Job oder Führerschein? OLG Koblenz entscheidet: Härtefall bei Fahrverbot möglich
Das Oberlandesgericht Koblenz bestätigte die Rechtmäßigkeit eines Fahrverbots von einem Monat für einen Verkehrsteilnehmer, der erheblich zu schnell fuhr. Ein Absehen vom Fahrverbot ist nur in außergewöhnlichen Härtefällen gerechtfertigt, nicht jedoch bei üblichen beruflichen oder privaten Nachteilen.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Zentrale Punkte des Urteils:
- Bestätigung des Fahrverbots: Das OLG Koblenz wies die Rechtsbeschwerde des Betroffenen als unbegründet zurück.
- Kein Rechtsfehler: Die Überprüfung ergab keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen.
- Vorsätzliches Übertreten der Geschwindigkeitsbegrenzung: Bei Überschreitung um mehr als 30 km/h innerorts geht man von Vorsatz aus.
- Gleichbehandlungsprinzip: Das Fahrverbot gilt grundsätzlich für alle Verkehrsteilnehmer gleich.
- Ausnahmen vom Fahrverbot: Nur bei konkreter Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz, wie drohendem Arbeitsplatzverlust, kann vom Fahrverbot abgesehen werden.
- Verkehrserzieherische Einwirkung: Ein Fahrverbot dient auch der Verkehrserziehung und soll spürbare Konsequenzen aufzeigen.
- Zumutbarkeit des Fahrverbots: Die mit dem Fahrverbot verbundenen Unannehmlichkeiten und Kosten sind in der Regel als selbstverschuldet und zumutbar anzusehen.
- Planung und Anpassung: Möglichkeiten, ein Fahrverbot zu überbrücken, beinhalten Urlaubsplanung oder Nutzung alternativer Transportmittel.
Übersicht
Fahrverbote im Fokus des Verkehrsrechts
Im Zentrum der aktuellen juristischen Diskussion steht das Fahrverbot als Sanktion bei Verkehrsvergehen. Besonders beleuchtet wird dabei die Frage, unter welchen Umständen von einem solchen Regelfahrverbot abgesehen werden kann. Diese Debatte ist geprägt von der Abwägung zwischen der Notwendigkeit, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten, und den individuellen Härtefällen, die durch berufliche oder private Nachteile entstehen können. Die Entscheidungen der Gerichte, insbesondere des OLG Koblenz, geben Aufschluss darüber, wie solche Fälle im Spannungsfeld von gesetzlicher Regelung und individueller Situation behandelt werden.
Der Umgang mit Härtefällen und deren Definition im Kontext von Fahrverboten stellt Juristen und Betroffene vor komplexe Herausforderungen. Die Beurteilung, ob ein Fahrverbot unangemessene berufliche oder private Nachteile mit sich bringt, erfordert eine detaillierte Betrachtung des Einzelfalls. Dabei spielen nicht nur die Geschwindigkeitsbegrenzungen und das Ausmaß der Überschreitung eine Rolle, sondern auch die persönlichen Umstände des Betroffenen. Die Rechtsprechung setzt hier auf eine verkehrserzieherische Einwirkung, um die Sicherheit auf den Straßen zu erhöhen und gleichzeitig Gerechtigkeit im Einzelfall zu gewährleisten.
OLG Koblenz entscheidet über Fahrverbote und Härtefälle
Das Oberlandesgericht Koblenz hat in einem richtungsweisenden Beschluss die Frage behandelt, inwiefern berufliche oder private Nachteile ein Absehen von der Verhängung eines Regelfahrverbots rechtfertigen können. Im spezifischen Fall ging es um die Rechtsbeschwerde eines Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Sinzig. Die Entscheidung fiel am 26. Juni 2015 unter dem Aktenzeichen 2 OWi 3 SsBs 32/15. Der Kern des Falls liegt in der Auslegung des § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 473 Abs. 1 S. 1 StPO, wobei die Rechtsbeschwerde des Betroffenen als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen wurde.
Analyse des Tatbestands und der rechtlichen Grundlagen
Die juristische Auseinandersetzung drehte sich um eine signifikante Geschwindigkeitsüberschreitung, die vom Gericht als vorsätzliche Handlung eingestuft wurde. Hierbei ist zu beachten, dass bei Überschreitungen einer bestimmten Grenze, im konkreten Fall 30 km/h über dem innerörtlichen Limit, nach ständiger Rechtsprechung von einem Vorsatz ausgegangen wird. Diese Auslegung basiert auf der Annahme, dass eine derart massive Übertretung der Geschwindigkeitsbegrenzung kaum unbemerkt bleiben kann. Das Gericht folgte in seiner Argumentation den rechtlichen Rahmenbedingungen, die eine konsequente Handhabung solcher Vergehen vorsehen, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten.
Fahrverbote und ihre gerechte Handhabung
Ein zentraler Punkt des Urteils war die Frage, unter welchen Umständen von einem Fahrverbot abgesehen werden kann. Das Gericht stellte klar, dass ein Fahrverbot eine standardmäßige Rechtsfolge für gravierende Verkehrsverstöße darstellt und eine wichtige verkehrserzieherische Funktion erfüllt. Die Möglichkeit, von einem Fahrverbot abzusehen, wird nur in außergewöhnlichen Härtefällen zugelassen. Dies beinhaltet Situationen, in denen beispielsweise die berufliche Existenz des Betroffenen durch das Fahrverbot konkret gefährdet wäre. Jedoch betonte das Gericht, dass berufliche oder private Nachteile, die häufig mit Fahrverboten einhergehen, in der Regel nicht ausreichend sind, um eine solche Ausnahme zu rechtfertigen.
Konsequenzen und Bedeutung des Urteils
Die Entscheidung des OLG Koblenz hat weitreichende Bedeutung für die Handhabung von Fahrverboten. Sie verdeutlicht, dass die Gerichte eine strenge Linie bei der Durchsetzung von Verkehrsregeln verfolgen und Fahrverbote als ein wesentliches Instrument zur Erhöhung der Verkehrssicherheit betrachten. Gleichzeitig zeigt das Urteil auf, dass individuelle Umstände zwar berücksichtigt werden, aber ein Fahrverbot grundsätzlich als eine zumutbare Konsequenz für schwerwiegende Verkehrsverstöße angesehen wird. Es stellt somit einen wichtigen Referenzpunkt für zukünftige Fälle dar, in denen es um die Abwägung zwischen der Notwendigkeit der Verkehrssicherheit und individuellen Härtefällen geht.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
In welchen Fällen kann von einem Regelfahrverbot abgesehen werden?
Von einem Regelfahrverbot kann in bestimmten Fällen abgesehen werden. Dies ist jedoch immer eine Einzelfallentscheidung und hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Ersttäter haben die Möglichkeit, den Beginn des Fahrverbots selbst zu bestimmen und können dieses zum Beispiel in ihre Urlaubszeit legen. Unter bestimmten Umständen können einzelne Fahrzeugklassen ausgenommen werden, wie zum Beispiel die Klasse T und L, die vor allem für die Tätigkeit in der Landwirtschaft häufig unerlässlich sind.
In Ausnahmefällen kann ein regulär verhängtes Fahrverbot durch ein höheres Bußgeld ersetzt werden. Dazu muss jedoch ein Härtefall vorliegen. Die Entscheidung darüber trifft stets ein Richter im Einzelfall. Beispiele für solche Härtefälle sind, wenn die wirtschaftliche Existenz eines Taxifahrers durch das Fahrverbot bedroht wäre oder wenn der Fahrer aufgrund einer Behinderung keine Strecken zu Fuß zurücklegen kann, die länger als 200m sind und zusätzlich auf seinen Job angewiesen ist.
Ein Fahrverbot kann auch umgangen werden, wenn die Blitzermessung fehlerhaft war, ein Augenblicksversagen oder eine Sonnenblendung vorlag.
Es gibt auch Fälle, in denen von einem Regelfahrverbot abgesehen wurde, weil die Geschwindigkeitsüberschreitung bei geringem Verkehrsaufkommen stattfand oder der Fahrer beruflich auf die Fahrerlaubnis angewiesen war.
Gemäß § 25 StVG ist es unzulässig, eine Ausnahme nach Fabrikat, Fahrzweck, Halter, Benutzungsort oder Benutzungsart eines Kraftfahrzeuges zu bestimmen.
Es ist auch möglich, dass von einem Fahrverbot abgesehen wird, wenn der Betroffene Anhaltspunkte dafür vorträgt, dass es sich nicht um einen groben oder beharrlichen Verstoß handelt.
Sowohl beim Fahrerlaubnisentzug als auch beim Fahrverbot können Ausnahmen für bestimmte Fahrzeugarten gemacht werden. Ein typisches Beispiel sind Fahrzeuge, für die ein Führerschein der Klasse T oder L benötigt wird.
Das vorliegende Urteil
OLG Koblenz – Az.: 2 OWi 3 SsBs 32/15 (2) – Beschluss vom 26.06.2015
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Sinzig vom 9. März 2015 wird auf seine Kosten (§ 46 Abs. 1 OWiG iVm. mit § 473 Abs. 1 S. 1 StPO) als offensichtlich unbegründet verworfen.
Gründe
Die Überprüfung des Urteils nach Maßgabe der Rechtsbeschwerdebegründung und der Gegenerklärung vom 24. Juni 2015 hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG iVm. § 349 Abs. 2 StPO).
Zutreffend geht der Tatrichter von vorsätzlicher Begehungsweise aus, denn im Falle einer allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung (hier: § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO) kann allein aus der objektiven Überschreitung auf Vorsatz geschlossen werden, wenn diese so massiv ist, dass deren (fahrlässige) Nichtwahrnehmung durch den Betroffenen schlechterdings ausgeschlossen ist. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Koblenz ab einer Überschreitung der innerörtlich zulässigen Geschwindigkeit um 30 km/h der Fall (vgl. Senat, 2 SsRs 116/13 v. 24.1.2014; 2 SsBs 80/13 v. 17.1.2014; OLG Koblenz, 1 Ss 207/02 v. 9.10.2002).
Auch die Anordnung eines Fahrverbots von einem Monat ist rechtsfehlerfrei erfolgt. Zwar kann trotz der grundsätzlich gebotenen Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer ein Absehen von einem an sich gebotenen Fahrverbot gerechtfertigt sein, wenn dieses über bloße Erschwernisse bei der Berufsausübung hinaus zu einer konkreten Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Betroffenen führt, etwa bei einem drohenden Verlust des Arbeitsplatzes. Das Absehen von einem Regelfahrverbot kommt aber nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen in Betracht, da es sich bei den Tatbeständen, für welche die Nebenfolge als Rechtsfolge regelhaft vorgesehen ist, um besonders gravierende und gefahrträchtige Pflichtverletzungen handelt, die eine verkehrserzieherische Einwirkung gerade durch das als besonders schmerzlich empfundene Fahrverbot erfordern. Mit dem Fahrverbot verbundene Unbequemlichkeiten und Kosten sind in der Regel zumutbar und vom Betroffenen als selbstverschuldet in Kauf zu nehmen (OLG Koblenz, 1 Ss 151/99 v. 17.8.1999 mwN.). Eine erhebliche, eine Ausnahme rechtfertigende Härte liegt nicht schon dann vor, wenn mit dem Fahrverbot berufliche oder private Nachteile verbunden sind bzw. der Betroffene in besonderem Maße auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist (vgl. OLG Koblenz NZV 1996, 373). Denn berufliche Nachteile auch schwerwiegender Art sind mit einem Fahrverbot nicht nur in Ausnahmefällen, sondern sehr häufig verbunden. Der Umstand, beruflich besonders auf die Fahrerlaubnis angewiesen zu sein, muss für den Betroffenen vielmehr ein besonderer Grund sein, sich verantwortungsbewusst zu verhalten (vgl. OLG Bamberg, 2 Ss OWi 339/13 v. 22.4.2014 – NZV 2014, 98 <Rn. 31 n. juris>). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Dauer eines einmonatigen Fahrverbots – gerade in den Fällen der Gewährung einer viermonatigen Frist nach § 25a Abs. 2 Buchst. a StVG – in zumutbarer Weise durch eine entsprechende Planung des dem Betroffenen zustehenden Jahresurlaubs (vgl. OLG Hamm, 3 Ss OWi 163/05 v. 10.5.2005 – Verkehrsrecht aktuell 2005, 160 >Rn. 6 n. juris>; KG Berlin, 2 Ss 321/98 v. 27.11.1998) bzw. durch eine Kombination verschiedener Maßnahmen wie die Inanspruchnahme von Urlaub, Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Anstellen eines bezahlten Fahrers usw. überbrückt werden kann (vgl. Senat, 2 SsBs 48/10 v. 9.7.2010; OLG Frankfurt, 2 Ss OWi 239/09 v. 30.10.2009 – Verkehrsrecht aktuell 2010, 16 <Rn. 7 n. juris>). Davon ist das Amtsgericht hier rechtsfehlerfrei ausgegangen.