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Nachweis des Vorsatzes bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung

Das KG Berlin hat in seinem Urteil Az. 3 Ws (B) 221/20 – 122 Ss 93/20 vom 16.10.2020 über den Nachweis des Vorsatzes bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung entschieden. Dabei wurde die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten verworfen. Zudem wurde festgelegt, dass der Betroffene die Kosten des Rechtsmittels tragen muss.

Weiter zum vorliegenden Urteil 3 Ws (B) 221/20 – 122 Ss 93/20 >>>

Unzulässige Aufklärungsrüge und abgelehnter Beweisantrag

Im Verfahren wurden verschiedene Rügen des Betroffenen behandelt. Die Aufklärungsrüge des Betroffenen wurde als unzulässig angesehen, da er keine konkreten Tatsachen vorbrachte, die eine Beweiserhebung erforderlich gemacht hätten. Auch der Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens wurde abgelehnt. Die Generalstaatsanwaltschaft stellte dabei überzeugend dar, dass das Vorhandensein eines zweiten Fahrzeugs auf dem Messende-Bild keinen hinreichenden Anhaltspunkt für einen Verstoß gegen die Gebrauchsanweisung oder einen Messfehler darstellt.

Kein sachlich-rechtlicher Fehler hinsichtlich des Abstands und der Beweiswürdigung

Das Urteil enthielt keine Angaben zum Abstand zwischen dem Verkehrszeichen und dem Messgerät. Dies wurde jedoch nicht als sachlich-rechtlicher Fehler betrachtet, da der Betroffene diesbezüglich keine Einwände vorgebracht hatte. Das Amtsgericht durfte seine Beweiswürdigung auf das Messbild nebst Textinformationen stützen, was ebenfalls als nicht fehlerhaft angesehen wurde.

Annahme vorsätzlicher Tatbegehung bei Geschwindigkeitsüberschreitung

Der Betroffene argumentierte, dass die getroffenen Feststellungen keine vorsätzliche Tatbegehung rechtfertigen würden. Das Gericht wies jedoch darauf hin, dass grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass Verkehrsteilnehmer geschwindigkeitsbegrenzende Verkehrszeichen wahrnehmen, es sei denn, es gibt Anhaltspunkte oder Einwände seitens des Betroffenen. Im vorliegenden Fall gab es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene das Verkehrszeichen übersehen hatte.

Bestätigung des Urteils und Kostenübernahme durch den Betroffenen

Das Gericht bestätigte das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten und wies die Rechtsbeschwerde des Betroffenen zurück. Es wurden keine ausreichenden Gründe vorgebracht, die eine Abweichung von den getroffenen Feststellungen rechtfertigen würden. Somit bleibt die Geschwindigkeitsüberschreitung als vorsätzlich bewertet, und der Betroffene ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.


Das vorliegende Urteil

KG Berlin – Az.: 3 Ws (B) 221/20 – 122 Ss 93/20 – Beschluss vom 16.10.2020

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 27. Juli 2020 wird nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Gründe

Ergänzend merkt der Senat an:

1. Die vom Betroffenen erhobene Aufklärungsrüge, das Amtsgericht habe die Entfernung zwischen dem Aufstellungsort des geschwindigkeitsbegrenzenden Zeichens 274 und dem Messgerät nicht ermittelt, ist bereits unzulässig. Denn dazu hätte es der Mitteilung der Tatsachen bedurft, auf Grund derer sich das Amtsgericht zur vermissten Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen und welches Beweisergebnis davon zu erwarten gewesen wäre (std. Rechtspr., vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 21. November 2019 – 3 Ws (B) 343/19 -, 22. Mai 2019 – 3 Ws (B) 119/19 – und 5. Februar 2019 – 3 Ws (B) 3/19 -). Dazu hat der Betroffene jedoch nichts vorgetragen.

2. Die Rüge, das Amtsgericht habe seinen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Unrecht abgelehnt, ist jedenfalls unbegründet, weil sich dem Amtsgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht aufdrängen musste. Zutreffend hat dazu die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 24. September 2020 vorgetragen, dass allein der Umstand, dass auf dem Messende-Bild ein zweites Fahrzeug im Messfeldrahmen sichtbar ist, noch keinen konkreten Anhaltspunkt für einen Verstoß gegen die Gebrauchsanweisung oder einen Messfehler darstellt. Das hätte nur dann der Fall sein können, wenn ein weiteres Fahrzeug im Messfeldrahmen bereits auf dem Messstart-Bild zu erkennen gewesen wäre, was ersichtlich nicht der Fall ist. Ein anderes als das Fahrzeug des Betroffenen konnte bei Messbeginn nicht angemessen werden.

3. Dass dem Urteil keine Angaben zum Abstand zwischen dem die Geschwindigkeit begrenzenden Verkehrszeichen und dem Messgerät zu entnehmen sind, stellt aus den von der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme genannten Gründen keinen sachlichrechtlichen Fehler dar. Dass der Abstand zu gering gewesen sei, trägt im Übrigen auch der Betroffene nicht vor.

4. Ebenso wenig stellt es keinen sachlichrechtlichen Fehler dar, dass das Amtsgericht bei seiner Beweiswürdigung auf das Messbild nebst dessen Textinformationen abgestellt hat. Soweit der Betroffene mit seinem Vortrag gemeint haben könnte, das Amtsgericht habe seine Beweiswürdigung auf ein nicht in die Hauptverhandlung eingeführtes Beweismittel gestützt, wäre seine darin liegende Verfahrensrüge in Gestalt der Inbegriffsrüge (§ 261 StPO) nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig. Denn zur ordnungsgemäßen Erhebung dieser Verfahrensrüge ist der Inhalt des verwerteten Beweismittels wiederzugeben und darzutun, dass der Inhalt des verwerteten Beweismittels weder ausweislich des Sitzungsprotokolls noch in sonstiger Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist (vgl. BGH wistra 1990, 197; Senat, Beschluss vom 24. Januar 2019 – 3 Ws (B) 317/18 -), insbesondere nicht durch einen Vorhalt (vgl. BVerfG NJW 2005, 1999; Senat a.a.O.; OLG Köln NStZ-RR 1997, 367). Dazu hat der Betroffene nichts vorgetragen.

Zudem wäre die Verfahrensrüge aus den von der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme dargelegten Gründen auch unbegründet.

5. Ebenso wenig dringt der Betroffene mit seiner Auffassung durch, die getroffenen Feststellungen rechtfertigten nicht die Annahme vorsätzlicher Tatbegehung. Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung handelt vorsätzlich, wer sie kannte und bewusst dagegen verstoßen hat (vgl. Senat, Beschluss vom 25. März 2015 – 3 Ws (B) 19/15 -; OLG Bamberg, Beschluss vom 26. April 2013 – 2 Ss OWi 349/13 – juris). Ausdrücklicher Feststellungen dazu, dass der Rechtsbeschwerdeführer das die zulässige Höchstgeschwindigkeit begrenzende Zeichen 274 bemerkt hat, bedurfte es nicht. Denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Verkehrsteilnehmer geschwindigkeitsbegrenzende Vorschriftszeichen, die ordnungsgemäß aufgestellt worden sind, auch wahrnehmen (vgl. BGHSt 43, 241; Senat, Beschluss vom 19. November 2018 – 3 Ws (B) 258/18 – m.w.N.). Von dem Regelfall, dass der Betroffene die Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung wahrgenommen hat, dürfen die Bußgeldstellen und Gerichte grundsätzlich ausgehen. Die Möglichkeit, dass der Beschuldigte Verkehrsteilnehmer das die Beschränkung anordnende Vorschriftszeichen übersehen hat, brauchen sie nur dann in Rechnung zu stellen, wenn sich hierfür Anhaltspunkte ergeben oder der Betroffene dies im Verfahren einwendet (BGH a.a.O.; Senat a.a.O. und Beschluss vom 13. Dezember 2017 – 3 Ws (B) 325/17 -). Dazu teilen die Urteilsgründe aber nichts mit.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass jedenfalls bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 40% von Vorsatz auszugehen ist, sofern nicht besondere Umstände eine abweichende Wertung veranlassen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 9. Juli 2018 – 3 Ws (B) 154/128 -; VRS 100, 471; NStZ 2019, 530 m.w.N.). Solche besonderen Umstände sind weder den Urteilsgründen zu entnehmen noch hat der Betroffene entsprechendes vorgetragen.

6. Zwar ist im Ansatz zutreffend, dass das Tatgericht grundsätzlich zu prüfen hat, ob bei einem gemäß Richtlinie zur Geschwindigkeitsüberwachung – hier der Geschäftsanweisung des Polizeipräsidenten in Berlin Nr. 6/2010 über die Durchführung mobiler Geschwindigkeitskontrollen – zu geringem Abstand zwischen geschwindigkeitsregelndem Verkehrszeichen und Beginn des Messbereichs die Einrichtung der Messstelle gleichwohl sachlich gerechtfertigt und ermessensfehlerfrei ausgewählt wurde (vgl. Senat, Beschluss vom 5. Juni 2020 – 3 Ws (B) 138/20 -). Auch hat das Tatgericht im Falle eines Verstoßes gegen die – grundsätzlich keine Außenwirkung entfaltende – Richtlinie im Einzelfall zu prüfen, ob der Richtlinienverstoß den Schuldgehalt der Tat geringer erscheinen lässt und deshalb eine mildere Rechtsfolge rechtfertigen kann (vgl. Senat a.a.O.).

Da den Urteilsgründen aber keinerlei Anhaltspunkte für eine Unterschreitung des Messabstands zu entnehmen sind, bestand für das Amtsgericht keine Veranlassung für die dargelegte (besondere) Ermessensprüfung.

Der Schriftsatz des Verteidigers vom 14. Oktober 2020 lag dem Senat vor, rechtfertigt aber keine abweichende Entscheidung.

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