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Verurteilung wegen Verstoß gegen Fahrpersonalverordnung

AG Tübingen – Az.: 16 OWi 16 Js 16761/21 – Urteil vom 29.09.2021

1. Der Betroffene wird vom Vorwurf des Verstoßes gegen das Fahrpersonalgesetz freigesprochen.

2. Die Kosten des Verfahren und die notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt.

Angewendete Vorschriften: §§ 3, 46, 71 OWiG, 267 Abs. 5, 467 Abs. 1 StPO

Gründe

I.

Der Betroffene hat rechtzeitig gegen einen Bußgeldbescheid des Landratsamts Tübingen mit folgendem Vorwurf Einspruch eingelegt:

„Ihnen wird zur Last gelegt, am XXX um 11:00 Uhr in T. als Verantwortlicher des LKW Peugeot TÜ-XXX folgende Ordnungswidrigkeit begangen zu haben:

Sie haben den vorgeschriebenen Fahrtenschreiber in das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen TÜ-XXX, zulässiges Gesamtgewicht 3500 KG, Anhänger TÜ-XYY, zulässiges Gesamtgewicht 3000 KG, nicht einbauen lassen. Ein Fahrtenschreiber muss in Fahrzeugen eingebaut sein, die der Güterbeförderung im Straßenverkehr dienen und deren zulässiges Gesamtgewicht (einschließlich Anhänger) mehr als 3,5 t beträgt.

Am Tattag wurde mit dem Fahrzeug Brennholz zum Kunden befördert, weshalb es sich um eine gewerbliche Fahrt handelte.

§ 8 Abs. 1 Nr. 1b, Abs. 2 FPersG, § 23 Abs. 1 Nr. 1 FPersV, Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 165/2014.“

II.

In der Hauptverhandlung hat das Gericht den Betroffenen angehört.

Der Betroffene ließ sich dahin ein, daß die sachlichen Feststellungen im Bußgeldbescheid zuträfen. Er falle jedoch unter die „Handwerkerregel“. Er biete land- und forstwirtschaftliche Dienstleistungen an, insbesondere die Herstellung und den Verkauf von selbst geschlagenem Brennholz.

Er habe das Fahrzeug 2017 erworben und dann mit seinem Nachbarn, einem ausgebildeten Fahrlehrer, die Frage angesprochen, ob er einen Fahrtenschreiber einbauen lassen müsse. Der Fahrlehrer habe ihn dann auf die „Handwerkerregel“ aufmerksam gemacht. Diese sei wegen der „Polensprinter“ eingeführt werden. Ob es sich um eine Landes-, Bundes- oder sonstige Vorschrift handle, wisse er nicht. Er habe aber im Internet bei „google“ mit den Suchwörtern „Handwerkerregel“ und „Fahrtenschreiber“ recherchiert. Er könne die Seiten, die er angeschaut habe, nicht mehr benennen. Tenor sei aber jeweils gewesen, daß ein Handwerker keinen Fahrtenschreiber im Fahrzeug brauche, wenn die Fahrten nur eine untergeordnete Rolle spielten. Dies sei bei ihm der Fall. Er sei etwa 8 Stunden täglich mit Baumfällen, Spalten und Zuschnitt von Brennholz beschäftigt, nur etwa eine Stunde nutze er, um das Brennholz zum Kunden zu befördern.

Mit dem Fahrzeug sei er bei einer Hauptuntersuchung gewesen, dort sei ein fehlender Fahrtenschreiber nicht bemängelt worden. Er habe das Fahrzeug auch viel privat genutzt.

Das Gericht hat nach der Hauptverhandlung keine Zweifel daran, daß sich der Sachverhalt so zugetragen hat wie im Bußgeldbescheid festgestellt und zuvor zitiert. Auch den weiteren Angaben des Betroffenen kann das Gericht folgen.

III.

Der festgestellte Sachverhalt kann nicht geahndet werden.

Voraussetzung für die Ahndung einer Handlung nach § 3 OWiG ist, daß die Möglichkeit der Ahndung gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde.

Aus diesem auch in Art. 103 Abs. 2 GG normierten Grundsatz ergibt sich, daß eine Strafvorschrift hinreichend bestimmt sein muß, damit ein Gericht eine Sanktion als Rechtsfolge aussprechen kann (nulla poena sine lege certa). Im Falle von verweisenden Normen gilt der Bestimmtheitsgrundsatz nicht nur für die Strafnorm selbst („Blankettnorm“), sondern auch für die Vorschriften, auf die verwiesen wird (BVerfG, Beschluß vom 17. November 2009 – 1 BvR 2717/08 – EuGRZ 2009, 702; BVerfGE 37, 201 mwN).

1.) Die im Bußgeldbescheid zitierten Vorschriften haben zum Zeitpunkt der Tat (14. Dezember 2020) folgenden Wortlaut (das Gericht gibt die gesamte Vorschrift wieder, die angewendete Variante ist fett gedruckt):

a) Die Bußgeldvorschrift im Fahrpersonalgesetz:

Gesetz über das Fahrpersonal von Kraftfahrzeugen und Straßenbahnen

Fahrpersonalgesetz

§ 8 Bußgeldvorschriften

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

1. als Unternehmer

a) einer Rechtsverordnung nach § 2 Nr. 2 Buchstabe b oder Nr. 3 oder einer vollziehbaren Anordnung auf Grund einer solchen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist,

b) einer Vorschrift der Verordnung (EG) Nr. 2135/98, der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 oder des AETR zuwiderhandelt, soweit eine Rechtsverordnung nach § 2 Nr. 1 Buchstabe e oder Nr. 2 Buchstabe e für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist,

c) entgegen § 3 Satz 1 ein Mitglied des Fahrpersonals nach der zurückgelegten Fahrstrecke oder der Menge der beförderten Güter entlohnt,

d) entgegen § 4 Abs. 3 Satz 1 eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt oder eine Unterlage nicht oder nicht rechtzeitig aushändigt, nicht oder nicht rechtzeitig einsendet oder nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stellt,

e) entgegen § 4 Abs. 3 Satz 6 dort genannte Daten nicht, nicht richtig oder nicht für die vorgeschriebene Dauer speichert,

f) entgegen § 4 Abs. 3 Satz 7 ein Schaublatt oder einen Ausdruck nicht oder nicht für die vorgeschriebene Dauer aufbewahrt,

g) entgegen § 4 Abs. 3 Satz 9 nicht dafür Sorge trägt, dass eine lückenlose Dokumentation oder Datensicherung erfolgt,

h) entgegen § 4 Abs. 5 Satz 5 eine Maßnahme nicht duldet oder

I) einer vollziehbaren Anordnung nach § 5 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 1a Satz 1 oder § 7 zuwiderhandelt,

2. als Fahrer

a) einer Rechtsverordnung nach § 2 Nr. 2 Buchstabe b oder Nr. 3 oder einer vollziehbaren Anordnung auf Grund einer solchen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist,

b) einer Vorschrift der Verordnung (EG) Nr. 2135/98, der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 oder des AETR zuwiderhandelt, soweit eine Rechtsverordnung nach § 2 Nr. 1 Buchstabe e oder Nr. 2 Buchstabe e für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist,

c) entgegen § 4 Abs. 3 Satz 1 eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt oder eine Unterlage nicht aushändigt,

d) entgegen § 4 Abs. 3 Satz 2 einen Tätigkeitsnachweis nicht oder nicht rechtzeitig aushändigt,

e) entgegen § 4 Abs. 3 Satz 4 die Fahrerkarte zum Kopieren nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stellt,

f) entgegen § 4 Abs. 5 Satz 5 eine Maßnahme nicht duldet oder

g) einer vollziehbaren Anordnung nach § 5 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 1a Satz 1 oder § 7 zuwiderhandelt oder

3. als Fahrzeughalter entgegen § 4 Abs. 3 Satz 1 eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt oder eine Unterlage nicht oder nicht rechtzeitig aushändigt, nicht oder nicht rechtzeitig einsendet oder nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stellt oder

4. als Werkstattinhaber oder Installateur

a) einer Rechtsverordnung nach § 2 Nr. 2 Buchstabe b oder Nr. 3 Buchstabe c oder einer vollziehbaren Anordnung auf Grund einer solchen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist, oder

b) einer Vorschrift der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 oder des AETR zuwiderhandelt, soweit eine Rechtsverordnung nach § 2 Nr. 1 Buchstabe e oder Nr. 2 Buchstabe e für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 3 mit einer Geldbuße bis zu dreißigtausend Euro, in den übrigen Fällen mit einer Geldbuße bis zu fünftausend Euro geahndet werden.

(3) Ordnungswidrigkeiten nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b, Nummer 2 Buchstabe b oder Nummer 4 Buchstabe b, die bis zum 1. März 2016 unter Geltung der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 begangen wurden, können abweichend von § 4 Absatz 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten nach den zum Zeitpunkt der Tat geltenden Bestimmungen geahndet werden.

(4) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe b, Nummer 2 Buchstabe b und Nummer 4 Buchstabe b kann eine Ordnungswidrigkeit wegen einer Zuwiderhandlung gegen das AETR auch dann geahndet werden, wenn die Ordnungswidrigkeit nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes begangen wurde.

b) Die Bußgeldvorschrift der Fahrpersonalverordnung:

Es verordnen

– das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit auf Grund des § 2 Nr. 1 Buchstabe a, b, c, d und e, Nr. 2 Buchstabe a, b und e, Nr. 3 Buchstabe a, b, c, d und e sowie Nr. 4 des Fahrpersonalgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 640), dessen Nummer 1 Buchstabe a, b und d und Nummer 3 Buchstabe c durch Artikel 1 Nr. 2 des Gesetzes vom 18. August 1997 (BGBl. I S. 2075) neu gefasst, Nummer 1 Buchstabe e und Nummer 2 Buchstabe e durch Artikel 1b Nr. 1 des Gesetzes vom 3. Mai 2005 (BGBl. I S. 1221) geändert und Nummer 4 durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. Mai 2004 (BGBl. I S. 954) eingefügt worden ist,

– das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf Grund des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe p des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919) und des § 6a Abs. 2 bis 5 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919) in Verbindung mit dem 2. Abschnitt des Verwaltungskostengesetzes vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821):

§ 23 Zuwiderhandlungen gegen die Verordnung (EU) Nr. 165/2014

(1) Ordnungswidrig im Sinne des § 8 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b des Fahrpersonalgesetzes handelt, wer als Unternehmer gegen die Verordnung (EU) Nr. 165/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Fahrtenschreiber im Straßenverkehr, zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates über das Kontrollgerät im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (ABl. L 60 vom 28.2.2014, S. 1) verstößt, indem er vorsätzlich oder fahrlässig

1. entgegen Artikel 3 Absatz 1 einen Fahrtenschreiber nicht einbaut oder nicht benutzt,

2. entgegen Artikel 32 Absatz 1 für das einwandfreie Funktionieren des Fahrtenschreibers oder die ordnungsgemäße Benutzung des Fahrtenschreibers oder der Fahrerkarte oder des Schaublattes nicht sorgt,

2a. entgegen Artikel 32 Absatz 4 das Fahrzeug mit mehr als nur einem einzigen Fahrtenschreiber ausrüstet,

3. entgegen Artikel 33 Absatz 1 Unterabsatz 2 Satz 1 eine ausreichende Anzahl Schaublätter nicht aushändigt,

4. entgegen Artikel 33 Absatz 1 Unterabsatz 2 Satz 2 ein Schaublatt aushändigt, das sich für den eingebauten Fahrtenschreiber nicht eignet,

5. entgegen Artikel 33 Absatz 1 Unterabsatz 3 nicht dafür Sorge trägt, dass der dort genannte Ausdruck ordnungsgemäß erfolgen kann,

5a. entgegen Artikel 33 Absatz 2 Satz 1 ein Schaublatt oder einen Ausdruck nicht oder nicht in der vorgeschriebenen Weise aufbewahrt,

6. entgegen Artikel 33 Absatz 2 Satz 3 ein Schaublatt nicht oder nicht rechtzeitig vorlegt oder nicht oder nicht rechtzeitig aushändigt oder

7. entgegen Artikel 37 Absatz 1 Unterabsatz 1, auch in Verbindung mit Unterabsatz 2, eine Reparatur nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig durchführen lässt.

(2) Ordnungswidrig im Sinne des § 8 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b des Fahrpersonalgesetzes handelt, wer als Fahrer gegen die Verordnung (EU) Nr. 165/2014 verstößt, indem er vorsätzlich oder fahrlässig

1. entgegen Artikel 3 Absatz 1 einen Fahrtenschreiber nicht benutzt,

1a. entgegen Artikel 27 Absatz 2 eine andere Fahrerkarte, eine defekte Fahrerkarte oder eine Fahrerkarte, deren Gültigkeit abgelaufen ist, benutzt,

1b. entgegen Artikel 29 Absatz 5 die Fahrt ohne Fahrerkarte fortsetzt,

2. entgegen Artikel 32 Absatz 1 für das einwandfreie Funktionieren des Fahrtenschreibers oder die ordnungsgemäße Benutzung des Fahrtenschreibers oder der Fahrerkarte oder des Schaublattes nicht sorgt,

3. entgegen Artikel 33 Absatz 1 Unterabsatz 3 nicht dafür Sorge trägt, dass der dort genannte Ausdruck ordnungsgemäß erfolgen kann,

4. entgegen Artikel 34 Absatz 1 Satz 1 ein Schaublatt oder eine Fahrerkarte nicht oder nicht rechtzeitig benutzt,

5. entgegen Artikel 34 Absatz 1 Satz 2 ein Schaublatt oder eine Fahrerkarte entnimmt,

6. entgegen Artikel 34 Absatz 1 Satz 3 ein Schaublatt oder eine Fahrerkarte verwendet,

7. entgegen Artikel 34 Absatz 3 Unterabsatz 1, Absatz 4 Unterabsatz 2 oder Absatz 6 Buchstabe e eine Eintragung oder eine Änderung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht vor Fahrtantritt vornimmt,

8. entgegen Artikel 34 Absatz 4 Unterabsatz 1 nicht sicherstellt, dass die Fahrerkarte im richtigen Steckplatz eingeschoben ist,

9. entgegen Artikel 34 Absatz 5 Buchstabe a nicht darauf achtet, dass die Zeitmarkierung mit der dort genannten Zeit übereinstimmt,

10. entgegen Artikel 34 Absatz 5 Buchstabe b die Schaltvorrichtung des Kontrollgeräts nicht, nicht richtig oder nicht zu Beginn der dort genannten Zeiten betätigt,

11. entgegen Artikel 34 Absatz 6 Buchstabe a bis c oder Buchstabe d eine dort genannte Angabe nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig einträgt,

12. entgegen Artikel 34 Absatz 7 Unterabsatz 1 Satz 1 ein Symbol nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig eingibt,

13. entgegen Artikel 35 Absatz 2 einen Ausdruck nicht oder nicht rechtzeitig fertigt oder eine dort genannte Angabe oder eine dort genannte Zeit nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig einträgt oder eine Unterschrift nicht oder nicht rechtzeitig anbringt,

14. entgegen Artikel 36 Absatz 1 oder 2 ein Schaublatt, die Fahrerkarte, einen Ausdruck oder eine handschriftliche Aufzeichnung nicht oder nicht rechtzeitig vorlegt oder

15. entgegen Artikel 37 Absatz 2 eine dort genannte Angabe nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht für die vorgeschriebene Dauer vermerkt.

(3) Ordnungswidrig im Sinne des § 8 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b, Nummer 4 Buchstabe b des Fahrpersonalgesetzes handelt, wer als Einbaubetriebsinhaber, Werkstattinhaber oder Fahrzeughersteller vorsätzlich oder fahrlässig entgegen Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 einen Fahrtenschreiber einbaut oder repariert.

(4) Ordnungswidrig im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b, Nr. 2 Buchstabe b oder Nr. 4 Buchstabe b des Fahrpersonalgesetzes handelt, wer als Unternehmer, Fahrer, Werkstattinhaber oder als Installateur vorsätzlich oder fahrlässig entgegen Artikel 32 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 Aufzeichnungen auf dem Schaublatt verfälscht, verschleiert, unterdrückt oder vernichtet oder Speicherinhalte des Fahrtenschreibers oder der Fahrerkarte oder die ausgedruckten Dokumente von dem Fahrtenschreiber verfälscht, verschleiert, unterdrückt oder vernichtet oder eine Einrichtung hierfür im Fahrzeug bereithält.

(5) Ordnungswidrig im Sinne des § 8 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b des Fahrpersonalgesetzes handelt, wer als Werkstattinhaber vorsätzlich oder fahrlässig entgegen Artikel 23 Absatz 4 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 die Nachprüfungsberichte ab der Erstellung nicht mindestens zwei Jahre lang aufbewahrt.

c) Artikel 3 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014

Artikel 3

Anwendungsbereich

(1) Der Fahrtenschreiber ist in Fahrzeugen einzubauen und zu benutzen, die in einem Mitgliedstaat zugelassen sind, der Personen- oder Güterbeförderung im Straßenverkehr dienen und für die die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 gilt.

(2) Die Mitgliedstaaten können die in Artikel 13 Absätze 1 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 genannten Fahrzeuge von der Anwendung der vorliegenden Verordnung ausnehmen.

(3) Die Mitgliedstaaten können Fahrzeuge, die für Beförderungen eingesetzt werden, für die eine Ausnahme nach Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 gewährt wurde, von der Anwendung der vorliegenden Verordnung ausnehmen.

Die Mitgliedstaaten können Fahrzeuge, die für Beförderungen eingesetzt werden, für die gemäß Artikel 14 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 eine Ausnahme gewährt wurde, von der Anwendung der vorliegenden Verordnung ausnehmen; sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

(4) Spätestens drei Jahre nach Ablauf des Jahres des Inkrafttretens der in Artikel 11 Absatz 2 genannten Einzelvorschriften müssen folgende Kategorien von Fahrzeugen, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat ihrer Zulassung eingesetzt werden, mit einem intelligenten Fahrtenschreiber gemäß den Artikeln 8, 9 und 10 dieser Verordnung ausgerüstet sein:

a) Fahrzeuge, die mit einem analogen Fahrtenschreiber ausgerüstet sind;

b) Fahrzeuge, die mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgerüstet sind, der den bis zum 30. September 2011 geltenden Spezifikationen in Anhang IB der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 entspricht;

c) Fahrzeuge, die mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgerüstet sind, der den ab dem 1. Oktober 2011 geltenden Spezifikationen in Anhang IB der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 entspricht, und

d) Fahrzeuge, die mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgerüstet sind, der den ab dem 1. Oktober 2012 geltenden Spezifikationen in Anhang IB der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 entspricht.

(4a) Spätestens vier Jahre nach Inkrafttreten der in Artikel 11 Absatz 2 genannten Einzelvorschriften müssen Fahrzeuge, die mit einem intelligenten Fahrtenschreiber gemäß Anhang IC der Durchführungsverordnung (EU) 2016/799 der Kommission ( 10 ) ausgerüstet sind und in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat ihrer Zulassung eingesetzt werden, mit einem intelligenten Fahrtenschreiber gemäß den Artikeln 8, 9 und 10 der vorliegenden Verordnung ausgerüstet sein.

(5) Die Mitgliedstaaten können für Beförderungen im Binnenverkehr vorschreiben, dass in allen Fahrzeugen, in denen gemäß Absatz 1 nicht anderweitig ein Fahrtenschreiber eingebaut und benutzt zu werden braucht, ein Fahrtenschreiber gemäß dieser Verordnung eingebaut und benutzt werden muss.

d) auszugsweise die Verordnung 561/2006:

Artikel 1

Durch diese Verordnung werden Vorschriften zu den Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen und Ruhezeiten für Kraftfahrer im Straßengüter- und -personenverkehr festgelegt, um die Bedingungen für den Wettbewerb zwischen Landverkehrsträgern, insbesondere im Straßenverkehrsgewerbe, anzugleichen und die Arbeitsbedingungen sowie die Straßenverkehrssicherheit zu verbessern. Ziel dieser Verordnung ist es ferner, zu einer besseren Kontrolle und Durchsetzung durch die Mitgliedstaaten sowie zu einer besseren Arbeitspraxis innerhalb des Straßenverkehrsgewerbes beizutragen.

Artikel 2

(1) Diese Verordnung gilt für folgende Beförderungen im Straßenverkehr:

a) Güterbeförderung mit Fahrzeugen, deren zulässige Höchstmasse einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger 3,5 t übersteigt, oder

aa) ab dem 1. Juli 2026 bei grenzüberschreitenden Güterbeförderungen oder bei Kabotagebeförderungen mit Fahrzeugen, deren zulässige Höchstmasse einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger 2,5 Tonnen übersteigt, oder

b) Personenbeförderung mit Fahrzeugen, die für die Beförderung von mehr als neun Personen einschließlich des Fahrers konstruiert oder dauerhaft angepasst und zu diesem Zweck bestimmt sind.

(2) Diese Verordnung gilt unabhängig vom Land der Zulassung des Fahrzeugs für Beförderungen im Straßenverkehr

a) ausschließlich innerhalb der Gemeinschaft oder

b) zwischen der Gemeinschaft, der Schweiz und den Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.

(3) Das AETR gilt anstelle dieser Verordnung für grenzüberschreitende Beförderungen im Straßenverkehr, die teilweise außerhalb der in Absatz 2 genannten Gebiete erfolgen,

a) im Falle von Fahrzeugen, die in der Gemeinschaft oder in Staaten, die Vertragsparteien des AETR sind, zugelassen sind, für die gesamte Fahrstrecke;

b) im Falle von Fahrzeugen, die in einem Drittstaat, der nicht Vertragspartei des AETR ist, zugelassen sind, nur für den Teil der Fahrstrecke, der im Gebiet der Gemeinschaft oder von Staaten liegt, die Vertragsparteien des AETR sind.

Die Bestimmungen des AETR sollten an die Bestimmungen dieser Verordnung angepasst werden, damit die wesentlichen Bestimmungen dieser Verordnung über das AETR auf solche Fahrzeuge für den auf Gemeinschaftsgebiet liegenden Fahrtabschnitt angewendet werden können.

Artikel 3

Diese Verordnung gilt nicht für Beförderungen im Straßenverkehr mit folgenden Fahrzeugen:

a) Fahrzeuge, die zur Personenbeförderung im Linienverkehr verwendet werden, wenn die Linienstrecke nicht mehr als 50 km beträgt;

aa) Fahrzeuge oder Fahrzeugkombinationen mit einer zulässigen Höchstmasse von nicht mehr als 7,5 Tonnen, die

i) zur Beförderung von Material, Ausrüstungen oder Maschinen benutzt werden, die der Fahrer zur Ausübung seines Berufes benötigt, oder

ii) zur Auslieferung von handwerklich hergestellten Gütern,

ausschließlich in einem Umkreis von 100 km vom Standort des Unternehmens, und unter der Bedingung, dass das Lenken des Fahrzeugs für den Fahrer nicht die Haupttätigkeit darstellt und dass die Beförderung nicht gewerblich erfolgt;

b) Fahrzeuge mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 40 km/h;

c) Fahrzeuge, die Eigentum der Streitkräfte, des Katastrophenschutzes, der Feuerwehr oder der für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zuständigen Kräfte sind oder von ihnen ohne Fahrer angemietet werden, sofern die Beförderung aufgrund der diesen Diensten zugewiesenen Aufgaben stattfindet und ihrer Aufsicht unterliegt;

d) Fahrzeuge — einschließlich Fahrzeuge, die für nichtgewerbliche Transporte für humanitäre Hilfe verwendet werden —, die in Notfällen oder bei Rettungsmaßnahmen verwendet werden;

e) Spezialfahrzeuge für medizinische Zwecke;

f) spezielle Pannenhilfefahrzeuge, die innerhalb eines Umkreises von 100 km um ihren Standort eingesetzt werden;

g) Fahrzeuge, mit denen zum Zweck der technischen Entwicklung oder im Rahmen von Reparatur- oder Wartungsarbeiten Probefahrten auf der Straße durchgeführt werden, sowie neue oder umgebaute Fahrzeuge, die noch nicht in Betrieb genommen worden sind;

h) Fahrzeuge oder Fahrzeugkombinationen mit einer zulässigen Höchstmasse von nicht mehr als 7,5 t, die zur nichtgewerblichen Güterbeförderung verwendet werden;

ha) Fahrzeuge mit einer zulässigen Höchstmasse einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger von mehr als 2,5 aber nicht mehr als 3,5 Tonnen, die für die Güterbeförderung eingesetzt werden, wenn die Beförderung nicht als gewerbliche Beförderung, sondern durch das Unternehmen oder den Fahrer im Werkverkehr erfolgt und das Fahren nicht die Haupttätigkeit der Person darstellt, die das Fahrzeug führt;

i) Nutzfahrzeuge, die nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie verwendet werden, als historisch eingestuft werden und die zur nichtgewerblichen Güter- oder Personenbeförderung verwendet werden.

Artikel 4

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

a) „Beförderung im Straßenverkehr“ jede ganz oder teilweise auf einer öffentlichen Straße durchgeführte Fahrt eines zur Personen- oder Güterbeförderung verwendeten leeren oder beladenen Fahrzeugs;

b) „Fahrzeug“ ein Kraftfahrzeug, eine Zugmaschine, einen Anhänger oder Sattelanhänger oder eine Kombination dieser Fahrzeuge gemäß den nachstehenden Definitionen:

—„Kraftfahrzeug“: jedes auf der Straße verkehrende Fahrzeug mit Eigenantrieb, das normalerweise zur Personen- oder Güterbeförderung verwendet wird, mit Ausnahme von dauerhaft auf Schienen verkehrenden Fahrzeugen;

—„Zugmaschine“: jedes auf der Straße verkehrende Fahrzeug mit Eigenantrieb, das speziell dafür ausgelegt ist, Anhänger, Sattelanhänger, Geräte oder Maschinen zu ziehen, zu schieben oder zu bewegen, mit Ausnahme von dauerhaft auf Schienen verkehrenden Fahrzeugen;

—„Anhänger“: jedes Fahrzeug, das dazu bestimmt ist, an ein Kraftfahrzeug oder eine Zugmaschine angehängt zu werden;

—„Sattelanhänger“: ein Anhänger ohne Vorderachse, der so angehängt wird, dass ein beträchtlicher Teil seines Eigengewichts und des Gewichts seiner Ladung von der Zugmaschine oder vom Kraftfahrzeug getragen wird;

c) „Fahrer“ jede Person, die das Fahrzeug, sei es auch nur kurze Zeit, selbst lenkt oder sich in einem Fahrzeug befindet, um es — als Bestandteil seiner Pflichten — gegebenenfalls lenken zu können;

d) „Fahrtunterbrechung“ jeden Zeitraum, in dem der Fahrer keine Fahrtätigkeit ausüben und keine anderen Arbeiten ausführen darf und der ausschließlich zur Erholung genutzt wird;

e) „andere Arbeiten“ alle in Artikel 3 Buchstabe a der Richtlinie 2002/15/EG als „Arbeitszeit“ definierten Tätigkeiten mit Ausnahme der Fahrtätigkeit sowie jegliche Arbeit für denselben oder einen anderen Arbeitgeber, sei es inner- oder außerhalb des Verkehrssektors;

f) „Ruhepause“ jeden ununterbrochenen Zeitraum, in dem ein Fahrer frei über seine Zeit verfügen kann;

g) „tägliche Ruhezeit“ den täglichen Zeitraum, in dem ein Fahrer frei über seine Zeit verfügen kann und der eine „regelmäßige tägliche Ruhezeit“ und eine „reduzierte tägliche Ruhezeit“ umfasst;

—„regelmäßige tägliche Ruhezeit“ eine Ruhepause von mindestens 11 Stunden. Diese regelmäßige tägliche Ruhezeit kann auch in zwei Teilen genommen werden, wobei der erste Teil einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens 3 Stunden und der zweite Teil einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens 9 Stunden umfassen muss;

—„reduzierte tägliche Ruhezeit“ eine Ruhepause von mindestens 9 Stunden, aber weniger als 11 Stunden;

h) „wöchentliche Ruhezeit“ den wöchentlichen Zeitraum, in dem ein Fahrer frei über seine Zeit verfügen kann und der eine „regelmäßige wöchentliche Ruhezeit“ und eine „reduzierte wöchentliche Ruhezeit“ umfasst;

—„regelmäßige wöchentliche Ruhezeit“ eine Ruhepause von mindestens 45 Stunden;

—„reduzierte wöchentliche Ruhezeit“ eine Ruhepause von weniger als 45 Stunden, die vorbehaltlich der Bedingungen des Artikels 8 Absatz 6 auf eine Mindestzeit von 24 aufeinander folgenden Stunden reduziert werden kann;

i) „Woche“ den Zeitraum zwischen Montag 00.00 Uhr und Sonntag 24.00 Uhr;

j) „Lenkzeit“ die Dauer der Lenktätigkeit, aufgezeichnet entweder:

—vollautomatisch oder halbautomatisch durch Kontrollgeräte im Sinne der Anhänge I und I B der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85, oder

—von Hand gemäß den Anforderungen des Artikels 16 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85;

k) „Tageslenkzeit“ die summierte Gesamtlenkzeit zwischen dem Ende einer täglichen Ruhezeit und dem Beginn der darauf folgenden täglichen Ruhezeit oder zwischen einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit;

l) „Wochenlenkzeit“ die summierte Gesamtlenkzeit innerhalb einer Woche;

k) „tägliche Lenkzeit“ die summierte Gesamtlenkzeit zwischen dem Ende einer täglichen Ruhezeit und dem Beginn der darauf folgenden täglichen Ruhezeit oder zwischen einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit;

l) „wöchentliche Lenkzeit“ die summierte Gesamtlenkzeit innerhalb einer Woche;

m) „zulässige Höchstmasse“ die höchstzulässige Masse eines fahrbereiten Fahrzeugs einschließlich Nutzlast;

n) „Personenlinienverkehr“ inländische und grenzüberschreitende Verkehrsdienste im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EWG) Nr. 684/92 des Rates vom 16. März 1992 zur Einführung gemeinsamer Regeln für den grenzüberschreitenden Personenverkehr mit Kraftomnibussen (10);

o) „Mehrfahrerbetrieb“ den Fall, in dem während der Lenkdauer zwischen zwei aufeinander folgenden täglichen Ruhezeiten oder zwischen einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit mindestens zwei Fahrer auf dem Fahrzeug zum Lenken eingesetzt sind. Während der ersten Stunde des Mehrfahrerbetriebs ist die Anwesenheit eines anderen Fahrers oder anderer Fahrer fakultativ, während der restlichen Zeit jedoch obligatorisch;

p) „Verkehrsunternehmen“ jede natürliche oder juristische Person und jede Vereinigung oder Gruppe von Personen ohne Rechtspersönlichkeit mit oder ohne Erwerbszweck sowie jede eigene Rechtspersönlichkeit besitzende oder einer Behörde mit Rechtspersönlichkeit unterstehende offizielle Stelle, die Beförderungen im Straßenverkehr gewerblich oder im Werkverkehr vornimmt;

q) „Lenkdauer“ die Gesamtlenkzeit zwischen dem Zeitpunkt, zu dem ein Fahrer nach einer Ruhezeit oder einer Fahrtunterbrechung beginnt, ein Fahrzeug zu lenken, und dem Zeitpunkt, zu dem er eine Ruhezeit oder Fahrtunterbrechung einlegt. Die Lenkdauer kann ununterbrochen oder unterbrochen sein.

r) „nichtgewerbliche Beförderung“ jede Beförderung im Straßenverkehr, außer Beförderungen auf eigene oder fremde Rechnung die weder direkt noch indirekt entlohnt wird und durch die weder direkt noch indirekt ein Einkommen für den Fahrer des Fahrzeugs oder für Dritte erzielt wird und die nicht im Zusammenhang mit einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit steht.

Artikel 13

(1) Sofern die Verwirklichung der in Artikel 1 genannten Ziele nicht beeinträchtigt wird, kann jeder Mitgliedstaat für sein Hoheitsgebiet oder mit Zustimmung der betreffenden Mitgliedstaaten für das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats Abweichungen von den Artikeln 5 bis 9 zulassen und solche Abweichungen für die Beförderung mit folgenden Fahrzeugen an individuelle Bedingungen knüpfen:

a) Fahrzeuge, die Eigentum von Behörden sind oder von diesen ohne Fahrer angemietet sind, um Beförderungen im Straßenverkehr durchzuführen, die nicht im Wettbewerb mit privatwirtschaftlichen Verkehrsunternehmen stehen;

b) Fahrzeuge, die von Landwirtschafts-, Gartenbau-, Forstwirtschafts- oder Fischereiunternehmen zur Güterbeförderung im Rahmen ihrer eigenen unternehmerischen Tätigkeit in einem Umkreis von bis zu 100 km vom Standort des Unternehmens benutzt oder ohne Fahrer angemietet werden;

c) land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen, die für land- oder forstwirtschaftliche Tätigkeiten eingesetzt werden, und zwar in einem Umkreis von bis zu 100 km vom Standort des Unternehmens, das das Fahrzeug besitzt, anmietet oder least;

d) Fahrzeuge oder Fahrzeugkombinationen mit einer zulässigen Höchstmasse von nicht mehr als 7,5 t,

— die von Universaldienstanbietern im Sinne des Artikels 2 Absatz 13 der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (11) zum Zweck der Zustellung von Sendungen im Rahmen des Universaldienstes benutzt werden, oder

— die zur Beförderung von Material, Ausrüstungen oder Maschinen benutzt werden, die der Fahrer zur Ausübung seines Berufes benötigt.

Diese Fahrzeuge dürfen nur in einem Umkreis von 50 km vom Standort des Unternehmens und unter der Bedingung benutzt werden, dass das Lenken des Fahrzeugs für den Fahrer nicht die Haupttätigkeit darstellt;

e) Fahrzeuge, die ausschließlich auf Inseln mit einer Fläche von nicht mehr als 2 300 km2 verkehren, die mit den übrigen Teilen des Hoheitsgebiets weder durch eine Brücke, eine Furt oder einen Tunnel, die von Kraftfahrzeugen benutzt werden können, verbunden sind;

f) Fahrzeuge, die im Umkreis von 50 km vom Standort des Unternehmens zur Güterbeförderung mit Druckerdgas-, Flüssiggas- oder Elektroantrieb benutzt werden und deren zulässige Höchstmasse einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger 7,5 t nicht übersteigt;

g) Fahrzeuge, die zum Fahrschulunterricht und zur Fahrprüfung zwecks Erlangung des Führerscheins oder eines beruflichen Befähigungsnachweises dienen, sofern diese Fahrzeuge nicht für die gewerbliche Personen- oder Güterbeförderung benutzt werden;

h) Fahrzeuge, die von den zuständigen Stellen für Kanalisation, Hochwasserschutz, Wasser-, Gas- und Elektrizitätsversorgung, von den Straßenbauämtern, der Hausmüllabfuhr, den Telegramm- und Telefonanbietern, Radio- und Fernsehsendern sowie zur Erfassung von Radio- bzw. Fernsehsendern oder -geräten eingesetzt werden;

i) Fahrzeuge mit 10 bis 17 Sitzen, die ausschließlich zur nichtgewerblichen Personenbeförderung verwendet werden;

j) Spezialfahrzeuge, die Ausrüstungen des Zirkus- oder Schaustellergewerbes transportieren;

k) speziell ausgerüstete Projektfahrzeuge für mobile Projekte, die hauptsächlich im Stand zu Lehrzwecken dienen;

l) Fahrzeuge, die zum Abholen von Milch bei landwirtschaftlichen Betrieben und zur Rückgabe von Milchbehältern oder von Milcherzeugnissen für Futterzwecke an diese Betriebe verwendet werden;

m) Spezialfahrzeuge für Geld- und/oder Werttransporte;

n) Fahrzeuge, die zur Beförderung von tierischen Abfällen oder von nicht für den menschlichen Verzehr bestimmten Tierkörpern verwendet werden;

o) Fahrzeuge, die ausschließlich auf Straßen in Güterverteilzentren wie Häfen, Umschlaganlagen des Kombinierten Verkehrs und Eisenbahnterminals benutzt werden;

p) Fahrzeuge, die innerhalb eines Umkreises von bis zu 50 Kilometern für die Beförderung lebender Tiere von den landwirtschaftlichen Betrieben zu den lokalen Märkten und umgekehrt oder von den Märkten zu den lokalen Schlachthäusern verwendet werden.

(2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die Ausnahmen mit, die sie nach Absatz 1 gewähren, und die Kommission unterrichtet die übrigen Mitgliedstaaten hiervon.

(3) Sofern die Verwirklichung der in Artikel 1 genannten Ziele nicht beeinträchtigt wird und ein angemessener Schutz der Fahrer sichergestellt ist, kann ein Mitgliedstaat mit Genehmigung der Kommission in seinem Hoheitsgebiet in geringem Umfang Ausnahmen von dieser Verordnung für Fahrzeuge, die in zuvor festgelegten Gebieten mit einer Bevölkerungsdichte von weniger als 5 Personen pro Quadratkilometer eingesetzt werden, in folgenden Fällen zulassen:

—Bei inländischen Personenlinienverkehrsdiensten, sofern ihr Fahrplan von den Behörden bestätigt wurde (in diesem Fall dürfen nur Ausnahmen in Bezug auf Fahrtunterbrechungen zugelassen werden) und

—im inländischen Werkverkehr oder gewerblich durchgeführten Güterkraftverkehr, soweit sich diese Tätigkeiten nicht auf den Binnenmarkt auswirken und für den Erhalt bestimmter Wirtschaftszweige in dem betroffenen Gebiet notwendig sind und die Ausnahmebestimmungen dieser Verordnung einen Umkreis von höchstens 100 km vorschreiben.

Eine Beförderung im Straßenverkehr nach dieser Ausnahme kann eine Fahrt zu einem Gebiet mit einer Bevölkerungsdichte von 5 Personen pro Quadratmeter oder mehr nur einschließen, wenn damit eine Fahrt beendet oder begonnen wird. Solche Maßnahmen müssen ihrer Art und ihrem Umfang nach verhältnismäßig sein.

e) Der im Amtsblatt L 60 vom 28.2.2014, S. 1 veröffentlichte Wortlaut des Art. 3 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 lautet(e):

Artikel 3

Anwendungsbereich

(1) Der Fahrtenschreiber ist in Fahrzeugen einzubauen und zu benutzen, die in einem Mitgliedstaat zugelassen sind, der Personen- oder Güterbeförderung im Straßenverkehr dienen und für die die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 gilt.

(2) Die Mitgliedstaaten können die in Artikel 13 Absätze 1 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 genannten Fahrzeuge von der Anwendung der vorliegenden Verordnung ausnehmen.

(3) Die Mitgliedstaaten können Fahrzeuge, die für Beförderungen eingesetzt werden, für die eine Ausnahme nach Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 gewährt wurde, von der Anwendung der vorliegenden Verordnung ausnehmen.

Die Mitgliedstaaten können Fahrzeuge, die für Beförderungen eingesetzt werden, für die gemäß Artikel 14 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 eine Ausnahme gewährt wurde, von der Anwendung der vorliegenden Verordnung ausnehmen; sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

(4) 15 Jahre nachdem neu zugelassene Fahrzeuge mit einem Fahrtenschreiber gemäß den Artikeln 8, 9 und 10 ausgerüstet sein müssen, müssen Fahrzeuge, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem Zulassungsmitgliedstaat betrieben werden, mit einem solchen Fahrtenschreiber ausgestattet sein.

(5) Die Mitgliedstaaten können für Beförderungen im Binnenverkehr vorschreiben, dass in allen Fahrzeugen, in denen gemäß Absatz 1 nicht anderweitig ein Fahrtenschreiber eingebaut und benutzt zu werden braucht, ein Fahrtenschreiber gemäß dieser Verordnung eingebaut und benutzt werden muss.

Soweit Text kursiv dargestellt wurde, ist dieser Text in der Ursprungsausgabe nicht enthalten und wurde zu einem späteren Zeitpunkt eingefügt.

2.)

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung zu Art. 103 GG Leitlinien formuliert, die das erkennende Gericht zur Beantwortung der Frage zugrunde legt, ob eine Norm „bestimmt“ ist.

Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet dabei zwischen einer formellen (kompetenzsichernden) und einer freiheitssichernden Komponente des Bestimmtheitsgebots. Durch Art. 103 Abs. 2 GG soll zum einen sichergestellt werden, dass der Gesetzgeber selbst abstrakt-generell über die Strafbarkeit entscheidet. Zum anderen hat Art. 103 Abs. 2 GG auch eine freiheitsgewährleistende Funktion (vgl. BVerfGE 75, 329; 126, 170), weil jeder Teilnehmer am Rechtsverkehr vorhersehen können soll, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist (vgl. BVerfGE 143, 38; BVerfGE 153, 310).

Demnach ist ein Tatbestand hinreichend bestimmt, wenn die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret umschrieben sind, dass der Einzelne die Möglichkeit hat, sein Verhalten auf die in einem Gesetz bestimmte Rechtsfolge einzurichten, und wenn außerdem die Tragweite und der Anwendungsbereich des Straftatbestandes erkennbar sind (MüKoStGB/Schmitz, 4. Aufl. 2020, StGB § 1 Rn. 55; BVerfG, Urteil vom 3. Juli 1962 – 2 BvR 15/62 – BVerfGE 14, 174; Beschluß vom 25. Juli 1962 – 2 BvL 4/62 – BVerfGE 14, 245 – jeweils zur StVZO; Beschluß vom 21. September 2016 – 2 BvL 1/15 – BVerfGE 143, 38). Ist der Straftatbestand in einer Verordnung enthalten, müssen somit die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der Strafe für den Bürger schon aufgrund des Gesetzes, nicht erst aufgrund der hierauf gestützten Verordnung erkennbar sein (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG; vgl. BVerfGE 14, 174; 75, 329; 78, 374; 143, 38; Beschluss vom 11. März 2020 – 2 BvL 5/17 –, BVerfGE 153, 310). Allerdings muss der Gesetzgeber auch im Strafrecht in der Lage bleiben, der Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zu werden (vgl. BVerfGE 28, 175; 47, 109; 126, 170; 131, 268; 143, 38; 153, 310). Der Gesetzgeber muss den Tatbestand nicht stets vollständig im förmlichen Gesetz umschreiben, sondern darf auf andere Vorschriften verweisen. Solche Verweisungen (Blankettnormen) sind als vielfach übliche und notwendige gesetzestechnische Methode anerkannt, sofern die Verweisungsnorm hinreichend klar erkennen lässt, welche Vorschriften im Einzelnen gelten sollen, und wenn diese Vorschriften dem Normadressaten durch eine frühere ordnungsgemäße Veröffentlichung zugänglich sind (vgl. BVerfGE 5, 25; 22, 330; 26, 338; 47, 285; 143, 38; 153, 310). Dabei kann der Gesetzgeber auch auf Vorschriften eines anderen Normgebers verweisen, denn eine solche Verweisung bedeutet rechtlich nur den Verzicht, den Text der in Bezug genommenen Vorschriften in vollem Wortlaut in die Verweisungsnorm aufzunehmen (vgl. BVerfGE 47, 285; 143, 38). Das gilt auch für Verweisungen auf Normen und Begriffe des Rechts der Europäischen Union. Unionsrecht und nationales Recht sind zwar zwei verschiedene Teilrechtsordnungen. Beide stehen jedoch nicht unverbunden nebeneinander, sondern greifen auf mannigfache Weise ineinander. Diese vielfältige Verschränkung von Unionsrecht und nationalem Recht verbietet es, Verweisungen auf Unionsrecht anders zu beurteilen als Verweisungen auf nationales Recht (vgl. BVerfGE 29, 198; 143, 38; 153, 310).

3.)

Diese Voraussetzungen erfüllt § 23 Abs. 1 Nr. 1 FPersV nicht.

a) Der Normgeber hat nicht mit hinreichender Klarheit über die Strafbarkeit entschieden.

Macht sich der verweisende Gesetzgeber den Inhalt von Rechtsvorschriften eines anderen Normgebers in der Fassung zu eigen, wie sie bei Erlass seines Gesetzesbeschlusses galt (statische Verweisung; vgl. BVerfGE 26, 338; 47, 285; 60, 135; 67, 348; 78, 32; 143, 38), ist dies verfassungsrechtlich zunächst unproblematisch. Verweist ein Gesetzgeber hingegen auf andere Vorschriften in ihrer jeweils geltenden Fassung (dynamische Verweisung), kann dies dazu führen, dass er den Inhalt seiner Vorschriften nicht mehr in eigener Verantwortung bestimmt und damit der Entscheidung Dritter überlässt. Allerdings sind dynamische Verweisungen nicht schlechthin ausgeschlossen, sondern nur soweit Rechtsstaatlichkeit, Demokratiegebot und Bundesstaatlichkeit dies erfordern; grundrechtliche Gesetzesvorbehalte können diesen Rahmen zusätzlich einengen (BVerfG, Beschluss vom 11. März 2020 – 2 BvL 5/17 –, BVerfGE 153, 310-358, Rn. 79).

α) Bei einer Gesamtschau der Verweisungen in §§ 8 FPersG, 23 Abs. 1 FPersV und Art. 3 der Verordnung Nr. 165/2014 bleibt unklar, ob es im Ergebnis eine dynamische oder eine statische Verweisung ist.

§ 8 FPersG verweist auf die Verordnung (EU) Nr. 165/2014, ohne eine konkrete Fassung zu bezeichnen. Ob eine statische oder eine dynamische Verweisung gewollt war, kann anhand des Wortlauts nicht beantwortet werden.

§ 23 Abs. 1 FPersV verweist auf die Verordnung (EU) Nr. 165/2014 im Amtsblatt L 60 vom 28.2.2014, S. 1. Dies ist eine statische Verweisung. Der Verordnungsgeber schuf eine Strafnorm, die sich an dem Wortlaut der europarechtlichen Norm orientiert, wie er im zitierten Amtsblatt niedergelegt ist. Während sich Art. 3 Abs. 1 der VO 165/2014, auf den § 23 Abs. 1 Nr. 1 FPersV verweist, nicht geändert hat, gab es Änderungen vor der Tat in Art. 3 Abs. 4, 4a der VO 165/2014.

Art. 3 Abs. 1 der VO 165/2014 verweist auf die Verordnung 561/2006. Auch hier bleibt dem Wortlaut nach unklar, ob es sich um eine dynamische oder eine statische Verweisung hat.

Die Art der Verweisung hat auch konkrete Konsequenzen für die Ahndung. Dies wird an der vom Betroffen als Rechtfertigungsgrund genannten „Handwerkerregel“ deutlich.

Gibt der Rechtsanwender dem gesetzgeberischen Willen in § 23 Abs. 1 FPersV den Vorrang und sieht die gesamte Verweisungskette als statisch an, ist die „Handwerkerregel“ in Art. 13 Abs. 1 lit d der Verordnung 561/2006 zu finden. Sie ist dort als Optionsklausel für die Mitgliedstaaten geregelt. Die Reichweite der ausgenommenen Fahrten ist auf 50 Kilometer begrenzt.

Geht das Gericht von einer dynamischen Verweisung etwa in Art. 3 der Verordnung 165/2014 aus, findet sich die Handwerkerregelung in Art. 3 lit aa der Verordnung 561/2006. Dort ist sie europaweit geltendes Recht, der Fahrtenumkreis ist auf 100 Kilometer erweitert.

Der Grundsatz, daß sich die Strafe nach dem zur Tatzeit gültigen Recht richten muß, spricht zwar für die Annahme einer dynamischen Verweisung. Dann ist aber insbesondere die Verweisung in Art. 3 der VO 165/2014 problematisch. Art. 3 der VO 165/2014 verweist auf eine andere europarechtliche Norm. Das Gericht hat nicht auszuräumende Zweifel, ob der deutsche Gesetz- oder Verordnungsgeber tatsächlich jede Veränderung der VO 561/2006 auch mit einer entsprechenden Ahndung, vor allem auch im entsprechenden Sanktionsrahmen, belegen wollte. Der nationale Gesetzgeber wird sich kaum hinreichend konkrete Vorstellungen über die europaweite Entwicklung der VO 561/2006 machen können.

Je nachdem ob sich der Rechtsanwender für eine dynamische oder statische Verweisung entscheidet, führt dies zu unterschiedlichen Ahndungsmöglichkeiten. Da der Normgeber nicht klar gestellt hat, ob die Verweisungen in § 8 FPersG und Art. 3 der Verordnung 165/2014 dynamisch oder statisch sind und die Auslegung zu unterschiedlichen Ergebnissen führt, hält das Gericht die Verweisungskette schon aus diesem Grund für nicht „bestimmt“ im Sinne des § 3 OWiG.

β) Die Verweisung in § 23 Abs. 1 Nr. 1 FPersV auf Art. 3 Abs. 1 der Verordnung 165/2004 muß außerdem ausgelegt werden.

Die Verweisung auf Art. 3 Abs. 1 der VO 165/2014 allein führt dazu, daß auch Handlungen unter Strafe gestellt werden, die der deutsche Normgesetzgeber für nicht ahndungswürdig erachtet. In Art. 3 Abs. 2 bis 5 der Verordnung 165/2004 sieht der Verordnungstext Ausnahmen von Art. 3 Abs. 1 und Öffnungsklauseln für Mitgliedstaaten vor. Nach Art. 3 Abs. 2 der VO 165/2014 können die Mitgliedstaaten Ausnahmen von der in Art. 3 Abs. 1 VO 165/2014 vorgesehenen Fahrtenschreiberpflicht für Fahrzeuge vorsehen, die in Art. 13 Abs. 1 und 3 der VO 561/2006 genannt sind. In Art. 13 Abs. 1 lit b) der VO 561/2006 sind beispielsweise Fahrzeuge genannt, die von Landwirtschafts-, Gartenbau-, Forstwirtschaft- oder Fischereiunternehmen zur Güterbeförderung im Rahmen der eigenen unternehmerischen Tätigkeit in einem Umkreis von bis zu 100 Kilometern vom Standort des Unternehmens verwendet werden. Deutschland hat auch von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und in § 18 Abs. 1 Nr. 2 FPersV vom 9. März 2015 diese Fahrzeuge von der Anwendung der Verordnung 165/2014 ausgenommen. Der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit „entgegen Art. 3 Abs. 1 einen Fahrtenschreiber nicht einbaut oder nicht benutzt“ geht daher wörtlich zu weit, weil er auch eine Ahndung vorsieht, wenn eine Ausnahme von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung 165/2014 vorliegt.

§ 23 Abs. 1 Nr. 1 FPersV muß daher so ausgelegt werden, daß der Verweis auf Art. 3 Abs. 1 der VO 165/2014 auch den Verweis auf Art. 3 Abs. 2 bis 5 der VO 165/2014 umfaßt. Alternativ muß § 23 Abs. 1 Nr. 1 FPersV um ein Tatbestandsmerkmal „soweit das Fahrzeug nicht unter § 18 FPersV fällt“ erweitert werden. Das Gericht hat aber Zweifel, daß diese den Wortlaut der Bußgeldvorschrift deutlich ausdehnende Auslegung noch mit dem Gesetzestext in Einklang zu bringen ist. Hinzu kommt, daß Art. 3 Abs. 4 und Abs. 4a der VO 165/2014 2020 geändert wurden und von der statischen Verweisung in § 23 FPersV nicht umfaßt sind.

Das Gericht hält § 23 Abs. 1 Nr. 1 FPersV auch aus diesem Grund für nicht hinreichend bestimmt. Die Norm verweist nicht auf die Ausnahmen in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung 165/2014, obwohl dies geboten wäre, weil der deutsche Gesetzgeber von den Ausnahmen zumindest zum Teil Gebrauch gemacht hat. Auch wenn folglich § 23 Abs. 1 Nr. 1 FPersV nur auf Art. 3 Abs. 1 der VO 165/2014 verweist, muß die gesamte Norm einschließlich ihrer Ausnahmen Gegenstand der Verweisung sein, um ein Handeln „entgegen Art. 3 Abs. 1“ feststellen zu können. Da sich der Artikel außerdem geändert hat und die Verweisung statisch ist, läuft die Verweisung zumindest zum Teil ins Leere.

b) Materiell kann der Durchschnittsadressat nicht mehr erkennen, welches Verhalten geahndet werden kann.

α) Der Tatbestand richtet sich an jeden „Unternehmer“ (§ 8 FPersG).

Im FPersG ist der Unternehmer nicht weiter definiert. Auch in FPersV und den europäischen Verordnungen findet sich keine Definition. Letztlich kann „Unternehmer“ jeder sein, der ein Fahrzeug gewisser Größe einsetzt. Die Vorschrift richtet sich daher an eine unübersehbare Menge von Adressaten. Der Tatbestand muß daher so formuliert sein, daß er von jedem Fahrzeugführer verstanden werden kann. Er ist nicht auf bestimmte Berufskreise beschränkt, wie etwa § 13 LFGB, der sich mit dem Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln befaßt und daher nur einen überschaubaren Adressatenkreis betrifft (BVerfGE 153, 310). Auch kann der Adressatenkreis nicht mit § 327 StGB verglichen werden, bei dem der Horizont eines Anlagenbetreibers zugrunde gelegt werden kann (BVerfGE 75, 329).

Der Betroffene selbst bietet land- und forstwirtschaftliche Dienstleistungen an und ist damit auf einem Feld tätig, in dem er keiner qualifizierten Ausbildung bedarf. Über die geltende Rechtslage informiert er sich beim Nachbarn und bei „Google“. Er wußte nicht, daß die von ihm ins Feld geführte „Handwerkerregel“ einen europarechtlichen Hintergrund hatte, wenngleich er diesen Schluß möglicherweise ziehen konnte, weil die Handwerkerregel ja wegen der „Polensprinter“ eingeführt worden sei. Die Bußgeldvorschrift muß von einer Person wie dem Betroffenen mit dem entsprechenden Wissenshintergrund gefunden und verstanden werden können.

β) Grundsätzlich ist es auch den Adressaten des FPersG zuzumuten, Vorschriften im FPersG und in der FPersV zur Kenntnis zu nehmen.

Aufgrund der Verweisungstechnik ist auch nichts dagegen einzuwenden, daß § 23 FPersV auf Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 im Amtsblatt der EU L 60 vom 28. Februar 2014, S. 1 verweist. Auch diese Fundstelle kann der interessierte Leser heutzutage im Internet oder in anderen Informationsquellen ausfindig machen.

Die zweite Vorschrift, auf die in der Kette verwiesen wird – Art. 3 Abs. 1 der VO 165/2014 -, ist aus sich heraus aber nicht verständlich. Diese Vorschrift verweist auf Fahrzeuge, für die die Verordnung (EG) 561/2006 gilt. Außerdem kann Art. 3 Abs. 1 der Verordnung EU 165/2014 nicht ohne die folgenden Absätze gelesen werden.

Spätestens dieser weitere Verweis von Art. 3 Abs. 1 der VO 165/2014 auf die Verordnung 561/2006 ist dem üblichen Normadressaten nicht mehr zuzumuten. Anders als die bisherigen Verweisungen zielt nun die Verweisung nicht nur auf eine weitere Vorschrift in einer weiteren Verordnung, sondern auf eine Verordnung insgesamt ab. Der Normadressat muß nun nicht nur eine einzelne Vorschrift auffinden, sondern eine gesamte Verordnung dahin durchlesen, ob diese auf ihn zutrifft und ahndungswürdiges Verhalten enthält. Hinzu kommt, daß auch in Art. 3 Abs. 1 der VO 165/2014 nicht klar ist, ob der Verweis auf die VO 561/2006 statischen oder dynamischen Charakter hat. Der Normadressat ist damit zusätzlich mit dem Problem konfrontiert, welche Fassung der Vorschrift anzuwenden ist. Die im Streit befindliche „Handwerkerklausel“ findet der Normadressat sowohl in Art. 13 Abs. 1 lit d der VO 561/2006 als auch, mit einer Änderung des Umkreises, in deren neu gefaßten Art. 3. Spätestens hier wird der Normadressat nicht mehr erkennen können, ob aufgrund der statischen Verweisung in der FPersV die Vorschrift der VO 561/2006 zum Zeitpunkt des Erlasses der Bußgeldvorschrift anzuwenden ist oder die geänderte Fassung.

Hinzu kommt, daß die Art. 3 Abs. 2-5 der VO 165/2014 Öffnungsklauseln für Mitgliedstaaten (Optionen) enthält. Es gibt folglich Fahrzeuge, bei denen ein Fahrtenschreiber europarechtlich vorgegeben ist und solche, bei denen dies europaweit ausgeschlossen ist. Sodann gibt es Fahrzeuge, bei denen das Europarecht den Mitgliedstaaten erlaubt, sie von einzelnen oder allen Vorgaben der VO 165/2014 auszunehmen. Die Mitgliedstaaten haben dann die Wahl, ob und inwieweit sie von diesem Wahlrecht Gebrauch machen. Der deutsche Normadressat muß nun wissen, ob der deutsche Gesetzgeber von diesen Ausnahmen Gebrauch gemacht hat. Dies kann der Normadressat aus keiner Vorschrift entnehmen, die sich in der Verweisungskette befindet. Vielmehr wird der Normadressat wieder aus dem europäischen in das deutsche Recht verwiesen, wo er dann Ausnahmen in § 18 FPersV finden kann.

γ) Sowohl die Verweisung innerhalb des europäischen Rechts als auch der Rückverweis der Optionsklauseln ins nationale Recht übersteigen das Verständnis, das von einem einfachen Normadressaten noch erwartet werden kann. Von einem durchschnittlichen Normadressaten kann nicht erwartet werden, daß er die Regelungs- und Verweisungstechnik in europarechtlichen Regelungen durchschaut. Ebenso ist von ihm nicht zu erwarten, daß er den Schnittpunkt von europarechtlichem und innerstaatlichem Recht findet und die Optionsklauseln für die Mitgliedstaaten zurückverfolgt. Für das Gericht zeigt dieser Fall, daß grundsätzlich jeder Mangel für sich, zumindest aber

1. die Kombination von statischer und dynamischer Verweisung,

2. der Verweis ausschließlich auf Art. 3 Abs. 1 der VO 165/2014 ohne die Ausnahmeregelungen in den folgenden Absätzen,

3. der Weiterverweis von Art. 3 der VO 165/2014 auf die gesamte VO 561/2006

und

4. der Rückverweis aus dem Europarecht ins nationale Recht zur Bestimmung der Ausnahmen

in der Zusammenschau dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht mehr genügen. Der Adressat, hier eine Vielzahl von Fahrzeughaltern und -nutzern, kann nicht mehr erkennen, was erlaubt und was verboten ist.

4.

Das Gericht mußte vor der Entscheidung den Rechtsstreit nicht dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Dies ist nach Art. 80 GG nur der Fall, wenn das Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig hält. Im vorliegenden Fall genügt allerdings § 8 FPersG noch dem Bestimmtheitsgebot und ist als offene Verweisungsvorschrift zulässig. Unbestimmt ist § 23 FPersV mit der zu weiten Verweisung ins europäische Recht. In diesem Falle reicht es, die Verordnung an § 3 OWiG zu messen und festzustellen, daß die Bußgeldvorschrift den Anforderungen des § 3 OWiG nicht genügt. Damit ist § 23 Abs. 1 Nr. 1 FPersV keine geeignete Rechtsgrundlage für die Ahndung dieses Verstoßes.

Ob sich der Betroffene materiell auf die „Handwerkerregel“ (seit August 2020 Art. 3 Buchstabe aa der Verordnung 561/2006) oder einen forstwirtschaftlichen Betrieb (Art. 13 Abs. 1 lit b der Verordnung 561/2006, § 18 Abs. 1 Nr. 2 FPersV) stützen kann, bleibt daher in diesem Prozeß offen.

IV.

Der Betroffene war aus rechtlichen Gründen freizusprechen.

Bei Freispruch trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen, § 467 Abs. 1 StPO i. V. m. § 46 OWiG.

 

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