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Neuerteilung Fahrerlaubnis – Anordnung medizinisch-psychologisches Gutachten

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 ZB 19.448 – Beschluss vom 11.03.2019

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrags auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis der Klassen A, B, BE, AM und L.

Nach einer fahrlässigen Trunkenheitsfahrt am 9. September 2017 (BAK um 13:22 Uhr: 1,23 ‰) verurteilte das Amtsgericht Bayreuth den Kläger mit Strafbefehl vom 23. Oktober 2017 zu einer Geldstrafe, entzog ihm die Fahrerlaubnis und ordnete eine achtmonatige Sperrfrist für deren Wiedererteilung an. Nach einer Zeugenaussage im Strafverfahren hatte der Kläger während seiner Arbeit als Spüler in einer Kantine am Vormittag Alkohol getrunken, weshalb ihm der Küchenleiter angeboten hatte, ihn nach Hause zu fahren. Der Kläger fuhr jedoch aus Verärgerung selbst mit seinem Pkw zu seinem etwa 10 km entfernten Wohnort.

Am 15. Januar 2018 beantragte der Kläger die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis. Mit Schreiben vom 5. Februar 2018 forderte das Landratsamt Bayreuth (im Folgenden: Landratsamt) ihn zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf, da der Alkoholkonsum am Vormittag des 9. September 2017 während der Arbeit, der hohe BAK-Wert, die Länge der offenbar ohne Probleme zurückgelegten Fahrtstrecke und das Fehlen von Ausfallerscheinungen für eine überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung sprächen. Nachdem der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten mitteilen ließ, dass er das Gutachten nicht beibringen werde, lehnte das Landratsamt den Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 11. Juni 2018 ab.

Die daraufhin erhobene Klage mit dem Antrag, den Beklagten zur Erteilung der Fahrerlaubnis zu verpflichten, hat das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 29. Januar 2019 abgewiesen. Das Landratsamt habe den Antrag auf Erteilung der Fahrerlaubnis zu Recht abgelehnt, weil der Kläger das geforderte Gutachten nicht beigebracht habe. Auch bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von unter 1,6 ‰ könne ein medizinisch psychologisches Gutachten verlangt werden, wenn zusätzliche Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch rechtfertigen würden. Davon sei hier auszugehen. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass er bis zum Vorfall am 9. September 2017 des Öfteren während der Arbeit zur Stressbewältigung Bier getrunken und dass er an diesem Tag bereits vor Fahrtantritt zu Hause ein Bier getrunken habe. Das lasse nach Auffassung des Gerichts darauf schließen, dass der Kläger jedenfalls bis zum 9. September 2017 in weit überdurchschnittlichem Maß an Alkohol gewöhnt gewesen sei. Den ärztlichen Feststellungen zufolge sei ihm die Alkoholisierung bei der Blutentnahme zwar deutlich anzumerken gewesen, er habe jedoch keine Ausfallerscheinungen aufgewiesen. Die vom Kläger behauptete Alkoholabstinenz seit dem 9. September 2017 sei für die Wiedererlangung der Fahreignung nicht ausreichend. Das erforderliche Trennungsvermögen zwischen Alkoholkonsum und Teilnahme am Straßenverkehr könne nur im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung festgestellt werden. Aus der Nichtvorlage des zu Recht verlangten Gutachtens habe das Landratsamt daher auf die Fahrungeeignetheit des Klägers schließen dürfen.

Zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil, dem der Beklagte entgegentritt, lässt der Kläger ausführen, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils und die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Das Landratsamt habe die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht verlangen dürfen. Es liege kein Verdacht auf längerfristigen missbräuchlichen Umgang des Klägers mit Alkohol vor. Bei den vom Landratsamt angeführten Gesichtspunkten handele es sich um bloße Unterstellungen und Vermutungen. Der Alkoholkonsum des Klägers sei geringer als vom Landratsamt angenommen. Bei dem Vorfall am 9. September 2017 handele es sich um einen Ausnahmefall. Es sei dem Kläger bereits am Vorabend nicht gut gegangen. Gleichwohl sei er in die Arbeit gegangen und habe ausnahmsweise bereits vorher ein Bier getrunken. In der Arbeit habe er dann Probleme gehabt und sich geärgert, weshalb er fünf bis sechs Bier getrunken habe. Seit diesem Zeitpunkt trinke er keinen Alkohol mehr und habe sein gesamtes Leben umgestellt, was ihm nicht schwer gefallen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Aus der Antragsbegründung ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

a) Für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder nach vorangegangenem Verzicht gelten die Vorschriften für die Ersterteilung (§ 20 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13.12.2010 [Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980], zuletzt geändert durch Verordnung vom 3.5.2018 [BGBl I S. 566]). Die Fahrerlaubnisbehörde hat zu ermitteln, ob Bedenken gegen die Eignung des Bewerbers zum Führen von Kraftfahrzeugen bestehen (§ 22 Abs. 2 Satz 1 FeV). Werden Tatsachen bekannt, die solche Bedenken begründen, verfährt die Fahrerlaubnisbehörde nach den §§ 11 bis 14 FeV (§ 22 Abs. 2 Satz 5 FeV).

Ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist unter anderem, wer – ohne alkoholabhängig zu sein – Alkohol missbräuchlich konsumiert, d.h. das Führen von Fahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann (Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV). Bei einem solchen Alkoholmissbrauch kann von einer Eignung erst dann wieder ausgegangen werden, wenn der Missbrauch beendet und die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist (Nr. 8.2 der Anlage 4 zur FeV). Liegen Anzeichen für Alkoholmissbrauch vor oder begründen sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch, ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist (§ 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a 2. Alt. FeV). Diese Anordnung ist zum Schutz der Verkehrssicherheit zwingend vorgegeben, ohne dass der Fahrerlaubnisbehörde insoweit ein Ermessen zukäme. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, so darf sie bei ihrer Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, sofern die Untersuchungsanordnung rechtmäßig und kein ausreichender Grund für die Weigerung vorliegt.

Zwar ist beim Vollzug der Auffangvorschrift des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a 2. Alt. FeV zu berücksichtigen, dass nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bei erstmaligem Alkoholmissbrauch im Straßenverkehr eine Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr oder eine Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr voraussetzt. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung darf die Fahrerlaubnisbehörde deshalb die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach deren Entziehung im Strafverfahren aufgrund einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,6 ‰ (anders als im Wiederholungsfall, vgl. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV) nicht allein wegen dieser Fahrerlaubnisentziehung von der Beibringung eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens abhängig machen. Anders liegt es jedoch dann, wenn zusätzliche Tatsachen die Annahme künftigen Alkoholmissbrauchs begründen (BVerwG, U.v. 6.4.2017 – 3 C 13.16 – BVerwGE 158, 335 Rn. 14; U.v. 6.4.2017 – 3 C 24.15 – DAR 2017, 533 Rn. 16; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage 2019, § 13 FeV Rn. 20). Als eine solche Zusatztatsache kommt etwa das Fehlen alkoholbedingter Ausfallerscheinungen trotz eines hohen BAK-Werts in Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 6.4.2017 – 3 C 24.15 – a.a.O. Rn. 28; BayVGH, B.v. 8.10.2018 – 11 CE 18.1531 – juris Rn. 22; OVG NW, B.v. 12.7.2011 – 16 A 89/11 – DAR 2011.602 = juris Rn. 5; B.v. 4.2.2004 – 19 A 94/03 – juris Rn. 12 f.).

b) Gemessen daran ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte und das Verwaltungsgericht hier hinreichende Zusatztatsachen für die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Abklärung eines etwaigen Alkoholmissbrauchs gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a 2. Alt. FeV trotz der erstmaligen Trunkenheitsfahrt des Klägers mit einer Blutalkoholkonzentration unterhalb von 1,6 ‰ angenommen haben.

Der Kläger hat zumindest einmal am 9. September 2017 gegen das Trennungsgebot verstoßen. Er hat eingeräumt, an diesem Tag bereits vor Arbeitsbeginn, also am frühen Morgen, ein Bier und dann während der Arbeit aus Verärgerung bzw. stressbedingt fünf bis sechs weitere Biere getrunken zu haben. Dieses Trinkverhalten und der Umstand, dass der Kläger trotz des Angebots des Küchenleiters, ihn nach Hause zu fahren, sich selbst hinters Steuer gesetzt hat, lassen zum einen auf problematische Trinkgewohnheiten und zum anderen auf erhebliche Einstellungsmängel schließen, die Anlass zur gutachterlichen Abklärung geben, ob auch künftig die Gefahr des Alkoholmissbrauchs besteht. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger angegeben, bei Stress in der Arbeit schon öfters Bier getrunken zu haben. Dem ärztlichen Bericht über die Untersuchung des Klägers am 9. September 2017 anlässlich der Blutentnahme ist zu entnehmen, dass der äußerliche Anschein des Einflusses von Alkohol zwar deutlich bemerkbar gewesen sei. Gang und Finger-Nasen-Prüfung wurden aber als sicher, die Sprache als deutlich, die Pupillen als unauffällig, das Bewusstsein als klar, der Denkablauf als geordnet, das Verhalten als beherrscht und die Stimmung als unauffällig eingestuft. Diese ärztlichen Feststellungen und Bewertungen trotz einer BAK von 1,23 ‰ deuten ebenso wie der Alkoholkonsum am Vormittag während der Arbeit und die Fähigkeit, gleichwohl eine längere Fahrtstrecke offenbar ohne Auffälligkeit zurückzulegen, auf eine hohe Alkoholgewöhnung hin. Für einen Ausnahmefall, auf den sich der Kläger zur Antragsbegründung beruft, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Vielmehr lassen seine Äußerungen in der mündlichen Verhandlung auf verfestigte Trinkgewohnheiten schließen. Damit liegen ausreichende Zusatztatsachen vor, die auch bei einer erstmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer BAK unterhalb von 1,6 ‰ die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a 2. Alt. FeV rechtfertigen.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Abgesehen davon, dass die Antragsbegründung insoweit nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügt, weil sie keine fallübergreifende klärungsbedürftige Rechtsfrage formuliert (zu diesem Erfordernis vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 124a Rn. 72), ist – wie bereits ausgeführt – höchstrichterlich geklärt, dass die Fahrerlaubnisbehörden berechtigt sind, gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a FeV auch bei einer erstmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von weniger als 1,6 ‰ die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn zusätzliche Tatsachen die Annahme künftigen Alkoholmissbrauchs begründen (BVerwG, U.v. 6.4.2017 a.a.O.). Die Frage, unter welchen Voraussetzungen solche zusätzlichen Tatsachen angenommen werden können, lässt sich nur unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls beantworten und ist daher einer fallübergreifenden Klärung nicht zugänglich.

3. Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und der Empfehlung in Nr. 46.1 und Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, Anhang zu § 164 Rn. 14).

5. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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