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Widerruf von roten Dauerkennzeichen – fehlende Zuverlässigkeit des Inhabers

VG Bremen – Az.: 5 V 2096/21 – Beschluss vom 22.02.2022

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Antragsteller wendet sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen den Widerruf der Zuteilung zweier roter Dauerkennzeichen und gegen die ihm auferlegte Pflicht zur Abgabe dieser Kennzeichen.

Er betreibt einen Gebrauchtwagenhandel in der … in Bremen …. 2012 teilte das damalige Stadtamt ihm zwei rote Dauerkennzeichen (HB- … und HB- …) zu. Im Dezember 2012 fuhr er ein Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen HB-06 …, das nicht in das Fahrzeugscheinheft eingetragen war, und gab an, die Eintragung erstmalig vergessen zu haben. Im April 2013 konnte er für das von ihm geführte Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen HB- …in Fahrzeugscheinheft vorzeigen. Wegen Fehlens des Kfz-Haftpflichtversicherungsschutzes für das Kennzeichen HB-…ordnete das Stadtamt im Juni 2013 die Zwangsstilllegung des Kennzeichens an. Bei der Neubeantragung des Fahrzeugscheinheftes für das Kennzeichen HB- … legte der Antragsteller das alte Fahrzeugscheinheft vor, in dem ein Kraftfahrzeug auf einer Leerseite eingetragen war.

Bei einer Verkehrskontrolle im März 2018 auf der BAB 1 in Scharbeutz wurde ein Opel Insignia mit dem Kennzeichen HB- … angehalten. Der Fahrer, Herr …, konnte das Fahrzeugscheinheft nicht vorlegen. Ausweislich eines vorgelegten Kaufvertrages hatte dieser das Kraftfahrzeug am selben Tag von Herrn …, dem Bruder des Antragstellers, erworben. Herr … gab an, das rote Kennzeichen zur Überführung nach … erhalten zu haben, von wo er es per Post an den Antragsteller zurücksenden solle. Im Juli 2019 vermerkte das Bürgeramt, dass das Fahrzeugscheinheft und das Fahrtenbuch zum Kennzeichen HB-… „ohne Beanstandungen“ seien. Im Oktober 2020 zeigte der Antragsteller an, dass das Kennzeichen HB- … gestohlen worden sei, woraufhin ihm ersatzweise das rote Kennzeichen HB- …geteilt wurde.

Am 16.07.2021 gegen 14.40 Uhr stellte die Polizei auf einer Baustelle in der … in Ritterhude fest, dass das Kennzeichen HB-… an einem dort abgestellten VW Crafter angebracht war. Ausweislich des Polizeivermerks hielten sich zwei „sichtlich nervöse“ Personen am Transporter auf und schauten in dessen geöffneten Motorraum. Einer von ihnen war der Neffe des Antragstellers, der zu diesem Zeitpunkt 17jährige …. Auf der Ladefläche des Transporters befanden sich Paletten und mehrere Gebinde mit Mineralputzen. Herr … habe zunächst angegeben, dass er ein selbstständiger Geschäftsmann sei und der Transporter ihm, das Kennzeichen jedoch seinem Onkel gehöre. Mit dem Transporter, der als Zwischenlager genutzt werde, wolle er Bauabfälle entsorgen. Die roten Kennzeichen wurden im Laufe des Gesprächs mit den Polizeibeamten unbemerkt demontiert.

Im Fahrzeugscheinheft für das Kennzeichen HB-06 … ist unter dem Datum 27.06.2021 ein VW Crafter mit der (unvollständigen) Fahrzeugidentifizierungsnummer … eingetragen. Das Fahrtenbuch enthält zum VW Crafter mit gleichlautender Fahrzeugidentifizierungsnummer folgende Eintragungen:

27.06.2021

………………………

Bremen

Fahrzeugführer …

 

14.00 – 15.00

…………………….

Bremen-Ritterhude

16.07.2021

…………………

Bremen Ritterhude

Fahrzeugführer: …

19.40 – 20.20

……………………

Bremen … (letzteres unleserlich)

……………………..

Mit Schreiben vom 02.08.2021 forderte das Bürgeramt den Antragsteller zur Vorlage der Fahrzeugscheinhefte und der Fahrtenbücher der Kennzeichen HB- u… HB- … bis zum 16.08.2021 auf, worauf dieser zunächst nicht reagierte. Unter dem 25.08.2021 hörte das Bürgeramt den Antragsteller zum beabsichtigten Widerruf der Erteilung der roten Dauerkennzeichen und Fahrzeugscheinhefte an. Er sei aufgrund des Vorfalls vom 16.07.2021 und ähnlicher Vorfälle in der Vergangenheit unzuverlässig. Am 03.09.2021 legte Herr …, für den beim Bürgeramt eine Generalvollmacht des Antragstellers vorliegt, dem Bürgeramt die Fahrzeugscheinhefte und die Fahrtenbücher für beide roten Kennzeichen des Antragstellers vor. Er gab an, dass er den VW Crafter mit dem roten Kennzeichen am 16.07.2021 zwecks Überführung zur Baustelle des Käufers des Transporters nach Ritterhude gefahren und dort abgestellt habe. Das Kennzeichen habe er jedoch nicht abmontiert. Er sei Geschäftsführer der Firma des Antragstellers und mit einem entsprechenden Arbeitsvertrag angestellt. Ergänzend ließ der Antragsteller über seinen Prozessbevollmächtigten vortragen, dass Herr … den VW Crafter am 16.07.2021 gegen 10.00 Uhr vom Betriebsgelände in Bremen … zum Grundstück in Ritterhude gefahren und dabei das Kennzeichen HB-0… verwendet habe. Der Transporter sei am 14.07.2021 an die Firma … veräußert und vereinbarungsgemäß nach Ritterhude überführt worden, wo der Käufer Arbeiten verrichte und den Transporter mit einem neuen Kennzeichen habe abholen wollen. Der Antragsteller übersandte eine nichtdatierte Rechnung (Kaufdatum: 14.07.2021) zum Erwerb eines VW Crafters mit der Fahrgestell-Nr. … sowie eine schriftliche Bestätigung eines Herrn … vom 03.09.2021, in der es heißt, dass er den Transporter gekauft und am Abend des 16.07.2021 vereinbarungsgemäß auf dem Grundstück in Ritterhude abgeholt habe. Das rote Kennzeichen sei bei der Übernahme nicht mehr am Transporter angebracht gewesen.

Mit Bescheid vom 29.09.2021 widerrief das Bürgeramt die Zuteilung der roten Dauerkennzeichen HB-06 …und HB- …mit Wirkung für die Zukunft (Ziffer 1) und ordnete die Vorlage der Kennzeichen und Fahrzeugscheinhefte innerhalb von fünf Tagen nach Zustellung des Bescheides an (Ziffer 2). Zudem ordnete es die sofortige Vollziehung der Verfügung an (Ziffer 3). Die Zuteilung könne gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 3 BremVwVfG widerrufen werden, weil der Antragsteller nicht mehr als zuverlässig anzusehen sei. Er habe angeforderte Unterlagen nicht vorgelegt, die roten Dauerkennzeichen an unberechtigte Dritte vergeben, für keinen ordnungsgemäßen Versicherungsschutz gesorgt, Dokumentations- und Sorgfaltspflichten missachtet und die erforderlichen Dokumente nicht mitgeführt. Sein Vorbringen zum Vorfall am 16.07.2021 sei aufgrund der Widersprüche zu den Eintragungen im Fahrzeugscheinheft und Fahrtenbuch unglaubhaft. Es werde nicht verkannt, dass der Widerruf für den Antragsteller eine gewisse Erschwernis bedeute. Es sei ihm aber zumutbar, Kurzzeitkennzeichen zu beantragen oder Kraftfahrzeuge regulär anzumelden. Der Widerruf sei auch verhältnismäßig, da mehrmals und wiederholt auf die Pflichten beim Führen eines roten Dauerkennzeichens hingewiesen worden sei. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei im öffentlichen Interesse geboten. Aufgrund der genannten Sachverhalte bedeute das Fehlen der Zuverlässigkeit des Antragstellers eine Gefahr für die Allgemeinheit.

Dagegen erhob der Antragsteller am 08.10.2021 Widerspruch. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei schon formell rechtswidrig, da sie den Anforderungen aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht gerecht werde. Die Begründung stelle lediglich allgemein auf die Gefahr für die Allgemeinheit durch unzuverlässige Personen ab und wiederhole sodann die Gründe, die bereits für die Begründung der Unzuverlässigkeit herangezogen worden seien. Er sei auch nicht unzuverlässig, da die Vorfälle aus den Jahren 2012 bis 2014 nicht in die Gesamtschau eingestellt werden dürften. Eintragungen auf Leerseiten des Fahrzeugscheinheftes seien nur in Erfüllung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Eintragung erfolgt, da ein neues Heft nicht verfügbar gewesen sei. Die unvollständige Angabe der Fahrzeugidentifizierungsnummer sei unerheblich, da durch die Angabe der Art und des Herstellers eine Identifizierung des jeweiligen Kraftfahrzeugs gewährleistet und der Normzweck der Nachvollziehbarkeit eingehalten sei. Die Führung der Fahrzeugscheinhefte sei bei Überprüfungen in der Vergangenheit nie beanstandet, sondern abgestempelt worden. Hinsichtlich des Vorfalls vom 16.07.2021 sei Herrn … im Fahrtenbuch lediglich ein Schreibfehler unterlaufen. Tatsächlich sei der Transporter von 09.40 bis 10.20 Uhr in Betrieb gewesen. Auch den Ausgangspunkt und das Endziel habe Herr … vertauscht. Die Aussagen des Herrn … zur eigenen Geschäftstätigkeit seien unwahr und nur erfolgt, um den Polizeibeamten aus jugendlichem Leichtsinn heraus zu imponieren. Soweit bei einigen Eintragungen im Fahrtenbuch die Angabe des Endziels fehle, sei auf die Angabe verzichtet worden, weil der Ausgangspunkt dem Endpunkt entsprochen habe. Der allein verbleibende Verstoß durch die Weitergabe des roten Kennzeichens im März 2018 an Herrn … rechtfertige den Widerruf nicht. Insoweit sei auch die Jahresfrist aus §§ 49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 BremVwVfG verstrichen. Des Weiteren sei das Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt worden, da die Behörde im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung lediglich Floskeln verwendet habe und er in seiner Berufsfreiheit verletzt sei. Antragstellungen für Kurzzeitkennzeichen seien mit erheblichen Kosten und Zeitaufwand verbunden und kurzfristige Probefahrten dadurch unmöglich, was zu finanziellen Einbußen und einem schlechten Ruf als Händler führe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2021 wies die Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau den Widerspruch zurück. Selbst wenn die Fahrtenbucheintragungen vom 16.07.2021 versehentlich vertauscht worden seien, sei mit dem Eintrag vom 27.06.2021 nicht erklärbar, wie der VW Crafter wieder nach Bremen-… gelangt sei. Zudem sei bislang auch nicht nachgewiesen, dass Herr … zum berechtigten Personenkreis des Geschäftsbetriebes des Antragstellers zähle. Es bestehe kein milderes Mittel, um die Durchsetzung der Regelung der Zulassungs- und Straßenverkehrsvorschriften zu gewährleisten. Gemäß § 16 Abs. 2 FZV stehe der Behörde insoweit kein Ermessen zu. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei notwendig, da ansonsten die Gefahr bestünde, dass Fahrten ohne ausreichenden Haftpflichtversicherungsschutz durchgeführt werden, womit das Vermögen und die Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer bei weiterer Nutzung der Kennzeichen erheblich gefährdet seien. Der Widerspruchsbescheid ist am 13.12.2021 zugestellt worden.

Der Antragsteller hat am 11.01.2022 Klage erhoben (Aktenzeichen 5 K 99/22) und bereits am 08.10.2021 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er wiederholt sein Vorbringen aus der Widerspruchsbegründung.

Er beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen den Bescheid des Bürgeramtes Bremen – KFZ Zulassungen – vom 29.09.2021, zugestellt am 04.10.2021 (Zeichen: -21-/HB- … B-), wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin tritt dem Eilantrag entgegen und vertieft ihr bisheriges Vorbringen. Die Angaben des Antragstellers zum Vorfall vom 16.07.2021 seien insbesondere auch deshalb unglaubhaft, da der angeblich verkaufte VW Crafter laut einer Abfrage beim Kraftfahrtbundesamt am 03.09.2021 noch nicht wieder angemeldet worden sei und ein Irrtum bei einer Eintragung im Fahrtenbuch um zehn Stunden nicht nachvollziehbar sei. Es handele sich ersichtlich um Schutzbehauptungen, die auch durch die Angaben des Herrn … widerlegt seien. Selbst wenn die Behauptungen des Antragstellers stimmten, läge in der Überlassung des Kennzeichens an den Käufer für mindestens einen Arbeitstag ein erheblicher Pflichtverstoß. Die Vorfälle aus den Jahren 2012 und 2013 könnten zudem berücksichtigt werden, da die Prognose des § 16 FZV nicht durch die Fristbestimmungen in §§ 49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 BremVwVfG begrenzt sei. Beim Wegfall der Zuverlässigkeit käme der Einwand der Unverhältnismäßigkeit nur in extremen, hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen in Betracht. Auf Nachfrage des Gerichts, ob die roten Dauerkennzeichen befristet oder unbefristet, dafür aber widerruflich zugeteilt wurden, teilte die Antragsgegnerin mit, dass die dem Antragsteller zugeteilten Dauerkennzeichen unbefristet seien und sich die im Verwaltungsvorgang angesprochenen Befristungen nur auf die zugehörigen Fahrzeugscheinhefte bezögen; schriftliche Bescheide über die Zuteilung der Kennzeichen existierten nicht.

II. Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufes der Zuteilung der roten Dauerkennzeichen und der Aufforderung, diese innerhalb von fünf Tagen vorzulegen, ist formell ordnungsgemäß ergangen. Sie genügt den Anforderungen, die § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO an die Begründung stellt. Eine hinreichende Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO setzt voraus, dass die Anordnung mit einer auf den konkreten Einzelfall bezogenen und nicht lediglich formelhaften schriftlichen Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der Eilbedürftigkeit der Maßnahme versehen wird (vgl. OVG Bremen, Urt. v. 24.09.2020 – 2 B 187/20 –, juris Rn. 15). Dem wird die Begründung im Bescheid vom 29.09.2021 gerecht. Das Bürgeramt hat durch den Verweis auf die Sachverhalte, die es bereits zur Begründung der Unzuverlässigkeit herangezogen hat („aufgrund der o.g. Sachverhalte“), einen hinreichenden Einzelfallbezug hergestellt. Die Behörde kann sich zudem zur Begründung der Anordnung, insbesondere bei Maßnahmen der Gefahrenabwehr, auch auf die den Verwaltungsakt selbst tragenden Erwägungen stützen, wenn die den Erlass des Verwaltungsaktes rechtfertigenden Gründe zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung belegen (st. Rspr. der Kammer, vgl. nur: VG Bremen, Beschl. v. 21.04.2020 – 5 V 580/20 –, juris Rn. 18 f. zur Fahrerlaubnisentziehung). Die Begründung des Sofortvollzuges gibt zu erkennen, dass die Gründe, die aus Sicht des Bürgeramtes den Widerruf der Zuteilung der Dauerkennzeichen rechtfertigen, auch zur Begründung der besonderen Dringlichkeit eingestellt wurden.

2. Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung geht zuungunsten des Antragstellers aus.

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen, wobei es eine eigene Abwägungsentscheidung trifft. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Maßgebliches Kriterium bei der vorzunehmenden Interessenabwägung sind zunächst die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, überwiegt regelmäßig das private Aussetzungsinteresse das gegenläufige öffentliche Vollziehungsinteresse. Stellt sich der Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig dar, bedarf es grundsätzlich auch bei Vorliegen eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes eines besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung.

Diese Interessenabwägung führt vorliegend zu einem Überwiegen des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung der Widerrufs- und Abgabeverfügung gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Vollziehung bis zur Klärung der Rechtmäßigkeit der Verfügung im Klageverfahren verschont zu bleiben. Bei der gebotenen summarischen Prüfung erweisen sich sowohl die Widerrufsverfügung (a) als auch die Abgabeverfügung (b) als rechtmäßig. Zudem besteht auch ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse (c).

a) Der Widerruf der Zuteilung der Dauerkennzeichen ist formell und materiell rechtmäßig.

Ermächtigungsgrundlage für den Widerruf ist § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BremVwVfG. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Maßgeblicher Zeitpunkt für die im Rahmen der summarischen Prüfung gebotenen Rechtmäßigkeitskontrolle ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Schoch, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand: 41. EL Juli 2021, § 80 Rn. 414), vorliegend mithin der Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheides am 13.12.2021.

Hier sind nach der Zuteilung der roten Dauerkennzeichen an den Antragsteller Tatsachen eingetreten, die die Antragsgegnerin zur Verweigerung der Zuteilung berechtigen würden.

aa) Gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 FZV dürfen rote Kennzeichen nur an zuverlässige Kraftfahrzeughersteller, Kraftfahrzeugteilehersteller, Kraftfahrzeugwerkstätten und Kraftfahrzeughändler befristet oder widerruflich zur wiederkehrenden Verwendung, auch an unterschiedlichen Fahrzeugen, zugeteilt werden. Die Zuverlässigkeit im Sinne des § 16 Abs. 2 FZV orientiert sich am Schutzzweck der Norm. Die roten Kennzeichen werden zur Erleichterung des gewerblichen Verkehrs ausgegeben. Es soll vermieden werden, dass der Antragsteller, der als Gewerbetreibender mit einer Vielzahl von nicht zugelassenen Kraftfahrzeugen zu tun hat, in jedem Einzelfall bei der Zulassungsstelle einen Antrag auf Erteilung eines Kennzeichens stellen muss. Dies dient der Privilegierung des betroffenen Personenkreises und der Verwaltungsvereinfachung. Das Kriterium der Zuverlässigkeit bildet hierbei eine wichtige Voraussetzung, weil der Kennzeicheninhaber selbst über die jeweils zweckgebundene Zulassung eines Kraftfahrzeugs zum Straßenverkehr entscheidet und Angaben über das jeweilige Fahrzeug und den Zweck der vorübergehenden Zulassung lediglich in einem Fahrtenverzeichnis festzuhalten hat. Die Zuverlässigkeit ist in Anbetracht dieses Schutzzwecks in Frage zu stellen, wenn der jeweilige Antragsteller entweder gegen einschlägige Vorschriften im Umgang mit dem roten Kennzeichen verstoßen hat oder Verstöße gegen Verkehrs- bzw. Strafvorschriften begangen hat, die ihrerseits eine missbräuchliche Verwendung von roten Dauerkennzeichen vermuten lassen, oder wenn hinsichtlich des ordnungsgemäßen Führens seines Gewerbebetriebs sonstige Auffälligkeiten und Unregelmäßigkeiten zutage treten, die eine derartige Vermutung begründen (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 04.11.1992 – 13 B 3083/92 –, juris zur Vorgängerregelung des § 28 Abs. 3 Satz 2 StVZO a.F.; VG Ansbach, Beschl. v. 05.06.2013 – AN 10 S 13.00985 –, juris Rn. 23; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 18.01.2012 – 14 L 1288/11 –, juris Rn. 11; VG Gera, Beschl. v. 20.04.2016 – 3 E 201/16 Ge –, juris Rn. 37; VG Bremen, Beschl. v. 15.01.2021 – 5 V 1965/20 –, juris Rn. 34). Mit der Zuteilung von roten Kennzeichen wird dem Inhaber zum Zwecke der Erleichterung des Geschäftsbetriebes ein Vertrauensvorschuss entgegengebracht. Die Gefahr des Missbrauchs, z.B. zu eigenen Privatfahrten oder Privatfahrten von Bekannten, liegt dabei auf der Hand, da der durch § 16 Abs. 1 FZV Privilegierte die Möglichkeit hat, die roten Kennzeichen jederzeit an nicht zugelassenen Kraftfahrzeugen anzubringen und diese für betriebsfremde Zwecke zu nutzen. Um Missbrauch vorzubeugen, muss deshalb die präzise Beachtung der durch § 16 FZV normativ vorgegebenen Pflichten erwartet werden. Aus diesem Grund ist insoweit ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. VG Augsburg, Beschl. v. 13.12.2018 – Au 3 S 18.1808 –, juris Rn. 37). Ob der Inhaber der roten Kennzeichen zuverlässig im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 1 FZV ist, ist gerichtlich voll überprüfbar (VG Aachen, Beschl. v. 27.03.2020 – 10 L 147/20 –, juris Rn. 14; VG Hamburg, Beschl. v. 19.06.2020 – 15 E 2388/20 –, juris Rn. 21).

bb) Ausgehend davon hat das Bürgeramt die Zuteilung der roten Kennzeichen zu Recht widerrufen. Der Antragsteller hat wiederholt gegen einschlägige Vorschriften im Umgang mit den roten Kennzeichen verstoßen (siehe dazu unter (1) bis (3)). Daraus ergibt sich in der Gesamtschau eine negative Zuverlässigkeitsprognose (siehe dazu unter (4)). Ermessensfehler liegen nicht vor (siehe dazu unter (5)).

Es bedarf keiner Entscheidung, ob das Bürgeramt für die Zuverlässigkeitsprognose auch auf die im angegriffenen Bescheid aufgeführten Vorfälle aus den Jahren 2012 bis einschließlich 2018 abstellen durfte oder ob dem die Jahresfrist des § 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 BremVwVfG entgegensteht. Denn die Unzuverlässigkeit des Antragstellers ergibt sich aus einem Verstoß gegen § 16 Abs. 1 Satz 1 FZV und die dort zum Ausdruck kommende Pflicht, die Dauerkennzeichen nur zu eigenen unternehmensbedingten Fahrten zu gebrauchen, sowie aus Verstößen gegen Dokumentations- und Vorlagepflichten aus § 16 Abs. 2 FZV, die 2021 begangen wurden.

(1) Der Antragsteller hat seine Pflichten aus § 16 Abs. 1 Satz 1 FZV verletzt. Danach dürfen die roten Kennzeichen nur zu unternehmensbedingten Prüfungs-, Probe- oder Überführungsfahrten angebracht werden. Die Überlassung an Dritte zu deren eigenen Zwecke ist eine missbräuchliche Verwendung (vgl. VG Stade, Urt. v. 12.02.2018 – 1 A 364/16 –, juris Rn. 22). Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung ergibt sich aufgrund der Feststellungen der Polizei am 16.07.2021 eine missbräuchliche Verwendung der dem Antragsteller zugeteilten Dauerkennzeichen durch Dritte.

Widerruf von roten Dauerkennzeichen – fehlende Zuverlässigkeit des Inhabers
(Symbolfoto: Roman Zaiets/Shutterstock.com)

Das rote Kennzeichen HB-06 … wurde an dem VW Crafter nicht für eine Probe-, Prüfungs- oder Überführungsfahrt angebracht, sondern um in dem nicht zugelassenen Transporter auf der Baustelle in Ritterhude Baumaterialien zu lagern und diesen zur Entsorgung von Bauabfällen zu nutzen. Diese vom Neffen des Antragstellers spontan eingeräumte Nutzung des Transporters ist von dem durch § 16 Abs. 1 Satz 1 FZV begrenzten Einsatzbereich der roten Kennzeichen nicht gedeckt. Der Antragsteller hat im Rahmen seiner Organisationspflichten dafür Sorge zu tragen, dass die ihm zugeteilten roten Kennzeichen nicht durch Dritte missbräuchlich verwendet werden; er hat sie deshalb sicher und für unzuverlässige Personen unzugänglich zu verwahren (VG Hamburg, Beschl. v. 19.06.2020 – 15 E 2388/20 –, juris Rn. 24; VG Augsburg, Urt. v. 07.07.2015 – Au 3 K 15.22 –, juris Rn. 34). Nach den auch vom Antragsteller nicht angegriffenen Feststellungen der Polizei hat der Transporter mit den roten Kennzeichen zum Zeitpunkt der polizeilichen Kontrolle Dritten zu eigenen Zwecken zur Verfügung gestanden. Von der Zugänglichkeit und Nutzbarkeit des Kraftfahrzeuges durch den Neffen des Antragstellers ist auszugehen, da er ausweislich des Polizeivermerks in der Lage war, den Motorraum und den Transporter zu öffnen. Dass der Neffe des Antragstellers in dessen Betrieb beschäftigt wäre, ist weder vorgetragen noch dem Verwaltungsvorgang zu entnehmen.

Die Kammer wertet das Vorbringen des Antragstellers sowie seines Bruders gegenüber dem Bürgeramt und dem Gericht zu den Geschehensabläufen rund um den 16.07.2021 als Schutzbehauptung, um eine missbräuchliche Verwendung der Dauerkennzeichen durch Dritte zu verschleiern. Es drängt sich auf, dass der geschilderte Ablauf, der Transporter sei am Morgen des 16.07.2021 um 9.40 Uhr von Bremen nach Ritterhude gebracht worden, nachträglich konstruiert ist. Ein angeblicher Schreib- bzw. Eintragungsfehler, der sich auf zwei Uhrzeitangaben (Beginn und Ende der Fahrt 09.40 – 10.20 Uhr statt 19.40 – 20.20 Uhr) und zusätzlich auf den Ausgangs- und Endpunkt der Fahrt (Bremen-Ritterhude statt Ritterhude-Bremen) erstreckt, erscheint absolut lebensfremd und in der Zusammenschau mit den spontan getätigten Angaben des Neffen des Antragstellers als Versuch, einem Unzuverlässigkeitsvorwurf zu entgehen. Davon ausgehend, dass der Antragsteller seiner Pflicht zur Dokumentation jeder Fahrt im Fahrtenbuch nachgekommen ist und „lediglich“ die einzelnen Eintragungen unvollständig waren (siehe dazu sogleich), lässt sich das Vorbringen des Antragstellers und seines Bruders bereits nicht mit den übrigen Eintragungen im Fahrtenbuch vereinbaren. Dort ist für den 27.06.2021 eine Fahrt mit dem VW Crafter von Bremen nach Ritterhude eingetragen. Träfe der Vortrag des Antragstellers und seines Bruders zu, müsste der Transporter zuvor aus Ritterhude zurück nach Bremen gefahren worden sein. Der Bruder des Antragstellers konnte auf Nachfrage des Bürgeramtes auch keine Gründe dafür angeben, weshalb er die roten Kennzeichen nicht vom Transporter abmontiert hatte, obwohl die – vermeintliche – Überführungsfahrt mit der Ankunft auf der Baustelle des angeblichen Erwerbers bereits beendet war. Auch fehlt es an Angaben dazu, warum das Fahrzeug nach der Überführung zur Erfüllung eines Kaufvertrages vor der Übernahme durch den Erwerber mit Baumaterialien befüllt worden ist. Schließlich vermögen auch die vorgelegte Bestätigung vom 03.09.2021 des angeblichen Erwerbers des Transporters und die nicht datierte Rechnung die Kammer nicht davon zu überzeugen, dass das Vorbringen des Antragstellers und seines Bruders der Wahrheit entspricht. Es dürfte sich dabei um eine bloße Gefälligkeitsbestätigung handeln, die auf Bitten des Antragstellers verfasst wurde, nachdem dieser zum beabsichtigten Widerruf der Zuteilung der roten Dauerkennzeichen angehört wurde. Zudem ist die Bestätigung des angeblichen Erwerbers des Transporters bei genauer Betrachtung hinsichtlich der Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Antragstellers und seines Bruders unergiebig. Der Bruder des Antragstellers könnte den VW Crafter – nachdem dieser wie im Fahrtenbuch notiert zurück nach Bremen gefahren wurde – noch am Abend des 16.07.2021 erneut nach Ritterhude gefahren haben, um ihn dort zum Zwecke der Erfüllung eines geschlossenen Kaufvertrages an den Erwerber zu übergeben. Nur der Vollständigkeit halber weist die Kammer darauf hin, dass auch bei Wahrunterstellung des Vorbringens des Antragstellers und seines Bruders ein Verstoß gegen § 16 Abs. 2 Satz 5 FZV vorläge, da die denklogisch erforderliche Fahrt von Ritterhude nach Bremen zwischen dem 27.06.2021 und dem 16.07.2021 nicht im Fahrtenbuch eingetragen wäre.

(2) Der Antragsteller hat hinsichtlich der Führung der Fahrzeugscheinhefte und Fahrtenbücher auch gegen die Dokumentationspflichten verstoßen, die sich aus § 16 Abs. 2 Satz 3 und 5 FZV ergeben. Danach sind vor Antritt der ersten Fahrt Angaben zum Fahrzeug vollständig und in dauerhafter Schrift in das Fahrzeugscheinheft einzutragen (Satz 3). Zudem sind über jede Prüfungs-, Probe- oder Überführungsfahrt fortlaufende Aufzeichnungen zu führen, aus denen das verwendete Kennzeichen, das Datum der Fahrt, deren Beginn und Ende, der Fahrzeugführer mit dessen Anschrift, die Fahrzeugklasse und der Hersteller des Fahrzeugs, die Fahrzeug-Identifizierungsnummer und die Fahrtstrecke ersichtlich sind (Satz 5). Diese Aufzeichnungspflichten bestehen, um die tatsächliche Verwendung der roten Kennzeichen nachvollziehbar zu halten und so eine Überprüfung zu ermöglichen (vgl. Dauer, in: Hentschel/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 16 FZV Rn. 26). Wie die Bezugnahme auf die nach § 16 Abs. 1 Satz 1 FZV allein zulässigen Verwendungszwecke zeigt, sollen gerade diese aufgedeckt bzw. durch die Pflicht zur lückenlosen Dokumentation generalpräventiv davon nicht erfasste Fahrten verhindert werden. Dem genügen die am 03.09.2021 eingereichten Fahrzeugscheinhefte und Fahrtenbücher nicht.

Die vorgelegten Fahrzeugscheinhefte weisen überwiegend keine Eintragungen zu den technischen Angaben der jeweils eingetragenen Kraftfahrzeuge (Hubraum, zulässiges Gesamtgewicht, zulässige Achsenlast, Höchstgeschwindigkeit auf ebener Straße) auf. Zudem wurden die Fahrzeugidentifizierungsnummern überwiegend nur mit den letzten sechs bis acht Stellen angegeben. In einem Fall fehlt die Unterschrift. Hinsichtlich der fehlenden technischen Angaben, der unvollständigen Fahrzeugidentifizierungsnummern und der einmal fehlenden Unterschrift in den Fahrzeugscheinheften liegt ein gemäß § 16 Abs. 2 Satz 3 FZV relevanter Verstoß vor (vgl. auch VG Augsburg, Urt. v. 07.07.2015 – Au 3 K 15.22 –, juris Rn. 31). Demnach sind die Angaben zum Fahrzeug „vollständig“, d.h. zu allen in dem Fahrzeugschein geforderten Daten, einzutragen. Dies gilt insbesondere auch für die vollständige Angabe der Fahrzeugidentifizierungsnummer. Wenn auch im Einzelfall Fahrzeuge anhand der letzten Stellen identifizierbar sein können, ist nur bei vollständiger Angabe der Nummer ausgeschlossen, dass es im Fall zufällig gleichlautender Endstellen zu Verwechslungen kommt. Durch das Unterschriftenerfordernis wird zudem gerade deutlich, dass der Berechtigte nach außen eine Gewähr hinsichtlich der Richtigkeit der einzutragenden Angaben zum Fahrzeug übernimmt. Diese Funktion als Urkunde kann das Fahrzeugscheinheft bei fehlenden bzw. unvollständigen Angaben nicht in dem vom Verordnungsgeber vorgesehenen Umfang übernehmen.

In den Fahrtenbüchern wurden die Fahrzeugidentifizierungsnummern ebenfalls stets nur auf sechs bis acht Stellen angegeben, die Start- und Zielpunkte auch von Fahrten innerorts ohne Straßennamen und überwiegend ohne Ortsteile benannt sowie hinsichtlich der Angaben zum Fahrzeugführer keine Adresse oder nur ein Städtename eingetragen. Kann im Zusammenspiel mit den – vorliegend jedoch ebenfalls unvollständigen – Eintragungen im Fahrzeugscheinheft der Kreis der Fahrzeuge zwar grundsätzlich eingeschränkt werden, gilt dies nicht für die vorgenommenen Fahrten sowie die jeweiligen Fahrzeugführer. Jedenfalls bei Fahrten mit Start- und Endpunkten innerhalb von Bremen genügt es nicht, lediglich die Stadt einzutragen. Soll mit der Dokumentationspflicht die Nachvollziehbarkeit der Nutzung insgesamt erreicht werden, um eine missbräuchliche, von den nach § 16 Abs. 1 Satz 1 FZV zulässigen Fahrten abweichende Verwendung auszuschließen, bestünde bei einer bloßen Angabe des Ortes die Gefahr, dass missbräuchliche Fahrten verschleiert werden, da widersprüchliche Angaben durch die allgemeine Ortsbezeichnung nicht auffielen. Die teilweise fehlenden Angaben der Adressen der Fahrzeugführer begründen ebenso einen Verstoß gegen den insoweit eindeutigen Wortlaut des § 16 Abs. 2 Satz 5 FZV. Ohne Angaben der Adressen sind die Fahrzeugführer nicht identifizierbar und können damit nicht zur Überprüfung der Fahrten herangezogen werden. Anders als beim Bruder des Antragstellers, der eigenen Angaben zufolge Geschäftsführer im Betrieb des Antragstellers ist und darüber kontaktiert werden kann, ist eine Kontaktaufnahme bei den anderen eingetragenen Fahrzeugführern nicht möglich.

(3) Mit der verspäteten Einreichung der Fahrzeugscheinhefte und der Fahrtenbücher nach Aufforderung durch das Bürgeramt mit Schreiben vom 02.08.2021 hat der Antragsteller zudem gegen die Pflicht zur Aushändigung an zuständige Personen auf Verlangen gemäß § 16 Abs. 2 Satz 4 und 6 FZV verstoßen. Die verspätete, erst am 03.09.2021 erfolgte Vorlage durch den Bruder des Antragstellers ist auch nicht entschuldigt worden.

(4) Aus diesen Verstößen ergibt sich in einer Gesamtschau die Unzuverlässigkeit des Antragstellers im Umgang mit roten Kennzeichen.

Die Verstöße gegen die Dokumentationspflichten in den Fahrzeugscheinheften sowie in den Fahrtenbüchern wiegen bereits schwer, da deutlich wird, dass sich der Antragsteller über das Maß der Gefährdung des Straßenverkehrs durch missbräuchliche Verwendungen der roten Dauerkennzeichen, zu deren Verhinderung die Dokumentationspflichten beitragen sollen, offenbar nicht bewusst ist. Hinzu kommt, dass er das mit der Zuteilung der roten Dauerkennzeichen entgegengebrachte Vertrauen in einen ordnungsgemäßen Umgang mit den roten Kennzeichen massiv erschüttert hat, indem er es Dritten ermöglicht hat, den Transporter mit montierten roten Dauerkennzeichen zu betriebsfremden Zwecken zu gebrauchen. Dem Widerruf der roten Dauerkennzeichen steht auch nicht entgegen, dass das Bürgeramt noch im Juli 2019 vermerkte, dass das Fahrzeugscheinheft und das Fahrtenbuch zum Kennzeichen HB-06 … ohne Beanstandungen“ seien. Denn zum einen hat das Bürgeramt beim Antragsteller bereits keinen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass die Eintragungen im Fahrzeugscheinheft und Fahrtenbuch auch in Zukunft nicht beanstandet werden, da der Antragsteller diese lediglich abgestempelt zurückbekommen hat und die Notiz „ohne Beanstandungen“ einen allein verwaltungsinternen Vermerk darstellt. Zum anderen ist der schwerwiegendere Verstoß des Antragstellers vorliegend in dem Vorfall vom 16.07.2021 zu sehen.

(5) Der Widerruf der Zuteilung der roten Dauerkennzeichen ist auch ermessensfehlerfrei erfolgt.

Mit Rücksicht auf das besondere öffentliche Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs, sowie daran, Fahrten mit nicht zugelassenen Kraftfahrzeugen zu unterbinden, kommt im Regelfall nur der Widerruf in Frage, wenn es – wie hier – an der Zuverlässigkeit des Inhabers von roten Kennzeichen fehlt. Dem stehen auch keine gewichtigen Interessen des Berechtigten entgegen, denn auch nach einem Widerruf ist er nicht daran gehindert, seinen Gewerbebetrieb weiter auszuüben. Für ihn verbleibt die Möglichkeit, Kurzzeitkennzeichen gemäß § 16a Abs. 1 FZV zu beantragen. Daher ist in solchen Fällen von einer Ermessensreduktion auf Null auszugehen. Eine Ausnahme käme nur dann in Betracht, wenn eine außergewöhnliche Interessenlage des Betroffenen festgestellt werden könnte, die das öffentliche Interesse an dem Widerruf überwiegen würde (vgl. VG Bremen, Beschl. v. 15.01.2021 – 5 V 1965/20 –, juris Rn. 43 m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Widerruf ist verhältnismäßig, da er einen legitimen Zweck verfolgt und zur Erreichung dieses Zwecks geeignet ist. Er ist vorliegend auch erforderlich, da ein milderes, gleich geeignetes Mittel nicht ersichtlich ist. Lediglich der Widerruf kann sicherstellen, dass der Antragsteller keine Fahrten mit nicht zugelassenen Kraftfahrzeugen vornimmt. Andere Maßnahmen, wie etwa die Pflicht zur regelmäßigeren Vorlage der Fahrzeugscheinhefte und Fahrtenbücher oder die Zuteilung mit einer kürzeren Laufzeit, sind zwar mildere, aber keine gleich geeigneten Mittel. Der Widerruf ist auch nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne. Eine Unverhältnismäßigkeit im engeren Sinne setzt bei bestehender Unzuverlässigkeit einen ganz extremen Ausnahmefall voraus, der vorliegend nicht dargetan worden ist. Die auf Seiten des Antragstellers insoweit zu berücksichtigende Berufsfreiheit wird insbesondere in Anbetracht der Möglichkeit, Kurzzeitkennzeichen gemäß § 16a Abs. 1 FZV zu beantragen oder Kraftfahrzeuge regulär anzumelden, nicht unangemessen beeinträchtigt. Soweit der Antragsteller auf den etwaigen Zeit- und Kostenaufwand und auch auf seinen Ruf als Autohändler verweist, müssen diese Beeinträchtigungen zurücktreten, da sie nicht über bloße Unannehmlichkeiten hinausgehen, die der Antragsteller durch ordnungsgemäßes Verhalten hätte vermeiden können und die jedem anderen, nicht durch § 16 FZV privilegierten Gewerbetreibenden auferlegt werden. Da Probe- oder Überführungsfahrten durch die genannten Alternativen nicht ausgeschlossen sind, liegt es zudem in der Hand des Antragstellers, etwaigen Schädigungen seines Rufes als Händler – sollten solche überhaupt zu erwarten sein – zu begegnen.

(6) Da sich die Antragsgegnerin auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BremVwVfG berufen kann, diese Ermächtigungsgrundlage der Behörde ebenso wie § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BremVwVfG auf Rechtsfolgenseite ein Ermessen einräumt und im Rahmen der Ermessenserwägungen in beiden Fällen derselbe Zweck – die Zuverlässigkeit des Inhabers der Dauerkennzeichen – zu berücksichtigen ist, kann dahinstehen, ob ein Widerruf (auch) auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BremVwVfG hätte gestützt werden können. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt widerrufen werden, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist. Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 FZV können rote Kennzeichen nur befristet oder widerruflich zugeteilt werden (VG Bremen, Beschl. v. 15.01.2021 – 5 V 1965/20 –, juris Rn. 32; Hrube, in: BeckOK StVR, 14. Ed. 15.01.2022, FZV § 16 Rn. 4). Der Widerruf ist in diesem Fall nur nach Maßgabe des Widerrufsvorbehalts zulässig (vgl. VG Gera, Beschl. v. 20.04.2016 – 3 E 201/16 Ge –, juris Rn. 36). Ob die Zuteilung hier widerruflich erfolgt ist, ist mangels Existenz eines schriftlichen Bescheides unklar und im Rahmen des Hauptsacheverfahrens aufzuklären. Während es in mehreren Schreiben des Bürgeramtes, mit denen der Antragsteller zur Vorlage des Fahrzeugscheinheftes und des Fahrtenbuches aufgefordert wurde (so z.B. unter dem 02.08.2021, Bl. 210 des Verwaltungsvorgangs), heißt, dass die Dauerkennzeichen dem Antragsteller unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs zugeteilt worden seien, stützt sich der angegriffene Bescheid vom 29.09.2021 allein auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BremVwVfG.

b) Auch die in Ziffer 2 des Bescheides vom 29.09.2021 enthaltene Abgabeverfügung erweist sich als rechtmäßig.

Ermächtigungsgrundlage der formell rechtmäßigen Anordnung ist § 16 Abs. 2 Satz 7 FZV, der von seinem Wortlaut zwar nur die Rückgabepflicht nach Fristablauf betrifft, entsprechend aber auch auf den Widerruf anzuwenden ist (vgl. Dauer, in: Henschel/König/Dauer, 45. Aufl. 2019, § 16 FZV Rn. 28; so auch VG Gera, Beschl. v. 20.04.2016 – 3 E 201/16 Ge –, juris Rn. 59; VG Kassel, Beschl. v. 13.08.2015 – 1 L 894/15.KS –, juris Rn. 53). Es handelt sich insoweit um eine gebundene Entscheidung. Erweist sich der Widerruf der Erteilung des roten Dauerkennzeichens des Antragstellers nach obigen Ausführungen als rechtmäßig, ist auch die Anordnung der Abgabe der Kennzeichenschilder und des zum Kennzeichen gehörenden Fahrzeugscheinhefts nach § 16 Abs. 2 Satz 7 FZV rechtmäßig.

c) Es besteht auch ein besonderes Vollzugsinteresse. Dieses ergibt sich vorliegend aus der erheblichen Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs. Mit dem Erfordernis der Zuverlässigkeit des Inhabers eines roten Kennzeichens soll gegenüber den übrigen Verkehrsteilnehmern sichergestellt werden, dass die Befugnisse aus § 16 FZV nicht missbraucht werden, da die aus der Norm berechtigten Personen durch die Benutzung der Kennzeichen selbst über die Zulassung der jeweiligen Kraftfahrzeuge entscheiden. Insoweit besteht insbesondere die Gefahr, dass nicht verkehrstaugliche Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr benutzt werden. Dies geht mit Gefahren für die körperliche Unversehrtheit und das Vermögen anderer Verkehrsteilnehmer einher. Diese Rechtsgüter sind so erheblich, dass ein Belassen der roten Kennzeichen trotz erwiesener Unzuverlässigkeit auch während der Dauer des Hauptsacheverfahrens nicht hingenommen werden kann und die sofortige Vollziehung der Anordnungen insoweit für eine effektive Gefahrenabwehr unerlässlich ist. Durch den Sofortvollzug ist der Antragsteller aufgrund der dargelegten Gründe auch nicht daran gehindert, seinen Gebrauchtwagenhandel weiter zu betreiben.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 Satz 1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und berücksichtigt, dass sich der Eilantrag gegen den Widerruf von zwei Dauerkennzeichen richtet.

 

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