LG Flensburg – Az.: 1 S 19/19 – Urteil vom 24.03.2020
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Niebüll vom 09.11.2017, Az. 8 C 176/17, wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Niebüll ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die klägerische Versicherung nimmt den Beklagten als Fahrer mit einer ihrer Meinung nach inlandsungültigen Fahrerlaubnis in Regress für von ihr an den Geschädigten geleistete Zahlungen nach einem Verkehrsunfall.
In dem genannten Urteil hat das Amtsgericht den Beklagten zur Zahlung von 5000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 10.04.2015 sowie von 258,17 € Inkassokosten bei Klagabweisung im Übrigen verurteilt.
Das Amtsgericht hat hierzu ausgeführt, das Amtsgericht Niebüll sei zuständig, da der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des Amtsgerichtes Niebüll habe. Der Wohnsitz sei der räumliche Schwerpunkt der gesamten Lebensverhältnisse einer Person. Der Beklagte habe seinen Wohnsitz in N.. Dies ergebe sich bereits daraus, dass ihn die Post dort regelmäßig erreiche. Der Beklagte sei als Fahrer mitversicherte Person gewesen. Zusammen mit der Klägerin habe der Beklagte als Gesamtschuldner dem Geschädigten gehaftet. Im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs sei der Beklagte intern zum Ausgleich des von der Klägerin erstatteten Betrages bis zur Höhe von 5000 € verpflichtet. Der Beklagte habe nicht hinreichend bestritten, dass er einen Mietwagen gefahren habe und somit auch versichert gewesen sei. Ebenso habe er nicht genügend bestritten, in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen zu sein, für den er als Fahrer haftbar sei. Der Beklagte sei beweisbelastet für den Umstand, dass er im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis gewesen sei und habe den substantiierten Vortrag der Klägerin, aus der sich der Verdacht ergebe, dass der Beklagte keine Fahrerlaubnis habe, nicht widerlegen können. Es sei nicht hinreichend dargelegt, dass er nach dem Entzug der Fahrerlaubnis diese erneut beantragt habe. Er habe nicht einmal eine Fahrerlaubnis aus England vorgelegt, die er behauptet habe zu haben. Der Beklagte habe im Übrigen seine deutsche Fahrerlaubnis in Großbritannien nicht wirksam umschreiben lassen können, weil hierzu eine Voraussetzung sei, dass eine Fahrerlaubnis bestehe, die umgeschrieben werden könne. Dies sei jedoch bei Antragstellung durch den Beklagten in Großbritannien gerade nicht der Fall gewesen.
Im Übrigen wird hinsichtlich des Sachverhalts und des Inhalts der angefochtenen Entscheidung auf das Urteil des Amtsgerichts Niebüll vom 09.11.2017 (Blatt 68 ff. d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 11.11.2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 08.12.2017 eingegangene und nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 11.02.2018 am 22.01.2018 begründete Berufung des Beklagten.
Zur Begründung führt der Beklagte an, dass er bereits in der 1. Instanz bestritten habe, an einem Verkehrsunfall vom 20.12.2013 beteiligt gewesen zu sein. Dies werde vorsorglich noch einmal wiederholt. Richtig sei in diesem Zusammenhang allerdings, dass sich am 18.12.2013, also 2 Tage zuvor, ein Verkehrsunfall ereignet habe, an dem er beteiligt gewesen sei und für den die Klägerin die von ihr behaupteten und insoweit unstreitigen Zahlungen erbracht habe. Das erstinstanzliche Urteil sei also schon von daher schlichtweg falsch.
Hätte man die einschlägige Parallelakte aus dem vorgeschalteten Strafverfahren 16 Ds 115 Js 1885/14 (69/14) beigezogen, wäre sehr schnell deutlich geworden, worum es dem Beklagten eigentlich ginge, nämlich darum, dass er sehr wohl über eine Fahrerlaubnis verfügt habe, von der er gemäß § 28 Abs. 1 FEV auch berechtigt gewesen sei, im Inland Gebrauch zu machen. Bereits seit dem 07.01.2015 wisse man, dass es der Beklagte gewesen sei, der sich am 19.03.2013 „altersbedingt“ und routinebedingt um die Verlängerung seiner englischen Fahrerlaubnis vom 10.10.2009 bemüht und auch erhalten habe, so dass er rund neun Monate später am 18.12.2013 mindestens im Besitz eines britischen Führerscheins gewesen sei. Der Versuch, den Anerkennungsgrundsatz des Art. 2 Abs. 1 der Dritten Führerscheinrichtlinie sowie im folgenden § 28 Abs. 1 FeV ausschließlich auf originär und möglichst auch auf rechtmäßig zustande gekommene Fahrerlaubnisse zu verkürzen, sei nicht überzeugend. Der insoweit eindeutige Wortlaut des nationalen und europarechtlichen Rahmens gebe hierfür überhaupt nichts her. Im Gegenteil, wegen der Verwaltungsakzessorietät müssten nach deutschem Verwaltungsrecht selbst beispielsweise durch Täuschung oder Bestechung zustande gebrachte Verwaltungsakte so lange als existent behandelt werden, bis sie nach den Grundsätzen des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes wieder zurückgenommen worden seien. Hinter dem Anerkennungsmechanismus der 2. und 3. Führerscheinrichtlinie stehe schließlich der Gedanke, dass jeder Mitgliedstaat der EU die Souveränität der anderen (noch) 27 Länder und damit deren Verwaltungsakte grundsätzlich anerkennen müsse und deren Wirksamkeit für das eigene Staatsgebiet allenfalls in extraordinären Ausnahmefällen suspendieren dürfe, deren Voraussetzung hier aber gerade nicht vorlägen. Vorsorglich werde er auch noch die Leiterin des britischen Straßenverkehrsamtes als Zeugin dafür benennen, dass dem ihm nach britischem Recht eine gültige provisorische Fahrerlaubnis erteilt worden sei.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Niebüll – Az.: 8 C 176/17 – vom 09.11.2017 aufzuheben und die Klage kostenfällig abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Niebüll – Az.: 8 C 176/17 – vom 09.11.2017 zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Kammer hat die Strafakten 115 Js1885/14 StA Flensburg und die dort in Bezug genommene Strafakte 115 Js 6178/14 StA Flensburg beigezogen und mit den Parteivertretern erörtert.
II.
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das Amtsgericht hat zu Recht den Beklagten gem. §§ 426 BGB, 7, 18 StVG, 249 BGB, 5 KfZPflVV zur Zahlung von 5000 € an die Klägerin verurteilt.
Die Klägerin haftet als Haftpflichtversicherer gesamtschuldnerisch mit dem Halter und Führer des versicherten Kraftfahrzeuges.
Der Beklagte haftet nach den Grundsätzen des Gesamtschuldnerausgleiches gemäß § 116 Abs. 1 Satz 2, 3 § 115 Abs. 1 Satz 4 VVG, da er als mitversicherter Fahrer den hier in Rede stehenden Unfall verursacht hat und dabei vorsätzlich eine Obliegenheit verletzt hat, indem er zum Unfallzeitpunkt nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis war, so dass die Klägerin gem. § 28 Abs. 2 VVG, D 1.3 AKB im Innenverhältnis nicht zur Leistung verpflichtet ist. Die Leistungsfreiheit des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer und den mitversicherten Personen ist dabei gem. § 5 Abs.3 KfZPflVV auf einen Betrag von 5000 € beschränkt.
Dass der Beklagte als Fahrer an dem Unfall beteiligt gewesen ist, wird mit der Berufung nicht mehr in Abrede gestellt.
Die Klägerin hat den ihr obliegenden Beweis (vgl. Reichel in: Freimann/Wellner/juris PK-Straßenverkehrsrecht, § 28 Rn. 82) für die objektive Obliegenheitsverletzung und den entsprechenden Vorsatz geführt.
Die Klägerin hat bewiesen, dass der Beklagte zum Unfallzeitpunkt keine im Inland gültige Fahrerlaubnis hatte. Die Klägerin hat substantiiert vorgetragen, dass der Beklagte nach rechtskräftiger Entziehung seiner Fahrerlaubnis durch Urteil des Landgerichts Flensburg am 14.07.2009 und Sperre für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis von 3 Monaten unter Vorlage seines deutschen Führerscheins vom 07.12.1990 mit der Nr. CO23…. am 10.10.2009 erstmals in Großbritannien die Umschreibung in eine britische Fahrerlaubnis beantragt habe. Am 09.03.2010 sei dieser Umtausch vollzogen worden. Am 20.03.2013 sei diese Fahrerlaubnis dann verlängert worden.
Diesem von der Klägerin geschilderten äußerem Ablauf ist der Beklagte nicht entgegengetreten. Er gilt daher gemäß § 139 Abs. 2 ZPO als zugestanden. Der Erwerb durch Umtausch wird im Übrigen bestätigt durch den Umstand, dass auf dem Führerschein vom 20.3.2013 unter Nummer 10 („valid from“) als Ausstellungsdatum bezüglich der hier interessierenden Fahrerlaubnis der Klasse B der 07.12.1990, das Datum des Führerscheins mit der Nummer CO 23…. aufgeführt wird. Hinzu kommt, dass es sich bei dem unter der Rubrik 12 in dem britischen Führerschein angegebenen Code 70 um den internationalen Schlüssel nicht für die Neuerteilung, sondern für den Umtausch einer anderweitigen nationalen Fahrerlaubnis handelt (vergl. Anhang 1 der Richtlinie 2006/126/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein).
Diese britische Fahrerlaubnis berechtigte den Beklagten nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland.
Die Anerkennung von Fahrerlaubnissen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum ist geregelt in § 28 und 29 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV).
§ 28 FeV regelt die Anerkennung von Fahrerlaubnissen aus EU Staaten oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum, soweit der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hat. § 29 FeV regelt hingegen die Anerkennung ausländischer Fahrerlaubnisse von Inhabern, die in der Bundesrepublik Deutschland keinen ordentlichen Wohnsitz haben. Dass der Beklagte zum Tatzeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in Nieblum hatte, hat das Amtsgericht zutreffend festgestellt und wird auch von der Berufung nicht mehr infrage gestellt.
Die britische Fahrerlaubnis ist nicht gem. § 28 FeV anzuerkennen.
§ 28 FeV in der zum Unfallzeitpunkt geltenden Fassung hat folgenden Wortlaut:
(1) 1Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz im Sinne des § 7 Absatz 1 oder 2 in der Bundesrepublik Deutschland haben, dürfen – vorbehaltlich der Einschränkungen nach den Absätzen 2 bis 4 – im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen. 2Auflagen zur ausländischen Fahrerlaubnis sind auch im Inland zu beachten. 3Auf die Fahrerlaubnisse finden die Vorschriften dieser Verordnung Anwendung, soweit nichts anderes bestimmt ist.……
(4) 1Die Berechtigung nach Absatz 1 gilt nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis,
…..
3.denen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist, denen die Fahrerlaubnis bestandskräftig versagt worden ist oder denen die Fahrerlaubnis nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil sie zwischenzeitlich auf die Fahrerlaubnis verzichtet haben,
Die FeV basiert auf der bereits erwähnten Richtlinie 2006/126/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006 über den Führerschein (sogenannte 3. EU Führerscheinrichtlinie. Mit dieser Richtlinie wird ein einheitlicher EU Musterführerschein geschaffen, der die in den Mitgliedstaaten existierenden unterschiedlichen Führerscheine ersetzen soll.
Nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH sieht das Gemeinschaftsrecht die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten erteilten Fahrerlaubnisse ohne jede Formalität vor. Der EuGH hat daraus abgeleitet, dass es ausschließlich Aufgabe des die Fahrerlaubnis erteilen Mitgliedstaates ist, zu prüfen, ob die im Unionsrecht aufgestellten Mindestvoraussetzungen, insbesondere diejenigen hinsichtlich des Wohnsitzes und der Fahreignung erfüllt sind und ob somit die Erteilung, gegebenenfalls die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis gerechtfertigt ist. Haben die Behörden eines Mitgliedstaates eine Fahrerlaubnis erteilt und einen Führerschein gemäß der Richtlinie ausgestellt, sind die anderen Mitgliedstaaten somit nicht befugt die Beachtung der in dieser Richtlinie aufgestellten Ausstellungsvoraussetzungen erneut nachzuprüfen. Der Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ist nämlich als Nachweis dafür anzusehen, dass der Inhaber dieses Führerscheins am Tag der Ausstellung des Führerscheins diese Voraussetzungen – die Fahreignung eingeschlossen – erfüllt hat (Henschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl.. § 28 FeV Rn. 20 mit weiteren Nachweisen; zuletzt EuGH NZV 2018, 573).
Allerdings hat der Beklagte seine britische Fahrerlaubnis erworben obwohl ihm im Inland die Fahrerlaubnis rechtskräftig entzogen worden war und damit den Nichtanerkennungsgrund des § 28 Abs. 4 Ziffer 3 FeV erfüllt.
§ 28 Abs. 4 Ziff. 3 FeV bedarf jedoch europarechtlich der Einschränkung. Auch wenn die Richtlinie den Mitgliedstaaten unter bestimmten Umständen insbesondere aus Gründen der Sicherheit des Straßenverkehrs erlaubt, ihre innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung/Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis auf jeden Fahrerlaubnisinhaber anzuwenden, der seinen ordentlichen Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet hat, stellt diese Befugnis bzw. Verpflichtung eine Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Fahrerlaubnisse dar, und ist daher nach der Rechtsprechung des EuGH aus diesem Grunde eng auszulegen (Henschel/König/Dauer a.a.O. Rn. 21 mit weiteren Nachweisen). In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist geklärt, dass ein Führerschein, der nach Ablauf der im Inland rechtskräftig festgesetzten Sperrfrist in einem anderen Mitgliedstaat unter Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses erteilt worden ist, anerkannt werden muss. Auch wenn ein Mitgliedstaat die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis nach dem Entzug einer früheren Fahrerlaubnis nach seinen nationalen Vorschriften von strengeren Vorgaben abhängig macht, muss er die von einem anderen Mitgliedstaat nach Ablauf der Sperrfrist und unter Wahrung des Wohnsitzerfordernisses erteilte EU-Fahrerlaubnis daher grundsätzlich anerkennen (NJW 2012, 1935 „Hofmann“; NJW 2009, 207; so auch OLG Zweibrücken, Beschluss vom 28. August 2017 – 1 OLG 2 Ss 32/17 -, juris; BVerwG, NJW 2019, 100; MAH StraßenVerkehrsR, § 3 Erwerb und Geltung der Fahrerlaubnis sowie Fragen zur im Ausland erworbenen Fahrerlaubnis Rn. 81, 82, beck-online).
Allerdings kann diese einschränkende Auslegung nicht gelten, wenn so wie hier, eine nicht mehr gültige, also nicht mehr existente deutschen Fahrerlaubnis auf der Basis des für die frühere Fahrerlaubnis ausgestellten deutschen Führerscheins in einen anderen EU/EWR-Staat „umgetauscht“ wird. Dies ist nicht als Erteilung einer ausländischen Fahrerlaubnis anzusehen, da Voraussetzung dafür die noch bestehende Gültigkeit der deutschen Fahrerlaubnis wäre; ein so erlangter ausländischer Führerschein vermittelt keine Fahrberechtigung in Deutschland (Henschel/König/Dauer a.a.O. Rn. 23a; OVG des Saarlandes, ZfSch 2017, 53; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. September 2014 – 10 S 817/14 -, juris 4 Freyschmidt/Krumm, Verteidigung im Verkehrsstrafrecht, 11. Aufl.. 2019, a) EU- Fahrerlaubnisse Rn. 527; Dronkovic-Buschbel/Höcke a.a.O. Rn. 84).
Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat in der genannten Entscheidung folgendes ausgeführt:
Denn die genannten Führerscheinrichtlinien dienen gerade dazu, die Grundanforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen weitergehend zu harmonisieren. Es liegt daher auf der Hand, dass nur eine neue Fahrerlaubnis anerkannt werden muss, also eine Erlaubnis, der die in Art. 7 der Richtlinie 2006/126/EG vorgesehene Eignungsüberprüfung vorausgegangen ist. Insoweit hat der Europäische Gerichtshof in den bereits genannten Entscheidungen und in den Urteilen vom 26.6.2008 – Rs. C-329/06 und 343/06 sowie Rs. C-334/06 bis C-336/06 – eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sich die Anerkennungspflicht im Falle der Fahrerlaubnisentziehung auf eine neu erworbene Fahrerlaubnis bezieht, bei der es Sache des Ausstellerstaates ist zu prüfen, ob die im Gemeinschaftsrecht aufgestellten Mindestvoraussetzungen erfüllt sind. Demgegenüber vermittelt die in einem anderen EU-Mitgliedstaat im Wege des Umtauschs einer entzogenen deutschen Fahrerlaubnis erlangte Fahrerlaubnis keine Fahrberechtigung im Inland. Denn Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG setzt – inhaltlich übereinstimmend mit Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG – gerade die Gültigkeit des zum Umtausch gestellten Führerscheins voraus. Der Geltungsbereich der im Wege des Umtauschs erlangten Fahrerlaubnis knüpft mithin an die Gültigkeit der umzutauschenden Fahrerlaubnis an und setzt auf dieser auf. Dem entspricht auch die Regelung in Art. 11 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG, wonach es Sache des umtauschenden Mitgliedstaates ist zu prüfen, für welche Fahrzeugklasse der vorgelegte Führerschein tatsächlich noch gültig ist; Prämisse dieser nur auf einzelne Fahrzeugklassen abhebenden Vorschrift ist die Gültigkeit der zugrunde liegenden Fahrerlaubnis dem Grunde nach. Müsste dagegen auch ein lediglich neu ausgestelltes Dokument über die im Ausland noch bestehende Fahrerlaubnis anerkannt werden, käme dies der Sache nach einem Wiederaufleben des Rechts, von der alten Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, nach Ablauf der Sperrfrist gleich. Demnach ist die den Anwendungsbereich des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV einschränkende vorgenannte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs von vornherein nicht einschlägig, wenn es sich bei dem in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellten Führerschein nicht um eine neu erteilte Fahrerlaubnis, sondern lediglich um ein im Wege des Umtauschs erstelltes neues Dokument handelt, das die vormals erteilte, im Inland entzogene Fahrerlaubnis ausweist.
Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich die Kammer an.
Soweit vor allem in der strafrechtlichen Judikatur teilweise die Auffassung vertreten wird, auch ein solcher Umtausch sei als Neuerteilung einer Fahrerlaubnis anzusehen (vergl.. OLG Zweibrücken, NStZ-RR 2016, 153; OLG Stuttgart, NStZ- RR 2015, 182; Thüringer OLG, NZV 2013, 509) überzeugt dies die Kammer nicht.
Soweit dort auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.09.2012 (NJW 2013, 487) Bezug genommen wird, finden sich in der genannten Entscheidung zwar Ausführungen zur rechtlichen Qualifizierung eines Umtauschs einer deutschen Fahrerlaubnis in einem anderen EU Mitgliedstaat und es werden Gründe dafür angeführt, dass der Betroffene mit dem Umtausch eine neue ausländische Fahrerlaubnis erwirbt. Allerdings hat schon der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (a.a.O.) darauf hingewiesen, dass jener Entscheidung ein anderer Lebenssachverhalt zugrunde lag insofern, als es dort um die rechtliche Beurteilung des Umtausches einer gültigen deutschen Fahrerlaubnis ging, während in dem dem Verwaltungsgerichtshof zugrunde liegenden Fall ebenso wie im vorliegenden Fall eine ungültige, weil strafgerichtliche entzogene Fahrerlaubnis bzw. der entsprechende Führerschein umgetauscht wurde. Darüber hinaus hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner aktuellen Entscheidung vom 5.7.2018 (NJW 2018, 3661) zum Umtausch eines unter offensichtlichen Verstoß gegen die Voraussetzungen des ordentlichen Wohnsitzes ausgestellten Führerscheins folgendes ausgeführt:
Die Personenfreizügigkeit und die Niederlassungsfreiheit sollen grundsätzlich nicht durch Umtausch, sondern durch gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine erreicht werden (vgl. Erwägungsgründe 2 und 6 der RL 2006/126/EG). Hat der Inhaber eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat begründet, so muss er seinen Führerschein nicht umtauschen lassen; er kann aber einen Antrag auf Umtausch seines Führerscheins gegen einen gleichwertigen Führerschein stellen (Art. 11 I 1 der RL 2006/126/EG). Ein solcher Umtausch kann insbesondere hilfreich sein, um Unklarheiten hinsichtlich der Reichweite der Fahrberechtigung zu beseitigen; diese können sich aus der fehlenden Harmonisierung der Fahrzeugklassen ergeben (vgl. Erwägungsgrund 2 der RL 2006/126/EG). Der umtauschende Mitgliedstaat prüft – neben der Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes –, für welche Fahrzeugklasse der vorgelegte Führerschein tatsächlich noch gültig ist (Art. 11 I 2 der RL 2006/126/EG), und stellt einen gleichwertigen Führerschein aus. Eine Prüfung der Fahreignung (Art. 7 I Buchst. a der RL 2006/126/EG) durch den umtauschenden Mitgliedstaat ist nicht vorgesehen. …..
Da die Fahreignung beim Umtausch eines Führerscheins nach Art. 11 I der RL 2006/126/EG nicht zu prüfen ist, besteht kein Sachgrund dafür, das Umtauschdokument besser zu stellen als den zugrundeliegenden Originalführerschein. Vielmehr würde dadurch der Weg zu einem zweistufigen Führerschein-Tourismus gebahnt. Die Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellungsmitgliedstaat ist für den Anerkennungsgrundsatz von zentraler Bedeutung. Nur ein unter Beachtung dieser Voraussetzung vom zuständigen Mitgliedstaat ausgestellter Führerschein löst die Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung aus (EuGH, ECLI:EU:C:2011:324 = Slg. 2011, I-4069 = NJW 2011, 3635 Rn. 24 – Grasser).
Liegt mithin kein gültiger Führerschein vor, sei es, weil der Führerschein unter Verstoß gegen die Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes ausgestellt wurde oder wie hier rechtskräftig entzogen wurde, kann jedenfalls im Umtauschverfahren keine Fahrerlaubnis erlangt werden, die im Inland nach § 28 FeV anzuerkennen wäre.
Soweit schließlich in der strafrechtlichen Judikatur von einer anzuerkennenden Fahrerlaubniserteilung ausgegangen wird, wenn im Zusammenhang mit dem Umtausch die Gültigkeitsdauer geändert wird (OLG Zweibrücken a.a.O.; OLG Stuttgart a.a.O.), ist dies maßgebend durch das im Strafrecht geltende Analogieverbot und die besonderen Anforderungen an die Bestimmtheit von Straftatbeständen geprägt, was auf das Gefahrenabwehrrecht und das Zivilrecht nicht übertragbar ist. Auch trägt eine Gleichstellung von Umtausch und Neuausstellung eines Führerscheins dem begrenzten Zweck und Prüfprogramm eines Umtausches, bei dem die Fahreignung gerade nicht überprüft wird, nicht hinreichend Rechnung (Bundesverwaltungsgericht a.a.O.).
Nur der Vollständigkeit halber soll darauf hingewiesen werden, dass der Ankündigung des Beklagten im Schriftsatz vom 30.12.2019, die Leiterin des britischen Straßenverkehrsamts als Zeugin zum Beweis dafür zu benennen, dass dem Beklagten nach britischem Recht eine gültige provisorische Fahrerlaubnis erteilt worden sei, selbst bei Außerachtlassung der Präklusionsvorschriften der §§ 530 ff. ZPO nicht weiter nachzugehen war. Zum einen handelt es sich nicht um einen konkreten Beweisantrag, sondern lediglich um eine Ankündigung. Des Weiteren kommt es auf die unter Beweis gestellten Tatsache nicht an, da es sich bei dem hier in Rede stehenden britischen Führerschein vom 20.3.2013 nicht um eine provisorische Fahrerlaubnis handelt. Hier geht es vielmehr um die Frage, ob der dem Beklagten unter dem 20.3.2013 erteilte Führerschein auch in der Bundesrepublik Deutschland zum Führen von Kraftfahrzeugen berechtigte. Dies ist unter Zugrundelegung der unstreitigen Erlangungstatsachen eine Rechtsfrage, die einem Zeugenbeweis nicht zugänglich ist.
Auch die Ausführungen in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz des Beklagten vom 11.03.2020 ändern an diesem Ergebnis nichts. Ein Wiedereintritt in die Verhandlung etwa zur Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über den dem Schriftsatz beigefügten Beschluss des BVerwG vom 10.10.2019 – Az. 3 C 20.17 – kam nicht in Betracht. Der dem Beschluss des BVerwG zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Denn in jenem Verfahren geht es um die Frage, ob der unionsrechtliche Anerkennungsgrundsatz aus Art. 2 Abs.1 der Richtlinie 2006/126/EG auch im Falle einer Erneuerung eines Führerscheins nach Art. 7 Abs.3 Unterabs.2 der Richtlinie greift, die der Mitgliedsstaat des ordentlichen Wohnsitzes vorgenommen hat, nachdem der Aufenthaltsmitgliedsstaat dem Betroffenen wegen einer Trunkenheitsfahrt und dem sich daraus ergebenen Fehlen der Fahreignung das Recht aberkannt hatte, auf seinem Hoheitsgebiet von seiner Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen. Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um die Anerkennung nach einer Erneuerung eines Führerscheins gem. Art. 7 Abs.3 der Richtlinie, sondern um die Frage der Anerkennung eines im Wege des bloßen Umtausches gem. Art. 11 der Richtlinie, der auch als solcher unter der Rubrik 12 in dem britischen Führerschein mit dem Code 70 dokumentiert ist, erworbenen Führerscheins.
Nach alledem ist auch eine selbstständige Vorlage an den EuGH gem Art. 267 AEUV nicht erforderlich.
Dass der Beklagte trotz bestehender Inlandsungültigkeit seiner britischen Fahrerlaubnis am 18.12.2013 in Niebüll ein Kraftfahrzeug führte, geschah auch vorsätzlich. Denn der Beklagte musste es zumindestens für möglich halten, dass ein unter Vorlage eines nicht mehr gültigen Führerscheinsdokuments durchgeführter Umtausch in eine britische Fahrerlaubnis jedenfalls nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik berechtigen würde und nahm bei der Fahrt am 18.12.2013 diese Ungültigkeit billigend in Kauf.
Die Klägerin ist daher gem. § 28 Abs. 2 VVG, D 1.3 AKB im Innenverhältnis nicht zur Leistung verpflichtet und hat gegenüber dem Beklagten einen Regressanspruch hinsichtlich der von ihr unstreitig getätigten Zahlungen in Höhe von 5543,47 € bis zur Höchstsumme des § 5 Abs. 3 KfZPflVV in Höhe eines Betrages von 5000 €, der aus Gründen des Verzugs ab dem 10.4.2015 gesetzlich zu verzinsen ist.
Ebenfalls aus Verzugsgesichtspunkten hat die Klägerin Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Inkassokosten jedenfalls in der vom Amtsgericht ausgeurteilten Höhe von 258,17 €.
Nach alledem war die Berufung mit der sie aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 48 GKG, 3 ZPO.
Die Kammer hat die Revision gem.§ 543 ZPO zugelassen, da eine höchstrichterliche Klärung durch den Bundesgerichtshof zur streitentscheidenden Frage, ob ein ursprünglich durch Vorlage eines im Inland entzogenen Führerscheins im Wege des Umtauschs erworbener und später verlängerter britische Führerschein im Inland anzuerkennen ist, noch nicht vorliegt.