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Geschwindigkeitsmessung – Antrag auf Vernehmung einer als Anhalteposten tätigen Zeugin

Keine rechtsfehlerhafte Ablehnung von Beweisanträgen

Im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei den Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Überprüfung der Messung abgelehnt. Auch der Antrag auf Vernehmung einer Zeugin wurde rechtsfehlerfrei abgelehnt. Das Beweisbegehren wurde als Beweisersuchen gewertet, weil es das Beweisziel als Beweistatsache bezeichnete, aber nur die Umstände der Personalienfeststellung aufklären wollte.

Ablehnung des Beweisantrags

Der Verteidiger hatte keine konkreten, einzelfallbezogenen Bedenken gegen das standardisierte Messverfahren vorgebracht. Der Betroffene hätte die Messung auf eigene Kosten prüfen lassen können. Nur bei Vorliegen von Zweifeln wäre das Amtsgericht verpflichtet gewesen, diesen nachzugehen.

Ablehnung des Beweisersuchens

Das Amtsgericht durfte den Antrag auf Vernehmung einer Zeugin rechtsfehlerfrei ablehnen, weil das Beweisbegehren als förmlicher Beweisantrag zu behandeln war und die Aussichtslosigkeit der beantragten Beweiserhebung nicht außer Zweifel stand. Das Gericht hatte aus der Sammelanzeige folgern dürfen, dass durch den angemessenen Fahrer der Führerschein des Betroffenen ausgehändigt worden ist und dass der Fahrer seinen eigenen Führerschein und nicht denjenigen eines Dritten vorgelegt hat.

Kosten des Rechtsmittels

Der Betroffene trägt die Kosten seines Rechtsmittels.


Urteil im Volltext

KG Berlin – Az.: 3 Ws (B) 61/22 – 162 Ss 32/22 – Beschluss vom 12.04.2022

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 29. November 2021 wird nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Gründe

Der Schriftsatz des Verteidigers vom 11. April 2022 lag vor, gab aber zu einer anderen Bewertung keinen Anlass. Erläuternd bemerkt der Senat:

1. Den Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur „Überprüfung der Messung“ hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei abgelehnt, weil hier ein standardisiertes Messverfahren zur Anwendung gekommen ist und der Verteidiger keine konkreten, einzelfallbezogenen Bedenken dagegen vorgebracht hat. Der Senat folgt insoweit der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft, die der Rechtsbeschwerde bekannt ist. Es wäre dem Betroffenen unbenommen gewesen, unter Inanspruchnahme seiner umfassenden Informationsrechte (vgl. BVerfG DAR 2021, 75; NZV 2021, 377 [Volltext bei juris]) im Vorfeld der Hauptverhandlung (vgl. Senat NZV 2021, 379) und auf eigene Kosten (vgl. Senat NZV 2021, 379; Beschluss vom 16. Juli 2021 – 3 Ws (B) 177/21 – [juris]; LG Aachen NZV 2018, 480) die Messung sachverständig prüfen zu lassen. Hätten sich hier Zweifel ergeben, wären diese in der Hauptverhandlung, gegebenenfalls unter substantiiertem Beweisantritt, vorzutragen gewesen. Nur in diesem Fall wäre das Amtsgericht gehalten gewesen, dem nachzugehen.

2. Auch den Antrag auf Vernehmung der als Anhalteposten tätigen Zeugin … hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei abgelehnt.

a) Offen bleiben kann zunächst, ob sich die Rechtsbeschwerde an dem Wortlaut des Antrags festhalten lassen muss oder ob das Beweisersuchen auszulegen ist. Das Amtsgericht hat zutreffend erkannt, dass es sich bei dem Beweisbegehren seinem Wortlaut nach um keinen Beweisantrag im Rechtssinn handelt, weil es das Beweisziel (der Betroffene sei nicht der Fahrer gewesen) als Beweistatsache bezeichnet, aber eigentlich nur die Umstände der Personalienfeststellung aufgeklärt wissen will, aus denen das Gericht die erstrebte Schlussfolgerung ziehen soll. In Verkehrssachen handelt es sich daher nie um einen Beweisantrag, wenn ein Beweismittel dafür benannt wird, dass der Betroffene nicht Fahrer gewesen ist (vgl. Krumm in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht 3. Aufl., § 77 OWiG Rn. 25; zur Problematik der Negativtatsache vgl. auch BGHSt 39, 253).

Ob das Ersuchen hier in einen förmlich richtigen Beweisantrag umzudeuten ist, kann aber dahinstehen, weil Maßstab für die Bescheidung auch in diesem Fall die Amtsaufklärung wäre (vgl. für viele OLG Celle ZfS 2009, 593). Zwar muss der förmliche Beweisantrag beschieden werden; dies ist hier aber unter Bezugnahme auf § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG geschehen. Die (formlose) Beweisanregung evoziert ebenso wie der (förmliche) Beweisantrag lediglich die Amtsaufklärung, so dass es einer genauen Qualifizierung hier nicht bedarf.

b) Auch wenn das Beweisersuchen als förmlicher Beweisantrag zu behandeln gewesen wäre, wäre es rechtsfehlerfrei, nämlich nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG, beschieden worden. Die Vorschrift setzt nicht voraus, dass die Aussichtslosigkeit der beantragten Beweiserhebung außer Zweifel steht (Böttcher, NStZ 1986, 394), sondern rechtfertigt die Ablehnung eines Beweisantrages schon dann, wenn die Beweiserhebung nicht naheliegt bzw. sich dem Gericht nicht aufdrängt (Begr. EOWiGÄndG, BTDrucks. 10/2652 S. 23; OLG Düsseldorf NStZ 1991, 542; Seitz/Bauer in Göhler, OWiG 18. Aufl., § 77 Rn. 14).

So liegt der Fall hier. Nachdem das Amtsgericht die von der Zeugin gefertigte Sammelanzeige nach §§ 71 OWiG, 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesen und mithin wirksam in die Hauptverhandlung eingeführt hatte, durfte es aus der Urkunde zwanglos folgern, dass durch den angemessenen Fahrer der Führerschein des Betroffenen ausgehändigt worden ist. Wenn die Rechtsbeschwerde demgegenüber meint, aus der Sammelanzeige ergebe sich keinesfalls, dass der Führerschein des Betroffenen vorgelegen habe, so irrt sie; die Führerscheindaten sind durch die Beamtin protokolliert worden.

Auch die weitere Schlussfolgerung des Tatrichters, dass der Fahrer seinen eigenen Führerschein und nicht denjenigen eines Dritten vorgelegt hat, ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. Denn die Schlussfolgerungen des Tatgerichts müssen nicht zwingend sein, es reicht aus, dass sie möglich sind. Die Urteilsgründe müssen allerdings erkennen lassen, dass die Schlussfolgerung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Tatgericht gezogenen Schlüsse nicht bloße Vermutungen sind (st. Rspr. des BGH, vgl. nur NStZ-RR 2021, 24). Nachdem der Betroffene von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hatte und auch anderweitig kein Hinweis darauf bestand, ein Dritter könnte sich des Führerscheins des Betroffenen bemächtigt und bedient haben, musste auch das Amtsgericht diesen Umstand nicht in Rechnung stellen. Nicht einmal die Verteidigung hat diese Möglichkeit einer Straftat des Missbrauchs von Ausweispapieren (§ 281 StGB) in einer die Aufklärungspflicht auslösenden Weise in den Raum gestellt.

Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).

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