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Voraussetzungen für die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage

Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 3 A 281/10 – Urteil vom 17.08.2011

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist Halter des auf ihn zugelassenen Kraftrades Honda Motor mit dem amtlichen Kennzeichen RD- …. Am 25.04.2010 gegen 19:33 Uhr in Neuland, B 495, S. Straße, km 20,5 kam es mit diesem Kraftrad zu einer Überschreitung der innerhalb geschlossener Ortschaften zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 28 km/h. Der Geschwindigkeitsverstoß wurde durch ein Geschwindigkeitsmessgerät festgestellt und mit einem Foto dokumentiert.

Am 03.05.2010 hörte die Bußgeldstelle des Landkreises S. den Kläger zu dem Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung an. Daraufhin teilte der Kläger am 25.05.2010 mit, nicht er sei zu dem betreffenden Zeitpunkt gefahren, sondern eine Person, für die ihm ein Aussageverweigerungsrecht zustehe und von dem er Gebrauch mache.

Mit Schreiben vom 04.06.2010 forderte die Bußgeldstelle des Landkreises S. den Kläger erneut zur Benennung des Fahrzeugführers auf und drohte an, dass anderenfalls die Führung eines Fahrtenbuches auferlegt werden könne.

Mit Schreiben vom 14.07.2010 teilte der Landkreis S. dem Kläger mit, dass das gegen ihn laufende Ordnungswidrigkeitsverfahren eingestellt worden sei, weil die Person nicht habe festgestellt werden könne, die die Geschwindigkeitsüberschreitung begangen habe. Die Auferlegung der Fahrtenbuchführung sei beantragt und der Vorgang an den Beklagten als zuständige Straßenverkehrsbehörde übermittelt worden.

Mit Bescheid vom 23.08.2010 ordnete der Beklagte für das auf den Namen des Klägers zum öffentlichen Straßenverkehr zugelassene Kraftrad, amtliches Kennzeichen RD- … (als Ersatzkennzeichen für RD- … sowie für jedes Ersatzfahrzeug an, für die Dauer von zwölf Monaten ein Fahrtenbuch zu führen.

Dagegen erhob der Kläger am 25.08.2010 Widerspruch, den der Beklagte mit Bescheid vom 25.11.2010 zurück wies. Zur Begründung wird u.a ausgeführt, der Kläger habe durch Inanspruchnahme des Zeugnisverweigerungsrechts erkennbar abgelehnt, an der Ermittlung des Fahrers mitzuwirken. Durch die zukünftige Führung eines Fahrtenbuchs sei gewährleistet, den Fahrzeugführer bei künftigen Verkehrsverstößen auch trotz eines Zeugnisverweigerungsrechts benennen zu können. Die Anordnung der Dauer von 12 Monaten stelle zudem keine übermäßige Belastung dar.

Daraufhin erhob der Kläger am 17.12.2010 Klage.

Er macht geltend, der Landkreis S. habe in dieser Angelegenheit nicht ausreichend ermittelt, insbesondere nicht die örtliche Polizei um weitere Ermittlung des Fahrers gebeten. Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage setze voraus, dass die Feststellung des Fahrzeugführers nach der Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich gewesen sei. Dies sei jedoch nur der Fall, wenn die Behörde nicht dazu in der Lage gewesen wäre, obwohl sie die nach den Umständen des Einzelfalles angemessenen und zumutbaren Ermittlungsmaßnahmen getroffen habe. Auch die Dauer der Fahrtenbuchführung von einem Jahr sei unangemessen hoch.

Er beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 23.08.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 25.11. aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist zur Begründung auf die Gründe seiner Bescheide vom 23.08.2010 und 25.11.2010.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte, sowie auf die zur Akte gereichten Schriftstücke der Beteiligten.

Mit Beschluss vom 28.12.2010 wurde der Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Entscheidungsgründe

Im Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die Klage gegen die Verhängung eines Fahrtenbuchs vom 23.08.2010 und den Widerspruchsbescheid vom 25.11.2010 ist als Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, jedoch unbegründet.

Die Anordnung der Fahrtenbuchführung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

Der Beklagte durfte dem Kläger gemäß § 31a Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) auferlegen, zwölf Monate ein Fahrtenbuch zu führen. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

Dem Beklagten war es nicht möglich, den für die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 28 km/h am 25.04.2010 in Neuland verantwortlichen Fahrzeugführer festzustellen. Von einer Unmöglichkeit ist auszugehen, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage gewesen ist, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Für die Beurteilung der Angemessenheit der Aufklärungsmaßnahme kommt es wesentlich darauf an, ob die Behörde im sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit können sich an der Einlassung und an dem Verhalten des Fahrzeughalters ausrichten. Sofern dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ablehnt, ist es der Polizei regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben. Der Kläger hat sich im Rahmen der Anhörung zur Verkehrsüberschreitung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Er hat hierdurch deutlich gemacht, nicht an der Aufklärung des Verstoßes gegen Verkehrsvorschriften mitwirken zu wollen.

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass in einem derartigen Fall regelmäßig weitere Ermittlungen der Ordnungsbehörden ausscheiden (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1982, Az.: 7 C 3/80, Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 12; BVerwG, Beschluss v. 1. März 1994, Az.: 11 B 130/93, VRS 88, 158). Hier waren von vornherein weitere Ermittlungen aussichtslos, weil z.B. auch ein Fotoabgleich mit in Betracht kommenden Personen ausschied, da es sich um ein von hinten aufgenommenes Foto eines Motorradfahrers handelt. Im Übrigen besteht ein doppeltes „Recht“, nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, nicht. Ein solches „Recht“ widerspräche dem Zweck des § 31 a StVZO, nämlich der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs zu dienen, die auch die Klägerin für sich in Anspruch nimmt (vgl. S-H OVG, Beschl. vom 02.10.10, 2 LA 36/10, BVerwG, Beschluss v. 22. Juni 1995, Az.: 11 B 7/95, DAR 1995, 495 unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss v. 7. Dezember 1981, Az.: 2 BvR 1172/81, NJW 1982, 568; BVerwG, Beschluss v. 11. August 1999, Az.: 3 B 96.99, NZV 2000, 385; ebenso 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen OVG, Beschluss v. 1. April 2009, Az.: 4 LA 10/09, zitiert nach Juris).

Die Anordnung des Beklagten, dem Kläger für zwölf Monate ein Fahrtenbuch aufzuerlegen, ist nicht ermessensfehlerhaft. Gemäß § 114 S. 1 VwGO ist die behördliche Ermessenentscheidung nur eingeschränkt auf Ermessensüberschreitung, -unterschreitung, -fehlgebrauch, Verkennung von Grundrechten und allgemeinen Verwaltungsgrundsätzen gerichtlich überprüfbar. Insbesondere liegt der Anordnung des Beklagten weder ein Ermessensfehlgebrauch zu Grunde, noch ist sie unverhältnismäßig.

Im Widerspruchsbescheid erfolgten ausführliche Ermessenserwägungen hinsichtlich der Notwendigkeit der Auferlegung eines Fahrtenbuches aus Gründen der Gefahrenabwehr.

Eine zwölfmonatige Fahrtenbuchauflage ist für den in Frage stehenden Verstoß gegen verkehrsrechtliche Vorschriften auch nicht unverhältnismäßig. Der Führer des Motorrads des Klägers hat die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nach Abzug der Toleranz um 28 km/h überschritten. Diese Geschwindigkeitsüberschreitung wäre mit drei Punkten in das Verkehrszentralregister einzutragen gewesen. Eine Fahrtenbuchauflage ist selbst bei erstmaliger Begehung eines mit einem Punkt bewerteten Verstoßes gerechtfertigt. Auch unverschuldete Verstöße rechtfertigen eine Auflage. Der Schutz der öffentlichen Sicherheit überwiegt gegenüber dem Interesse der Klägerin, kein lästiges und Arbeit verursachendes Fahrtenbuch zu führen. Bereits eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um mehr als 20 km/h rechtfertigt eine zwölfmonatige Fahrtenbuchauflage (BVerwG VkBl 79, 209, zitiert nach Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 31a StVZO, 40. Auflage 2009).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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