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Fahrverbotsbeginn bei Verlust des Führerscheins

AG Bremen, Az.: 82 Cs 650 Js 62443/09 (12/10), Beschluss vom 28.07.2010

In der Strafvollstreckungssache wird der Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Verurteilten vom 12.07.2010 gegen die Berechnung der Fahrverbotsdauer durch die Staatsanwaltschaft Bremen als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens sowie seine eigenen notwendigen Auslagen trägt der Verurteilte.

Gründe

Mit Strafbefehl vom 20.01.2010 ist dem Verurteilten wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis unter anderem gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 Strafgesetzbuch (StGB) für die Dauer von zwei Monaten verboten worden, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen. Der Strafbefehl ist seit dem 23.03.2010 rechtskräftig. Mit Schreiben vom 11.05.2010 forderte die Staatsanwaltschaft Bremen den Verurteilten auf, sofort sämtliche in seinem Besitz befindlichen Führerscheine oder eventuell vorhandene Ersatzpapiere zu übersenden, damit das Fahrverbot vollzogen werden könne. Am 19., 20. und 21.05.2010 suchte der Verurteilte mit seinem Verteidiger ausweislich eines Aktenvermerks die Rechtspflegerin bei der Staatsanwaltschaft auf. Der Verteidiger teilte hierbei mit, dass der Verurteilte ihm seinen Führerschein kurz nach der Hauptverhandlung in der Sache 660 Js 15497/09 vom 23.03.2010 beim Amtsgericht Bremen vor dem Gerichtsgebäude übergeben habe. Am 24.03.2010 habe er den Führerschein mit einfachem Brief der Staatsanwaltschaft Bremen übersandt.

Weder bei der Staatsanwaltschaft Bremen noch beim Stadtamt Bremen war der Führerschein auffindbar. Dem Verurteilten wurde daraufhin durch die Rechtspflegerin der Staatsanwaltschaft Bremen mitgeteilt, dass er eine Verlustanzeige und die Beantragung von Ersatzpapieren veranlassen müsse und die Frist sodann ab dem Zeitpunkt der Antragstellung berechnet werde.

Am 21.05.2010 war der Verurteilte beim Bürger Service Center Bremen, um eine Verlustmeldung abzugeben und einen Antrag auf einen Ersatzführerschein zu stellen. Dort sei dem Verurteilten gemäß seinen eigenen Angaben erklärt worden, dass kein Ersatzführerschein ausgestellt werden könne, weil der Führerschein seit dem 21.12.2009 in amtlicher Verwahrung beim Stadtamt Bremen – Fahrerlaubnisbehörde – sei.

Am 31.05.2010 begab der Verurteilte sich mit seinem Verteidiger zur Fahrerlaubnisbehörde. Dort sei die Auskunft erteilt worden, dass sich der Führerschein des Verurteilten seit dem 21.12.2009 dort in Verwahrung befinde, aber nicht mehr aufgefunden werden könne. Daraufhin sollte dem Verurteilten ein Ersatzführerschein ausgestellt werden. Es kam dann jedoch zur Sprache, dass hinsichtlich der Fahrerlaubnisklasse CE eine Verlängerung erfolgen solle. Der Verurteilte zog es aus diesem Grund vor, nachfolgend einen Antrag auf Verlängerung zu stellen. Ihm wurde daraufhin am 31.05.2010 kein Ersatzführerschein, sondern eine Ausnahmegenehmigung erteilt, die ihn für die Dauer von sechs Wochen berechtigte, Kraftfahrzeuge zu führen, ohne im Besitz eines Führerscheins zu sein.

Am 04.06.2010 erließ die Staatsanwaltschaft Bremen eine Beschlagnahmeanordnung und eine Anordnung zur Durchsuchung der Wohnung des Verurteilten zur Auffindung des Fahrerscheins. Bei der Durchsuchung der Wohnung und des Fahrzeugs des Verurteilten am 05.06.2010 wurden keine Führerscheine aufgefunden. Am 07.06.2010 gab der Verurteilte beim Stadtamt Bremen eine Verlustanzeige hinsichtlich seines Führerscheins ab. Mit Schreiben vom 11.06.2010 versicherte der Verurteilte schriftlich an Eides statt, dass er über keinen Führerschein mehr verfüge. Am 22.06.2010 versicherte der Verurteilte gegenüber dem Obergerichtsvollzieher K eidesstattlich, dass ihm kein Führerschein vorliege.

Die Staatsanwaltschaft Bremen berechnete in Anknüpfung an die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vor dem Obergerichtsvollzieher K die Dauer des Fahrverbotes und teilte dem Verteidiger mit, dass es am 21.08.2010 ende. Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit der „Erinnerung“.

Die „Erinnerung“ ist als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 458 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) auszulegen und als solcher zulässig. Der Antrag erweist sich aber als unbegründet.

Ein Fahrverbot wird gemäß § 44 Abs. 2 S. 1 StGB mit der Rechtskraft der Entscheidung wirksam, auf der das Fahrverbot beruht. Für die Berechnung der tatsächlichen Fahrverbotsdauer ist jedoch nicht der Zeitpunkt maßgebend, in dem das Fahrverbot wirksam wird, sondern gemäß § 44 Abs. 3 S. 1 StGB der Tag, an dem der Führerschein zwecks Vollstreckung des Fahrverbots in amtliche Verwahrung gegeben wird. Dadurch verlängert sich das Fahrverbot um die Zeit zwischen Rechtskraft und Beginn der Verwahrung.

Umstritten ist, wie der Beginn der Fahrverbotsfrist zu bestimmen ist, wenn der vom Fahrverbot Betroffene behauptet, seinen Führerschein verloren zu haben. Vertreten wird, dass für die Fristberechnung auf den Tag des Verlustes abzustellen sein soll (AG Viechtach NStZ-RR 2006, 352; AG Neunkirchen Blutalkohol 2005, 499) oder auf den Tag des Eingangs der Verlustanzeige beim Gericht oder der Vollstreckungsbehörde (LG Essen NZV 2006, 166; König, in: Hentschel/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage (2009), § 25 StVG Rn. 31).

Nach zutreffender Auffassung ist für die Fristberechnung weder an den Verlust noch an dessen Anzeige anzuknüpfen. Es wird stattdessen zunächst als gleichwertiger Ersatz für die Abgabe des Führerscheins angesehen, dass ein Ersatzführerschein in Verwahrung gegeben wird. Die Verbotsfrist ist sodann vom Zeitpunkt der Abgabe des Ersatzführerscheins zu berechnen. Soweit kein Ersatzführerschein in Verwahrung gegeben wird, ist nach § 463 b StPO zu verfahren, beziehungsweise bei bußgeldrechtlichen Fahrverboten nach § 25 Abs. 4 Straßenverkehrsgesetz (StVG). Dem vom Fahrverbot Betroffenen ist die eidesstattliche Versicherung abzuverlangen. Mit dem Zeitpunkt der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung beginnt die Verbotsfrist, unabhängig davon, welche Angaben der Verurteilte zum Zeitpunkt des Verlustes macht. Die eidesstattliche Versicherung ist als Ersatz für die Verwahrung des Führerscheins anzusehen (OLG Düsseldorf NZV 1999, 521 (522); Stree, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, Kommentar, 27. Auflage (2006), § 44 Rn. 22).

Soweit auf den Zeitpunkt des Verlustes des Führerschein oder der Anzeige des Verlustes abgestellt würde, bestünde keine Möglichkeit Manipulationsversuchen wirksam zu begegnen. Die Ingangsetzung der Fahrverbotsfrist hinge allein von den Angaben des Verurteilten ab. Unabhängig von dieser Zweckmäßigkeitserwägung ist festzustellen, dass die Anwendung des § 463 b StPO systematisch geboten ist, wenn tatsächlich ein Führerscheinverlust eingetreten ist und kein Ersatzführerschein in amtliche Verwahrung gegeben wird. § 463 b Abs. 1 StPO sieht die Beschlagnahme des Führerscheins vor, wenn er aufgrund eines Fahrverbotes amtlich zu verwahren ist und nicht freiwillig herausgegeben wird. Die Vorschrift ist Ausdruck des Umstandes, dass den vom Fahrverbot Betroffenen bei der Vollstreckung des Fahrverbots nach § 44 StGB eine Obliegenheit zur Mitwirkung trifft. Soweit der vom Fahrverbot Betroffene seine Fahrerlaubnis verloren haben sollte, ist diese Obliegenheit erweitert darum, einen Ersatzführerschein zu beantragen und diesen in Verwahrung zu geben. Diese Obliegenheitserweiterung entspricht den gesetzlichen Pflichten des Betroffenen im Fall eines Führerscheinverlustes. Gemäß § 25 Abs. 4 S. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) ist derjenige, der seine Fahrerlaubnis verloren hat, ohnehin verpflichtet, den Verlust unverzüglich anzuzeigen und sich ein Ersatzdokument ausstellen zu lassen, sofern er nicht auf die Fahrerlaubnis verzichtet. Der schuldhafte Verstoß gegen diese Verpflichtung ist gemäß § 24 StVG, § 75 Nr. 4 FeV bußgeldbewehrt. Demgemäß besteht kein Grund, den Fall, dass der vom Fahrverbot Betroffene seinen Führerschein verloren hat, und er keinen Ersatzführerschein beantragt, um diesen in amtliche Verwahrung zu geben, abweichend vom Fall der nicht freiwilligen Herausgabe des Führerscheins zu behandeln. In beiden Fällen ist nach § 463 b StPO zu verfahren. Die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 463 b Abs. 3 StPO in den Fällen des Führerscheinverlustes entspricht folglich beim Unterlassen der Beantragung eines Ersatzführerscheins und dessen Herausgabe zur amtlichen Verwahrung der gesetzlichen Regelungssystematik.

Die Anknüpfung der Fahrverbotsfrist in den Fällen des Führerscheinverlustes an die amtliche Inverwahrungnahme eines Ersatzführerscheins oder die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 463 b Abs. 3 StPO begründet entgegen geäußerter Bedenken (LG Essen NZV 2006, 166; AG Neunkirchen Blutalkohol 2005, 499 (500)) keine unvertretbare Benachteiligung des vom Fahrverbot Betroffenen. Es liegt in der Hand des Betroffenen, sich entsprechend seiner gesetzlichen Verpflichtung aus § 25 Abs. 4 S. 1 FeV um die kurzfristige Erteilung eines Ersatzführerscheins zu bemühen und durch dessen Herausgabe den zeitnahen Beginn der Fahrverbotsfrist zu bewirken. Soweit er sich nicht um einen Ersatzführerschein bemüht, muss er die durch das Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nach § 463 b Abs. 3 StPO bedingten Verzögerungen bis zum Beginn der Fahrverbotsfrist gegen sich wirken lassen.

In Anwendung der vorstehenden Grundsätze beginnt die Fahrverbotsfrist erst mit der eidesstattlichen Versicherung des Fahrerlaubnisverlustes durch den Verurteilten im Verfahren nach § 463 b Abs. 3 StPO vor dem Gerichtsvollzieher K vom 21.06.2010. Die vermeintliche Übersendung des Führerscheins des Verurteilten an die Staatsanwaltschaft Bremen durch einfachen Brief ist ohne Belang. Der Führerschein ist aufgrund dieses Vorgangs nicht in amtliche Verwahrung gelangt. Soweit die Versendung tatsächlich erfolgt und dabei ein Führerscheinverlust eingetreten sein sollte, müsste der Verurteilte dies gegen sich wirken lassen. Die Übersendung von Post durch einfachen Brief beinhaltet stets die Gefahr des Verlustes und der fehlenden Nachweisbarkeit des Zugangs.

Unabhängig davon, dass die Behauptungen zum Führerscheinverlust unglaubhaft sind, ist entscheidend, dass kein Ersatzführerschein beantragt und in amtliche Verwahrung gegeben worden ist. Am 31.05.2010 ist dem Verurteilten lediglich eine Ausnahmegenehmigung erteilt worden, die ihn für die Dauer von sechs Wochen berechtigte, auch ohne im Besitz eines Führerscheins zu sein, fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu fahren. Inwieweit die Herausgabe dieser Ausnahmegenehmigung den Beginn des Fahrverbotes ausgelöst hätte, kann dahinstehen. Der Verurteilte hat die Ausnahmegenehmigung nicht in amtliche Verwahrung gegeben. Er hat sie gegenüber der Strafvollstreckungsbehörde nicht einmal erwähnt.

Der Verurteilte kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihm mitgeteilt wurde, dass die bloße Verlustmitteilung und Beantragung von Ersatzdokumenten bereits ausreichend seien, die Fahrverbotsfrist beginnen zu lassen. Der Verurteilten ist bereits mit Schreiben vom 11.05.2010 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Fahrverbotsfrist erst von dem Tag an gerechnet wird, an dem die Führerscheine oder eventuell vorhandene Ersatzpapiere bei der Staatsanwaltschaft Bremen zur amtlichen Verwahrung eingegangen sind. Er hätte zumindest die ihm erteilte Ausnahmegenehmigung zur Verwahrung herausgeben müssen. Unerheblich ist ferner die Versicherung an Eides statt des Verurteilten vom 11.06.2010. Diese ist nicht im Verfahren nach § 463 b Abs. 3 StPO ergangen. Es handelt sich folglich nur um eine erneute Anzeige des Führerscheinverlustes, die nicht ausreichend ist, um den Beginn des Fahrverbots auszulösen. Die Wahl der Form einer Versicherung an Eides statt ist insoweit ohne Bedeutung.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.

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