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Führerscheinabgabe bei Behörde – Anrechnung im Erkenntnisverfahren

Fahrverbotsregelungen und amtliche Verwahrung: Eine detaillierte Analyse des Falles des Bayerischen Obersten Landesgerichts

Im Jahr 1994 musste das Bayerische Oberste Landesgericht (Az.: 2 ObOWi 180/94) über einen Fall entscheiden, der den rechtlichen Graubereich von Fahrverboten und der damit verbundenen Führerscheinabgabe beleuchtet. Im Kern ging es um einen Fahrer, dessen Führerschein aufgrund eines versehentlich für rechtskräftig gehaltenen oder nur vorübergehend rechtskräftig gewordenen Fahrverbots in amtliche Verwahrung genommen wurde. Eine unklare Situation, die ein aufschlussreiches Licht auf die Komplexität von Führerscheinabgaben und Fahrverbotsregelungen wirft.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 ObOWi 180/94 >>>

Geschwindigkeitsüberschreitung und Konsequenzen

Im speziellen Fall fuhr der Betroffene mit einer Geschwindigkeit von mindestens 94 km/h, obwohl die zulässige Geschwindigkeit 80 km/h betrug. Das Amtsgericht Schwabach entschied, dass die Regelgeldbuße von 80 DM aufgrund der festgestellten Vorahndungen auf 160 DM erhöht wird. Zudem wurde ein Fahrverbot angeordnet. Hierbei wurde dem Betroffenen beharrliche Pflichtenverletzung vorgeworfen, da er wiederholt Verkehrsregeln missachtete.

Umstrittene Führerscheinverwahrung

Es kam jedoch zu einem rechtlichen Zwiespalt. Während der mit der Rechtsbeschwerde angegriffene Rechtsfolgenausspruch als sachlich-rechtlich unbedenklich galt, gab es Diskrepanzen hinsichtlich der Führerscheinverwahrung. Das Amtsgericht war der Meinung, dass die Dauer der vorzeitigen Verwahrung des Führerscheins als Vollstreckungsangelegenheit zu betrachten und in der rechtskräftigen Entscheidung zu berücksichtigen sei. Das Bayerische Oberste Landesgericht sah dies jedoch anders.

Differenzierte Betrachtung der Führerscheinverwahrung

Das Gericht entschied, dass eine mögliche Anrechnung der Verwahrung nur dann ihren Rechtsgrund in § 25 Abs.6 StVG hätte, wenn eine vorläufige Maßnahme getroffen worden war. Es schien jedoch eher, als ob der Bußgeldbescheid versehentlich als rechtskräftig behandelt oder wegen Versäumung der Einspruchsfrist vorübergehend rechtskräftig wurde. In diesem Fall wäre § 25 Abs.6 StVG nicht anwendbar.

Folgen und Überlegungen zur Neubewertung

Infolgedessen wurde das Urteil teilweise aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Schwabach zurückverwiesen. Der Fall verdeutlicht die Komplexität und möglichen Stolpersteine im Umgang mit Fahrverboten und der damit verbundenen Führerscheinabgabe. Vor allem verdeutlicht er die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung von Verwahrungs- und Anrechnungsregelungen in diesem Kontext.


Das vorliegende Urteil

Bayerisches Oberstes Landesgericht – Az.: 2 ObOWi 180/94 – Beschluss vom 15.07.1994

Ist ein Führerschein aufgrund eines versehentlich für rechtskräftig gehaltenen oder nur vorübergehend rechtskräftig gewordenen Fahrverbots in amtliche Verwahrung genommen worden, so hat die zu erfolgen.

I.   Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Schwabach – Zweigstelle Hilpoltstein – vom 31. Januar 1994 aufgehoben, soweit über eine eventuelle notwendige Anrechnung einer amtlichen Verwahrung des Führerscheins auf das Fahrverbot nicht entschieden worden ist. Mitaufgehoben wird der Kostenausspruch.

II.  Im übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen.

III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Schwabach – Zweigstelle Hilpoltstein – zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Geschwindigkeit zur Geldbuße von 160 DM verurteilt und zugleich ein Fahrverbot von 1 Monat angeordnet. Mit der auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene das Verfahren und die Verletzung sachlichen Rechts.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat mit der Sachrüge einen Teilerfolg.

Nach den Feststellungen, die dem rechtskräftigen Schuldspruch zugrunde liegen, befuhr der Betroffene „am 27.1.1993 etwa zwischen 14.20 Uhr und 14.50 Uhr“ mit einem Pkw die Bundesautobahn A   zwischen den Anschlußstellen A          und I           -Süd mit einer Geschwindigkeit von mindestens 94 km/h, obwohl die zulässige Geschwindigkeit 80 km/h betrug.

Hinsichtlich der Rechtsfolgen hat das Amtsgericht angesichts der festgestellten Vorahndungen, soweit die zugrunde liegenden Verfahren im Zeitpunkt der neuen Tat am 27.1.1993 rechtskräftig abgeschlossen waren, es für schuld- und tatangemessen erachtet, die Regelgeldbuße von 80 DM auf 160 DM zu erhöhen. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Gleiches gilt hinsichtlich der Anordnung des Fahrverbots. Die festgestellte beharrliche Pflichtenverletzung hat das Amtsgericht ausschließlich mit Taten begründet, die vor der den Gegenstand dieses Verfahrens bildenden Tat begangen wurden. Diese Taten lassen den Schluß zu, daß dem Betroffenen die für die Teilnahme am Straßenverkehr erforderliche rechtstreue Gesinnung und die notwendige Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlen. Auch zur Frage der Verhältnismäßigkeit des Fahrverbots hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei Stellung genommen.

Der mit der Rechtsbeschwerde angegriffene Rechtsfolgenausspruch ist sonach sachlich-rechtlich nicht zu beanstanden. Die Rechtsbeschwerde ist insoweit offensichtlich unbegründet.

Dennoch ist das Urteil teilweise aufzuheben. Anlaß hierzu gibt folgende Passage im Urteil:

„Ob und gegebenenfalls wie lange der Führerschein des Betroffenen im vorliegenden Verfahren bereits in Verwahrung genommen war, ist für die Entscheidung ohne Bedeutung und bei der Vollstreckung der rechtskräftigen Entscheidung zu berücksichtigen.“

Mit seiner Ansicht, daß es sich bei der Berücksichtigung einer vorzeitigen Verwahrung des Führerscheins um eine Vollstreckungsangelegenheit handelt, hätte das Amtsgericht nur dann recht, wenn eine mögliche Anrechnung ihren Rechtsgrund in § 25 Abs.6 StVG haben sollte. Die Anrechnung nach dieser Vorschrift ist grundsätzlich Aufgabe der Vollstreckungsbehörde (vgl. BGHSt 27, 287 f.; BayObLGSt 1986, 155 f.). Es erscheint in der vorliegenden Bußgeldsache aber unwahrscheinlich, daß eine vorläufige Maßnahme im Sinne von § 25 Abs.6 StVG getroffen worden war. Es ist vielmehr wahrscheinlicher, daß der Bußgeldbescheid versehentlich als rechtskräftig behandelt worden oder wegen Versäumung der Einspruchsfrist vorübergehend rechtskräftig geworden war, ehe das Verfahren nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seinen Fortgang nahm. In diesem Fall greift § 25 Abs.6 StVG nicht (vgl. BayObLGSt aaO 157). Da sich die Anrechnungsfrage auch nicht ohne weiteres aus einer anderen gesetzlichen Vollstrek-kungsregel klären läßt, ist die Entscheidung mit konstitutiver Wirkung im Urteil geboten. In diesem Fall ist die Anrechnung im Erkenntnisverfahren anzuordnen (BayObLGSt aaO).

Wegen des aufgezeigten möglichen Mangels, der sich losgelöst von der Sanktion als solcher beheben läßt (BayObLGSt aaO 156), ist das Urteil samt dem Kostenausspruch aufzuheben. Soweit mit der Rechtsbeschwerde der Wegfall des Fahrverbots und die Herabsetzung der Geldbuße begehrt wird, ist das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.

III.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgericht Schwabach – Zweigstelle Hilpoltstein – zurückverwiesen. Der Senat entscheidet durch Beschluß nach § 79 Abs.5 OWiG.

IV.

Für das weitere Verfahren wird angemerkt: Gegenstand der Anrechnung können nur Maßnahmen der Verwaltungsbehörde sein, die im beim Tatrichter anhängigen Verfahren getroffen worden sind. War der Führerschein in einem anderen, noch nicht abgeschlossenen Bußgeldverfahren amtlich verwahrt, so hat die eventuelle Anrechnung im dortigen Verfahren zu geschehen.

 

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