger eingereichte Gutachten, welches ihm eine positive Prognose bescheinigte, stellte sich jedoch als Fälschung heraus. Der Beklagte, nachdem er von der Fälschung Kenntnis erlangte, nahm die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis zurück, sowohl für die Zukunft als auch rückwirkend für die Vergangenheit.

Die rechtliche Auseinandersetzung und ihre Herausforderungen

Die rechtliche Auseinandersetzung entbrannte, als der Kläger gegen die Rücknahme seiner Fahrerlaubnis klagte. Er argumentierte, nicht ungeeignet zum Führen von Fahrzeugen zu sein und bestritt die Durchführung von Fälschungsvorgängen. Die Herausforderung in diesem Fall lag insbesondere in der Bewertung der Rechtmäßigkeit der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis auf der Basis eines gefälschten Dokuments und der daraufhin erfolgten Rücknahme durch den Beklagten. Ein wesentlicher Punkt war dabei die Frage, inwieweit die Rücknahme der Fahrerlaubnis auch für die Vergangenheit rechtens ist.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Oldenburg

Das Verwaltungsgericht Oldenburg entschied, dass die Rücknahme der Fahrerlaubnis für die Zukunft rechtmäßig sei. Begründet wurde dies damit, dass der Kläger durch die Vorlage des gefälschten Gutachtens eine arglistige Täuschung begangen habe. Hingegen wurde die Rücknahme für die Vergangenheit als ermessensfehlerhaft angesehen, da der Beklagte keine ausreichenden Gründe für eine Rückwirkung der Entscheidung darlegte. Das Gericht stellte fest, dass zur Sicherstellung der Verkehrssicherheit eine Rücknahme ex nunc ausreicht und eine Rücknahme ex tunc nicht notwendig sei.

Die Relevanz des öffentlichen Interesses und die Rolle des Ermessens

Der Fall unterstreicht die Bedeutung des öffentlichen Interesses am Schutz der Verkehrssicherheit und der Integrität des Verfahrens zur Erteilung und Wiedererteilung von Fahrerlaubnissen. Besonders hervorgehoben wurde die Notwendigkeit, dass die Entscheidungen der Fahrerlaubnisbehörden auf wahrheitsgemäßen und verlässlichen Informationen basieren müssen. Das Gericht machte deutlich, dass bei der Ausübung des behördlichen Ermessens die Bedeutung der Verkehrssicherheit und der Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrern im Vordergrund stehen muss.

Der vorliegende Fall zeigt auf, dass die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis auf der Grundlage gefälschter Dokumente nicht nur die individuelle Eignung des Betroffenen infrage stellt, sondern auch ein gravierendes Risiko für die Verkehrssicherheit darstellt. Die Entscheidung des Gerichts betont die Notwendigkeit, bei der Rücknahme von Fahrerlaubnissen sowohl das öffentliche Interesse als auch die rechtlichen Rahmenbedingungen sorgfältig abzuwägen.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was ist unter der Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis zu verstehen?

Unter der Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis versteht man die erneute Erteilung einer Fahrerlaubnis nach deren Entzug oder Verzicht. Rechtlich korrekt wird dieser Vorgang als Neuerteilung der Fahrerlaubnis bezeichnet. Die Notwendigkeit einer Neuerteilung ergibt sich, wenn einem Fahrer die Fahrerlaubnis entzogen wurde, was aus verschiedenen Gründen geschehen kann, wie beispielsweise schwerwiegende Verkehrsverstöße oder gesundheitliche Probleme, die die Fahreignung beeinträchtigen.

Die Neuerteilung der Fahrerlaubnis ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Zunächst muss eine vom Gericht oder gesetzlich festgelegte Sperrfrist abgelaufen sein. Die Sperrfrist variiert je nach Einzelfall und kann zwischen sechs Monaten und fünf Jahren liegen. In einigen Fällen, insbesondere nach schweren Verstößen oder bei Alkohol- bzw. Drogenmissbrauch, kann auch die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) erforderlich sein.

Für die Neuerteilung muss ein Antrag bei der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde gestellt werden. Dieser Antrag kann frühestens sechs Monate vor Ablauf der Sperrfrist eingereicht werden. Die Behörde prüft dann, ob der Antragsteller körperlich, geistig und charakterlich geeignet ist, ein Kraftfahrzeug zu führen. In der Regel ist keine erneute Führerscheinprüfung notwendig, sofern die Behörde keine Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers hat. Allerdings können je nach Einzelfall zusätzliche Nachweise oder Gutachten erforderlich sein.

Die Neuerteilung der Fahrerlaubnis ist also ein formalisierter Prozess, der die Überprüfung der Eignung des Antragstellers umfasst und darauf abzielt, die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten.

Was sind die Konsequenzen einer festgestellten Gutachtenfälschung für die Fahrerlaubnis?

Die Konsequenzen einer festgestellten Gutachtenfälschung für die Fahrerlaubnis können gravierend sein und umfassen sowohl strafrechtliche als auch verwaltungsrechtliche Aspekte. Im Kontext der Fahrerlaubnis bezieht sich eine Gutachtenfälschung häufig auf die Manipulation oder Fälschung von Dokumenten, die im Rahmen der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) oder anderer für die Fahrerlaubnis relevanter Gutachten erstellt werden. Solche Handlungen können zur Anfechtung der Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit des Betroffenen führen und die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis erheblich erschweren oder gar unmöglich machen.

Strafrechtliche Konsequenzen

Die Fälschung von Gutachten kann als Urkundenfälschung gemäß § 267 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs (StGB) gewertet werden. Dies kann mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden. Darüber hinaus kann der Versuch, mit gefälschten Dokumenten eine Fahrerlaubnis zu erlangen oder wiederzuerlangen, als Betrug gemäß § 263 StGB angesehen werden, was ebenfalls strafrechtliche Folgen nach sich zieht.

Verwaltungsrechtliche Konsequenzen

Aus verwaltungsrechtlicher Sicht kann die Vorlage gefälschter Gutachten bei der Fahrerlaubnisbehörde zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen, falls diese bereits erteilt wurde. Die Behörde kann aufgrund solcher Täuschungshandlungen die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen in Frage stellen. Dies kann dazu führen, dass der Betroffene erneut eine MPU absolvieren muss, um seine Fahreignung nachzuweisen. In einigen Fällen kann die Behörde auch eine längere Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis festlegen oder die Wiedererteilung gänzlich verweigern.

Die Vorlage gefälschter Gutachten im Rahmen des Fahrerlaubnisrechts kann sowohl strafrechtliche als auch verwaltungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Diese reichen von Geld- und Freiheitsstrafen wegen Urkundenfälschung und Betrug bis hin zur Entziehung der Fahrerlaubnis und der Anordnung einer erneuten MPU. Personen, die ihre Fahrerlaubnis wiedererlangen möchten, sollten daher stets den rechtmäßigen Weg einhalten und sich von der Fälschung von Dokumenten distanzieren.


Das vorliegende Urteil

VG Oldenburg – Az.: 7 A 2441/20 – Urteil vom 01.02.2024

Der Bescheid des Beklagten vom 11. August 2020 wird insoweit aufgehoben, als dass dieser die Rücknahme der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis auch für die Vergangenheit anordnet. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens zu 80 %, der Beklagte zu 20 %. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der andere Beteiligte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner ihm wiedererteilten Fahrerlaubnis für die Fahrerlaubnisklasse B.

Dem Kläger wurde mit rechtskräftigen Strafbefehl vom 12. April 2013 die Fahrerlaubnis aufgrund einer fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung durch Trunkenheit im Verkehr entzogen. In den folgenden Jahren fiel er dreimalig durch das Führen eines Kraftfahrzeugs ohne Fahrerlaubnis, in zwei Fällen unter Einwirkung eines berauschenden Mittels (THC), auf. Am 6. November 2019 stellte der Kläger einen Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis, woraufhin der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 22. November 2019 die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU-Gutachten) einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung aufgab. Das Gutachten sollte die Frage klären, ob trotz der aktenkundigen Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr nicht zu erwarten sei, dass der Kläger erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde und zudem ob der Kläger trotz der Hinweise auf einen gelegentlichen Cannabiskonsum und der Verkehrsteilnahme unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug der Gruppe 1 sicher führen könne. Das daraufhin von dem Kläger vorgelegte Gutachten des TÜV Hessen vom 5. Februar 2020 (Nr. 17/295622) kam zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass der Kläger trotz des früheren Cannabiskonsums und der Verkehrsteilnahme unter Cannabis-Einfluss ein Kraftfahrzeug der Gruppe 1 sicher führen könne und auch trotz der aktenkundigen Straftaten nicht zu erwarten sei, dass der Kläger erneut erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde. Aufgrund des positiven Gutachtens wiedererteilte der Beklagte dem Kläger am 3. April 2020 die Fahrerlaubnis. Nachdem der Beklagte Kenntnis von verschiedenen Vorfällen mit gefälschten Gutachten des TÜV Hessen erhalten hatte, kontaktierte er den TÜV Hessen, welcher dem Beklagten am 24. Juni 2020 mitteilte, dass es sich bei dem von dem Kläger übersandten Gutachten um eine Fälschung handele und das Original-Gutachten eindeutig eine negative Prognose ausstelle.

Dies nahm der Beklagte nach einer unter dem 30. Juli 2020 erfolgten Anhörung mit viertägiger Äußerungsfrist, auf die eine Reaktion nicht erfolgte, zum Anlass, mit Bescheid vom 11. August 2020 die am 3. April 2020 erfolgte Wiedererteilungsentscheidung mit Wirkung auch für die Vergangenheit zurückzunehmen und den Kläger aufzufordern, das Führerscheindokument unverzüglich bei dem Beklagten abzugeben (Nr. 1). Die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 2), ein Zwangsgeld für die Nichtbefolgung in Höhe von 2.000,00 Euro angedroht (Nr. 3) sowie den Kläger zur Kostentragung (197,63 €) verpflichtet (Nr. 4). Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die am 3. April 2020 erfolgte Erteilung der Fahrerlaubnis auf einem gefälschten Gutachten des TÜV Hessen beruht habe, sodass die Neuerteilung der Fahrerlaubnis rechtswidrig und gemäß § 1 NVwVfG i.V.m. 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG mit Wirkung für die Vergangenheit und die Zukunft zurückzunehmen sei. Die Rechtswidrigkeit ergebe sich daraus, dass die Voraussetzungen der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FEV zum Zeitpunkt der Wiedererteilung in tatsächlicher Hinsicht nicht vorlagen, da sich aus dem Original-Gutachten ein positiver Nachweis von Amphetaminen und Kokain ergebe. Das durch die Vorschrift des § 48 Abs. 1 VwVfG eingeräumte Ermessen sei auf Null reduziert, da – was das Gutachten zeige – der Drogenkonsum noch verstärkt worden sei. Auf Vertrauen gemäß § 48 Abs. 2, 3 VwVfG könne der Kläger sich gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG nicht berufen, weil er die Fahrerlaubnis im Wege einer arglistigen Täuschung erlangt habe. Es bestehe ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, die Erteilung der Fahrerlaubnis mit sofortiger Wirkung zurückzunehmen, weil andere Verkehrsteilnehmer vor den Gefahren zu schützen seien, die von unter Betäubungsmitteleinfluss stehenden Verkehrsteilnehmern ausgingen.

Der Kläger hat gegen diesen Bescheid am 10. September 2020 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, dass er nicht ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei, was das beantragte Sachverständigengutachten ergeben werde. Weiter lässt der anwaltlich vertretene Kläger über die Vorlage der Einlassung im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 17. September 2020 an die Staatsanwaltschaft Oldenburg darauf hinweisen, dass er keine Fälschungsvorgänge durchgeführt und auch keine Dritten hierzu gebeten habe. Das Gutachten mit dem positiven Ergebnis habe sich auf Originalpapier mit Sicherheitsmerkmalen befunden. Dies könne deswegen nicht mehr festgestellt werden, weil der Beklagte dieses Gutachten vernichtet habe. Die begutachtenden Ärzte würden nicht von der Schweigepflicht gemäß § 53 StPO entbunden. Der Kläger beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 11.08.2020 aufzuheben und dem Kläger die Fahrerlaubnis der Klasse B wiederzuerteilen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte auf den Rücknahmebescheid. Der Kläger habe keine weiteren Aspekte vorgetragen. Er habe seine ihm unterstellte Fahreignung nur durch die Vorlage eines gefälschten Gutachtens wiedererlangen können. Im Original-Gutachten sei Kokain und Amphetamin positiv nachgewiesen worden. Der einmalige Konsum dieser Hartdrogen genüge nach der Rechtsprechung, um eine Nichteinigung zum Führen von Kraftfahrzeugen festzustellen. Eines weiteren Gutachtens hätte es nicht bedurft.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 1. November 2023 (Kläger) sowie vom 23. November 2023 (Beklagter) ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erklärt. Mit Schriftsätzen vom 7. Oktober 2023 (Beklagter) und 23. Januar 2024 (Kläger) haben die Beteiligten zudem ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe

Über die Klage konnte im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§§ 87a Abs. 2, 3, 101 Abs. 2 VwGO).

I.

Die zulässige Anfechtungsklage ist überwiegend nicht begründet. Der angegriffene Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig, soweit er die Rücknahme der Fahrerlaubnis für die Zukunft (ab Erlass des Bescheides) anordnet, dem Kläger ein Zwangsgeld androht und Gebühren und Auslagen erhebt und verletzt den Kläger insoweit nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Als ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig erweist sich jedoch die Rücknahme der Fahrerlaubnis auch für die Vergangenheit.

1. Der Beklagte hat den Bescheid zu Recht auf § 1 NVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG und nicht auf § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV gestützt.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Entziehung bzw. Rücknahme der Fahrerlaubnis knüpft somit an die ursprünglich rechtswidrig erteilte Fahrerlaubnis an. Nach § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Diese Vorschriften ermöglichen somit eine Entziehung der Fahrerlaubnis unabhängig von der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Fahrerlaubniserteilung im Falle der festgestellten Nichteignung. Eine Exklusivität dieser Rechtsgrundlagen mit der Folge des Vorrangs der § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV besteht nach Auffassung des Berichterstatters nicht.

a) Nach (wohl) herrschender obergerichtlicher Auffassung sind indes die Vorschriften der § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV – jedenfalls sofern die Frage der Eignung zu beurteilen ist – vorrangig vor den landesrechtlichen Vorschriften der § 1 NVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG anzuwenden. Nach dieser Rechtsprechung würden die Vorschriften der § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht nur für den Fall nachträglich eingetretener Umstände, die der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs entgegenstehen, ermöglichen, sondern die Entziehung erweise sich auch dann als möglich, wenn die zur Nichteignung führenden Umstände bereits im Zeitpunkt ihrer Erteilung vorlagen (Nds. OVG, Beschluss vom 27. September 1991 – 12 M 7440/91 –, Rn. 2, juris; OVG Hamburg, Beschluss vom 30. Januar 2002 – 3 Bs 4/02 –, Rn. 24, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Dezember 1991 – 10 S 2855/91 –, Rn. 3, juris; Hess. VGH, Urteil vom 4. Juni 1985 – 2 OE 65/83, NJW 1985, 2900, 2900). Damit knüpft die Entziehung nach § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV an die gleichen Umstände an, die auch im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Fahrerlaubniserteilung und damit im Rahmen des § 48 Abs. 1 VwVfG zu berücksichtigten wären. Dies hat zur Folge, dass die Vorschriften der § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV in Konkurrenz zu den landesrechtlichen Vorschriften der § 1 NVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG treten, die nach Art. 31 GG jedenfalls dann zurückzutreten haben, soweit das Bundesrecht abschließende Regelungen trifft. Hieraus schlussfolgert die genannte (wohl) überwiegende Rechtsprechung, dass die Rechtsgrundlagen der § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV vorrangig vor § 1 NVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG anzuwenden seien, da es sich um eine abschließende Regelung handele. Dies begründet die genannte Rechtsprechung damit, dass bei einer festgestellten Nicht-Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen die Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs so schwerwiegend seien, dass die Fahrerlaubnis im Rahmen der § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV, wonach kein Ermessen eingeräumt ist, zwingend zu entziehen sei und eine – in §§ 48 ff. VwVfG angelegte – Ermessens- und Vertrauensschutzprüfung diesem bundesgesetzgeberischen Schutzinteresse widerspräche (Nds. OVG, Beschluss vom 27. September 1991 – 12 M 7440/91 –, Rn. 2, juris; OVG Hamburg, Beschluss vom 30. Januar 2002 – 3 Bs 4/02 –, Rn. 24, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Dezember 1991 – 10 S 2855/91 –, Rn. 3, juris; Hess. VGH, Urteil vom 4. Juni 1985 – 2 OE 65/83, NJW 1985, 2900, 2900).

b) Die Vorschriften § 1 NVwVfG i.V.m. §§ 48 ff. VwVfG dürften indes nach der genannten Rechtsprechung dann anwendbar bleiben, wenn die Rücknahme der Fahrerlaubnis nicht an die fehlende Eignung (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 StVG) anknüpft, sondern an das Fehlen anderer in § 2 Abs. 2 StVG genannter für die Erteilung einer Fahrerlaubnis erforderlichen Umstände. Hierfür spricht auch die Formulierung des Verordnungsgebers zur StVO in Nr. 206 Anlage (zu § 1) Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt). Nach dieser Vorschrift werden für die „Entziehung, Widerruf oder Rücknahme einer Fahrerlaubnis“ Gebühren erhoben. Damit geht offensichtlich auch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung davon aus, dass die Fahrerlaubnis nicht nur gemäß § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV entzogen, sondern auch gemäß §§ 48 ff. VwVfG widerrufen und zurückgenommen werden kann.

Nach Auffassung des Berichterstatters bleiben die landesrechtlichen Vorschriften der § 1 NVwVfG i.V.m. §§ 48 ff. VwVfG zudem auch dann anwendbar, wenn die Behörde die Rücknahme/Entziehung der Fahrerlaubnis auf eine ursprünglich nicht bestehende Fahreignung stützten möchte. Hierfür spricht, dass die Vorschriften der § 1 NVwVfG i.V.m. §§ 48 ff. VwVfG einerseits und § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV andererseits nach der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung andere zeitliche Anknüpfungspunkte aufweisen (dazu aa]) und insbesondere, dass in diesen Vorschriften eine jeweils andere materielle Beweislastverteilung angelegt ist (dazu bb]). Schließlich ist auch eine Umgehung des gesetzgeberischen Willens nicht ersichtlich (dazu cc]).

aa) Maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Fahrerlaubnisentziehung ist nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 – 3 C 2/10 –, BVerwGE 137, 10-20, Rn. 11; Urteil vom 23. Oktober 2014 – 3 C 3/13 –, Rn. 13, juris; Urteil vom 11. April 2019 – 3 C 8/18 –, Rn. 12, juris). Während zwar im streitgegenständlichen Fall auf Grund der zeitlichen Nähe der Entdeckung der Fälschung (24. Juni 2020) zur Einreichung der Fälschung (3. April 2020) unter Umständen auch im Rahmen einer Entziehung nach § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV noch aus dem – sodann im Juni vorliegenden – negativen Original-Gutachten auf eine fehlende aktuelle Eignung des Klägers hätte geschlossen werden können, dürfte ein solcher Schluss jedenfalls dann nicht mehr möglich sein, wenn nach (Wieder)erteilung der Fahrerlaubnis einige Zeit, unter Umständen Jahre, vergangen ist mit der Folge, dass zum Nachweis der Nichteignung unter Umständen ein erneutes medizinisch-psychologisches Gutachten anzuordnen wäre. Dagegen stellt es sich auf tatbestandlicher Ebene des § 1 NVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG als stets ausreichend dar, dass zum Zeitpunkt der rechtswidrigen (Wieder)Erteilung der Fahrerlaubnis die Eignung nicht festgestellt werden konnte, ein (erneutes) medizinisch-psychologisches Gutachten wäre gerade nicht anzuordnen.

bb) Selbst, wenn man mit der genannten Rechtsprechung annähme, dass ausnahmsweise auch im Rahmen der § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV auf den Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis abgestellt werden darf und nicht auf den Zeitpunkt der Entziehung abzustellen ist, begründet dies nach Auffassung des Berichterstatters keinen Vorrang dieser Regelungen.

Zwar würde scheinbar kein Unterschied – jedenfalls sofern nur die Frage der Eignung im Raum steht – zu den im Rahmen des § 48 Abs. 1 VwVfG zu prüfenden Voraussetzungen bestehen, da stets die fehlende Eignung zum Zeitpunkt der (Wieder)Erteilung zu prüfen wäre. Ein nicht unerheblicher Unterschied bleibt indes hinsichtlich der Verteilung der materiellen Beweislast bestehen. Verträte man die Auffassung einer Exklusivität/Vorrangigkeit der § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV führte dies nämlich dazu, dass im Falle der Entziehung der Fahrerlaubnis nach rechtswidriger (Wieder)Erteilung nach den § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV dem Bürger die materielle Beweislast dafür abgenommen wäre, dass er bei einer Erst- oder Wiedererteilung der Fahrerlaubnis seine Fahrtauglichkeit nachweisen muss. Ein solches Verständnis wäre mit den im StVG angelegten materiellen Beweislastregeln nicht zu vereinbaren. Zwar liegt die materielle Beweislast auch bei präventiven Verboten mit Erlaubnisvorbehalt regelmäßig beim Staat. Dies gilt jedoch nur insoweit die Grundrechtsausübung zwar für erlaubnisbedürftig erklärt wird und sodann lediglich Umstände angeführt werden, unter denen die Erlaubnis versagt wird. Gestaltet sich das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt jedoch – wie im Rahmen der Fahrerlaubniserteilung gemäß § 2 StVG – so, dass die Erlangung der Erlaubnis von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig gemacht wird, liegt die Beweislast beim Erlaubnisbewerber (Schoch/Schneider/Dawin, 44. EL März 2023, VwGO § 108 Rn. 106; Rebler, NZV 2021, 184, 184). Auch im – hier streitgegenständlichen – Wiedererteilungsverfahren liegt die materielle Beweislast daher beim Wiedererlaubnisbewerber (Rebler, NZV 2021, 184, 185). Dagegen findet sich eine dahingehende materielle Beweislast, die weitere Eignung fortlaufend nachzuweisen, in den Vorschriften für die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV indes gerade nicht wieder (Rebler, NZV 2021, 184, 185). Die Behörde hat damit die fehlende Eignung nachzuweisen.

cc) Auch die nachvollziehbaren Bedenken, dass der Wille des Bundesgesetzgebers, nämlich die im Interesse der Verkehrssicherheit stehende unbedingte Verpflichtung zur Entziehung der Fahrerlaubnis, bei einer Anwendung der § 1 NVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG keine Berücksichtigung finden würde, führen im Ergebnis zu keiner anderen Bewertung. Die zwingende Verpflichtung, die Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV zu entziehen, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt sind, wird nämlich dann nicht unterlaufen, wenn die Bestimmungen der § 1 NVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG und § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV nicht in einem Exklusivitäts-, sondern einem Alternativ- bzw. Ergänzungsverhältnis stehend verstanden werden. Nach einem solchen Verständnis wäre – sofern die Voraussetzungen der § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV zum genannten entscheidungserheblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung vorliegen – die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen. Es wäre aber auch möglich – sofern (nur/auch) die Voraussetzungen der § 1 NVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG vorliegen – die Fahrerlaubnis zurückzunehmen (in diese Richtung auch Hess. VGH, Urteil vom 4. Juni 1985 – 2 OE 65/83, NJW 1985, 2900, 2900: „Insoweit wird § 48 I HessVwVfG von den entgegenstehenden bundesrechtlichen Bestimmungen über die Entziehung der Fahrerlaubnis verdrängt“ [Herv. d. d. Verf.]; auf eine Verdrängung „insoweit“ abstellend auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Dezember 1991 – 10 S 2855/91 –, Rn. 3, juris).

Damit bestehen nach Auffassung des Berichterstatters solche Anwendungsfälle, in denen die tatbestandlichen Voraussetzungen der § 1 NVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG im Ergebnis weniger voraussetzungsvoll sind als diejenigen des § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV. Dass § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV auch solche weniger voraussetzungsvollen Fälle abschließend sperren wollte, ist angesichts des gewichtigen Ziels der Sicherstellung der Verkehrssicherheit nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass derjenige, der sich seine (Wiedererteilung der) Fahrerlaubnis auf unlauteren Wege erschlichen hat, im Rahmen der materiellen Beweislast bessergestellt sein sollte, als derjenige, der sich noch im (Wieder)Erteilungsverfahren befindet. Vor diesem Hintergrund begegnet es nach Auffassung des Berichterstatters auch keinen grundsätzlichen Bedenken, über § 48 Abs. 1 VwVfG – anders als bei § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV – die Rücknahme von Anfang an (ex tunc) zu ermöglichen. Etwaigen unbilligen bei einer solchen Rücknahme entstehenden Härten können im Rahmen der Vertrauensschutzvorschriften und des Ermessens begegnet werden.

2. Die Voraussetzungen des § 1 NVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG liegen vor.

a) Dem Kläger wurde die Fahrerlaubnis rechtswidrig wiedererteilt. Da der Kläger vor dem letzten Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis mehrfach und wiederholt ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln (Cannabis) führte sowie mehrfach im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehende Straftaten (Fahren ohne Fahrerlaubnis) beging, durfte der Beklagte nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV und § 11 Abs. 3 Nr. 5 FeV vor Wiedererteilung der Fahrerlaubnis die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen und die Wiedererteilung von einer positiven gutachterlichen Prognose abhängig machen.

An einem solchen positiven Gutachten fehlte es. Zwar hat der Kläger ein positives medizinisch-psychologisches Gutachten vorgelegt, welches vom TÜV Hessen, einer Begutachtungsstelle für Fahreignung, stammt. Dieses Gutachten stellt sich indes als Fälschung dar. Soweit der Kläger vorbringt, er habe keine Fälschung erstellt, hält das Gericht dies für eine völlig pauschal gebliebene Schutzbehauptung. Der TÜV Hessen hat auf die Nachfrage des Beklagten mitgeteilt, dass das Gutachten nicht durch ihn erstellt wurde, sein Gutachten vielmehr eine negative Prognose ausstelle. Es hätte für den Kläger angesichts dessen nahegelegen zu erklären, wie er denn in den Besitz des positiven Gutachtens, welches er dem Beklagten vorlegt, gekommen ist. Diese sich geradezu aufdrängenden Angaben macht der Kläger jedoch nicht. Es fehlt damit an einem die wiedergewonnene Fahreignung belegenden, auf einem zutreffenden Sachverhalt beruhenden medizinisch-psychologischen Gutachten mit der Folge, dass der Kläger die Eignungszweifel, die aufgrund seiner Fahrten unter Betäubungsmitteleinfluss entstanden waren, nicht ausräumen konnte.

Einer Beweiserhebung bedurfte es nicht. Der Kläger hat auf eine Vorabentscheidung über seinen in der Klageschrift angekündigten Beweisantrag durch das zeitlich nachgelagerte Einverständnis in eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung verzichtet (BeckOK VwGO/Breunig, 67. Ed. 1.10.2023, VwGO § 86 Rn. 91). Dem angekündigten Beweisantrag war auch nicht von Amts wegen nachzugehen, da die vom Kläger begehrte Beweiserhebung jedenfalls untauglich ist, da eine etwaig im Jahr 2024 durchzuführende Begutachtung der Eignung des Klägers nichts an der hier allein streitgegenständlichen Frage, ob das Gutachten aus dem Jahr 2020 gefälscht war, ändern würde.

b) Die Rücknahme der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis erweist sich für die Zukunft auch als ermessensfehlerfrei. Insbesondere ergibt sich aus dem Original-Gutachten des TÜV Hessen, dass zum Zeitpunkt der Ermessensentscheidung zu erwarten war, dass der Kläger auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Cannabis führen und auch zukünftig erheblich gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird. Die Entscheidung erweist sich damit vor dem Hintergrund des hohen Gutes der Verkehrssicherheit als verhältnismäßig und insbesondere angemessen.

Als ermessensfehlerhaft erweist es sich jedoch, die Rücknahme für die Vergangenheit anzuordnen. Zwar weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass im Rahmen der Ermessensentscheidung die Vorschriften des § 1 NVwVfG i.V.m. §§ 48 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Absatz 2 Satz 3 Nr. 1 und 2 VwVfG zu berücksichtigen sind, nach welchen sich der Begünstigte auf ein Vertrauen nicht berufen kann, wenn er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung oder unrichtige Angaben erwirkt hat. Auch wenn dies auf Grund der nicht substantiiert in Frage gestellten Fälschung des Gutachtens der Fall war, fehlen dem Bescheid jegliche Ausführungen dazu, warum die Fahrerlaubnis gerade auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist. Insofern der Beklagte seine Ermessensentscheidung insbesondere mit der Gefahr für die Verkehrssicherheit begründet, ist zur Sicherstellung dieser gerade nicht erforderlich, die Fahrerlaubnis ex tunc zu entziehen, sondern vielmehr genügt diesbezüglich die Entziehung ex nunc. Die tatsächlichen Auswirkungen einer Entziehung der Fahrerlaubnis ex tunc, nämlich, dass der Kläger die Voraussetzungen des Tatbestandes des Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) für die Zeit seit rechtswidriger Fahrerlaubniserteilung erfüllen könnte (deswegen skeptisch in Bezug auf die Entziehung ex tunc: Nds. OVG, Beschluss vom 27. September 1991 – 12 M 7440/91 –, Rn. 2, juris), nimmt der Beklagte dagegen ermessensfehlerhaft nicht in den Blick.

3. Lediglich rein vorsorglich und zur Begründung, warum die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO mangels „Beruhen“ nicht zuzulassen war, wird darauf hingewiesen, dass der Klage der Erfolg auch versagt bleiben würde, wenn der Regelungsinhalt des Bescheides auf § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV gestützt werden müsste und eine Anwendung der § 1 NVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG nicht in Betracht käme. Ein Austausch der Rechtsgrundlage würde zu keiner Wesensänderung des Verwaltungsaktes führen (BVerwG, Urteil vom 21. November 1989 – 9 C 28/89 –, Rn. 12, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. Februar 2005 – 15 A 1065/04 –, Rn. 102, juris) und wäre daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zulässig. Die Voraussetzungen der § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV liegen auch vor. Aus dem Original-Gutachten des TÜV Hessen ergibt sich, dass zu erwarten war, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes der Kläger auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Cannabis führen und auch zukünftig erheblich gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird, er mithin ungeeignet im Sinne von § 3 Abs. 1 StVG ist. Auch diese Rechtsauffassung zu Grunde gelegt, könnte eine im Jahr 2024 durchzuführende Begutachtung der Eignung des Klägers offensichtlich nicht seine Eignung im Jahr 2020 beweisen, sodass auch unter Anwendung der Rechtsgrundlagen der § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV dem von dem Kläger angekündigten Beweisantrag nicht nachzukommen wäre.

4. Die Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins folgt rechtmäßig aus § 3 Abs. 2 Satz 4 StVG. Die Entziehung der Fahrerlaubnis folgt hier „aus anderen Vorschriften“ im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 4 StVG. Der Antrag des Klägers, ihm den Führerschein „wiederzuerteilen“ bleibt damit ebenso ohne Erfolg.

5. Die der Durchsetzung der Verpflichtung dienende Zwangsmittelandrohung beruht rechtmäßig auf § 70 NVwVG i. V. m. §§ 64 Abs. 1, 65 Abs. 1 Nr. 2, 67 NPOG.

6. Die Kostenentscheidung, gegen die im Übrigen auch keine Einwände erhoben wurden, beruht rechtmäßig auf § 6a Abs. 1 StVG i.V.m. § 1 GebOSt. Dabei sind die Auslagen in Höhe von 2,63 € gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt ersatzfähig und die Gebühren gemäß Nr. 206 Anlage (zu § 1) 206 GebOSt. Nach dieser Regelung können für die Rücknahme der Fahrerlaubnis Gebühren in Höhe von 33,20 € bis 256,00 € erhoben werden. Die Gebührenfestsetzung in Höhe von 195,00 € ist insofern nicht zu beanstanden.

II.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Danach waren dem Kläger der weit überwiegende Teil der Kosten aufzuerlegen, weil nach seinem Antrag und seiner Klagebegründung der Schwerpunkt seines Rechtsschutzinteresses darin bestand, die Fahrerlaubnis auch für die Zukunft behalten zu können, ihm mit diesem Antrag aber kein Erfolg beschieden war.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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