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MPU Auferlegung bei Trunkenheitsfahrt ab 1,3 Promille BAK?

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 ZB 18.2079 – Beschluss vom 26.11.2018

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.

III. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 11. Juli 2018 wird der Streitwert für beide Instanzen auf je 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid vom 9. Juni 2017, mit dem ihm die Beklagte die Erteilung einer Fahrerlaubnis versagte.

Am 7. November 2016 beantragte der Kläger die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen B, BE und A1 (79.03 und 79.04). Gemäß der Auskunft aus dem Fahreignungsregister vom 7. November 2016 hat das Amtsgericht München gegen ihn am 4. Dezember 2013, rechtskräftig seit 27. Dezember 2013, wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr eine Geldstrafe verhängt und eine Fahrerlaubnissperre bis 3. Juli 2014 angeordnet. Mit Strafbefehl vom 5. September 2016 ahndete das Amtsgericht München ihn wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Dem lag zu Grunde, dass der Kläger am 14. Dezember 2015 unter Alkoholeinfluss (Atemalkoholkonzentration von 0,27 mg/l) und ohne gültige Fahrerlaubnis mit einem Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hatte.

Mit Schreiben vom 18. November 2016 forderte die Beklagte den Kläger auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen. Es sei zu klären, ob zu erwarten ist, dass er zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird, so dass dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.

Das Gutachten der ias Aktiengesellschaft (im Folgenden: ias AG) vom 3. Februar 2017 kommt zu dem Ergebnis, es sei zu erwarten, dass der Kläger auch weiterhin ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Die erhobenen Befunde seien für die Befundwürdigung nur begrenzt verwertbar. Bei dem ersten Vorfall am 23. September 2013 habe der Kläger eine Blutalkoholkonzentration von 1,41 Promille aufgewiesen. Dies weise auf eine überdurchschnittlich hohe Alkoholverträglichkeit hin. Die vom Kläger angegebenen Trinkmengen von maximal zwei Halben Bier stünden damit nicht in Einklang. Aktuell berichte er, er habe die Trinkmenge auf „Nahe Null“ reduziert, zugleich habe er mitgeteilt, er trinke jeden zweiten Tag ein Bier. Dieser Widerspruch zeige seine verzerrte Wahrnehmung des eigenen Konsummusters.

Daraufhin lehnte die Beklagte die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 9. Juni 2017 ab. Der Kläger sei nicht geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Das ergebe sich aus dem nachvollziehbaren und schlüssigen Gutachten der ias AG.

Die Klage gegen den Bescheid vom 9. Juni 2017 hat das Verwaltungsgericht München am 11. Juli 2018 abgewiesen. Die Klage sei als Anfechtungsklage zulässig. Der Bescheid sei rechtmäßig, denn das vom Kläger vorgelegte Gutachten sei schlüssig und nachvollziehbar. Selbst wenn man die Klage dahingehend auslegen würde, dass zugleich die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis begehrt werde, könne sie keinen Erfolg haben, denn der Kläger habe seine Fahreignung nicht nachgewiesen.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem die Beklagte entgegentritt. Der Kläger macht geltend, der Urteilstatbestand weise Fehler auf, die zeigten, dass das Gericht den Sachverhalt unrichtig erfasst habe. Die Beklagte stütze die fehlende Eignung allein auf das Gutachten, das aber erhebliche Fehler aufweise und darüber hinaus spekulativ und unwissenschaftlich sei. Das Gutachten gebe auch die Tatsachen nicht richtig wieder. Es sei dem Kläger nicht die Niere ausgetauscht worden, sondern er habe im März 2017 ein künstliches Hüftgelenk erhalten. Des Weiteren gehe das Gutachten von einem konkreten Gefährdungsdelikt nach § 315c StGB aus, der Kläger sei wegen des Vorfalls im Jahr 2013 aber nur nach § 316 StGB verurteilt worden. Der damalige Unfall habe sich nicht aufgrund eines Fahrfehlers des Klägers ereignet, sondern weil der andere Fahrzeugführer in das Fahrzeug des Klägers hineingefahren sei. Die Schlussfolgerung im Gutachten, wer 1,4 Promille erreiche und damit noch ein Fahrzeug in Bewegung setzen könne, müsse schon früher größere Trinkmengen konsumiert haben und an Alkohol gewöhnt sein, sei unrichtig. Die Fahrleistung hänge stark von den individuellen Fähigkeiten der einzelnen Personen ab. Der Kläger habe bei den Leistungstests sehr gut abgeschnitten. Das Gutachten bewerte die negativen Tatsachen zu stark und sei daher nicht objektiv. Die Gutachterin hätte den Kläger auch auf die Widersprüchlichkeiten in seinen Angaben hinweisen müssen, denn das Hauptproblem der gutachterlichen Befragung sei, dass der Betreffende vor dem Gutachter gut dastehen wolle und deshalb beschönige, der Gutachter aber sofort unrichtige Angaben vermute. Auch die Trinkmotive habe die Gutachterin falsch eingeordnet. Der Kläger habe durchaus nachvollziehbare Angaben zu seinen Motiven und Gewohnheiten gemacht. Soweit das Verwaltungsgericht andeute, die Fahreignung könne auch wegen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis ausgeschlossen sein, verkenne es, dass es sich dabei um einen rein formellen Verstoß handele, der keinerlei Bezug zum Fahrverhalten aufweise. Die Aufhebung der behördlichen Entscheidung führe zwar nicht zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis, sie gebe dem Kläger aber die Möglichkeit, im alten Verfahren ein faires medizinisch-psychologisches Gutachten zu erhalten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), da er weder einen tragenden Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat (vgl. BVerfG, B.v. 21.12.2009 – 1 BvR 812/09 – NJW 2010, 1062/1063; B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106/118).

1. Der Senat legt das Begehren des Klägers als Klage auf Neuverbescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Fahrerlaubnis aus. Nach § 88 VwGO ist das Gericht an die Fassung der Anträge nicht gebunden, darf aber über das Klagebegehren nicht hinausgehen. Dabei ist es zulässig und geboten, das im Klageantrag und im gesamten Parteivorbringen zum Ausdruck kommende Rechtsschutzziel zu ermitteln und seiner Entscheidung zugrunde zu legen (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 88 Rn. 3). Der erstinstanzlich anwaltlich nicht vertretene Kläger hat mit seiner Klageschrift vom 12. Juli 2017 keinen ausdrücklichen Antrag gestellt, sondern sich gegen die Versagung der Neuerteilung der Fahrerlaubnis gewandt und im letzten Absatz der Klageschrift ausgeführt, er sehe keinen Grund, der gegen eine Neuerteilung spreche. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass er grundsätzlich die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis anstrebt und nicht nur die Aufhebung des Versagungsbescheids. Mit der Begründung des Zulassungsantrags hat der Kläger dann anwaltlich vertreten vorgetragen, er verfolge das Ziel, im Verfahren ein ordnungsgemäßes medizinisch-psychologisches Gutachten zu erhalten, um die Fahrerlaubnis wieder erteilt zu bekommen. Die Auslegung seiner Klageschrift, die keinen konkreten Antrag enthält, ergibt daher unter Berücksichtigung seiner Interessenlage, dass er das Gutachten nachbessern lassen oder ein neues Gutachten einholen möchte und dann eine Neuverbescheidung begehrt. Eine solche Bescheidungsklage ist auch bei einem rechtlich gebundenen Verwaltungsakt, um den es sich bei einer Fahrerlaubnis handelt, grundsätzlich zulässig, denn der Kläger kann im Rahmen seiner Dispositionsbefugnis die Klage von vorneherein beschränken (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn. 194; Stuhlfauth in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 7. Aufl. 2018, § 113 Rn. 109). Dies erscheint hier aus der Perspektive des Klägers auch sinnvoll, denn er hält das eingeholte Gutachten für fehlerhaft und möchte erreichen, dass er dieses noch im laufenden Verfahren nachbessern lassen kann. Es kann daher offen bleiben, ob eine isolierte Anfechtung des Versagungsbescheids überhaupt statthaft wäre und ein Rechtsschutzbedürfnis dafür bestehen würde, da der Kläger weiterhin an der Erteilung einer Fahrerlaubnis interessiert ist (vgl. zur isolierten Anfechtungsklage Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 30; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Mai 2018, § 113 Rn. 198 f.; v. Albedyll in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, § 42 Rn. 33).

2. Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf Neuverbescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Fahrerlaubnis, denn die Beklagte hat den Antrag zu Recht abgelehnt. Ein Anspruch auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis besteht nach § 2 Abs. 2 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. August 2017 (BGBl I S. 3202), wenn die dort geforderten Voraussetzungen erfüllt sind. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG muss der Bewerber insbesondere zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sein. Nach § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG ist geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetzte verstoßen hat. Dabei ist es nach § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 StVG Sache des Fahrerlaubnisbewerbers, der Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 6 StVG nachzuweisen.

Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung begründen, so kann die Fahrerlaubnisbehörde nach § 2 Abs. 8 StVG anordnen, dass der Antragsteller ein Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung beibringt. Die Beklagte hat hier wegen der beiden Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss zu Recht nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b der Fahrerlaubnisverordnung vom 13. Dezember 2010 (FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 3. Mai 2018 (BGBl I S. 566), die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet. Das vom Kläger eingeholte und vorgelegte Gutachten der ias AG vom 3. Februar 2017 kommt schlüssig und nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht fahrgeeignet ist.

Die vom Kläger gegen das Gutachten vorgebrachten Bedenken greifen nicht durch und rechtfertigen es nicht, die Beklagte zur Neuverbescheidung zu verpflichten und ihm die Möglichkeit zu geben, das Gutachten nachbessern zu lassen oder ein weiteres Gutachten einzuholen. Zwar weist das Gutachten geringfügige Unstimmigkeiten auf, denn der Kläger meinte wohl die linke Hüfte und nicht die Niere, die er austauschen lassen müsse und das Gutachten bezeichnet die Tat vom 23. September 2013 unzutreffend als Gefährdung des Straßenverkehrs infolge Alkohols, obwohl der Kläger wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden ist. Auf diesen Unstimmigkeiten beruht das Ergebnis des Gutachtens jedoch nicht, denn für die gutachterliche Bewertung war nicht der verwirklichte Straftatbestand ausschlaggebend, sondern der Umstand, dass die vom Kläger genannten Trinkmengen nicht erklären können, dass er sich bei einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,41 Promille absolut fahrtüchtig gefühlt hat.

Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, dass das Gutachten sich ausführlich mit der hohen BAK von 1,41 Promille bei der ersten Zuwiderhandlung beschäftigt hat. Es ist gerade Aufgabe des Gutachtens, die Umstände der Verkehrsverstöße aufzuklären, zugrunde liegendes Fehlverhalten zu ermitteln und zu eruieren, ob für die Zukunft eine stabile Verhaltensänderung angenommen werden kann. Dabei ist Gegenstand der Untersuchung nach Nr. 1 Buchst. f der Anlage 4a zu § 11 Abs. 5 FeV in den Fällen der §§ 13 und 14 FeV auch das voraussichtliche künftige Verhalten des Betroffenen, insbesondere ob zu erwarten ist, dass er nicht oder nicht mehr ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Alkohol oder Betäubungsmitteln oder Arzneimitteln führen wird. Dass dabei eine Prognose zum zukünftigen Verhalten des Probanden abgegeben werden muss, ist der Fragestellung immanent und führt nicht dazu, dass ein Gutachten als spekulativ und unwissenschaftlich anzusehen ist.

Im Übrigen ist das Gutachten insgesamt schlüssig und nachvollziehbar. Soweit der Kläger vorträgt, er habe bei der ersten Zuwiderhandlung ungefähr eine Flasche Wein und einen Schnaps getrunken und sich dann noch fahrtüchtig gefühlt, ist nicht zu beanstanden, dass die Gutachterin von einer Alkoholgewöhnung ausging, die mit den vom Kläger angegebenen üblichen Trinkmengen von zwei Halben Bier nicht zu vereinbaren ist. Bereits das Erreichen oder Überschreiten von Werten ab 1,3 Promille BAK lässt auf eine hohe, besondere Trinkfestigkeit schließen, die durch ein Trinkverhalten erworben sein muss, das erheblich von dem in der Gesellschaft verbreiteten Alkoholkonsum abweicht (vgl. Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, Kommentar, 2. Auflage 2005, Kapitel 3.11.1 S. 132 m.w.N.). Ein häufiger übermäßiger Alkoholkonsum führt zur Gewöhnung an die Giftwirkung und damit zur Unfähigkeit einer realistischen Einschätzung der eigenen Alkoholisierung und des hierdurch ausgelösten Verkehrsrisikos (vgl. Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung, Stand: 24.5.2018, Nr. 3.13.2, S. 81). Nach den biologischen Gesetzmäßigkeiten kann ein einmaliges Ereignis mit einer hohen BAK ohne Ausfallerscheinungen nicht ohne eine Gewöhnung erreicht werden (vgl. Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, a.a.O. S. 132 f.; Kapitel 5, Kriterium A 3.1 K der Beurteilungskriterien – Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie [DGVP], Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin [DGVM], 3. Auflage 2013, mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 27.1.2014 [VkBl 2014, 132] als aktueller Stand der Wissenschaft eingeführt, S. 145). Es weist auch nichts darauf hin, dass der Kläger abweichend von diesen Erkenntnissen eine außergewöhnliche Alkoholverträglichkeit ohne Gewöhnung aufweist. Die bloße Behauptung, über eine solche körperliche Disposition zu verfügen, da er überdurchschnittlich gute Ergebnisse bei den Leistungstestungen erreicht habe, führt nicht dazu, dass die Behörde Ermittlungen in diese Richtung anstellen müsste. Es wäre Sache des Klägers, Nachweise für einen solchen Ausnahmefall beizubringen.

Auch aus dem vom Kläger genannten Aufsatz von Maatz/Daldrup/Ritz-Timme/Mindiashvili/Hartung (DAR 2015, 3) ergibt sich nichts anderes. Soweit dort berichtet wird, dass manche Probanden auch bei sehr hohen BAK jenseits der 1,6 Promille noch Fahrleistungen mit dem Fahrrad zeigten, die mit der Fahrleistung anderer Probanden im Nüchternzustand vergleichbar waren, so ist nicht ausgeschlossen, dass diese Probanden sehr alkoholgewöhnt waren. Um das Ziel der Untersuchung zu erreichen, nämlich zu ermitteln, ob wegen der Verkehrsunfallentwicklung unter Beteiligung alkoholisierter Radfahrer ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, erscheint es notwendig, einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung auf ihre Fahreignung unter Alkoholeinfluss zu testen und nicht nur wenig alkoholgewöhnte Personen.

Die Gutachterin musste den Kläger auch nicht darauf hinweisen, dass sie seine Angaben als unstimmig angesehen hat. Aufgabe des Gutachtens ist es, die von der Fahrerlaubnisbehörde gestellten Fragen zu beantworten und die dafür notwendigen Befunde zu erheben. Dazu gehörte im vorliegenden Fall auch die Klärung der Frage, ob bei dem Kläger ein stabiler und motivational gefestigter Einstellungswandel vorliegt, wofür ein angemessenes Problembewusstsein erforderlich ist (vgl. Nr. 3.13.1 Buchst. b der Begutachtungs-Leitlinien). Es versteht sich dabei von selbst, dass der Proband dieses Problembewusstsein schon vor der Begutachtung entwickelt haben muss und nicht erst durch den Gutachter oder die Gutachterin darauf hingewiesen werden muss, dass ein solches Problembewusstsein notwendig ist. Die Auffassung des Klägers, es müsse berücksichtigt werden, dass er vor der Gutachterin gut dastehen wollte und deshalb seinen Alkoholkonsum beschönigt habe und die Gutachterin hätte ihn deshalb auf die Unstimmigkeiten hinweisen müssen, zeigt, dass er zum Zeitpunkt der Begutachtung noch kein angemessenes Problembewusstsein entwickelt hatte, denn sonst hätte er erkannt, dass eine Beschönigung des Alkoholkonsums nicht angebracht ist, sondern nur zu Widersprüchlichkeiten führt.

Dass das Verwaltungsgericht im Tatbestand des Urteils ausgeführt hat, das Gutachten gehe davon aus, die Angaben des Klägers zu seinen Konsummengen hinsichtlich der Tat vom 23. September 2013 mit zwei Halben Bier seien unrealistisch, führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils, denn die darauf gestützte rechtliche Bewertung beruht nicht auf diesem Irrtum. Die Gutachterin hat ausgeführt, der Kläger habe angegeben, vor der Tat vom 23. September 2013 ungefähr eine Flasche Wein und einen Schnaps getrunken zu haben. Weiter hat sie aber die Angaben des Klägers zu seinen Konsummengen deshalb als unrealistisch eingeschätzt, weil sich daraus nicht erklären lässt, dass er sich bei einer BAK von 1,41 Promille absolut fahrtüchtig gefühlt hat. Das Ergebnis des Gutachtens, dass der Kläger sich nicht hinreichend mit seinem Alkoholkonsum auseinandergesetzt hat, wäre aber in beiden Konstellationen nachvollziehbar und tragfähig. Im Übrigen hat der Kläger auch keinen Antrag auf Berichtigung des Tatbestands nach § 119 VwGO gestellt.

Ob das Fahren ohne Fahrerlaubnis am 14. Dezember 2015, bei dem es sich um eine Straftat und nicht um einen bloß formellen Verstoß handelt, auch Anlass für die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV sein kann, die im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde steht, braucht hier nicht entschieden zu werden, da die Beklagte die Gutachtensanordnung darauf nicht gestützt hat und dem Kläger ohnehin kein Anspruch auf Neuverbescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Fahrerlaubnis zusteht (vgl. für einen ähnlichen Fall BayVGH, B.v. 16.8.2018 – 11 CE 18.1268 – juris).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. der Empfehlung in Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, Anh. § 164 Rn. 14).

Die Befugnis des Verwaltungsgerichtshofs, die Streitwertfestsetzung der Vorinstanz von Amts wegen zu ändern, ergibt sich aus § 63 Abs. 3 GKG. Der Kläger hat mit seinem Antrag vom 7. November 2016 eine Fahrerlaubnis der Klassen B, BE und A1 (79.03, 79.04) beantragt. Die so eingeschränkte Fahrerlaubnisklasse A1 ist bei der Streitwertfestsetzung nicht gesondert zu berücksichtigen (vgl. BayVGH, B.v. 6.9.2016 – 11 CS 16.1646 – juris Rn. 18).

4. Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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