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Trunkenheitsfahrt mit Fahrrad und MPU-Verweigerung

VG Bremen, Az.: 5 V 1192/09, Beschluss vom 23.02.2010

Der Antrag wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller. Der Streitwert wird zum Zwecke der Kostenberechnung auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.

Der am 1965 geborene Antragsteller wurde am frühen Morgen des 18. Oktober 2003 einer Verkehrskontrolle unterzogen, weil er als Radfahrer ohne eingeschaltete Beleuchtung in Schlangenlinien die Friedrich-Ebert-Straße in Bremen befahren und dabei mehrere Ampelanlagen bei Rotlicht überquert hatte. Nachdem die Polizeibeamten beim Antragsteller Alkoholgeruch wahrgenommen hatten, ergab eine Überprüfung mit einem Atemalkohol-Vortestgerät eine Atemalkoholkonzentration von 1,00 mg/l. Die sodann angeordnete Blutentnahme ergab laut Blutalkoholbefundbericht vom 23. Oktober 2003 einen Blutalkoholgehalt von 2,26 ‰. Der Antragsteller wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts Bremen vom 09. Dezember 2003, rechtskräftig seit dem 30. Dezember 2003, wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr gemäß § 316 StGB zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen verurteilt.

Trunkenheitsfahrt mit Fahrrad und MPU-Verweigerung
Symbolfoto: Jozef Klopacka/Bigstock

Mit Schreiben vom 28. März 2007 übermittelte das Kraftfahrt-Bundesamt dem Stadtamt Bremen als Fahrerlaubnisbehörde einen Auszug aus dem Verkehrszentralregister, weil der Antragsteller aufgrund einer Verkehrsordnungswidrigkeit aus Februar 2007 1 Punkt erhalten und mit der Trunkenheitsfahrt aus Oktober 2003 nun insgesamt 8 Punkte nach Anlage 13 zu § 40 FeV erreicht hatte. Aus dem Auszug ging auch die Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr aus dem Jahr 2003 hervor. Mit Schreiben vom 04. Juni 2007 forderte die Fahrerlaubnisbehörde den Antragsteller zur Ausräumung von Bedenken an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu folgender Fragestellung auf: Ist zu erwarten, dass die/der Untersuchte zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird und/oder liegen als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges der Klasse(n) 3 (Gruppe 2) in Frage stellen? Die am 20. Juni 2007 unterzeichnete Einverständniserklärung sandte der Antragsteller der Fahrerlaubnisbehörde zurück; einen Gutachter hatte er darin nicht benannt, holte dies aber telefonisch nach. Dem Antragsteller wurde zugebilligt, die Untersuchung erst ab Mitte August 2007 vorzunehmen. Aufgrund eines Versäumnisses innerhalb der Fahrerlaubnisbehörde wurde die Führerscheinakte in der Folgezeit nicht der Begutachtungsstelle übersandt.

Mit Schreiben vom 13. Januar 2009 kündigte die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller die Entziehung seiner Fahrerlaubnis an, weil er weder eine ordnungsgemäße Einverständniserklärung zurückgesandt noch das Gutachten vorgelegt habe. Mit anwaltlichem Schreiben vom 20. Januar 2009 machte der Antragsteller geltend, dass er seinerzeit telefonisch eine Begutachtungsstelle benannt habe, von dort aber keine Terminsvergabe erfolgt sei. Er sei seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen. Zudem seien die Eignungsmängel bislang nur unterstellt worden; es liege eine einzige Trunkenheitsfahrt aus dem Jahr 2003 vor. Eine Entziehung der Fahrerlaubnis unter Anordnung des Sofortvollzugs sei daher unverhältnismäßig.

Nachdem der Antragsteller auch nach Übersendung der Führerscheinakte an die Begutachtungsstelle kein medizinisch-psychologisches Gutachten vorgelegt hatte, entzog die Fahrerlaubnisbehörde ihm mit Verfügung vom 24. April 2009 die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen, forderte ihn zur Abgabe des Führerscheins auf und ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung an. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Begutachtungsstelle habe mitgeteilt, dass der Antragsteller den Kostenvorschuss nicht eingezahlt habe; er sei zur Untersuchung offensichtlich nicht bereit. Dem Antragsteller werde unterstellt, dass er seine Eignung ausschließende Mängel verbergen wolle. Gegen die Verfügung legte der Antragsteller am 30. April 2009 Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden wurde. Er sei zur Beibringung des Gutachtens bereit. In dem Schreiben vom 04. Juni 2007 sei eine Frist von zwei Monaten zur Beibringung des Gutachtens gesetzt worden. Er sei daher davon ausgegangen, dass er noch mindestens zwei bis drei Wochen Zeit habe, die Rechnung zu bezahlen. Eine neue Frist sei im Schreiben vom 13. Januar 2009 nicht gesetzt worden.

Der Antragsteller hat am 26. August 2009 einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gestellt. Er sei von Anfang an bereit gewesen, das geforderte Gutachten beizubringen. Die aufgetretenen Verzögerungen habe er nicht zu vertreten. Ein besonderes Vollzugsinteresse sei nicht ersichtlich. Von der Beibringungsaufforderung im Juni 2007 bis zur Fahrerlaubnisentziehung im Januar 2009 sei ein erheblicher Zeitraum vergangen. Er sei im Rahmen seiner Selbständigkeit dringend auf seinen Führerschein angewiesen. Allein die einmalige Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad lasse keinen Rückschluss auf die Eignung für das Autofahren zu. Es müsse vielmehr besonders begründet werden, warum künftig ein Verstoß gegen das sog. Trennungsgebot im Auto zu erwarten sei.

Der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 30.04.09 gegen den Bescheid des Stadtamts – Fahrerlaubnisbehörde – vom 24.04.2009 mit sofortiger Vollziehungsanordnung wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.

Den Abweisungsantrag hat sie nicht begründet.

Auf Vorschlag des Gerichts hat sich der Antragsteller mit der Wahrnehmung eines Untersuchungstermins bei der Begutachtungsstelle im laufenden Eilverfahren einverstanden erklärt. Die Vorlage des sodann im Dezember 2009 erstellten medizinisch-psychologischen Gutachtens hat der Antragsteller jedoch verweigert. Zur Begründung für die Nichtvorlage hat er mitgeteilt, das Ergebnis der medizinisch-psychologischen Untersuchung solle wegen Fehlerhaftigkeit nicht der Antragsgegnerin zugänglich gemacht werden. Das Gutachten enthalte falsche Angaben und sei in sich nicht schlüssig. Gegen das Ergebnis wolle er rechtlich vorgehen.

II.

Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthafte Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Das Begehren, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung vom 24. April 2009 wiederherzustellen, ist nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 5 VwGO statthaft. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist aufgrund der entsprechenden Anordnung in der Verfügung sofort vollziehbar (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Das Begehren hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken. In materieller Hinsicht erweist sich die Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung als eilbedürftig; gegen sie sind auch materiell-rechtliche Bedenken nicht zu erheben.

II.1. Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Die Vorschrift erfordert eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung, worin das besondere öffentliche Interesse an einer ausnahmsweisen sofortigen Vollziehbarkeit besteht und weshalb das Interesse des Betroffenen, zunächst nicht von dem angefochtenen Verwaltungsakt betroffen zu werden, hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse zurücktreten muss. Eine maßgebliche Funktion der Begründungspflicht besteht darin, den Betroffenen über die Gründe, die für die behördliche Entscheidung maßgeblich gewesen sind, zu unterrichten (vgl. Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO Kommentar, Stand: Sept. 2007, § 80 Rdnr. 176; Schmidt in: Eyermann, VwGO Kommentar, 12. Aufl., 2006, § 80 Rdnr. 42). Der Begründungspflicht ist daher nur dann genügt, wenn die Gründe für das öffentliche Vollzugsinteresse für den Betroffenen hinreichend erkennbar sind. Eine solche, den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entsprechende Begründung für den angeordneten Sofortvollzug enthält die Verfügung vom 24. April 2009. Die Fahrerlaubnisbehörde hat darin konkrete Einzelfallumstände benannt und Gefahren aufgezeigt, mit denen im Fall einer weiteren Teilnahme des Antragstellers am motorisierten Straßenverkehr zu rechnen wäre.

II.2. In der Sache überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung das private Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Vollziehung einstweilen bis zu einer Klärung der Rechtmäßigkeit der Verfügung im Hauptsacheverfahren verschont zu bleiben.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ganz oder teilweise anordnen, im Fall des Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Voraussetzung für die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht ist, dass das Interesse des Einzelnen an der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Bescheides überwiegt. Das Gericht ist hierbei nicht auf eine Überprüfung der Begründung der handelnden Behörde beschränkt, sondern kann die für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Argumente selbst ermitteln und gegeneinander abwägen (st. Rspr. des OVG Bremen, z. B. Beschl. v. 11.06.1986, Az. 1 B 14/86; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., 2007, § 80 Rdnr. 152ff.). Im Rahmen dieser vom Gericht zu treffenden Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache zu berücksichtigen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf nach dem derzeitigen Erkenntnisstand aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird; umgekehrt über- wiegt bei einer offensichtlichen Erfolgsaussicht des Widerspruchs das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Erweisen sich die Erfolgsaussichten der Hauptsache als offen, erfordert die Entscheidung über die Aussetzung des Vollzugs eine Abwägung des öffentlichen Interesses am Sofortvollzug mit dem privaten Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiterhin am motorisierten Straßenverkehr teilnehmen zu können. Der Rechtsbehelf des Antragstellers verspricht nach derzeitigem Erkenntnisstand keinen Erfolg in der Hauptsache, denn die angefochtene Verfügung vom 24. April 2009 stellt sich bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig dar. Private Interessen des Antragstellers, denen ein höheres Gewicht als dem öffentlichen Interesse an der baldigen Durchsetzung der Regelung zuzumessen wäre, sind nicht ersichtlich.

Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 3 Abs. 1, 11 Abs. 2 und 8, 46 Abs. 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Danach ist demjenigen die Fahrerlaubnis zu entziehen, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn eine Erkrankung oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen. Nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV ist die Kraftfahreignung nicht gegeben, wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden.

Die Fahrerlaubnisbehörde hatte dem Kläger die Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 S. 1 StVG, § 46 Abs. 1 S. 1 FeV zu entziehen, nachdem sie gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Klägers geschlossen hatte. Nach § 11 Abs. 8, 46 Abs. 3 FeV darf die Behörde auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Dies ist vorliegend der Fall. Der Antragsteller hat das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht beigebracht. Er hat sich im vorliegenden Verfahren vielmehr ausdrücklich geweigert, das im Dezember 2009 erstellte medizinisch-psychologische Gutachten vorzulegen. Da es für die Beurteilung der Fahrerlaubnisentziehung maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage der letzten behördlichen Entscheidung ankommt und das Widerspruchsverfahren vorliegend noch nicht abgeschlossen ist, kann auf die ausdrückliche Weigerung des Antragstellers im vorliegenden Verfahren abgestellt werden. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob der Antragsteller den Kostenvorschuss für die Begutachtungsstelle im Vorfeld der Fahrerlaubnisentziehung vom 24. April 2009 tatsächlich verspätet eingezahlt hat und es deshalb zu Verzögerungen bei der Begutachtung kam.

Die Beibringungsaufforderung vom 04. Juni 2007 ist formell und materiell rechtmäßig. Die Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, genügte den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV. Die Fahrerlaubnisbehörde hat darin mitgeteilt, dass die Frage der Kraftfahreignung des Antragstellers zu klären sei, nachdem er mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,26 ‰ ein Fahrrad geführt habe. Die Anordnung enthält auch die erforderliche Fristsetzung, einen Hinweis auf die Kostentragungspflicht des Betroffenen und die Angabe, dass das Gutachten von einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zu erstellen ist. Außerdem ist der Antragsteller auf die Folgen einer Weigerung, sich untersuchen zu lassen, oder einer nicht fristgerechten Vorlage des Gutachtens hingewiesen worden (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV).

Die Gutachtenanordnung war auch materiell rechtmäßig. Sie hatte ihre Grundlage in § 13 Nr. 2 Buchst. c FeV. Danach ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung der Fahrerlaubnis die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration vom 1,6 ‰ oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8mg/l oder mehr geführt wurde. Die Norm setzt nach ihrem klaren Wortlaut nicht das Führen eines Kraftfahrzeugs voraus. Die Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Fahrrad – wie im Fall des Antragstellers – ist ausreichend. Entgegen der Auffassung des Antragstellers begründet das Führen eines Fahrrads im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,6 ‰ Zweifel nicht nur an der Eignung zum Führen von Fahrrädern, sondern auch an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.05.2008, Az. 3 C 32/07). Die Bestimmung beruht auf der Erkenntnis des Verordnungsgebers, dass bei einer Blutalkoholkonzentration ab 1,6 ‰ von deutlich normabweichenden Trinkgewohnheiten und einer ungewöhnlichen Giftfestigkeit des Verkehrsteilnehmers ausgegangen werden kann (vgl. BR-Drs. 443/98 (Beschluss) S. 6). Unabhängig von den nicht näher dargelegten Motiven des Antragstellers für die damalige Alkoholisierung muss davon ausgegangen werden, dass er den sehr hohen BAK-Wert von 2,26 ‰ nur auf der Grundlage einer erheblichen Alkoholgewöhnung hat erreichen können.

§ 13 Nr. 2 Buchst. c FeV sieht die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zwingend vor und stellt es nicht in das Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde, von ihr abzusehen. Die Anordnung vom 04. Juni 2007 ist deshalb nicht zu beanstanden. Sie ist zur Abklärung der in der Trunkenheitsfahrt des Antragstellers begründeten Zweifel an seiner Fahreignung erforderlich und verhältnismäßig. Der Antragsteller kann sich demgegenüber nicht mit Erfolg auf die seit der Trunkenheitsfahrt vom Oktober 2003 verstrichene Zeit berufen, in der er ohne alkoholbedingte Auffälligkeiten am Straßenverkehr teilgenommen habe. Er übersieht dabei, dass der Gesetzgeber selbst Fristen festgelegt hat, nach deren Ablauf Taten der hier in Rede stehenden Art einem Verwertungsverbot unterliegen. Wie lang dem Inhaber einer Fahrerlaubnis ein in der Vergangenheit liegendes Fehlverhalten entgegengehalten werden darf beantwortet sich – soweit einschlägige Regelungen vorhanden sind – nach Maßgabe gesetzlicher Tilgungs- und Verwertungsbestimmungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.06.2005, Az. 3 C 21/04), d.h. insbesondere nach § 29 StVG. Ein Rückgriff auf die am 18. Oktober 2003 begangene Tat ist danach zulässig, da der aus diesem Anlass ergangene Strafbefehl des Amtgerichts Bremen vom 09. Dezember 2003 gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i. V. m. § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a StVG einer zehnjährigen Tilgungsfrist unterliegt. Zwar ist die sich aus § 46 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BZRG ergebende fünfjährige Tilgungsfrist bereits abgelaufen. Allerdings bleibt die am 18. Oktober 2003 begangene Straftat gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 BZRG in einem auf Entziehung der Fahrerlaubnis gerichteten Verfahren auch darüber hinaus bis zum Eintritt der straßenverkehrsrechtlichen Tilgungsreife verwertbar. Indem der Gesetzgeber für Ahndungen von Alkoholstraftaten – hier wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 2 StGB – eine zehnjährige Tilgungsfrist vorgesehen hat, hat er sich für einen relativ langen Zeitraum entschieden, in dem derartige Entscheidungen noch verwertet werden können. Dies ist vor dem Hintergrund der bei alkoholauffällig gewordenen Verkehrsteilnehmern bestehenden Rückfallgefahren nicht zu beanstanden (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25.04.2007, Az. 12 ME 142/07; BVerwG, Urteil vom 09.06.2005, a.a.O., zur Verwertung einer Entscheidung wegen einer unter Drogeneinfluss begangenen Straßenverkehrsgefährdung).

Die gesetzlich festgelegten Fristen können nicht unter Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beiseite geschoben oder relativiert werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 09.06.2005 (a.a.O.) im Zusammenhang mit der Klärung von Eignungszweifeln wegen eines nachgewiesenen Drogenkonsums ausgeführt, dass nicht jeder beliebig weit in der Vergangenheit liegende Drogenkonsum als Grundlage für die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens herangezogen werden könne. Der erfolgte Betäubungsmittelmissbrauch müsse vielmehr nach Gewicht und unter zeitlichen Gesichtspunkten noch geeignet sein, die Kraftfahreignung in Zweifel zu ziehen. Das ergebe sich auch aus dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, greife in erheblicher Weise in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ein. Ihm werde zugemutet, anderen Einblick in Kernbereiche seiner Persönlichkeit zu geben. Ein solcher Eingriff sei nur gerechtfertigt, wenn er zur Abwehr einer bei realistischer Einschätzung tatsächlich bestehenden Gefahr notwendig sei. Es müsse also eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Betreffende noch Drogen einnehme oder jedenfalls rückfallgefährdet sei und sich dies auf sein Verhalten im Straßenverkehr auswirken könne. Die Bestimmung schematisch fester Zeiten, nach deren Ablauf ein Drogenkonsum im Rahmen einer Anordnung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV unbeachtlich werden solle, werde dem Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Kontext der Drogenproblematik nicht gerecht. Konkret hat das Bundesverwaltungsgericht einen vom Kläger des dortigen Verfahrens genannten Zeitraum von einem Jahr bzw. einer von der Vorinstanz gezogenen Grenze von 15 Monaten seit dem letzten Drogenkonsum als zu schematisch erachtet. Aus diesen diskutierten Zeiträumen lässt sich jedoch nicht schließen, dass die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens wegen einer im Zeitpunkt der Anforderung drei Jahre und neun Monate zurückliegenden Trunkenheitsfahrt unzulässig sei. Auch unter Berücksichtigung der von der Fahrerlaubnisbehörde zu vertretenden zeitlichen Verzögerung von etwa anderthalb Jahren bei der Weiterleitung der Führerscheinakte an die Begutachtungsstelle ergibt sich keine Unzulässigkeit der Gutachtenanforderung. Denn die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts beziehen sich auf eine Gutachtenanforderung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV und berücksichtigen die Besonderheiten dieser Regelung, deren Tatbestand („wenn zu klären ist, ob der Betroffene noch abhängig ist oder – ohne abhängig zu sein – weiterhin die in Abs. 1 genannten Mittel oder Stoffe einnimmt“) offener formuliert ist und nicht auf ein feststehendes Ereignis abstellt wie es bei der Anforderung eines medizinischpsychologischen Gutachtens gemäß § 13 Nr. 2 Buchst. c FeV wegen des Führens eines Fahrzeugs im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr der Fall ist. Im Hinblick auf die Regelungen in § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, Abs. 8 Satz 1 und 2 StVG zur Verwertbarkeit von Entscheidungen wegen Alkoholstraftaten begegnet es keinen Bedenken, hier auf länger zurückliegende Auffälligkeiten zurückzugreifen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25.04.2007, Az. 12 ME 142/07). Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 09. Juni 2005 (a.a.O.) die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV in Anknüpfung an eine sieben Jahre zurückliegende Fahrerlaubnisentziehung wegen einer unter Drogeneinfluss begangenen fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung im Verfahren auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis nicht beanstandet, sondern darauf abgehoben, dass die Entziehungsentscheidung noch keinem Verwertungsverbot (gemäß § 29 Abs. 8 i.V.m. § 65 Abs. 9 StVG) unterliege.

Der Schluss der Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers ist nach gegenwärtiger Erkenntnis ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers werden vielmehr durch seine Weigerung zur Vorlage des im Dezember 2009 erstellten medizinisch-psychologischen Gutachtens erhärtet. Die Begründung des Antragstellers legt nämlich den Schluss nahe, dass er ihm bekannte Eignungsmängel verbergen will. Das Ansinnen des Antragstellers, gegen dieses Gutachten „rechtlich vorzugehen“ führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Gutachtenanforderung ist als unselbständige Maßnahme der Beweiserhebung schon nicht gesondert anfechtbar (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage 2009, § 11 FeV Rdnr. 26). Es erschließt sich daher nicht, wie der Antragsteller gegen das Gutachten an sich rechtlich vorgehen will. Durch die Nichtvorlage hat der Antragsteller zudem den Weg für eine kritische Würdigung des Gutachtens durch die Fahrerlaubnisbehörde versperrt.

Gründe dafür, dass abweichend vom Regelfall (vgl. Vorbemerkung Nr. 3 zur Anlage 4 zur FeV) hier besondere Umstände vorliegen, die die Annahme eines Ausnahmefalls rechtfertigen könnten, sind nicht anzunehmen. Der Vortrag des Antragstellers, wonach er vor und nach der Trunkenheitsfahrt im Oktober 2003 nicht durch delinquentes Verhalten im Straßenverkehr aufgefallen sei, genügt nicht für die Annahme eines Ausnahmefalles

II.3. Die Verpflichtung des Antragstellers zur Ablieferung des Führerscheins folgt aus den §§ 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, 47 Abs. 1 FeV. Sofern der Antragsteller sich im Widerspruchsverfahren darauf berufen hat, er habe seinen Führerschein möglicherweise verloren, weil er ihn „derzeit“ nicht auffinden könne, mag der Antragsteller im noch laufenden Widerspruchsverfahren auf Verlangen der Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 5 Satz 1 StVG eine Versicherung an Eides Statt über den Verbleib des Führerscheins abgeben. Die Androhung von Verwaltungszwang beruht auf §§ 11 Abs. 1, 13 Abs. 1 Nr. 1 und 14 Bremisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz (BremVwVG) und ist nach derzeitiger Erkenntnis nicht zu beanstanden.

II.4. Schließlich besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung, denn diese dient der Abwehr von Gefahren, die mit einer weiteren Teilnahme des Antragstellers am öffentlichen Straßenverkehr einhergehen. Angesichts der Trunkenheitsfahrt unter ganz erheblicher Alkoholisierung muss das Interesse des Antragstellers, einstweilen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache weiter ein Kraftfahrzeug führen zu dürfen, gegenüber diesem öffentlichen Interesse zurücktreten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

IV.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.

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