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Mehrere Fahrverbote bei Tatmehrheit – nur ein Fahrverbot zu verhängen

Fahrverbot bei mehreren Ordnungswidrigkeiten nur einmal verhängt

Bei gleichzeitiger Entscheidung über zwei Ordnungswidrigkeiten, die in Tatmehrheit stehen und für die jeweils ein Fahrverbot als Nebenfolge verhängt werden kann, ist nur ein einheitliches Fahrverbot zu verhängen, entschied der BGH in seinem Beschluss vom 16.12.2015 (Az.: 4 StR 227/15). Diese Entscheidung klärt die juristische Praxis hinsichtlich der Handhabung von Fahrverboten bei mehreren Verstößen und stellt eine wichtige Weichenstellung für die Auslegung von Sanktionen im Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht dar.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 StR 227/15 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Bei zwei in Tatmehrheit stehenden Ordnungswidrigkeiten, für die jeweils ein Fahrverbot möglich ist, darf nur ein einheitliches Fahrverbot verhängt werden.
  • Dieser Grundsatz wurde vom BGH am 16.12.2015 im Fall Az.: 4 StR 227/15 bestätigt.
  • Der BGH folgt damit der spezialpräventiven Funktion des Fahrverbots als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme, die eine Gesamtbetrachtung aller Taten erfordert.
  • Die Entscheidung des Amtsgerichts Bielefeld, für jede Tat ein separates Fahrverbot zu verhängen, wurde durch diese Rechtsprechung korrigiert.
  • Die Systematik des Gesetzgebers sieht keine Kumulation von Fahrverboten vor, sondern orientiert sich an der Effektivität eines einheitlichen Fahrverbots.
  • Eine getrennte Aburteilung, die zu mehreren Fahrverboten führen könnte, widerspricht dem Grundsatz der Gleichbehandlung im Recht.
  • Die Rechtslage wurde durch den BGH geklärt und sorgt für Rechtssicherheit hinsichtlich der Verhängung von Fahrverboten bei Tatmehrheit.
  • Diese Entscheidung trägt zur Vereinheitlichung der Rechtspraxis bei und vermeidet eine unverhältnismäßige Sanktionierung von Betroffenen.

Fahrverbot als Nebenfolge von Verkehrsverstößen

Eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen in Deutschland ist das Autofahren. Doch wer hinter dem Steuer sitzt, muss stets Regeln beachten. Verkehrsverstöße wie überhöhte Geschwindigkeit, Alkohol am Steuer oder Rotlichtmissachtung können je nach Schwere neben Bußgeldern auch ein Fahrverbot nach sich ziehen.

Das Fahrverbot dient dabei nicht nur der Ahndung begangener Verstöße, sondern soll vor allem durch eine befristete Einschränkung der Fahrerlaubnis eine Denkzettel- und Besinnungsfunktion erfüllen. Wie jedoch das Fahrverbot bei mehreren Verkehrsverstößen in einem Verfahren zu handhaben ist, wurde in der Vergangenheit unterschiedlich gehandhabt und diskutiert.

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➜ Der Fall im Detail


Mehrere Fahrverbote bei Tatmehrheit – Nur Ein Fahrverbot Verhängt

Im Fokus der rechtlichen Diskussion steht ein Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH), der sich mit der Frage beschäftigte, wie im Falle von Tatmehrheit, also der Begehung mehrerer Ordnungswidrigkeiten, die mit einem Fahrverbot geahndet werden können, verfahren werden soll.

Mehrere Fahrverbote bei Tatmehrheit
(Symbolfoto: n_defender /Shutterstock.com)

Konkret ging es darum, ob bei gleichzeitiger Entscheidung über zwei derartige Ordnungswidrigkeiten zwei separate Fahrverbote ausgesprochen werden können oder ob lediglich ein einheitliches Fahrverbot zu verhängen ist.

Der Fall: Zwei Geschwindigkeitsüberschreitungen, Ein Betroffener

Der Ausgangspunkt der juristischen Auseinandersetzung war die Verurteilung eines Autofahrers durch das Amtsgericht Bielefeld aufgrund zweier fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitungen auf der Bundesautobahn A2. Bei den beiden Vorfällen überschritt der Betroffene einmal die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um mindestens 60 km/h und ein anderes Mal um mindestens 50 km/h. Das Amtsgericht verhängte neben Geldbußen für beide Taten jeweils separate Fahrverbote von einem Monat. Der Betroffene legte gegen dieses Urteil Rechtsbeschwerde ein, woraufhin der Fall letztendlich dem BGH vorgelegt wurde.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der 4. Strafsenat des BGH entschied, dass bei der gleichzeitigen Ahndung von zwei Ordnungswidrigkeiten, die in Tatmehrheit stehen und jeweils mit einem Fahrverbot geahndet werden können, nur ein einheitliches Fahrverbot zu verhängen ist. Diese Entscheidung begründete der Senat unter anderem mit dem Zweck des Fahrverbots als spezialpräventive Maßnahme, die darauf abzielt, den Betroffenen zur Reflexion seines Verhaltens zu bewegen. Ein einheitliches Fahrverbot trägt diesem Ziel Rechnung, indem es die Gesamtheit des Fehlverhaltens berücksichtigt, ohne durch mehrfache, parallel zu vollziehende Fahrverbote eine übermäßige Sanktionierung herbeizuführen.

Begründung und Rechtsauffassungen

In der Urteilsbegründung stellte der BGH klar, dass die Frage, ob im Falle der gemeinsamen Verhandlung über mehrere, ein Fahrverbot rechtfertigende Ordnungswidrigkeiten, ein oder mehrere Fahrverbote zu verhängen sind, nicht direkt aus dem Gesetzeswortlaut abzuleiten ist. Jedoch spricht die Entstehungsgeschichte der relevanten Normen, die Gesetzessystematik sowie der spezialpräventive Charakter der Maßnahme für die Verhängung nur eines Fahrverbots. Der Senat widersprach damit der Auffassung mehrerer Oberlandesgerichte, die in der Vergangenheit für die Möglichkeit der Verhängung mehrerer Fahrverbote im selben Verfahren argumentiert hatten.

Konsequenzen und praktische Relevanz

Diese Entscheidung des BGH hat wesentliche Bedeutung für die Rechtspraxis, da sie eine einheitliche Linie in der Handhabung von Fällen mit mehreren Ordnungswidrigkeiten vorgibt. Sie trägt der spezialpräventiven Intention des Fahrverbots Rechnung und sorgt für eine gerechte und angemessene Sanktionierung. Durch die Vermeidung mehrfacher Fahrverbote in derselben Entscheidung wird zudem eine Überlastung der Betroffenen verhindert, ohne die abschreckende Wirkung der Maßnahme zu schmälern.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was bedeutet Tatmehrheit im Verkehrsrecht?

Tatmehrheit im Verkehrsrecht bedeutet, dass eine Person mehrere Verkehrsverstöße begeht, die rechtlich als unabhängige Taten betrachtet werden. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn jemand auf einer Fahrt mehrfach die Geschwindigkeit überschreitet oder verschiedene Verkehrsregeln verletzt, ohne dass ein direkter Zusammenhang zwischen den einzelnen Verstößen besteht.

Bei Tatmehrheit werden die einzelnen Verstöße jeweils gesondert geahndet. Das bedeutet, dass die Bußgelder und Punkte in Flensburg für jeden Verstoß addiert werden. Allerdings wird, wenn für mehrere Verstöße ein Fahrverbot vorgesehen ist, in der Regel nur ein Fahrverbot verhängt, und zwar das mit der längsten Dauer.

Die rechtliche Handhabung der Tatmehrheit ist in § 20 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) geregelt. Dort ist festgelegt, dass bei Vorliegen mehrerer Ordnungswidrigkeiten jede einzelne gesondert zu ahnden ist. Dieses Prinzip wird als Kumulationsprinzip bezeichnet und unterscheidet sich von der Tateinheit, bei der mehrere Verstöße als eine einzige Handlung betrachtet und nur einmal geahndet werden.

Die Unterscheidung zwischen Tateinheit und Tatmehrheit ist wichtig, da sie direkte Auswirkungen auf die Höhe der Strafen und die Anzahl der Punkte in Flensburg hat. Bei Tatmehrheit kann es zu einer höheren Gesamtstrafe kommen, da die Sanktionen für jeden Verstoß einzeln verhängt werden. Im Falle eines Fahrverbots wird jedoch die Verhängung mehrerer Fahrverbote vermieden, um eine übermäßige Bestrafung zu verhindern und die Verhältnismäßigkeit der Sanktionen zu wahren.

Wie wird ein Fahrverbot bei Tatmehrheit bestimmt?

Bei der Bestimmung eines Fahrverbots bei Tatmehrheit, also wenn eine Person mehrere Verkehrsverstöße begangen hat, die rechtlich als unabhängige Taten betrachtet werden, orientieren sich Gerichte an bestimmten Kriterien und rechtlichen Vorgaben. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat klargestellt, dass bei mehreren Ordnungswidrigkeiten, die in Tatmehrheit stehen und jeweils mit einem Fahrverbot geahndet werden können, grundsätzlich nur ein einheitliches Fahrverbot verhängt werden soll, wenn über die Verstöße gleichzeitig entschieden wird. Diese Entscheidung basiert auf der Auffassung, dass das Fahrverbot als „Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme“ wirken soll und es daher sinnvoll ist, alle Überschreitungen zusammen zu betrachten und nur ein Fahrverbot zu verhängen.

Die Gerichte berücksichtigen bei ihrer Entscheidung den Willen des Gesetzgebers und die Intention hinter dem Fahrverbot. Die Verhängung mehrerer Fahrverbote für in Tatmehrheit stehende Verstöße würde dem Zweck des Fahrverbots als Erziehungsmaßnahme widersprechen. Daher wird in der Regel nur das Fahrverbot mit der längsten Dauer verhängt, wenn für mehrere Verstöße ein Fahrverbot vorgesehen ist.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Entscheidung, ob ein einheitliches Fahrverbot verhängt wird, von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Die Gerichte prüfen, ob die Verstöße in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen und ob sie gemeinsam verhandelt werden. Die rechtliche Grundlage für diese Praxis bietet § 20 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG), der die Tatmehrheit regelt, allerdings ohne explizite Regelung zu den Nebenfolgen wie Fahrverboten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei Tatmehrheit im Verkehrsrecht in der Regel nur ein einheitliches Fahrverbot verhängt wird, um die erzieherische Funktion des Fahrverbots zu wahren. Die Gerichte orientieren sich dabei an der Rechtsprechung des BGH und berücksichtigen den Gesamtzusammenhang der begangenen Verstöße.

Kann für jeden Verstoß einzeln ein Fahrverbot verhängt werden?

Für jeden einzelnen Verkehrsverstoß kann grundsätzlich ein separates Fahrverbot verhängt werden, allerdings ist dies in der Praxis nicht immer der Fall, insbesondere wenn es um Verstöße geht, die in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen (Tatmehrheit). Nach § 20 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) wird jede Tat bei Tatmehrheit einzeln geahndet, was bedeutet, dass für jeden Verstoß grundsätzlich auch ein eigenes Fahrverbot verhängt werden könnte.

Die Rechtsprechung hat jedoch für die Praxis entwickelt, dass bei mehreren Verstößen, die in einem Verfahren zusammengefasst werden, in der Regel nur ein einheitliches Fahrverbot verhängt wird, um die erzieherische Wirkung des Fahrverbots zu erhalten und eine übermäßige Bestrafung zu vermeiden. Dies gilt insbesondere dann, wenn über die Verstöße gleichzeitig entschieden wird. Ein einheitliches Fahrverbot wird dann ausgesprochen, wenn es sich um eine Entscheidung in einem Verfahren handelt. Wird jedoch in gesonderten Verfahren über die einzelnen Verstöße entschieden, kann für jeden Verstoß ein separates Fahrverbot verhängt werden.

Es ist jedoch zu beachten, dass die Verhängung mehrerer Fahrverbote für verschiedene Verstöße, die in einem engen zeitlichen Rahmen begangen wurden, in der Rechtsprechung kritisch gesehen wird und nicht der Intention des Gesetzgebers entspricht, der das Fahrverbot als Erziehungsmaßnahme und nicht als reine Bestrafung versteht. Daher wird in der Regel versucht, eine Kumulation von Fahrverboten zu vermeiden.

Zusammenfassend kann für jeden Verstoß theoretisch ein eigenes Fahrverbot verhängt werden, aber in der Praxis wird dies durch die Rechtsprechung und die erzieherische Intention des Fahrverbots eingeschränkt. Bei Tatmehrheit wird meist nur ein einheitliches Fahrverbot ausgesprochen, es sei denn, die Verstöße werden in getrennten Verfahren behandelt.

Welche Rolle spielt die zeitliche Abfolge der Verstöße?

Die zeitliche Abfolge der Verstöße spielt eine wesentliche Rolle bei der gerichtlichen Entscheidung über die Verhängung von Fahrverboten, insbesondere im Kontext von Tatmehrheit. Wenn mehrere Verkehrsverstöße begangen werden, ist die Frage, ob diese in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehen, entscheidend dafür, ob die Verstöße als eine Einheit (Tateinheit) oder als separate Taten (Tatmehrheit) behandelt werden.

Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den Verstößen kann dazu führen, dass die Gerichte eher dazu neigen, nur ein einheitliches Fahrverbot zu verhängen, anstatt für jeden Verstoß separat. Dies liegt daran, dass die Verstöße in einem solchen Fall als Teil eines einzigen „Geschehens“ betrachtet werden können, bei dem die erzieherische Wirkung eines einzigen Fahrverbots als ausreichend angesehen wird.

Andererseits kann ein längerer zeitlicher Abstand zwischen den Verstößen dazu führen, dass die Gerichte jeden Verstoß als eigenständige Tat betrachten und somit für jeden Verstoß ein separates Fahrverbot verhängen könnten. Allerdings zeigt die Praxis, dass auch bei Tatmehrheit, also bei mehreren unabhängigen Verstößen, die Gerichte aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und der erzieherischen Intention des Fahrverbots dazu tendieren, nur ein Fahrverbot zu verhängen, sofern über die Verstöße gleichzeitig entschieden wird.

Die zeitliche Abfolge hat auch Einfluss auf die Entscheidung, ob von einem Fahrverbot abgesehen wird. Bei einem langen Zeitablauf zwischen den Verstößen oder zwischen dem Verstoß und der gerichtlichen Entscheidung kann unter Umständen von einem Fahrverbot abgesehen werden, da die erzieherische Wirkung eines Fahrverbots mit der Zeit nachlassen kann. Dies berücksichtigt, dass sich die Lebensumstände des Betroffenen oder sein Fahrverhalten in der Zwischenzeit geändert haben könnten.

Zusammenfassend spielt die zeitliche Abfolge der Verstöße eine wichtige Rolle bei der Beurteilung von Tatmehrheit und der Entscheidung über die Verhängung von Fahrverboten. Ein enger zeitlicher Zusammenhang kann zur Verhängung eines einheitlichen Fahrverbots führen, während ein längerer Zeitabstand die Wahrscheinlichkeit separater Fahrverbote oder das Absehen von einem Fahrverbot erhöhen kann.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 20 OWiG (Ordnungswidrigkeitengesetz) – Tatmehrheit
    • § 20 OWiG regelt die Zusammenfassung mehrerer Ordnungswidrigkeiten zu einer Gesamtgeldbuße. Im Kontext des Urteils ist er zentral, da er die rechtliche Grundlage bildet, um zu verstehen, wie bei der gleichzeitigen Ahndung mehrerer Verstöße vorgegangen wird. Jedoch spezifiziert dieser Paragraph nicht explizit den Umgang mit Fahrverboten, was den Kern des diskutierten Falls berührt.
  • § 25 StVG (Straßenverkehrsgesetz) – Fahrverbot
    • Dieser Paragraph ermöglicht die Anordnung eines Fahrverbots als Sanktion für Verkehrsordnungswidrigkeiten. Er ist direkt relevant für den Fall, da er die rechtliche Basis für das Verhängen von Fahrverboten darstellt. Die Auslegung und Anwendung dieses Gesetzes durch die Gerichte, insbesondere die Frage, ob für jede Tat ein eigenes Fahrverbot verhängt werden kann oder ob ein einheitliches Fahrverbot auszureichen hat, steht im Mittelpunkt der Auseinandersetzung.
  • § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 121 Abs. 2 Nr. 1 GVG – Vorlegung
    • Die Kombination dieser Vorschriften regelt die Vorlegung von Rechtsfragen an den Bundesgerichtshof (BGH) bei divergierenden Meinungen verschiedener Oberlandesgerichte oder wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist. Im vorliegenden Fall ermöglichte dies die Klärung der Frage, ob bei Tatmehrheit für jede Ordnungswidrigkeit ein separates Fahrverbot verhängt werden kann oder ob ein einheitliches Fahrverbot ausreicht.
  • Asperationsprinzip
    • Obwohl kein Gesetz direkt benannt wird, spielt das Asperationsprinzip eine wichtige Rolle im Kontext der Entscheidung. Es besagt, dass bei mehreren zusammenhängenden Taten die schwerste Einzelsanktion den Rahmen für die Gesamtstrafe bildet. Dieses Prinzip wird im Kontext der Entscheidung des BGH angewendet, um zu begründen, warum ein einheitliches Fahrverbot der Logik der Rechtsprechung entspricht.
  • Gleichbehandlungsgrundsatz
    • Der Grundsatz der Gleichbehandlung, der im Grundgesetz verankert ist, spielt eine implizite Rolle, da das Oberlandesgericht Hamm und der BGH mit der Frage konfrontiert waren, wie eine gleichmäßige und gerechte Sanktionierung unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit und der spezialpräventiven Wirkung von Fahrverboten sichergestellt werden kann.
  • § 44 StGB (Strafgesetzbuch) – Fahrverbot als strafrechtliche Nebenfolge
    • Auch wenn § 44 StGB primär im Strafrecht angesiedelt ist, dient er als Vergleich und Kontrast zur ordnungswidrigkeitenrechtlichen Praxis der Fahrverbote. Die Diskussion und der Vergleich mit dem strafrechtlichen Fahrverbot halfen zu verstehen, warum das ordnungswidrigkeitenrechtliche Fahrverbot in einer Art und Weise gehandhabt wird, die der Logik und den Zielen des Strafrechts ähnelt.


Das vorliegende Urteil

BGH – Az.: 4 StR 227/15 – Beschluss vom 16.12.2015

Leitsatz: Wird über zwei Ordnungswidrigkeiten, die in Tatmehrheit stehen und jeweils mit einem Fahrverbot als Nebenfolge geahndet werden können, gleichzeitig entschieden, so ist nur ein einheitliches Fahrverbot zu verhängen.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Betroffenen am 16. Dezember 2015 beschlossen:

Gründe:

1. Das Amtsgericht Bielefeld hat den Betroffenen am 24. November 2014 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu der Geldbuße von 160 Euro und wegen einer weiteren Tat der fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 240 Euro verurteilt. Daneben hat es gesondert für beide Taten jeweils ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene mit einem PKW die Bundesautobahn A 2 in einem Bereich, in dem die zulässige Höchstgeschwindigkeit 100 km/h betrug, am 24. April 2014 mit einer Geschwindigkeit von mindestens 160 km/h und am 13. Juni 2014 mit einer Geschwindigkeit von mindestens 150 km/h.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt und hilfsweise einen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt. Das Oberlandesgericht Hamm hat die Sache dem mit drei Richtern besetzten Bußgeldsenat zur Entscheidung übertragen. Dieser hat sie durch Beschluss vom 30. April 2015 gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 121 Abs. 2 Nr. 1 GVG dem Bundesgerichtshof vorgelegt.

2. Das Oberlandesgericht Hamm ist der Auffassung, dass bei zwei Ordnungswidrigkeiten, die in Tatmehrheit stehen und jeweils mit einem Fahrverbot als Nebenfolge geahndet werden können, auch dann, wenn über sie gleichzeitig zu urteilen ist, hinsichtlich jeder Ordnungswidrigkeit gesondert ein Fahrverbot verhängt werden kann, so dass die Verurteilung des Betroffenen zu Recht erfolgt und die Rechtsbeschwerde zu verwerfen sei.

An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich das Oberlandesgericht Hamm durch die Beschlüsse des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 21. November 1995 — 1 ObOWi 595/95, des Oberlandesgerichts Bamberg vom 16. September 2013 — 2 Ss OWi 743/13, des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 28. Mai 2002 — 2 Ss (OWi) 16 B/02, VRS 106, 212, und vom 5. März 2013 — (2 B) 53 Ss-OWi 74/13 (41/13), VRS 124, 346 f.; des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. November 1997 5 Ss (OWi) 281/97 (OWi) 170/97 I, NZV 1998, 298, 299, des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 6. September 2001 — 2 Ss OWi 222/01, SchlHA 2002, 177, und des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 1995 — 1 Ss 541/95, NZV 1996, 159, 160, gehindert.

Das vorlegende Oberlandesgericht Hamm ist der Auffassung, der Ausschluss der Verhängung mehrerer Fahrverbote in derselben gerichtlichen Entscheidung widerspreche der gesetzlich vorgegebenen Systematik und der Entscheidung des Gesetzgebers, als Rechtsfolge der Verwirklichung mehrerer Ordnungswidrigkeiten keine Gesamtgeldbuße vorzusehen. Es erscheine als wenig überzeugend, hinsichtlich der Hauptrechtsfolge (Geldbuße) das Kumulationsprinzip anzuwenden, hinsichtlich der Nebenfolge jedoch das Asperationsprinzip. Da zudem im Fall einer getrennten Aburteilung mehrerer Ordnungswidrigkeiten mehrere Fahrverbote ausgesprochen werden, widerspreche es dem Grundsatz der Rechtsanwendungsgleichheit, wenn die Verhängung der Rechtsfolgen von Ordnungswidrigkeiten von der weitgehend zufälligen Verfahrenslage abhänge.

3. Das Oberlandesgericht Hamm hat deshalb dem Bundesgerichtshof folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

„Kann bei zwei Ordnungswidrigkeiten, die in Tatmehrheit stehen, die jeweils mit einem Fahrverbot als Nebenfolge geahndet werden können und über die gleichzeitig zu urteilen ist, stets lediglich ein einheitliches Fahrverbot verhängt werden oder ist es möglich, hinsichtlich jeder Ordnungswidrigkeit gesondert ein Fahrverbot — mithin zwei Fahrverbote nebeneinander — zu verhängen?“

Der Generalbundesanwalt hat in seiner Stellungnahme beantragt, die Vorlegungsfrage entsprechend der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Hamm im Sinne der Möglichkeit der Verhängung mehrerer Fahrverbote zu bejahen.

II.

Die Vorlegungsvoraussetzungen des § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 121 Abs. 2 Nr. 1 GVG sind erfüllt. Die Vorschrift des § 121 Abs. 2 GVG ist gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG für die Rechtsbeschwerde entsprechend heranzuziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. September 2013 — 4 StR 503/12, BGHSt 59, 4, 8, und vom 23. September 2014 — 4 StR 92/14, BGHSt 59, 311, 313). Das Oberlandesgericht Hamm kann nicht seiner Absicht gemäß entscheiden, ohne von den vorgenannten Beschlüssen anderer Oberlandesgerichte (vgl. oben I. 2.) abzuweichen.

Der Senat beantwortet die vorgelegte Rechtsfrage wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich.

1. Die Beantwortung der Frage, ob im Fall der gemeinsamen Verhandlung über mehrere Ordnungswidrigkeiten, von denen jede die Verhängung eines Fahrverbotes rechtfertigt, auf eines oder mehrere Fahrverbote zu erkennen ist, ergibt sich allerdings nicht bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes. Die Regelung über die Tatmehrheit in § 20 OWiG ist nach ihrem Wortlaut auf die Festsetzung von Geldbußen beschränkt. Darüber, wie im Fall der Tatmehrheit hinsichtlich der Nebenfolgen zu verfahren ist, verhält sich der Gesetzeswortlaut des § 20 OWiG nicht (vgl. Brandenburgisches OLG, VRS 106, 212, 213: Die Erstreckung auf das Fahrverbot wäre eine Analogie; BayObLG, Beschluss vom 21. November 1995 — 1 ObOWi 595/95: Dass trotz zweier Handlungen nicht auf zwei gesonderte Nebenfolgen, sondern nur auf ein Fahrverbot zu erkennen sei, ergebe sich aus einer „verfassungskonformen Auslegung des § 20 OWiG hinsichtlich der darin nicht ausdrücklich erwähnten Nebenfolgen“; vgl. auch Widmaier, NJW 1971, 1158, 1159; anders wohl Mitsch, Recht der Ordnungswidrigkeiten, 2. Aufl., § 20 Rn. 18, § 19 Rn. 4). Gleiches gilt für den Wortlaut des § 25 StVG. Die dortige Formulierung („Wird … wegen einer Ordnungswidrigkeit … eine Geldbuße festgesetzt, so kann ihm … das Gericht … verbieten …“), entspricht der üblichen Formulierung des Gesetzes für den Grundfall der Begehung einer Tat, wie sie etwa auch in § 44 Abs. 1 Satz 1 StGB zu finden ist, obwohl im Strafrecht die Verhängung zweier Fahrverbote in demselben Verfahren nicht in Betracht kommt (§ 53 Abs. 4 i.V.m. § 52 Abs. 4 Satz 2 StGB). Eine Aussage über die Rechtsfolgen bei Vorliegen mehrerer Taten lässt sich diesem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen (vgl. Widmaier, NJW 1971, 1158, 1159: „allzu wörtliche Auslegung des § 25 Abs. 1 StVG“).

2. Die Entstehungsgeschichte des § 20 OWiG und des § 25 StVG spricht dafür, dass in diesen Fällen — entsprechend der Rechtslage im Strafgesetzbuch (§ 53 Abs. 4 i.V.m. § 52 Abs. 4 Satz 2 StGB; vgl. RGSt 36, 88, 89; BGH, Urteile vom 30. September 1958 — 1 StR 310/58, BGHSt 12, 85, 87, und vom 22. Juni 1960 — 2 StR 221/60, BGHSt 14, 381, 382; LK-StGB/Geppert, 12. Aufl., § 44 Rn. 77; MüKoStGB/Athing, 2. Aufl., § 44 Rn. 14) — nur auf ein einheitliches Fahrverbot zu erkennen ist. Hingegen lassen sich aus der Entstehungsgeschichte dieser Normen keine Anhaltspunkte dafür herleiten, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Verhängung mehrerer Fahrverbote in demselben Ordnungswidrigkeitenverfahren in Betracht käme.

a) Durch das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24. Mai 1968 (BGBl. I S. 481) erhielt das OWiG einen eigenen Allgemeinen Teil, dessen § 16 aF — wie schon § 16 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten vom 25. März 1952 (BGBl. I S. 177) — dem heutigen § 20 OWiG entspricht und sich wie dieser auf „Geldbußen“ beschränkte. Auch die Gesetzesmaterialien treffen ausschließlich Aussagen über die zu verhängenden Geldbußen (vgl. BT-Drucks. V/1269, S. 53 f.).

b) Die Vorschrift über das Fahrverbot gemäß § 25 StVG wurde durch das Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (EGOWiG), das ebenfalls am 24. Mai 1968 erlassen wurde (BGBl, I S. 503, 513), in das Straßenverkehrsgesetz eingefügt. Der Bundesgesetzgeber hat gleichzeitig mit dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten ein Einführungsgesetz erlassen, das in § 25 StVG ein Fahrverbot als Nebenfolge der für die Praxis quantitativ bedeutsamsten Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG vorsah. Wenn der Gesetzgeber gleichwohl mit der Regelung in § 16 OWiG aF lediglich für die Geldbuße das Kumulationsprinzip eingeführt hat, nicht aber für die zeitgleich — sei es auch in einem selbständigen (Einführungs-)Gesetz — eingeführte Nebenfolge des Fahr-verbots, so spricht dies gegen einen gesetzgeberischen Willen, die Regelung in § 20 OWiG (§ 16 OWiG aF) auf die Nebenfolge des Fahrverbots zu erstrecken. Bei der Beschränkung des Wortlauts auf „Geldbußen“ handelte es sich auch nicht um ein Redaktionsversehen. Vielmehr zeigen die Erwägungen in der Gesetzesbegründung zum EGOWiG, dass dem Gesetzgeber der Umstand, dass es sich beim Fahrverbot um eine Nebenfolge handelt, für deren Verhängung gegebenenfalls besondere Regelungen gelten, bewusst war (vgl. BT-Drucks. V/1319, S. 90 f.). Hätte der Gesetzgeber in Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach im Strafrecht bei mehreren tatmehrheitlich zusammentreffenden Straftaten, von denen jede die Nebenstrafe rechtfertigt, nur auf eine Nebenstrafe zu erkennen ist (vgl. bereits RGSt 36, 88, 89; BGH, Urteile vom 30. September 1958 — 1 StR 310/58 und vom 22. Juni 1960 — 2 StR 221/60, jeweils a.a.O), entgegen dieser Rechtslage für das Ordnungswidrigkeitenrecht auch für die Nebenfolge des Fahrverbots das Kumulationsprinzip einführen wollen, so wäre eine ausdrückliche Regelung zu erwarten gewesen (vgl. auch RGSt 36, 88, 90), an der es jedoch fehlt.

Eine solche Regelung ist auch im Folgenden nicht erlassen worden, was angesichts der nach Inkrafttreten der §§ 16 OWiG aF, 25 StVG einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. BayObLG, VRS 51, 221, 222 f.; Brandenburgisches OLG, VRS 106, 212; OLG Stuttgart, NZV 1996, 159, 160; OLG Düsseldorf, NZV 1998, 512; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 25 StVG Rn. 27; Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl., § 25 StVG Rn. 38; Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 20 Rn. 6, § 66 Rn. 24; Bohnert, OWiG, 3. Aufl., § 20 Rn. 8; Hentschel, Trunkenheit, Fahrerlaubnisentziehung, Fahrverbot, 10. Aufl., S. 418, 474; Hentschel/Krumm, Fahrerlaubnis, Alkohol, Drogen, 6. Aufl., S. 462; Krumm, Fahrverbot in Buß-geldsachen, 3. Aufl., 2014, S. 481; Zopfs, DAR 2015, 538; kritisch KK-OWiG/ Mitsch, 4. Aufl., § 20 Rn. 8; ders., Recht der Ordnungswidrigkeiten, 2. Aufl., S. 186) und angesichts des auf Geldbußen beschränkten Wortlauts des § 20 OWiG zu erwarten gewesen wäre, wenn nach dem Willen des Gesetzgebers das Kumulationsprinzip auch für das Fahrverbot hätte gelten sollen.

Aus der Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze (BT-Drucks. 13/6914, S. 104) lässt sich entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm nichts für die von ihm vertretene Auffassung herleiten. Die Stellungnahme des Bundesrates geht davon aus, dass gegen einen Betroffenen gleichzeitig mehrere Fahrverbote wirksam sein können. Zu der Frage, ob diese Fahrverbote auch in demselben Verfahren angeordnet werden können, verhält sie sich nicht (vgl. Zopfs, DAR 2015, 538, 539). Der Gegenäußerung der Bundesregierung auf die Stellungnahme des Bundesrates liegt hingegen — im Gegenteil — ersichtlich die Auffassung zugrunde, dass eine Verhängung mehrerer Fahrverbote in demselben Verfahren nicht möglich ist (BT-Drucks. 13/6914, S. 119: „Die Verhängung eines Fahrverbotes, das die Höchstfrist von drei Monaten überschreitet, ist auch in den Fällen nicht möglich, in denen in einem Verfahren mehrere Zuwiderhandlungen, die jeweils die Verhängung eines Fahrverbotes rechtfertigen, geahndet werden“).

Schon die Entstehungsgeschichte der §§ 20 OWiG, 25 StVG spricht daher gegen die vom Oberlandesgericht Hamm befürwortete Möglichkeit, in demselben Verfahren mehrere Fahrverbote gemäß § 25 StVG gegen den Betroffenen zu verhängen.

3. Für die ganz überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, wonach in diesen Fällen vielmehr nur ein Fahrverbot zu verhängen ist (vgl. oben III. 2. b)), spricht weiterhin die Gesetzessystematik.

a) Im Rahmen der Vollstreckung des Fahrverbots ist anerkannt, dass mehrere Fahrverbote, deren Geltungsdauer sich ganz oder teilweise über-schneidet, nebeneinander und nicht nacheinander vollstreckt werden. Es erfolgt also keine Addition überschneidender Fahrverbote (vgl. BT-Drucks. 13/8655, S. 14; BayObLG, NZV 1993, 489; LG Münster, NJW 1980, 2481; LK-StGB/ Geppert, 12. Aufl., § 44 Rn. 82; MüKoStGB/Athing, 2. Aufl., § 44 Rn. 18 jeweils m.w.N; a.A. AG Saarbrücken, zfs 2015, 591; AG Stuttgart, NZV 2006, 328; kritisch Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 25 StVG Rn. 28 m.w.N.). Anders verhält es sich nur im Fall des § 25 Abs. 2a Satz 2 StVG (vgl. BT-Drucks. 13/8655, S. 14: „Satz 2 bestimmt, daß in diesen Fällen in Abweichung von der sonst gültigen Regelung ausnahmsweise die Fahrverbotsfristen addiert werden“). Die dort angeordnete sukzessive Vollstreckung soll verhindern, dass der Betroffene mehrere kurz hintereinander verhängte Fahrverbote missbräuchlich „zusammenlegt“ (Brandenburgisches OLG, VRS 106, 212, 213; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 25 StVG Rn. 30). Die Existenz dieser gesetzlichen Ausnahmevorschrift belegt indes gerade, dass im Regelfall keine Nacheinandervollstreckung von Fahrverboten erfolgt (vgl. BT-Drucks. 13/8655, S. 14; Brandenburgisches OLG, VRS 106, 212, 213; Zopfs, DAR 2015, 538).

Diese Auffassung teilt auch das vorlegende Oberlandesgericht Hamm. Es wäre aber „sinnlos“ (OLG Hamm, NZV 2010, 159, 160; Brandenburgisches OLG, VRS 106, 212, 213; vgl. BayObLG, VRS 51, 221, 223; OLG Celle, NZV 1993, 157), mehrere Fahrverbote zu verhängen, wenn eines der angeordneten Fahrverbote aufgrund der Parallelvollstreckung letztlich nicht zum Tragen käme. Dies würde jedenfalls für den Regelfall gelten, dass zwei Fahrverbote, die in demselben Verfahren angeordnet würden, auch gleichzeitig rechtskräftig werden.

b) Gegen die Verhängung zweier Fahrverbote in demselben Verfahren spricht weiterhin der gesetzessystematische Vergleich mit dem strafrechtlichen Fahrverbot (Brandenburgisches OLG, VRS 106, 212, 213; BayObLG, VRS 51, 221, 222 f.; OLG Düsseldorf, NZV 1998, 298, 299; NZV 1998, 512, 513; OLG Stuttgart, NZV 1996, 159, 160; Schleswig-Holsteinisches OLG, SchIHA 2002, 177). Es besteht Einigkeit, dass im Fall der Tatmehrheit gemäß § 53 StGB auch dann nur auf ein Fahrverbot nach § 44 StGB zu erkennen ist, wenn dieses neben mehreren Einzelstrafen in Betracht käme (vgl. § 53 Abs. 4 i.V.m. § 52 Abs. 4 Satz 2 StGB; BayObLG, VRS 51, 221, 222; Schönke/Schröder/ Sternberg-Lieben/Bosch, StGB, 29. Aufl., § 53 Rn. 30; MüKoStGB/Athing, 2. Aufl., § 44 Rn. 14).

Wenn im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts etwas anderes gelten sollte, so wäre zum einen eine gesetzliche Regelung zu erwarten gewesen, die jedoch in § 20 OWiG gerade nur für die Geldbuße erfolgt ist. Zum anderen hat sich aber der Gesetzgeber hinsichtlich der Nebenfolge des Fahrverbots ausweislich der Gesetzesmaterialien gerade nicht gegen das im Strafrecht geltende Asperationsprinzip entschieden, sondern sich — im Gegenteil an der straf-rechtlichen Rechtslage orientiert (vgl. BT-Drucks. V/1319, S. 90; BayObLG, VRS 51, 221, 223). Zweck der Schaffung des § 25 StVG war es demnach, das als § 37 aF in das StGB eingeführte Fahrverbot auch in das (Verkehrs-) Ordnungswidrigkeitenrecht zu „übernehmen“ (BT-Drucks. V/1319, S. 90). Dass das Fahrverbot im Bußgeldverfahren in der Regel von einer Verwaltungsbehörde und grundsätzlich in einem summarischen Verfahren verhängt wird, steht dieser Übernahme nach den ausdrücklichen Erwägungen des Gesetzgebers nicht entgegen (BT-Drucks. V/1319, S. 90). Abweichungen von der strafrechtlichen Rechtslage sollten nur insoweit erfolgen, als das ordnungswidrigkeitenrechtliche Fahrverbot an die zusätzliche Voraussetzung der „groben oder beharrlichen“ Pflichtverletzung geknüpft wurde und die in § 44 Abs. 1 Satz 1 StGB genannten Taten „im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs“ für die Verhängung des Fahrverbots nach § 25 StVG nicht ausreichen sollten (BT-Drucks. V/1319, S. 90). Auch die Dauer des Fahrverbots wurde an die strafrechtliche Bestimmung angelehnt. Zudem wurden in Abs. 2 des § 25 StVG in der Fassung des Entwurfs eines EGOWiG ausdrücklich „ergänzende Rege-lungen“ zu § 37 StGB aF getroffen, die sich auf den Beginn und die Berechnung der Dauer des Fahrverbots, seine Eintragung in ausländischen Fahrausweisen sowie die Verwahrung und Beschlagnahme von Fahrausweisen bezogen. Der Gesetzgeber hat sich damit ausdrücklich an den Regelungen des Strafgesetz-buchs orientiert (vgl. BayObLG, VRS 51, 221, 223) und abweichende Regelungen (lediglich) dort getroffen, wo es ihm geboten erschien. Eine vom Strafrecht abweichende Regelung hinsichtlich der dort geltenden Rechtsfolgen bei Anordnung eines Fahrverbots bei mehreren Taten hat er indes gerade nicht vorgenommen.

2.3 Schließlich bleibt bei Zugrundelegung der Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm unklar, was hinsichtlich der Verhängung der Nebenfolge(n) gelten soll, wenn in einem Verfahren straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliches Fahrverbot zusammentreffen (vgl. Zopfs, DAR 2015, 538; zur bisherigen Auffassung, dass auch in diesem Fall nur ein Fahrverbot verhängt werden kann: OLG Celle, NZV 1993, 157; LK-StGB/Geppert, 12. Aufl., § 44 Rn. 79; MüKoStGB/Athing, 2. Aufl., § 44 Rn. 14).

Bereits mit der dargelegten Gesetzessystematik und Entstehungsgeschichte der entscheidungserheblichen Normen wäre daher eine Auslegung unvereinbar, die ohne Rückhalt im Wortlaut des § 20 OWiG die Verhängung zweier Fahrverbote in demselben Verfahren wegen mehrerer Ordnungswidrigkeiten desselben Betroffenen ermöglichen würde.

4. Darüber hinaus spricht aber auch der Sinn und Zweck der Regelung über das Fahrverbot dafür, dass bei mehreren Ordnungswidrigkeiten in demselben Verfahren nur auf ein Fahrverbot zu erkennen ist. Denn das Fahrverbot soll als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme spezialpräventiv wirken (vgl. BT-Drucks. 13/6914, S. 119; BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2001 — 5 StR 439/01, wistra 2002, 57, 58; OLG Celle, NZV 1993, 157). Dies verlangt eine Gesamtbetrachtung aller abzuurteilenden Taten und eine Bemessung der Dauer des Fahrverbots entsprechend dem sich aus dieser Gesamtbetrachtung ergebenden Einwirkungsbedarf auf den Betroffenen (vgl. OLG Stuttgart, NZV 1996, 159, 160; OLG Düsseldorf, NZV 1998, 298, 299; NZV 1998, 512, 513; Brandenburgisches OLG, VRS 106, 212, 213; VRS 124, 346, 347; BayObLG, VRS 51, 221, 223; Widmaier, NJW 1971, 1158, 1159). Diesen Erfordernissen des spezialpräventiven Charakters der Nebenfolge und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wird die Verhängung eines einheitlichen Fahrverbotes gerecht, während die vom vorlegenden Oberlandesgericht befürwortete wechsel-seitige Berücksichtigung des jeweils anderen Fahrverbots im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfungen gerade in einem auf rasche Erledigung angelegten Bußgeldverfahren als wenig zweckmäßig erscheint (vgl. Zopfs, DAR 2015, 538).

Gegen die Verhängung eines einheitlichen Fahrverbots spricht schließlich auch nicht der Grundsatz der Rechtsanwendungsgleichheit. Zwar hängt nach den vorherigen Ausführungen die Frage, ob gegen den Betroffenen wegen mehrerer Ordnungswidrigkeiten eines oder mehrere Fahrverbote angeordnet werden, davon ab, ob diese Ordnungswidrigkeiten in einem Gerichtsverfahren verhandelt werden oder aber ausschließlich im Verwaltungsverfahren bzw. in unterschiedlichen Gerichtsverfahren. Dies stellt indes zum einen keine Besonderheit dar. So verbleibt es auch im Strafrecht bei den in getrennten Verfahren festgelegten Sanktionen, wenn eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung (§ 460 StPO) vor der vollständigen Vollstreckung aller für eine Gesamtstrafen-bildung in Betracht kommender Strafen nicht erfolgt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2014 — 3 StR 245/14, NStZ-RR 2015, 20). Zum anderen wird der Umstand, ob eine gemeinsame Verhandlung mehrerer Ordnungswidrigkeiten erfolgt oder nicht, oftmals gerade nicht lediglich auf Zufall beruhen. Eine gemeinsame Verhandlung wird etwa regelmäßig dann nahe liegen, wenn zwischen den Ordnungswidrigkeiten ein zeitlicher oder örtlicher Zusammenhang besteht (so auch in dem der Vorlage zugrunde liegenden Fall). In solchen Fällen spricht aber der Sinn und Zweck des § 25 StVG für die Verhängung eines einheitlichen Fahrverbots (vgl. Zopfs, DAR 2015, 538, 539).

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