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Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 ZB 16.880 – Beschluss vom 09.08.2016

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert wird für das Berufungszulassungsverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen.

Die zuständige Behörde in M…, Tschechische Republik, erteilte dem Antragsteller am 9. September 2008 eine Fahrerlaubnis der Klasse B und stellte ihm einen Führerschein (Nr. ED773449) aus. Das Landratsamts Freising (im Folgenden: Fahrerlaubnisbehörde) hatte bis Januar 2015 keine Kenntnis von der Erteilung dieser Fahrerlaubnis.

Mit Strafbefehl vom 7. August 2014 verhängte das Amtsgericht Freising eine Geldstrafe wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr. Der Kläger hatte am 19. Juni 2014 mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,85 ‰ ein Fahrrad im öffentlichen Straßenverkehr geführt.

Mit Schreiben vom 19. November 2014 ordnete die Fahrerlaubnisbehörde die Bei-bringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, gestützt auf § 3 Abs. 2 i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV, an. Es solle geklärt werden, ob der Kläger zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen geeignet sei. Es müsse die Frage beantwortet werden, ob er auch künftig ein (fahrerlaubnisfreies) Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde und ob er gegebenenfalls bedingt zum Führen von Fahrzeugen geeignet sei und ihm deshalb das Recht zum Führen von Fahrzeugen unter bestimmten Beschränkungen und Auflagen belassen werden könne. Der Kläger legte kein Gutachten vor. Mit Schreiben vom 22. Januar 2015 hörte ihn die Behörde zur Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge an.

Am 22. Dezember 2014 kollidierte der Kläger mit seinem Pkw mit zwei Mädchen, die hinter einem mit eingeschalteter Warnblinkanlage haltenden Schulbus die Fahrbahn überquerten. Die Mädchen wurden beide verletzt. Die Polizei stellte bei dem Kläger eine BAK von 1,15 ‰ fest und stellte seinen tschechischen Führerschein sicher. Die Polizei teilte der Fahrerlaubnisbehörde diesen Vorgang im Januar 2015 mit. Im diesbezüglichen Strafverfahren setzte das Amtsgericht Kelheim die Hauptverhandlung im Termin vom 5. August 2015 aus, um ein Sachverständigengutachten sowohl zum Unfallhergang als auch zum unfallbedingten Fahrfehler einzuholen.

Mit Bescheid vom 26. Februar 2015 untersagte die Fahrerlaubnisbehörde dem Kläger das Führen von Fahrzeugen aller Art (auch Fahrräder und Kleinkrafträder/Mofas) im Straßenverkehr (Nr. 1 des Bescheids) und ordnete die sofortige Vollziehung an (Nr. 2). In den Gründen ist ausgeführt, im Rahmen der medizinischpsychologischen Begutachtung habe geklärt werden sollen, ob der Kläger zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen geeignet sei. Nachdem er das Gutachten nicht fristgerecht beigebracht habe, könne nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf seine Nichteignung geschlossen werden. Dies habe die Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen zur Folge.

Einen dagegen erhobenen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hat das Verwaltungsgericht München mit Beschluss 15. Mai 2015 abgelehnt (Az. M 1 S 15.1372). Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 3. August 2015 zurückgewiesen (Az. 11 CS 15.1262).

Den Widerspruch hat die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 8. September 2015 zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht hat die dagegen erhobene Klage mit Urteil vom 15. März 2016 abgewiesen. Der Kläger habe das zu Recht geforderte Gutachten nicht vorgelegt. Es könne daher nach § 11 Abs. 8 FeV auf seine Ungeeignetheit zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen geschlossen werden. Der Bescheid sei auch hinreichend bestimmt.

Zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt, macht der Kläger geltend, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, denn der Bescheid sei nicht hinreichend bestimmt i.S.d. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Der Tenor des Bescheids umfasse auch fahrerlaubnispflichtige Fahrzeuge. Dies sei wegen § 3 Abs. 3 StVG nicht zulässig, da noch ein Strafverfahren schwebe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus der Antragsbegründung, auf die sich die Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs beschränkt (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Solche Zweifel liegen dann vor, wenn ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (zu diesem Maßstab vgl. BVerfG, B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057.11 – BVerfGE 134, 106/118; B.v. 21.1.2009 – 1 BvR 2524.06 – NVwZ 2009, 515 m.w.N.). Daran fehlt es hier.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 18. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. Oktober 2015 (BGBl I S. 1674), hat die Fahrerlaubnisbehörde das Führen von Fahrzeugen oder Tieren zu untersagen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet dafür erweist. Gemäß der Verordnungsbegründung zu § 3 FeV gilt diese Vorschrift für Personen, die kein fahrerlaubnispflichtiges Kraftfahrzeug führen, sondern in anderer Weise am Straßenverkehr teilnehmen, z.B. für Fahrrad- und Mofafahrer und Lenker von Fuhrwerken (vgl. BR-Drs. 443/98, S. 237; Hahn/Kalus in Münchner Kommentar Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, Bd. 1 § 3 FeV Rn. 1; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Verkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 3 FeV Rn. 10; Ternig in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 1. Aufl. 2014, § 3 FeV Rn. 1).

Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass der Führer eines Fahrzeugs oder Tieres zum Führen ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 2 FeV). Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ist zur Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzuordnen, wenn der Betreffende ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr führt. Darunter fällt auch die Fahrt mit einem Fahrrad (BayVGH, B.v. 22.12.2014 – 11 ZB 14.1516 – juris). Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf die Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 8 FeV bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01 – NJW 2002, 78). Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Voraussetzungen dafür hier vorlagen.

Der streitgegenständlich Bescheid ist auch hinreichend bestimmt i.S.d. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Danach muss für den Adressaten der Inhalt der getroffenen Regelung, d.h. der Entscheidungssatz, gegebenenfalls im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen, so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, dass er sein Verhalten danach ausrichten kann (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 37 Rn. 12). Erst wenn auch unter Anwendung der anerkannten Auslegungsgrundsätze keine Klarheit über den Behördenwillen geschaffen werden kann bzw. Widersprüchlichkeiten nicht beseitigt werden können, ist Unbestimmtheit anzunehmen (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl. 2014, § 37 Rn. 7). Lässt ein Verwaltungsakt mehrere Auslegungen zu, so gehen Unklarheiten zu Lasten der Behörde. Im Zweifel muss die Behörde die für den Adressaten günstigste Auslegung gegen sich gelten lassen (Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl. 2014, § 37 Rn. 10).

Die Auslegung des Tenors des Bescheids im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten Umständen ergibt hier, dass nur die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge, nämlich fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge und nicht motorisierter Fahrzeuge, erfasst ist (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2015 – 11 CS 15.1262 – juris). Zur Verdeutlichung, welche Fahrzeuge insbesondere gemeint sind, wurde in dem Klammerzusatz angefügt, dass davon auch Fahrräder und Kleinkrafträder/Mofas erfasst sind, da es sich dabei um die am häufigsten benutzten fahrerlaubnisfreien Fahrzeuge handelt.

Soweit der Kläger vorträgt, aus dem Wortlaut des Tenors ergäbe sich etwas anderes, weil in dem Klammerzusatz „auch Fahrräder und Kleinkrafträder/Mofas“ angeführt sei, kann dem nicht gefolgt werden. Nach § 1 FeV ist zum Verkehr auf öffentlichen Straßen jeder zugelassen, soweit nicht für die Zulassung zu einzelnen Verkehrsarten eine Erlaubnis vorgeschrieben ist. Damit ist von der allgemeinen Regelung des § 3 FeV auch nur das Führen von nicht motorisierten Fahrzeugen (z.B. Fahrrad, Fuhrwerk) sowie der Verkehr mit fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 FeV, z.B. Mofas, Mobilitätshilfen, bestimmte Kleinkrafträder, motorisierte Krankenfahrstühle und bestimmte Zugmaschinen) umfasst, da die Zulassung zum Führen von erlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugen in §§ 4 ff. FeV speziellen Regelungen unterliegt. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist dort in § 46 FeV geregelt. Die Untersagung des Führens von Fahrzeuge erfolgte hier ausdrücklich auf der Grundlage des § 3 FeV, der nur für Personen gilt, die kein fahrerlaubnispflichtiges Kraftfahrzeug führen.

Selbst wenn man davon ausgehen würde, es wären mehrere Auslegungen möglich und der Bescheid könne auch dahingehend ausgelegt werden, dass das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge und fahrerlaubnispflichtiger Kraftfahrzeuge untersagt worden sei, so müsste die für den Kläger günstigere Auslegung herangezogen werden. Mithin müsste der Bescheid auch dann so verstanden werden, dass nur das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge untersagt wird.

Dass es ggf. leichter verständlich wäre, nicht den Begriff „Fahrzeuge“, so wie er in § 3 Abs. 1 und 2 FeV benutzt wird, sondern den Begriff „fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge“ zu verwenden, führt nicht dazu, dass der Bescheid nicht hinreichend bestimmt wäre. Denn der Kläger konnte anhand der Gründe des Bescheids und der weiteren Umstände erkennen, dass von dem Bescheid nur die Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen umfasst ist. Insbesondere beschränkte die Fahrerlaubnisbehörde die Aufforderung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens auf die Frage, ob der Kläger zum Führen eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeugs geeignet ist und führte in den Gründen des streitgegenständlichen Bescheids aus, dass die Nichtvorlage des Gutachtens die Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen zur Folge habe.

Soweit der Kläger mit seiner Antragsbegründung vorträgt, die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Eignungsgutachtens sei rechtswidrig gewesen, da sie sich auf die Eignung zum Führen von erlaubnisfreien Fahrzeugen und nicht auf das Führen von Fahrzeugen aller Art bezogen habe, kann dies seinem Antrag nicht zum Erfolg verhelfen. Es trifft zu, dass sich die Aufforderung vom 19. November 2014 nur auf die Klärung von Eignungszweifeln zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge bezogen hat, denn zum damaligen Zeitpunkt waren der Behörde nur Anhaltspunkte bekannt, die diesbezügliche Eignungszweifel hervorriefen. Die Untersagungsverfügung geht nach sachgerechter Auslegung darüber aber auch nicht hinaus.

Selbst wenn die Untersagungsverfügung darüber hinausgehen würde, hätte dies aber auch nicht zur Folge, dass die Beibringungsanordnung als rechtswidrig anzusehen wäre, sondern die Fahrerlaubnisbehörde könnte jederzeit eine neue Untersagungsverfügung erlassen.

Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 und § 52 Abs. 1 GKG und der Empfehlung in Nr. 46.14 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Anh. § 164 Rn. 14).

Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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