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Reduzierung Regelgeldbuße nach Teilnahme an Verkehrsunterrichtsschulung

Reduzierung der Geldbuße nach Verkehrsunterrichtsschulung

Ein irakischer Paketzusteller wurde wegen der Nutzung seines Handys während der Fahrt zu einer Regelgeldbuße von 100 Euro verurteilt. Doch das Gericht berücksichtigte seine bisherige Unbescholtenheit und sein Geständnis, indem es die Geldbuße auf 55 Euro reduzierte. Der entscheidende Faktor war jedoch seine Teilnahme an einer dreistündigen Beratung bei einer verkehrspsychologischen Beratungsstelle, die er freiwillig absolviert hatte. Das Gericht wertete dies als positives Nachtatverhalten und verhängte eine Geldbuße, die als tat- und schuldangemessen, aber auch als verkehrserzieherisch geboten und ausreichend angesehen wurde. Die Staatsanwaltschaft argumentierte, dass die Schulungsmaßnahme keine Rolle spielen sollte, da sie von den Betroffenen selbst eingeführt wurde. Das Gericht widersprach jedoch und betonte, dass die Teilnahme an einer Verkehrsunterrichtsschulung oder verkehrspsychologischen Beratung als Nachtatverhalten des Betroffenen in angemessenem Umfang zu seinen Gunsten berücksichtigt werden kann. Das Urteil zeigt, dass eine freiwillige Schulung zu einer Reduzierung der Geldbuße führen kann, auch wenn sie nicht vom Gericht angeordnet wurde.

AG Eilenburg – Az.: 8 OWi 950 Js 67934/21 – Urteil vom 29.09.2022

1. Der Betroffene […] ist mit Bußgeldbescheid des Landkreises Nordsachsen vom 22.10.2021 rechtskräftig schuldig gesprochen wegen verbotswidriger Benutzung eines elektronischen Gerätes, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, als Führer eines Kraftfahrzeuges.

Er wird deshalb zu einer Geldbuße i. H. v. 55,00 Euro verurteilt.

2. Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

I.

Der Betroffene wurde am […]1990 in Duhok, Irak geboren. Er ist irakischer Staatsangehöriger und verfügt in Deutschland über den subsidiären Schutz. Er ist geschieden und hat zwei Kinder, denen er zum Unterhalt verpflichtet ist. In beruflicher Hinsicht ist er bei DPD mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag als Paketzusteller angestellt. Daraus erzielt er ein monatliches Nettoeinkommen zwischen 1.000,00 und 1.200,00 Euro.

Mit der Begehung von straßenverkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten ist der Betroffene bislang nicht in Erscheinung getreten.

II.

Der Betroffene befuhr am 03.08.2021 um 10:37 Uhr als Führer des Pkw Ford, amtliches Kennzeichen […] die D. Straße in Krostitz, wobei er wissentlich und willentlich ein Mobiltelefon in der rechten Hand hielt und darauf Tippbewegungen ausführte.

III.

Die Feststellungen unter I. zu den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen beruhen auf seinen glaubhaften Angaben und dem verlesenen Auszug aus dem Fahreignungsregister vom 19.09.2022.

Die Sachverhaltsfeststellungen unter II. beruhen auf der Einspruchsbeschränkung des Betroffenen auf den Rechtsfolgenausspruch, die die Verteidigerin des Betroffenen bereits mit Schriftsatz vom 13.09.2022, bei Gericht eingegangen am 14.09.2022, erklärte.

IV.

Mit der unter II. genannten Tat hat sich der Betroffene eines vorsätzlichen Verstoßes nach §§ 23 Abs. 1a, 49 StVO, § 24 StVG, 246.1 BKat schuldig gemacht. Ausweislich des bundeseinheitlichen Tatbestandskatalogs für Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten ist für eine solche Tat nach 246.1 BKat der Ausspruch einer Geldbuße von 100,00 Euro auch bei einem Ersttäter und angesichts dessen, dass die Katalognummer im Abschnitt II des Bußgeldkataloges aufgeführt ist, auch bei vorsätzlicher Verwirklichung vorgesehen.

Vom im Bußgeldbescheid verhängten Regelsatz ist hier zugunsten des Betroffenen gemäß § 17 Abs. 3 OWiG abzuweichen und eine tat- und schuldangemessene Geldbuße in Höhe von 55,00 Euro festzusetzen, da es sich im vorliegenden Fall zwar in tatbezogener, nicht aber in täterbezogener Hinsicht um einen Regelfall mit Regeltatumständen handelt.

Zugunsten des Betroffenen wertet das Gericht zunächst, dass der Betroffene trotz seiner Vielfahrereigenschaft als Berufskraftfahrer bei der DPD voreintragungsfrei ist. Weiterhin spricht zugunsten des Betroffenen, dass er seinen Einspruch auf die Rechtsfolgen beschränkt hat, dem nach Auffassung des Gerichts Geständnisfiktion zukommt (vgl. nur OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.01.2006 – 1 Ss 5/06 -, BeckRS 2006, 1865 zur Rechtsfolgenbeschränkung im Strafbefehlsverfahren; vgl. bereits AG Eilenburg, Beschl. v. 22.06.2020 – 8 OWi 950 Js 61954/19 -, juris). Die bereits darin zum Ausdruck kommende Einsicht des Betroffenen in sein straßenverkehrsordnungswidriges Verhalten hat der Betroffene ferner durch seine Teilnahme an einer dreistündigen Beratung bei einer amtlich anerkannten verkehrspsychologischen Beratungsstelle nachgewiesen und insoweit ein positives Nachtatverhalten gezeigt, was sich nach Auffassung des Gerichts deutlich zugunsten des Betroffenen auswirkt.

In der Rechtsprechung und in der juristischen Fachliteratur wird die Auffassung vertreten, dass das Gericht die Teilnahme an einem Verkehrsunterricht oder einer Verkehrsberatung als Nachtatverhalten des Betroffenen in angemessenem Umfang zu seinen Gunsten berücksichtigen kann, weil diese Teilnahme einen Anhaltspunkt dafür, dass der Betroffene bereits hinreichend für die Zukunft beeindruckt ist, darstellt (vgl. nur AG Bad Liebenwerda, Beschl. v. 05.09.2011 – 40 OWi 1611 Js – OWi 33550/10 (354/10) -, juris). Eine solche Teilnahme an einer derartigen Maßnahme mag in Kombination mit anderen Erwägungen nach Ansicht des Bayerischen Obersten Landesgerichts (vgl. Beschl. v. 05.07.1995 – 1 ObOWi 189/95 -, juris) in Ausnahmefällen gar zu einem Absehen vom Fahrverbot führen. Jedenfalls aber führt dies im vorliegenden Fall zu einer Verringerung des als Regelsatz vorgesehenen Bußgeldes, wobei die ausgesprochene Geldbuße in Höhe von 55,00 Euro nicht nur als tat- und schuldangemessen, sondern auch als verkehrserzieherisch geboten, aber auch ausreichend erachtet, um in Kombination mit der bereits durch den Betroffenen absolvierten verkehrspsychologischen Beratung hinreichend auf ihn einzuwirken.

Anders als die Staatsanwaltschaft meint, ist es nach Ansicht des Gerichts dabei unerheblich, ob die Schulungsmaßnahme von einem Betroffenen bzw. dessen Verteidiger von selbst in das Verfahren eingeführt wird und ggf. noch Überzeugungsarbeit bei den zuständigen Mitarbeitern der Verwaltungsbehörde bzw. dem zuständigen Richter zu leisten ist. Denn auch in Fällen wie hier, in denen der zuständige Richter einen Betroffenen darauf hinweist, dass die sonstigen Tatumstände geeignet erscheinen, bei zusätzlicher Absolvierung einer näher bezeichneten Verkehrsunterrichtsschulung oder verkehrspsychologischen Beratung auf eine Geldbuße unterhalb der Eintragungsgrenze im Fahreignungsregister zu erkennen, ist es letztlich eine selbstbestimmte Entscheidung des Betroffenen, ob er sich einer derartigen Maßnahme unterzieht oder nicht. Aus Sicht des Gerichts ist kein sachgerechter Grund erkennbar, diese beiden Sachverhalts- bzw. Verfahrenskonstellationen unterschiedlich zu behandeln. Für das Gericht besteht im Bußgeldverfahren keine Möglichkeit, einen Betroffenen zur Teilnahme an einer Verkehrsunterrichtsschulung oder verkehrspsychologischen Beratung anzuweisen.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG.

 

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