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Nichtanerkennung eines in einem anderen EU-Mitgliedsstaat ausgestellten Führerscheins

Oberverwaltungsgericht Bremen – Az.: 2 B 95/11 – Beschluss vom 26.06.2012

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen – 5. Kammer – vom 13.04.2011 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren beträgt 2.500,00 Euro.

Gründe

I.

Der 1975 geborene Antragsteller ist deutscher Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz in Bremen. Er wendet sich gegen die Feststellung, dass eine ihm erteilte tschechische Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland keine Fahrberechtigung entfaltet.

Die dem Antragsteller im April 1993 erteilte Fahrerlaubnis der Klasse 3 wurde ihm mit Verfügung des Stadtamts Bremen als vom 26.07.1995 entzogen, nachdem er der Aufforderung zur Teilnahme an einem Nachschulungskurs nicht gefolgt war. Auf einen entsprechenden Antrag wurde dem Antragsteller 2000 zunächst die Fahrerlaubnis der Klassen B/L/M und 2001 die der Klasse A-U erteilt.

Mit Verfügung vom 21. Februar 2007 entzog das Stadtamt Bremen dem Antragsteller erneut die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen, nachdem dieser der Aufforderung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens nicht nachgekommen war. Die Anordnung des Gutachtens war erfolgt, weil der Antragsteller ein Fahrzeug unter Kokaineinfluss geführt hatte. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller Widerspruch ein, erklärte sich aber zugleich bereit, das angeforderte Gutachten beizubringen. Während des laufenden Widerspruchsverfahrens wurde beim Antragsteller anlässlich einer Verkehrskontrolle am 22.02.2007 ein weiteres Mal festgestellt, dass er unter Einfluss von Betäubungsmitteln ein Fahrzeug führte. Wegen dieser Tat setzte das Amtsgericht Syke am 17.09.2007 gegen den Antragsteller eine Geldbuße von 500,00 Euro fest und verhängte ein Fahrverbot von drei Monaten

Am 16.07.2007 legte der Antragsteller der eine Bescheinigung über die Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung und ein ärztliches Gutachten des Neurologen und Psychiaters D. vom 13.07.2007 vor. Danach fand sich bei den vorgenommenen Untersuchungen kein Hinweis auf einen fortgesetzten Drogenkonsum. Der Antragsteller wurde auf den Vorfall vom 22.02.2007 angesprochen und darauf hingewiesen, dass eine Aufhebung der Entziehungsverfügung mit Blick auf die erneute Fahrt unter Drogeneinfluss nicht erfolgen könne. Es sei zunächst eine einjährige Drogenabstinenz nachzuweisen und später eine medizinisch-psychologische Untersuchung erforderlich. Dem Antragsteller wurde nahegelegt, den Widerspruch zurückzunehmen. Er hielt diesen jedoch aufrecht.

Am 28.04.2008 legte der Antragsteller der ein unter dem 18.04.2008 ausgestelltes Zertifikat der Begutachtungsstelle für Fahreignung des TÜV Nord zum Nachweis der Drogenabstinenz vor. Danach ist der Antragsteller in der Zeit vom 23.07.2007 bis 22.04.2008 zu fünf unvorhergesehenen Kontrollen einbestellt worden, bei denen Urinproben genommen wurden, deren Ergebnis jeweils negativ war. Ein weiterer Drogenabstinenz-Nachweis über eine am 10.11.2008 durchgeführte Urinprobenkontrolle der Begutachtungsstelle für Fahreignung des TÜV Nord ging am 18.11.2008 bei der Antragsgegnerin ein.

Unter dem 05.08.2008 beauftragte die der Antragsgegnerin, nachdem der Antragsteller zuvor sein Einverständnis erklärt hatte, das Medizinisch-Psychologische Institut des TÜV Nord mit der Erstellung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen. Das Gutachten legte der Antragsteller nicht vor. Nach einem in den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin enthaltenen Vermerk soll das Gutachten negativ ausgefallen sein.

Mit Schreiben vom 06.02.2009, in dem er im Briefkopf als Adresse „…, Bremen“ angab, verzichtete der Antragsteller gegenüber dem Stadtamt Bremen auf seine deutsche Fahrerlaubnis der Klassen A und B und nahm am 09.02.2009 seinen Widerspruch gegen die Fahrerlaubnisentziehung zurück.

Am 19.05.2010 geriet der Antragsteller in eine Verkehrskontrolle, bei der er einen tschechischen Führerschein vorlegte. Eine Führerscheinüberprüfung mit Hilfe des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit im Juni 2010 ergab, dass der Antragsteller seit dem 28.07.2008 in Litvinov/Tschechien gemeldet ist und ihm dort am 02.02.2009 eine Fahrerlaubnis ausgestellt worden ist.

Mit Verfügung vom 10.02.2011 stellte das Stadtamt Bremen fest, dass die dem Antragsteller am 02.02.2009 erteilte tschechische Fahrerlaubnis keine Fahrberechtigung für die Bundesrepublik Deutschland entfalte und ordnete die sofortige Vollziehung an. Dem Antragsteller wurde aufgegeben, seinen tschechischen Führerschein spätestens am 3. Tag nach Zustellung der Verfügung bei der zwecks Anbringung eines Sperrvermerks vorzulegen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller habe seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland. Die Berechtigung aus einer EU-Fahrerlaubnis bestehe gemäß § 28 Abs. 4 Ziffer 3 FeV i. d. F. vom 19.01.2009 nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Erlaubnis, denen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden sei. Der Antragsteller habe die tschechische Fahrerlaubnis während der Anhängigkeit des Entziehungsverfahrens erworben. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei erforderlich, um zu gewährleisten, dass der Inhaber durch die Vorlage des Führerscheins nicht den unzutreffenden Eindruck erwecken könne, zur Teilnahme am Straßenverkehr berechtigt zu sein.

Über den Widerspruch des Antragstellers gegen die Verfügung vom 10.02.2011 ist noch nicht entschieden.

Am 21.03.2011 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gestellt. Er trägt vor, die Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV lägen zwar dem Wortlaut nach vor. Diese Regelung stehe jedoch im Gegensatz zu dem Anerkennungsgrundsatz, den der Europäische Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung zur Richtlinie 91/439/EWG entwickelt habe. Dieser Rechtsprechung sei durch das Inkrafttreten der Richtlinie 2006/126/EG nicht die Grundlage entzogen worden.

Der Antragsteller hat beantragt, gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10.02.2011, durch den festgestellt worden ist, dass die am 02.02.2009 erteilte tschechische Fahrerlaubnis keine Fahrberechtigung für die Bundesrepublik Deutschland entfaltet.

Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

Auch wenn in Rechtsprechung und Literatur zu der Frage, ob ab dem 19.01.2009 von den EU-Mitgliedsstaaten ausgestellte Fahrerlaubnisse ohne weiteres anzuerkennen seien und die Regelungen des § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV mit Unionsrecht vereinbar seien, unterschiedliche Auffassungen vertreten würden, könne der Antragsteller daraus nichts für sich herleiten, denn durch Übernahme der zwingenden Regelungen aus Art. 1 der Richtlinie 2006/126/EG in die seit dem 19. Januar 2009 geltende Fassung des § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass ein im Laufe eines Entziehungsverfahrens und zudem nach dem 19. Januar 2009 in einem anderen EU-Staat ausgestellter Führerschein keine Fahrberechtigung entfalte. Zudem hätte die Tschechische Republik dem Antragsteller keine Fahrerlaubnis erteilen dürfen. Selbst wenn die Frage der Anwendbarkeit als offen anzusehen sei, gebiete die dann zu treffende Interessenabwägung, dass der Antrag abzulehnen sei.

Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag mit Beschluss vom 13.04.2011 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Die angefochtene Verfügung sei zu Recht auf § 28 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. Satz 1 Nr. 3 FeV in der seit dem 01.01.2011 geltenden Fassung gestützt worden. Die sich aus dieser Vorschrift ergebende Rechtsfolge stehe in Einklang mit den Bestimmungen der Richtlinie 2006/126/EG, auf die als Maßstab für die Europarechtskonforme Auslegung der nationalen Vorschriften abzustellen sei. Der Antragsteller könne sich demgegenüber nicht auf den bis zum 18.01 2013 fortgeltenden Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG berufen. Wenngleich die Vorschrift nicht vom Zeitpunkt der Anwendbarkeit des Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG an aufgehoben worden sei, sei auf die jüngere Richtlinie abzustellen, mit der als Reaktion auf das Phänomen des Führerscheintourismus nach dem Willen der norm- setzenden Stellen ein grundlegender Paradigmenwechsel vollzogen und der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen stärker eingeschränkt worden sei. Dieses Verständnis des Verhältnisses der beiden Richtlinien zueinander stehe im Einklang mit dem Grundsatz, dass bei inhaltlichen Divergenzen die neuere Norm die ältere auch dann verdränge, wenn letztere nicht förmlich aufgehoben werde.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der dieser seine Auffassung vertieft, die Nichtanerkennung seines tschechischen Führerscheins könne nicht auf § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV gestützt werden, weil diese Vorschrift ihm wegen fehlender Konformität mit Europäischem Gemeinschaftsrecht nicht entgegengehalten werden dürfe. Das zur Bekämpfung des sog. „Führerscheintourismus“ neu geschaffene Ausstellungsverbot in Art. 11 Abs. 4 UnterAbs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG („Dritte Führerscheinrichtlinie“) sei nur bis zum Ablauf einer Sperrfrist anwendbar. Art 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG erfasse daher nur solche Führerscheine, die nach Unterabsatz 1 gar nicht hätten erteilt werden dürfen, denn nur für die Dauer einer Sperrfrist lägen gesicherte Erkenntnisse über die fehlende Eignung vor, die die Mitgliedsstaaten binden könnten. Allein dieses Verständnis der Vorschrift werde der nach der Rechtsprechung des EuGH eng auszulegenden Nichtanerkennungsmöglichkeit gerecht.

II.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Verfügung des Stadtamts vom 10.02.2011 zu Recht abgelehnt. Die mit der Beschwerde vorgetragenen Gründe, auf deren Überprüfung der Senat beschränkt ist, führen nicht zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung.

Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV in der seit dem 01.01.2011 geltenden Fassung vom 17.12.2010 (BGBl I S. 2279) gilt die in § 28 Abs. 1 FeV genannte Berechtigung, aufgrund einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis Kraftfahrzeuge im Inland zu führen, u. a. nicht für diejenigen Fahrerlaubnisinhaber, denen die Fahrerlaubnis im Inland sofort vollziehbar oder bestandkräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist. Dies ist beim Antragsteller, dem mit der für sofort vollziehbar erklärten Verfügung der Antragsgegnerin vom 21.02.2007 die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, der Fall.

Die Rechtsfolge, die sich aus § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, Satz 3 FeV ergibt, steht mit höherrangigem Recht, insbesondere mit der Richtlinie 2006/126/EG („Dritte Führerscheinrichtlinie“) in Einklang. Auf die Bestimmungen dieser Richtlinie und nicht auf diejenigen der Richtlinie 91/439/EWG ist hier abzustellen, auch wenn letztere gem. Art 17 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG erst mit Wirkung vom 19.01.2013 aufgehoben wird, denn nach Art 18 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG sind die Art. 2 Abs. 1 und 11 Abs. 4 bereits ab dem 19.01.2009 anwendbar.

Die im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Rechtsprechung der Obergerichte noch umstrittene Frage der Anwendbarkeit von Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG und der Übertragbarkeit der zu Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG ergangenen, einschränkenden Rechtsprechung des EuGH auf Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG (insoweit verneinend: Niedersächsisches OVG, B. v. 11.08.2010 – 12 ME 130/10 – juris; BayVGH, B. v. 21.12.2009 – 11 CS 09.1791 -, DAR 2010, 103, OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 20.01.2010 – 16 B 814/09 -, zfs 2010, 236; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.01.2010 – 10 S 2391/09 -, DAR 2010, 153; bejahend: HessVGH, B. v. 04.12.2009 – 2 B 2138/09 -, Blutalkohol 47, 154; OVG Rheinl.-Pfalz, B. v. 17.02.2010 – 10 B 11351/09 -, DAR 2010, 406; OVG Saarl., B. v. 16.06.2010 – 1 B 204/10 -, juris)ist vom EuGH nunmehr durch das Urteil vom 26.04.2012 in der Rechtssache Hofmann (Rs. C-419/10) in dem Sinne beantwortet worden, dass an die Stelle der in Art. 8 Abs. 4 UnterAbs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG geregelten bloßen Befugnis zur Nichtanerkennung eine Verpflichtung getreten ist und dass mit der Einführung einer Unterscheidung zwischen Einschränkung, Aussetzung und Entzug eines Führerscheins einerseits und dessen Aufhebung andererseits der Wortlaut von Art. 11 Abs. 4 UnterAbs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG keine wesentliche Änderung gegenüber dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 4 UnterAbs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG erfahren hat (Rn. 66). Die Feststellung, dass die in Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439 vorgesehene Befugnis zur Nichtanerkennung eine Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine darstellt und aus diesem Grund eng auszulegen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 20. 11.2008, Weber, C-1/07, Slg. 2008, I-8571, Rn. 29, Urteil v. 19.02.2009, Schwarz, C-321/07, Slg. 2009, I-1113, Rn. 84, und Beschluss vom 02.12.2010, Scheffler, C-334/09, Rn 64), bleibt nach Auffassung des EuGH damit auch für die nunmehr in Art. 11 Abs. 4 UnterAbs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG enthaltene Verpflichtung gültig (Rn. 71).

Die Frage, ob die dem Antragsteller am 02.02.2009 in Tschechien ausgestellte Fahrerlaubnis ihm in der Bundesrepublik Deutschland eine Fahrberechtigung verschafft, ist damit nach Art. 11 Abs. 4 UnterAbs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG zu beurteilen. Nach dieser Bestimmung lehnt ein Mitgliedstaat die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins ab, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, deren Führerschein im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen worden ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im Fall des Antragstellers erfüllt, denn die Ausstellung seines Führerscheins in Tschechien erfolgte, nachdem ihm durch die Verfügung der Antragsgegnerin vom 21.02.2007 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis entzogen worden war.

Soweit der Antragsteller mit seiner Beschwerde geltend macht, das neu geschaffene Ausstellungsverbot in Art. 11 Abs. 4 UnterAbs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG sei nur bis zum Ablauf einer Sperrfrist anwendbar, übersieht er, dass im vorliegenden Fall nicht die Wirkung eines nach Ablauf einer gerichtlichen Sperrfrist in einem anderen Mitgliedsstaat erteilten Führerscheins zu beurteilen ist, sondern die Frage, ob ein während der Anhängigkeit eines Fahrerlaubnisentziehungsverfahrens in einem anderen Mitgliedsstaat der EU ausgestellter Führerschein anerkannt werden muss.

Wenngleich mit dem Antragsteller im Hinblick auf die Ausführungen des EuGH im Urteil vom 26.04.2012 (Hofmann, Rs-C419/10, Rn. 72) davon auszugehen ist, dass die in der Rechtsprechung des EuGH zur 2. Führerscheinrichtlinie entwickelte enge Auslegung der Nichtanerkennungsmöglichkeit gleichermaßen für das Ausstellungsverbot in der 3. Führerscheinrichtlinie gilt und die Auslegung von Art. 11 Abs. 4 UnterAbs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG, wonach die Bestimmung eine Verpflichtung für einen Mitgliedstaat begründet, einen Führerschein nicht anzuerkennen, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, deren Führerschein im erstgenannten Mitgliedstaat eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen worden ist, eine entsprechende Auslegung von Art. 11 Abs. 4 UnterAbs. 1 dieser Richtlinie gebietet, der hiernach eine Verpflichtung vorsieht, einer solchen Person keinen Führerschein auszustellen, verhilft ihm dies nicht zu einer Anerkennung seines tschechischen Führerscheins in der Bundesrepublik Deutschland. Die in Art. 11 Abs. 4 UnterAbs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG normierte Verpflichtung, einen Führerschein nicht anzuerkennen, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, deren Führerschein im erstgenannten Mitgliedstaat eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen worden ist, erfasst nicht nur die Fälle, in denen der Führerschein während der Dauer einer gerichtlichen Sperre erteilt worden ist, sondern auch die Fälle, in denen – wie hier – die Erteilung erfolgt ist, während ein Entziehungsverfahren noch andauert. Dem Antragsteller ist der tschechische Führerschein unter dem 02.02.2009 erteilt worden und damit zu einem Zeitpunkt, als die Entziehungsverfügung vom 21.02.2007 noch nicht unanfechtbar geworden war und deren Sofortvollzug noch andauerte. Erst mit der Rücknahme des Widerspruchs gegen die Entziehungsverfügung am 09.02.2009 ist diese unanfechtbar geworden.

Auf die unterschiedlichen Formulierungen in den verschiedenen Sprachfassungen von Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG, auf die der Antragsteller hinweist, kommt es deshalb nicht an. Zu Recht führt der Antragsteller allerdings aus, dass die deutsche Sprachfassung der Vorschrift so formuliert ist („einer Person …, deren Führerschein … eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen worden ist“), dass sie den Fall, dass die dort genannten Maßnahmen ihre Wirkungen erschöpft haben, nicht ausschließt, und damit von einer großen Zahl anderer Sprachfassungen dieser Bestimmung, etwa in der französischen („à une personne dont le permis de conduire faitl’objet, sur son territoire, d’une restriction, d’une suspension ou d’un retrait“) oder der englischen („a person whose driving licence isrestricted, suspended or withdrawn in the former State’s territory“), abweicht, in denen der Gedanke zum Ausdruck kommt, dass die genannten Maßnahmen zum Zeitpunkt der Erteilung einer Fahrerlaubnis an eine Person, auf deren Führerschein im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eine dieser Maßnahmen angewandt worden ist, noch andauern müssen, damit dieser Mitgliedstaat zur Versagung ihrer Anerkennung verpflichtet ist. Der EuGH führt hierzu in seinem Urteil vom 26.04.2012 (Rs-C 419/10) aus, die Verwendung des Präteritums in der deutschen Fassung von Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie 91/439 („einer Person …, auf die … eine der in Absatz 2 genannten Maßnahmen angewendet wurde“) hindere den Gerichtshof nicht an der Erwägung, dass sich ein Mitgliedstaat nicht auf diese Bestimmung berufen kann, um einer Person, auf die in seinem Hoheitsgebiet eine Maßnahme des Führerscheinentzugs angewandt wurde, auf unbestimmte Zeit die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins zu versagen, der ihr möglicherweise später von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wird (Rn. 69). Dabei sei die zu der Richtlinie 91/439/EWG entwickelte Rechtsprechung, wonach ein Aufnahmemitgliedstaat, der die Erteilung einer Fahrerlaubnis – insbesondere nach Entzug einer früheren Fahrerlaubnis – von strengeren nationalen Voraussetzungen abhängig mache, die Anerkennung eines zu einem späteren Zeitpunkt von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins nicht allein mit der Begründung ablehnen könne, dass der Inhaber diesen neuen Führerschein gemäß einer nationalen Regelung erlangt habe, die nicht dieselben Anforderungen aufstelle, wie sie der Aufnahmemitgliedstaat vorsehe, auch auf die Auslegung für die Richtlinie 2006/126/EG zu übertragen.

Im Fall des Antragstellers helfen die vorgenannten Erwägungen indes nicht weiter, weil der tschechische Führerschein dem Antragsteller bereits am 02.02.2009 und damit zu einem Zeitpunkt ausgestellt worden ist, als die aus Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG folgende Verpflichtung, keinen Führerschein auszustellen noch galt. Damit hat die Antragsgegnerin zu Recht die Feststellung getroffen, dass der Antragsteller nicht berechtigt ist, seine tschechische Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland zu nutzen. Auf die Frage, ob der Antragsteller im Zeitpunkt der Ausstellung des tschechischen Führerscheins das in Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/126/EG vorgesehene Erfordernis eines ordentlichen Wohnsitzes erfüllte und unter welchen Voraussetzungen der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung eines Führerscheins durchbrochen und die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedsstaat ausgestellten Führerscheins wegen Fehlens dieses Erfordernisses verweigert werden kann (vgl. dazu EuGH, Urt. v. 01.03.2012 – Rs-C467/10), kommt es daher nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

 

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