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Wann ist regelmäßiger THC-Konsum anzunehmen?

VG Düsseldorf – Az.: 14 L 4756/17 – Beschluss vom 09.11.2017

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung der Klage 14 K 16151/17 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 24. August 2017 wiederherzustellen bzw. anzuordnen, hat keinen Erfolg.

Der Antrag ist zulässig.

Der erhobenen Klage kommt hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins wegen der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 Justizgesetz Nordrhein-Westfalen (JustG NRW) keine aufschiebende Wirkung zu.

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen belastenden Verwaltungsakt wiederherstellen bzw. anordnen, wenn bei einer Interessenabwägung das private Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Dies kommt dann in Betracht, wenn die angefochtene Verfügung offensichtlich rechtswidrig ist oder aus anderen Gründen das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Vorliegend überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers.

Die angefochtene Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 24. August 2017 erweist sich bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig. Die in der Hauptsache erhobene Klage wird voraussichtlich erfolglos bleiben.

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung maßgeblich.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2008 – 3 C 26.07 -, Rn. 16, juris; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 2. April 2012 – 16 B 356/12 -, Rn. 6, juris.

In formeller Hinsicht genügt die Anordnung der sofortigen Vollziehung dem in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO normierten Begründungserfordernis. Die Antragsgegnerin war sich des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehung bewusst und hat dies in der angefochtenen Verfügung hinreichend zum Ausdruck gebracht. Dem stehen auch eine gewisse Redundanz und möglicherweise formelhaft klingende Wendungen angesichts der Vielzahl vergleichbarer Verfahren und der jeweils sehr ähnlich gelagerten widerstreitenden Interessen nicht entgegen, da sich die Begründung für die Ordnungsverfügung selbst und diejenige für den Sofortvollzug typischerweise weitgehend decken.

Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 19. März 2012 – 16 B 237/12 -, Rn. 2, juris; OVG NRW, Beschluss vom 7. April 2014 – 16 B 89/14 – juris; OVG NRW, Beschluss vom 14. November 2014 – 16 B 1195/14 – juris; VGH Bayern, Beschluss vom 15. Juni 2009- 11 CS 09.373 -, Rn. 19, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Januar 2012 – 6 L 1971/11 -,Rn. 2, juris.

Insbesondere ist es im vorliegenden Fall unschädlich, dass in der Begründung für den Sofortvollzug offensichtlich fehlerhaft von „Erkrankung“ gesprochen wird, da es sich dabei aus dem Gesamtzusammenhang heraus um eine offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne von § 42 Abs. 1 Satz 1 VwVfG handelt, die die formelle Rechtmäßigkeit nicht betrifft und von der Behörde jederzeit berichtigt werden kann,

vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl., 2016, § 42, Rdnr. 8.

Wann ist regelmäßiger THC-Konsum anzunehmen?
(Symbolfoto: Von Shannon L. Price/Shutterstock.com)

Das Erlassinteresse und das Interesse an der sofortigen Vollziehung können – gerade im Gefahrenabwehrrecht – durchaus zusammenfallen, wobei die Frage, ob die Abwägung inhaltlich tragfähig ist, keinen Aspekt des Formerfordernisses gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO darstellt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2012 – 16 B 237/12 -, Rn. 2, juris; OVG NRW, Beschluss vom 8.August 2008 – 13 B 1122/08 -, Rn. 4, 6, juris.

Die Ordnungsverfügung ist nach summarischer Prüfung auch in materieller Hinsicht rechtmäßig.

Die Entziehung der Fahrerlaubnis findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV -). Hiernach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Nach Ziffer 9.2.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV ist u.a. derjenige zum Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet anzusehen, der regelmäßig Cannabis konsumiert.

Die Voraussetzungen eines regelmäßigen Cannabiskonsums im Sinne von Ziffer 9.2.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV sind in der Person des Antragstellers erfüllt. Die Fahrerlaubnis war ihm demgemäß zwingend zu entziehen, ohne dass der Antragsgegnerin ein Ermessen eingeräumt war.

Es ist nach Aktenlage davon auszugehen, dass der Antragsteller regelmäßig Cannabis konsumiert und unter Wirkung von Cannabis ein Fahrzeug gesteuert hat. Er wurde am Sonntag, dem 8. November 2015 gegen 21:05 Uhr auf der Bundesautobahn 0 in Fahrtrichtung C. bei M. von der Polizei angehalten und kontrolliert. Im PKW befand sich ein Joint in einem Glas hinter dem Fahrersitz. Zudem führte der Antragsteller 55 Gramm Marihuana bei sich. Der Antragsteller gab gegenüber den Polizeibeamten an, dass er sehr häufig Cannabis konsumiere. Ihm wurde eine Blutprobe entnommen, deren Auswertung durch das Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums H. ausweislich des Gutachtens vom 16. November 2015 einen THC-Wert von 31,9 ng/ml und einen THC-COOH-Wert von 227,1 ng/ml ergab.

Aus dem THC-COOH-Wert von 227,1 ng/ml kann auf einen regelmäßigen Konsum von Cannabis geschlossen werden, da ab einer THC-COOH-Konzentration von 150 ng/ml ein regelmäßiger Konsum als gesichert gelten kann und auch die sonstigen Umstände für einen regelmäßigen Konsum des Antragstellers sprechen,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. Februar 2015 – 16 B 50/15 – juris.

Die Voraussetzungen eines gelegentlichen Cannabiskonsums im Sinne von Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV sind in der Person des Antragstellers jedoch ebenfalls erfüllt. Denn neben dem eingestandenen häufigen Cannabiskonsum ergibt sich das fehlende Trennungsvermögen aus dem festgestellten THC-Wert von 31,9 ng/ml im Blutserum. Nach der aktuell bestätigten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, der das erkennende Gericht folgt, führt bereits ein THC-Wert ab 1,0 ng/ml im Blutserum zur Annahme mangelnder Trennung im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. März 2017 – 16 A 432/16 – juris, mit umfangreichen Nachweisen zu der weiteren obergerichtlichen Rechtsprechung und den wissenschaftlichen Untersuchungen.

Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller die Kraftfahreignung mit hoher Wahrscheinlichkeit wiedererlangt haben könnte, sind nicht ersichtlich. Zwingende Voraussetzung für die Wiedererlangung der Kraftfahreignung ist grundsätzlich der Nachweis, dass der Antragsteller in der Lage ist, auf den Konsum von Betäubungsmitteln dauerhaft ganz zu verzichten bzw. bei fortgesetzter gelegentlicher Einnahme von Cannabis ein nach den Wertungen der FeV hinnehmbares Konsummuster (Verzicht auf den zusätzlichen Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, Trennung zwischen dem gelegentlichem Konsum und dem Fahren, keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust) einzuhalten. Dieser Nachweis kann – wenn wie hier die Voraussetzungen für einen zwingenden Entzug der Fahrerlaubnis vorgelegen haben – grundsätzlich nur im Rahmen des Neuerteilungsverfahrens durch die Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 14 Abs. 2 FeV geführt werden.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. April 2012 – 16 B 356/12 -, Rn. 8, juris; OVG NRW, Beschluss vom 6. Oktober 2006 – 16 B 1538/06 -, Rn. 4, juris.

Einen derartigen Nachweis hat der Antragsteller vorliegend nicht geführt.

Die Interessenabwägung fällt auch im Übrigen zulasten des Antragstellers aus. Denn in aller Regel trägt allein die voraussichtliche Rechtmäßigkeit einer auf den Verlust der Kraftfahreignung gestützten Ordnungsverfügung die Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs. Zwar kann die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen. Derartige Folgen, die bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage reichen können, muss der Betroffene jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen.

Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juni 2002 – 1 BvR 2062/96 -, Rn. 50 ff., juris; BVerfG, Beschluss vom 25. September 2000 – 2 BvQ 30/00 -, Rn. 4, juris; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2012 – 16 B 944/12 -, Rn. 11, juris; OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2012- 16 B 1106/12 -, Rn. 7, juris.

Rechtliche Bedenken gegen die in der Ordnungsverfügung vom 24. August 2017 getroffenen sonstigen Entscheidungen bestehen ebenfalls nicht.

Die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins folgt aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV. Die mit der Fahrerlaubnisentziehung verbundene Zwangsgeldandrohung ist gemäß §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) rechtmäßig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Das Interesse an der Fahrerlaubnis der betroffenen Klassen wird in Klageverfahren nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen,

vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.10.2012 – 16 B 1106/12 -, Rn. 9, juris,

der das Gericht folgt, mit dem Auffangwert des GKG angesetzt. Im Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes ermäßigt sich dieser Betrag um die Hälfte.

 

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