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Geschwindigkeitsmessung -100m-Mindestabstands des Messbereiches zur Ortstafel

Verkehrsrechtliche Regeln: Mindestabstand von 100 m zur Ortstafel bei Geschwindigkeitsmessungen

Das Amtsgericht Büdingen verurteilte eine Fahrerin wegen fahrlässiger Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um 27 km/h innerhalb einer geschlossenen Ortschaft zu einer Geldbuße von 180 €. Die Ordnungsgemäßheit der Messung durch das PoliScan FM1-Gerät wurde bestätigt, trotz der nur 94 m betragenden Distanz zur Ortstafel, anstatt der üblichen 100 m. Es wurden keine Zweifel an der Richtigkeit der Messung oder der Schulung des Messpersonals festgestellt.

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Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Verurteilung der Betroffenen zu einer Geldbuße von 180 € wegen Geschwindigkeitsüberschreitung.
  2. Die Messstelle befand sich 94 m vor der Ortstafel.
  3. Das Messgerät PoliScan FM1 wurde als ordnungsgemäß geeicht und funktionsfähig bestätigt.
  4. Der Zeuge war für das Messverfahren korrekt geschult und qualifiziert.
  5. Es gab keine Anzeichen für Fehlmessungen oder technische Mängel am Gerät.
  6. Die Geschwindigkeitsüberschreitung von 27 km/h wurde nach Abzug der Toleranz bestätigt.
  7. Kein Zweifel an der Fahrereigenschaft der Betroffenen.
  8. Die geringe Unterschreitung des Mindestabstands zur Ortstafel wurde als nicht relevant für das Urteil angesehen.

Geschwindigkeitsübertretungen und ihre juristischen Folgen

Im Fokus der rechtlichen Betrachtung stehen oft Fälle von Geschwindigkeitsübertretungen, ein häufiges und relevantes Thema im Verkehrsrecht. Besondere Aufmerksamkeit erfährt dabei die Frage, wie Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt werden und welche Vorgaben dabei einzuhalten sind. Ein wesentlicher Aspekt ist der Mindestabstand zur Ortstafel, der bei solchen Messungen eingehalten werden muss, um die Rechtmäßigkeit der Messung zu gewährleisten. Die Einhaltung dieser Distanz kann entscheidend sein, wenn es um die Verhängung von Geldbußen bei Höchstgeschwindigkeitsüberschreitungen geht.

Die juristische Auseinandersetzung mit solchen Fällen beleuchtet nicht nur die technischen Aspekte der Messung, sondern auch die damit verbundenen rechtlichen Rahmenbedingungen und Konsequenzen. Die folgenden Ausführungen widmen sich einem konkreten Fall, in dem diese Thematik zentral ist, und bieten detaillierte Einblicke in die juristische Handhabung und Bewertung von Geschwindigkeitsüberschreitungen. Tauchen Sie ein in die Welt der Verkehrsrechtssprechung, um zu verstehen, wie Gerichte solche Situationen bewerten und welche Lehren daraus für die Verkehrsteilnehmer gezogen werden können.

Geschwindigkeitsübertretung: Urteil des AG Büdingen

Das Amtsgericht Büdingen hat in einer Verhandlung am 27.02.2023 ein Urteil in einem Fall von Geschwindigkeitsüberschreitung gefällt. Die Angeklagte, eine 59-jährige deutsche Staatsangehörige, wurde wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb einer geschlossenen Ortschaft um 27 km/h zu einer Geldbuße von 180 Euro verurteilt. Diese Entscheidung basiert auf einer Reihe von rechtlichen und faktischen Erwägungen, die in diesem Fall von besonderer Bedeutung sind.

Die Geschwindigkeitsmessung, die zu diesem Urteil führte, wurde von einem Ordnungspolizeibeamten durchgeführt, der speziell für das verwendete digitale Geschwindigkeitsmessgerät PoliScan FM1 geschult worden war. Interessanterweise endete der Messbereich 94 m vor der Ortstafel, was geringfügig unter dem üblichen Mindestabstand von 100 m liegt. Dieser Aspekt wurde in der Urteilsfindung besonders berücksichtigt.

Die Rolle der Eichung und Schulung im Messprozess

Das Gericht stellte fest, dass das PoliScan FM1-Gerät ordnungsgemäß durch die Hessische Eichdirektion geeicht worden war und den Anforderungen des § 37 Abs. 4 des Mess- und Eichgesetzes entsprach. Die Eichfrist des Gerätes war zum Zeitpunkt der Messung noch nicht abgelaufen, was seine Zuverlässigkeit unterstreicht.

Der messende Beamte hatte umfangreiche Schulungen zur Bedienung des Geräts erhalten, einschließlich der Vorstellung der Gerätekomponenten, des Aufbaus und der Funktion des Messgerätes, der Auswahl und Anforderung von Messplätzen, des Einrichtens und Messens sowie der Auswertung der Falldaten. Diese umfassende Ausbildung trug zur Glaubwürdigkeit der Messung bei und wurde vom Gericht als wichtiger Faktor für die Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung angesehen.

Details der Geschwindigkeitsmessung und ihre juristische Bewertung

Die Betroffene passierte die Messstelle am 15.03.2022 um 13:27 Uhr mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h, nach Abzug einer Toleranz von 3 km/h ergab sich eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 27 km/h. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Betroffene hätte erkennen können, dass sie sich innerhalb einer geschlossenen Ortschaft befand und die Geschwindigkeit auf maximal 50 km/h hätte drosseln müssen.

Zusätzlich wurde das Messgerät und seine Handhabung umfassend geprüft, einschließlich der Überprüfung der eichrechtlichen Sicherungs- und Eichkennzeichen und der äußeren Beschaffenheit des Geräts. Die Beweisaufnahme ergab keine Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Messung, und die Aussagen des Zeugen wurden durch Lichtbilder und Skizzen bestätigt.

Schlussfolgerungen des Gerichts und Weiterleitung zum Urteil

Das Gericht wies die Argumente des Verteidigers, die Messung sei aufgrund fehlender hinreichender Rohmessdaten nicht verwertbar, zurück. Stattdessen folgte es der herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung, die die Verwertbarkeit von Messungen mit dem Geschwindigkeitsmessgerät Poliscan Speed bestätigt.

Es wurde festgestellt, dass die Betroffene die im Straßenverkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hatte und ihr Handeln somit als fahrlässig zu bewerten war. Die geringfügige Unterschreitung des Mindestabstands zur Ortstafel wurde als nicht maßgeblich für die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit angesehen. Das Gericht verhängte somit eine angemessene Regelbuße von 180 Euro gemäß dem geltenden Bußgeldkatalog und verurteilte die Betroffene zur Übernahme der Verfahrenskosten.

Dieses Urteil verdeutlicht die Bedeutung einer korrekten Handhabung und Dokumentation von Geschwindigkeitsmessungen sowie die strikte Anwendung der relevanten rechtlichen Vorschriften. Es zeigt auf, wie Gerichte in Verkehrsrechtsfällen vorgehen und welche Faktoren für die Urteilsfindung entscheidend sind.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Welche Bedeutung hat der Mindestabstand zur Ortstafel bei Geschwindigkeitsmessungen?

Der Mindestabstand zur Ortstafel bei Geschwindigkeitsmessungen ist wichtig, um den Fahrern genügend Zeit zu geben, ihre Geschwindigkeit anzupassen. Dieser Abstand variiert jedoch je nach Bundesland. In einigen Bundesländern, wie Baden-Württemberg und Bremen, beträgt der Mindestabstand beispielsweise 150 Meter, während er in anderen Bundesländern, wie Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland, 100 Meter beträgt. In Berlin sind mindestens 75 Meter vor und hinter einem solchen Schild vorgeschrieben.

Es ist jedoch zu beachten, dass diese Abstände als „verwaltungsinterne Vorgaben“ gelten und keine allgemeingültigen Gesetze darstellen. Sie dienen der Sicherheit, da plötzliches starkes Abbremsen unmittelbar hinter einem Hinweisschild zu Auffahrunfällen führen kann.

In bestimmten Fällen, wie beispielsweise bei einer Gefahrenstelle oder einem Geschwindigkeitstrichter vor dem Ortseingang, kann es Ausnahmen von diesen Richtlinien geben. Darüber hinaus kann eine Geschwindigkeitsmessung, die kurz vor einem Ortsschild durchgeführt wird, unter Umständen dazu führen, dass ein Fahrverbot entfällt.

Es ist jedoch immer ratsam, die vorgegebene Höchstgeschwindigkeit zu beachten und in sensiblen Gebieten noch aufmerksamer zu sein.


Das vorliegende Urteil

AG Büdingen – Az.: 60 OWi 902 Js-OWi 29931/22 (29931/22) – Urteil vom 27.02.2023

Die Betroffene wird wegen fahrlässiger Höchstgeschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaften um 27 km/h zu einer Geldbuße i.H.v. 180 € verurteilt.

Die Betroffener hat die Kosten des Verfahrens und ihre Auslagen zu tragen.

Angewandte Vorschriften: § 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2, § 49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG; Nr. 11.3.5 BKat

Gründe

I.

Die 59 Jahre alte Betroffene ist deutsche Staatsangehörige und in … wohnhaft. Das Fahreignungsregister enthält über die Betroffene keine Eintragungen.

II.

Am 15.03.2022 nahm der Zeuge …, der Ordnungspolizeibeamter bei dem Ordnungsbehördenbezirk … ist, für die Gemeinde … Geschwindigkeitsmessungen vor. Gemessen wurden an diesem Tag mit dem digitalen Geschwindigkeitsmessgerät Polyscan FM 1 im Zeitraum von 11:50 Uhr bis 17:00 Uhr die in Fahrtrichtung … fahrenden Fahrzeuge. Die Messstelle befand sich in … in der …, in Höhe der Hausnummer …. Der Messbereich endete 94 m vor der Ortstafel (Zeichen 311 StVO).

Der Zeuge … führte die Messungen mit dem Messgerät PoliScan FM1 durch. Das Messgerät wurde am 14.01.2022 durch die Hessische Eichdirektion geeicht. Dabei wurde festgestellt, dass das Messgerät den Anforderungen des § 37 Abs. 4 des Mess- und Eichgesetzes entspricht. Die Eichfrist endet am 31.12.2023. Der Zeuge … wurde für dieses Messverfahren am 16.04.2019 und erneut vom 11.02.2021 bis 12.02.2021 geschult. Gegenstand der Schulung waren Vorstellung der Gerätekomponenten, Aufbau und Funktion des Messgerätes, Auswahl und Anforderung von Messplätzen, Einrichten und Messen, mobile Verwendung, Eichung, Auswertung der Falldaten mit POLISCAN Tuff-Viewer, schriftliche und praktische Erfolgskontrolle.

Seit Beginn der Eichfrist sind an dem Messgerät keine Reparaturen oder Wartungen vorgenommen worden. Der Zeuge … stellte vor Beginn der Messung sicher, dass die gerätespezifischen eichrechtlichen Sicherungs- und Eichkennzeichen vollständig, aktuell und unbeschädigt waren. Auch kontrollierte er, dass das Messgerät äußerlich unbeschädigt war. Weiterhin überprüfte er vor und nach der Messung das Verkehrszeichen (310 StVO). Der Zeuge nahm das Gerät als Fahrzeugeinbau in Betrieb. Die Aufbauhöhe betrug zwischen 0,5 und 1,8 m. Der seitliche Abstand wurde manuell bestimmt. Die Schenkelwinkelbestimmung erfolgte automatisch.

Als die Betroffene diese Messstelle am 15.03.2022 um 13:27 Uhr passierte, wurde die Geschwindigkeit ihres Fahrzeuges mit 80 km/h gemessen. Nach Abzug einer Toleranz i.H.v. 3 km/h betrug die von der Betroffenen gefahrene Geschwindigkeit 77 km/h, so dass sich eine Geschwindigkeitsüberschreitung i.H.v. 27 km/h ergab.

Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte die Betroffene erkennen können, dass sie sich innerhalb geschlossener Ortschaften (Zeichen 310 StVO) befand und die Geschwindigkeit auf maximal 50 km/h drosseln können.

III.

Die Angaben zur Person beruhen auf den Angaben des Verteidigers. Da die Betroffene an der Hauptverhandlung nicht teilnahm und dem Verteidiger keine weiteren Informationen vorlagen, konnten keine weitere Feststellung getroffen werden. Weitere Feststellung waren allerdings im Hinblick auf den Tatvorwurf auch nicht erforderlich.

Die Feststellungen im Übrigen beruhen auf den in der Hauptverhandlung verwerteten Beweismitteln, die sich aus dem Protokoll ergeben

Dass die Betroffenen das Fahrzeug steuerte, hat diese über ihren Verteidiger eingeräumt. Darüber hinaus hat die Betroffene keine Angaben gemacht.

Daran, dass die Betroffene das Fahrzeug zur Tatzeit steuerte, bestehen auch keine Zweifel. Ein Abgleich der Messbilder Bl. 6 und 7 der Akte mit dem Personalausweisfoto der Betroffenen, dass auf Bl. 41 Rückseite der Akte zu sehen ist, bestätigt dies. Auf diese Bilder wird gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen und sie werden zum Gegenstand des Urteils gemacht.

Nach der Beweisaufnahme bestehen auch keine Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Messung. Das Messgerät PoliScan FM1 ist als standardisiertes Messverfahren anerkannt (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 13.01.2022 – 1 OWi 2 SsBs 109/21 -, Rn. 7). Der gemessene Wert von 80 km/h konnte aus dem Messbild Bl. 6 unten einwandfrei abgelesen werden.

Die ordnungsgemäße Eichung des Messgerätes ergibt sich aus dem Eichschein, Bl. 9 der Akte. Darüber hinaus lagen auch die Konformitätserklärung (Bl. 9 Rückseite der Akte ) sowie die Konformitätsbescheinigung (Bl. 10 der Akte) vor, wenngleich es auf diese, aufgrund der wirksamen Eichung, nicht ankommt. Denn der Umstand, dass das Messgerät geeicht war, impliziert, dass der Eichbehörde die Konformitätsbescheinigung und die Konformitätserklärung vorgelegen haben und das Messgerät ordnungsgemäß in den Verkehr gebracht worden ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.01.2021 – 2 RBs 1/21 -, BeckRS 2021, 476 Rn 11 ff.).

Die oben festgestellte und hinreichende Schulung des Zeugen …, ergibt sich aus den Zertifikaten, Bl. 13, 13 Rückseite, 14,14 Rückseite, 15,15 Rückseite, 16 der Akte. Daraus ist ersichtlich, dass der Betroffene nicht nur für das verwendete Messgerät sondern darüber hinaus auch zum Thema WLAN und Netzwerkanbindung sowie zu „Polyscan Office Pro“ geschult worden ist.

Der Zeuge … hat in seiner Vernehmung glaubhaft bekundet, dass er die Messung entsprechend der Gebrauchsanweisung durchgeführt hat und dass die Angaben im Messprotokoll (Bl.12, 12 Rückseite der Akte) zutreffend sind. Auch hat er bestätigt, dass er umfangreich für das Messgerät geschult worden ist, zuletzt im Jahr 2021. Insbesondere hat er auch bekundet, dass keine Reparaturen seit der letzten Eichung vorgenommen worden sind.

Er habe aus dem VW … herausgemessen. Zur Verdeutlichung der Messstelle hat der Zeuge in der Hauptverhandlung einen Kartenausdruck (Anl. 1 zum Protokoll), auf dem er mit einem Kreuz die Messstelle markiert hat sowie eine Übersichtsaufnahme (Anl. 2 zum Protokoll) und darüber hinaus Bilder von dem VW … am Messtag an der Messstelle (Anl. 3 und 4 zum Protokoll) zur Akte gereicht, die in Augenschein genommen wurden sind. Darüber hinaus hat der Zeuge eine Skizze von der Messstelle am Tattag vorgelegt (Anl. 4 zum Protokoll), die auch in Augenschein genommen worden ist. Schließlich hat der Zeuge noch bekundet, auch das Messgerät mit den eichrechtlichen Sicherungs- und Eichkennzeichen am Tattag fotografiert zu haben, wobei er die Fotografien ebenfalls zur Akte gereicht hat (Anl. 5 und Anl. 6 zum Protokoll). Die plausible Aussage des Zeugen wird durch diese Lichtbilder und Skizzen bestätigt.

Auch erläuterte der Zeuge, dass entlang der Straße, an der gemessen wurde, Schulkinder laufen. Dort gehe der offizielle Schulweg entlang. Diesen, grün markierten, Weg hat er auf der Übersichtskarte (Anl. 1 zum Protokoll), aufgezeigt. Weiterhin hat er anhand dieser Übersichtskarte erläutert, wo sich Bushaltestelle, Schule etc. befinden. Weiter hat der Zeuge bekundet, dass die Aufbauhöhe des Gerätes etwa 1,35 gewesen sei. Er habe zum ersten Mal aus dem … dort gemessen. Es habe keinerlei Probleme oder Auffälligkeiten gegeben, ansonsten hätte er die ganze Messreihe verworfen.

Deshalb ist von einer standardisierten, ordnungsgemäßen Messung auszugehen.

Zweifel an der Messung oder die Erforderlichkeit für eine weitere Beweisaufnahme hinsichtlich der Messung ergeben sich auch nicht aus der vom Verteidiger vorgelegten privatgutachterlichen Stellungnahme vom 07.11.2022.

Dies gilt zunächst, soweit der Privatsachverständige grundsätzliche, allgemeine Bedenken hinsichtlich des Messverfahrens hat, weil in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung von einem verwertbaren standardisierten Messverfahren auszugehen ist (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 13.01.2022 – 1 OWi 2 SsBs 109/21 -, Rn. 7). Dass die Stellungnahme erst in der Hauptverhandlung und erst nach der Entlassung des Zeugen vorgelegt worden ist, verwundert allerdings. Sofern darin gerügt wird, das falsche Token (zur Signaturprüfung) übersandt worden seien, hätte dies früher geltend gemacht werden können und müssen. Das Gericht hatte hierauf keinen Einfluss und sieht keine Veranlassung, das Verfahren durch Einholung weiterer (nicht notwendigen) Informationen zu verzögern. Die verwerteten Beweismittel sind ausreichend und belegen eine ordnungsgemäße Messung.

Fehlende Reparatur- oder Wartungsnachweise sind ebenfalls unerheblich. Aus den Feststellungen im Messprotokoll sowie der Zeugenaussage ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts, dass seit der letzten Eichung keine Reparaturen oder Wartungen stattgefunden haben. Das Führen einer Lebensakte ist nicht zwingend.

Ein Beschilderungsplan ist überflüssig. Wie sich aufgrund der Beweisaufnahme, insbesondere der Zeugenvernehmung sowie der Inaugenscheinnahme der Lichtbilder gezeigt hat, befindet sich die Messstelle innerhalb geschlossener Ortschaften (weit hinter dem Zeichen 310 StVO und) 94 m vor dem Zeichen 311 StVO. Sofern gerügt wird, dass im Messprotokoll die Aufstellhöhe des Messgerätes nicht angegeben sei, ist dies ebenfalls unbeachtlich. Die Feststellungen im Messprotokoll, wonach die Aufbauhöhe zwischen 0,5 m 1,8 m lag, ist ausreichend. Es handelt sich um ein Musterprotokoll, das nicht zu beanstanden ist. Darüber hinaus hat der Zeuge in der Hauptverhandlung plausibel bekundet, dass die Aufbauhöhe etwa 1,35 m betrug. Dies ist auch plausibel, da aus dem VW … heraus gemessen worden ist.

Die Rüge unter 4.3.9 der privatgutachterlichen Stellungnahme, dass im System nicht eingetragen sei, dass die Messung als Linksmessung durchgeführt worden sei, ist ebenfalls unbeachtlich. Denn wie der Privatsachverständige ebenfalls festgestellt hat, ergibt sich bereits aus dem Messfoto, dass es sich um eine so genannte Linksmessung handelt. Aus dem bloßen Fehlen dieser Angabe im Messsystem erfolgen keine Zweifel hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit der Messung.

Sofern es unter 4.3.10 der privatgutachterlichen Stellungnahme heißt, dass zur Verfahrensweise beim Einrichten das Messpersonal zu befragen sei, hätte und hat der Verteidiger ausreichend Gelegenheit in der Hauptverhandlung gehabt. Anhaltspunkte für eine unsachgemäße Messung haben sich aber nicht gezeigt.

Entgegen der Auffassung des Privatsachverständigen bestehen auch keine Zweifel hinsichtlich der Integrität und Authentizität der Falldatei. Regelmäßig genügt der in der Akte befindliche Ausdruck, so wie er hier auf Bl. 6 vorhanden ist. Der Verteidiger bzw. der Sachverständige hätten auch hinreichend Gelegenheit gehabt, die signierte Falldatei in Augenschein zu nehmen. Sofern erstmals in der Hauptverhandlung gerügt worden ist, dass die Signaturprüfung wegen des veralteten Tokens fehlgeschlagen sei, ist daran zu erinnern, dass die Verwaltungsbehörde bei früherer Nachfrage (oder ggfs. nach Antrag auf gerichtliche Entscheidung) die signierte Falldatei mit aktuellen Token zugänglich gemacht hätte. Sofern der Privatsachverständige ausführt, dass für Messgeräte andere Hersteller gravierende Lücken im Signierungsverfahren demonstriert werden konnten, ist auch dies ohne Relevanz. Eine konkrete Sicherheitslücke bei dem hier in Einsatz gekommenen Messverfahren wurde nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich.

Auch soweit der Sachverständige ausgeführt hat, dass die Auswertung der XML-Daten ergebe, dass ein verspäteter Erfassungsbeginn bei 43,55 m statt der typischen 60-70 m und somit ein verkürzter Erfassungsbereich vorliege, was erfahrungsgemäß auf Hindernisse im Erfassungsbereich zurückzuführen sei, führt dies zu keinen Zweifeln hinsichtlich der konkreten Messung. So hat der Privatsachverständige in diesem Zusammenhang ausdrücklich festgestellt, dass im Messfoto keine Hindernisse zu erkennen seien. Dies wird auch aus den in Augenschein genommenen weiteren Bildern und Übersichtsaufnahmen bestätigt. Darüber hinaus hat der Sachverständige selbst den Inhalt der Gebrauchsanweisung (7.1.1) diesbezüglich in seiner Stellungnahme wie folgt zitiert: „Hindernisse im Messbereich können zu Unterbrechung oder erhöhte Anzahl von annullierten Messungen führen. Hindernisse im Erfassungsbereich das Messgerät sind daher zu vermeiden.“ Aus der Vernehmung des Zeugen hat sich jedoch ergeben, dass es an diesem Tag gerade keine Unterbrechung oder erhöhte Anzahl von Annullierung gegeben hat.

Schließlich ist auch die Tatsache, dass dem Privatsachverständigen bzw. dem Verteidiger nicht die gesamte Messreihe des Tattages zur Verfügung gestellt worden ist, ohne Relevanz. Aufgrund der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für eine Fehlmessung oder für weitere Beweiserhebungen. Auch wird der Grundsatz des fairen Verfahrens nicht tangiert. Der Verteidiger hätte, da die privatgutachterliche Stellungnahme vom 07.11.2022 datiert, ohne weiteres Einsicht in die Messreihe beantragen und gegebenenfalls Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen können.

Die Ansicht des Verteidigers, dass die Messung nicht verwertbar sei, da das Messerverfahren keine hinreichenden Rohmessdaten speichert, folgt das Gericht, in Anlehnung an die herrschende obergerichtliche Rechtsprechung hierzu, nicht, weshalb diese Beanstandung in der Hauptverhandlung durch Beschluss gemäß § 238 Abs. 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG zurückgewiesen wurde. Die oft herangezogene Entscheidung Lv 7/17 des Saarländischen Verfassungsgerichtshofs vom 05.07.2919 (NZV 2019, 414 ff.) betrifft die Verwertbarkeit von Geschwindigkeitsmessgeräten, die überhaupt keine Rohmessdaten speichern und dem Betroffenen also keine Möglichkeit geben, die Plausibilität des Messergebnisses nachträglich zu überprüfen. Dies ist auf Messungen mit dem Geschwindigkeitsmessgerät Poliscan Speed der Firma … nicht zu übertragen (OLG Koblenz, Beschluss vom 09.07.2020 – 3 OWi 6 SsRs 189/20 -, BeckRS 2020, 20132 Rn. 9).

Im Ergebnis steht deshalb die Ordnungsgemäßheit der Messung fest. Eine weitere Beweiserhebung, die im Übrigen auch nicht beantragt worden ist, war deshalb nicht geboten.

Die Betroffene hätte auch ohne weiteres erkennen können, dass sie sich noch innerhalb der geschlossenen Ortschaft befindet und die gefahrene Geschwindigkeit auch entsprechend auf unter 50 km/h beschränken können. Zwar befand sich der Messbereich lediglich 94 m vor dem Zeichen 311 StVO (Ortstafel). Jedoch befanden sich auf der rechten Fahrbahnseite noch Häuser, so dass es sich für die Betroffene aufdrängte, dass sie sich noch innerhalb der geschlossenen Ortschaft befindet.

IV.

Nach den getroffenen Feststellungen hat sich die Betroffene wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 27 km/h gemäß § 41 Abs. 1 i.V.m. Anl. 2, § 49 StVO; § 24 StVG; 11.3.5 BKat schuldig gemacht.

Der Verstoß ist der Betroffenen auch vorwerfbar. Sie handelte hierbei fahrlässig. Bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt hätte sie Die Beschilderung (Zeichen 310 StVO) wahrnehmen und ihre Geschwindigkeit auf die innerhalb geschlossener Ortschaften zulässige maximale Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h einrichten können.

Das sich der Messbereich nicht wie im einschlägigen Erlass in der Regel vorgesehen, mindestens 100 m vor der Ortstafel, sondern 94 m davor befand, ändert hieran nichts. Zum einen handelt es sich nur um eine ganz geringfügige Unterschreitung und zum anderen liegt eine nicht unerhebliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor, so dass auszuschließen ist, dass die festgestellte Höchstgeschwindigkeitsüberschreitung maßgeblich hierauf beruht. Im Übrigen heißt es unter 4.1 im einschlägigen Erlass vom 05.02.2015 wie folgt:

„Messstellen sollen in der Regel so eingerichtet werden, dass Beginn beziehungsweise Ende des gerätespezifischen Messbereichs mindestens 100 Meter vom Beginn beziehungsweise Ende einer vorhandenen Geschwindigkeitsbeschränkung oder vorhandenen Ortstafeln (Zeichen 310 beziehungsweise 311 StVO) entfernt sind. Diese Entfernung kann aus besonderem Grund (zum Beispiel Unfallhäufungspunkt, besonders schutzwürdige Örtlichkeiten, vorhandene vorgelagerte Geschwindigkeitstrichter) unterschritten werden.“

Insbesondere da der Schulweg parallel zur Straße in Höhe der Messstelle führt, ist die Unterschreitung der 100 m vorliegend nicht zu beanstanden, zumal es sich nur um eine ganz geringfügige Unterschreitung handelt. Weil Schulkinder erfahrungsgemäß nicht immer auf den vorbeifahrenden Autoverkehr achten und sich auch mal gegenseitig auf die Straße schubsen, ist es besonders wichtig, dass auch im Bereich der Messstelle die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h eingehalten und auch kontrolliert wird. Dass sich in unmittelbarer Nähe zur Messstelle keine Schule oder Ähnliches befindet, ist insofern unbeachtlich. Denn auch der Weg dorthin ist im vorliegenden Fall besonders schutzwürdig.

Sie hat die im Straßenverkehr erforderliche Sorgfalt, zu der sie nach den Umständen und ihren persönlichen Fähigkeiten als Inhaberin einer Fahrerlaubnis verpflichtet und in der Lage war, außer Acht gelassen.

Für ein vorsätzliches Handeln der Betroffenen liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor.

V.

Gemäß § 24 Abs. 2 StVG i. V. m. § 17 OWiG kann die von der Betroffenen begangene fahrlässige Verkehrsordnungswidrigkeit im Höchstmaß mit einer Geldbuße bis zu 1.000 Euro geahndet werden. Zur Ahndung der Tat und zur Einwirkung auf die Betroffene hat das Gericht eine Geldbuße in Höhe von 180 € für tat- und schuldangemessen erachtet.

Gemäß Ziffer 11.3.5 des zur Tatzeit gültigen Bußgeldkataloges, Tabelle 1 Buchstabe c) des Anhangs ist in Fällen, in denen die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft um 27 km/h überschritten wird, regelmäßig eine Geldbuße in Höhe von 180 Euro zu verhängen. Faktoren, die zu einer Erhöhung oder Verringerung der Geldbuße führen, sind nicht ersichtlich. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen sind bei einer Geldbuße in dieser Höhe ohne Belang. Deshalb war es angemessen, diese Regelbuße zu verhängen.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 465 Abs. 1 StPO. Da der Betroffene verurteilt worden ist, hat er die Kosten des Verfahrens und seine Auslagen zu tragen.

 

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