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Aberkennung niederländische Fahrberechtigung in Deutschland wegen Drogenkonsum

VG Aachen – Az.: 3 L 1856/17 – Beschluss vom 29.01.2018

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

1. Der sinngemäße Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums (3 K 5161/17) gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 29. August 2017 (Aberkennung des Rechts, von einer niederländischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen) wiederherzustellen und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung anzuordnen, ist unbegründet.

In formeller Hinsicht begegnet die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung keinen rechtlichen Bedenken. Sie ist insbesondere hinreichend schriftlich begründet, vgl. § 80 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Angesichts der aus der Ungeeignetheit eines Kraftfahrers für die Allgemeinheit resultierenden erheblichen Gefahren bedurfte es bei dem in Rede stehenden Drogenkonsum über die erfolgte Begründung hinaus keiner weiteren Ausführungen.

Aberkennung niederländische Fahrberechtigung in Deutschland wegen Drogenkonsum
(Symbolfoto: Henk Vrieselaar/Shutterstock.com)

Die in materieller Hinsicht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung und dem privaten Interesse des Antragstellers, von deren Vollziehung bis zur abschließenden Klärung ihrer Rechtmäßigkeit im Hauptsacheverfahren verschont zu bleiben, fällt zu seinen Lasten aus.

Die mit Ordnungsverfügung vom 29. August 2017 erfolgte Aberkennung des Rechts, von der niederländischen Fahrerlaubnis (Rijbewijs Nr. 4394883115, ausgestellt durch die Gemeente Venlo am 30. Mai 2013) im Bundesgebiet Gebrauch zu machen, ist als rechtmäßig anzusehen.

Rechtliche Grundlage für die darin angeordnete Entscheidung der Antragsgegnerin ist § 3 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in Verbindung mit § 46 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV -). Danach ist einem Kraftfahrzeugführer die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis hat die Entziehung gemäß § 46 Abs. 5 FeV die Wirkung einer Aberkennung des Rechts von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen.

Der Antragsgegner ist nach der im vorliegenden Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller wegen der Einnahme von Betäubungsmitteln zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist.

Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV ist die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen insbesondere dann gegeben, wenn Erkrankungen oder Mängel nach der Anlage 4 der FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 FeV ist bei der „Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis)“ die Eignung oder bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeug nicht gegeben.

Diese Bewertung gilt gemäß Nr. 3 Satz 1 der Vorbemerkungen zur Anlage 4 zur FeV für den Regelfall. Die in Ziffer 9 der Anlage 4 zur FeV enthaltene Differenzierung lässt ein im Interesse der Verkehrssicherheit unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Gefährdungspotentials von Betäubungsmitteln sinnvolles Stufensystem erkennen: Bei den die Fahreignung in besonderem Maße negativ beeinflussenden Substanzen, die unter das Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (BtMG) fallen, soll – mit Ausnahme von Cannabis, für das eine differenzierte Regelung getroffen ist (vgl. Nr. 9.2 der Anlage 4 zur FeV) – bereits die bloße Einnahme dieser Substanzen die Fahreignung für alle Fahrerlaubnisklassen im Regelfall ausschließen. Dadurch, dass der Verordnungsgeber auf den eindeutigen Begriff der Einnahme abgestellt hat, wird verhindert, dass im Einzelfall zu Lasten der Verkehrssicherheit die Fahrerlaubnisbehörde und gegebenenfalls nachfolgend die Gerichte die Wirksamkeit des jeweiligen Betäubungsmittels auf den jeweiligen Fahrerlaubnisinhaber prüfen sollen. Eine solche Vorgehensweise würde nämlich der besonderen Gefährlichkeit der unter das Betäubungsmittelgesetz fallenden Betäubungsmittel und den Erfordernissen der Verkehrssicherheit nicht gerecht. Bei Einnahme von Betäubungsmitteln muss daher das Interesse des einzelnen Fahrerlaubnisinhabers, der derartige Betäubungsmittel konsumiert hat, grundsätzlich zum Schutze dritter Verkehrsteilnehmer zurückstehen.

Auf die – hier gegebene – Teilnahme am Straßenverkehr oder auf Ausfallerscheinungen im Straßenverkehr kommt es für die Annahme der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht einmal an. Vielmehr reicht regelmäßig schon der einmalige Konsum einer sog. harten Droge aus, um die Fahreignung zu verneinen.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 22. März 2012 – 16 B 231/12 – juris, Rn. 2 f., m. w. N.

Gemessen daran hat sich der Antragsteller als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, da davon auszugehen ist, dass er die (harte) Droge Amphetamin konsumiert hat.

Am 28. Juni 2017 gegen 00:25 Uhr befuhr der Antragsteller mit seinem Pkw (VW Golf, amtliches Kennzeichen: XX-XX XXXX) die S. Straße in I. /L. . Bei einer Verkehrskontrolle stellten die Beamten fest, dass die Pupillen des Antragstellers erweitert waren. Ein Drogenvortest verlief positiv auf Amphetamin.

Die chemisch-toxikologische Untersuchung der Blutprobe des Antragstellers im Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Köln führte zu einem Nachweis von Amphetamin im Blutserum des Antragstellers, und zwar mit einer Konzentration von 105 ng/ml Serum, vgl. dazu das Wissenschaftliche Gutachten zur chemisch-toxikologischen Untersuchung vom 25. Juli 2017.

Als Bestätigungsanalytik wandten die Gutachter das gaschromatograhisch-massenspektrometrische Verfahren an (vgl. dazu Ziffer 2.2 des Gutachtens) und kamen damit schlüssig und nachvollziehbar zu dem Schluss, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Blutentnahme unter der Wirkung von Amphetamin stand.

Der Antragsteller hält dem im Wesentlichen entgegen: Bei der von den Gutachtern festgestellten Substanz habe es sich nicht um die harte Droge Amphetamin gehandelt, sondern um Fitnesspräparate bzw. Nahrungsergänzungsmittel, die er als Kraftsportler regelmäßig zu sich nehme. Konkret habe er vor dem Vorfall das Nahrungsergänzungsmittel „Mesomorph“ des Herstellers APS in Pulverform konsumiert. Darin sei die Substanz DMAA enthalten. Die Strukturformel von Amphetamin und DMAA (Methylhexanamin) seien sehr ähnlich. In der Szene sei bekannt, dass die Einnahme von DMAA zu verfälschten Amphetamin-Testergebnissen führe.

Dieser Vortrag ist nicht in der Lage, die Richtigkeit des gutachterlichen Befundes an Amphetamin in Zweifel zu ziehen. Der Antragsteller setzt sich nicht damit auseinander, dass der ihn belastende Befund nicht auf immunologischen Methoden, sondern auf einem gaschromatograhisch-massenspektrometrischen Verfahren beruht. Diese Analysetechnik führt anerkanntermaßen zu forensisch gesicherten Nachweisen. Ihr liegt ein großer apparativer Aufwand zu Grunde. Vereinfacht beschrieben gibt man beim gaschromatograhisch-massenspektrometrische Verfahren zum ursprünglichen Amphetamin eine bestimmte Menge zugesetztes (isotopenmarkiertes) Amphetamin hinzu und kann dann aus dem Verhältnis der molaren Massen mit Hilfe eines Massenspektrometers die Menge an ursprünglichem Amphetamin im Blut des Probanden genauestens bestimmen.

Vgl. Möller, in: Hettenbach/Kalus/Möller/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 3. Aufl. 2016, § 3 Rn. 181 ff.

Da die Analyse auf der Molekülstruktur des nachzuweisenden Stoffes aufbaut, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, wie es zu der vom Antragsteller vermuteten Verwechselung von Amphetamin mit Methylhexanamin (DMAA) gekommen sein soll. Die strukturelle Ähnlichkeit zwischen Amphetamin und Methylhexanamin reicht dafür nicht aus. So weisen die Stoffe eine klar unterscheidbare Molekülstruktur bzw. molare Masse auf. Amphetamin besitzt die Summenformel C9H13N und eine molare Masse von 135,21 g/mol. Demgegenüber besitzt Methylhexanamin die Summenformel C7H17N und eine molare Masse 115,22 g/mol.

Vgl. die Wikipedia-Einträge „Amphetamin“ und „Methylhexanamin“, Ausdruck vom 29. Januar 2018, https://en.wikipedia.org/wiki/Wikipedia.

Unerheblich ist damit die vom Antragsteller aufgeworfene Frage, ob bei einem – hier für den Nachweis gerade nicht herangezogenen – immunologischen Test (Immunassay) Abstriche an der Sicherheit des Amphetamin-Nachweises zu machen sind, wenn der Proband auch DMAA im Urin hat. Allein auf diese hier nicht einschlägige Problematik bezieht sich die vom Antragsteller vorgelegte pharmazeutische Stellungnahme aus dem Internet vom Januar/Februar 2015 („False Positive Amphetamine Urine Screens“), wonach die Substanz DMAA im Urin bei Immunassays (engl.: Immunoassays) zu verfälschten Amphetamin-Befunden führen könne.

Nach alledem durfte der Antragsgegner den Vortrag des Antragstellers, er habe kein Amphetamin konsumiert, als bloße Schutzbehauptung einordnen, zumal ihr auf telefonische Nachfrage beim Institut für Rechtsmedizin der Uniklinik Köln mitgeteilt worden ist, dass bei der dort angewandten Bestätigungsanalytik die behauptete Verwechselung zwischen Amphetamin und Methylhexanamin „ausgeschlossen“ sei.

Sind damit in der Person des Antragstellers die Entziehungsvoraussetzungen als erfüllt anzusehen, ist die angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis rechtlich zwingend. Ein Ermessen ist der Fahrerlaubnisbehörde nicht eröffnet.

Die weitere Interessenabwägung fällt ebenfalls zu Ungunsten des Antragstellers aus.

In aller Regel trägt allein die voraussichtliche Rechtmäßigkeit einer auf den Verlust der Kraftfahreignung gestützten Ordnungsverfügung die Aufrechterhaltung der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Zwar kann die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen. Derartige Folgen, die im Einzelfall bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage reichen können, muss der Betroffene jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen.

Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 22. Oktober 2013 – 16 B 1124/13 -, juris, Rn. 9.

Gesichtspunkte, wegen derer hier ausnahmsweise das besonders gewichtige öffentliche Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs hinter den Interessen des Antragstellers zurücktreten müsste, liegen nicht vor.

Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller seine Kraftfahreignung zwischenzeitlich wiedererlangt haben könnte. Zum Nachweis der Wiedererlangung der Kraftfahreignung bedarf es des Nachweises, dass bezogen auf die Einnahme illegaler Drogen auf der Grundlage einer tragfähigen Motivation eine hinreichend stabile Verhaltensänderung eingetreten ist und daher für die Folgezeit eine günstige Prognose getroffen werden kann. Dieser Nachweis kann grundsätzlich – und so auch hier – nur auf der Grundlage einer medizinisch-psychologischen Begutachtung erbracht werden.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Oktober 2006 – 16 B 1538/06 -, juris, Rn. 4, vom 2. April 2012 – 16 B 356/12 -, juris, Rn. 6 ff., und vom 20. März 2014 – 16 B 264/14 -, juris, Rn. 12.

An einem solchen Nachweis fehlt es. Der in den Niederlanden erstellte Befundbericht über mehrere Drogenscreenings des Antragstellers ist jedenfalls dafür kein Ersatz.

Auch im Übrigen ist die Aussetzung der Vollziehung der Ordnungsverfügung nicht geboten.

Die Anordnung, den ausländischen Führerschein unverzüglich zur Eintragung der Aberkennung vorzulegen, findet ihre Grundlage in § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 2, Abs. 1 S. 2 FeV; die Androhung eines Zwangsgeldes für den Fall der Nicht- oder nicht fristgerechten Vorlage in §§ 55 Abs. 1, 57, 60 und 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW). Die Höhe des Zwangsgeldes von 250 EUR steht in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Zweck, den Antragsteller zur Vorlage seines Führerscheins zu bewegen (vgl. § 58 VwVG NRW).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen,

etwa Beschluss vom 20. November 2012 – 16 A 2172/12 -, juris, Rn. 17 f., m.w.N.,

der sich die Kammer anschließt, ist für ein Hauptsacheverfahren wegen Entziehung einer Fahrerlaubnis ungeachtet der erteilten Fahrerlaubnisklassen stets der doppelte Auffangwert (5.000,- Euro) und für ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren die Hälfte dieses Betrages (2.500,- Euro) als Streitwert anzusetzen. Die Verpflichtung, den ausländischen Führerschein vorzulegen, und die zugehörige Zwangsgeldandrohung, wurden nicht streitwerterhöhend berücksichtigt.

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