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Fahrtenbuchauflage – Zeugnisverweigerungsrecht bei Geschwindigkeitsüberschreitung

VG Augsburg – Az.: Au 3 S 11.1380 – Beschluss vom 20.10.2011

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 2.400,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich dagegen, ein Fahrtenbuch führen zu müssen.

1. Der Antragsteller ist Halter eines Personenkraftwagens, mit dem am 15. März 2011 auf der BAB… in … die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h um 36 km/h überschritten wurde. Der Antragsteller sandte den Anhörungsbogen mit der Bemerkung zurück, er habe sich in der Zeit vom 11. März 2011 bis 2. April 2011 auf … in Urlaub befunden. Angaben zum Fahrer des Wagens am 15. März 2011 machte der Kläger nicht. Auf dem bei der Verkehrskontrolle aufgenommenen Lichtbild ist eine weibliche Person zu erkennen.

Die für den Wohnort des Antragstellers zuständige Polizeiinspektion teilte der Zentralen Bußgeldstelle beim Regierungspräsidium … mit, der Antragsteller habe lediglich wiederholt, im fraglichen Zeitraum auf … gewesen zu sein. Nachfragen beim Bürgermeister und bei Nachbarn hätten ergeben, dass der Antragsteller öfter wechselnde Frauenbekanntschaften habe. Wer die abgebildete Dame sei, habe nicht in Erfahrung gebracht werden können.

Auf die Anhörung wegen der Auflage, ein Fahrtenbuch führen zu müssen, teilte der Antragsteller am 7. Juli 2011 mit, sein Anwalt meine, dass man Angehörige, die man im Verdacht habe, nicht anzeigen müsse.

Mit Bescheid vom 16. August 2011 verpflichtete das Landratsamt … den Antragsteller, ab dem 1. September 2011 auf die Dauer von 12 Monaten für seinen Personenkraftwagen ein Fahrtenbuch zu führen. Der sofortige Vollzug wurde angeordnet.

2. Der Antragsteller ließ Klage erheben (Au 3 K 11.1378) und beantragt weiter, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes … vom 16. August 2011 wiederherzustellen.

Zur Begründung wird vorgetragen, die Fahrtenbuchauflage sei angesichts der Bedeutung des Verkehrsverstoßes unverhältnismäßig. Die Ermittlungen der Fahrerin seien nicht ausreichend gewesen. Es handle sich um die Tochter des Antragstellers. Die Polizei hätte sich bei der Gemeinde erkundigen können, ob der Antragsteller Kinder habe. Anhand der Lichtbilder des Einwohnermeldeamtes hätte die Fahrerin identifiziert werden können. Bezüglich seiner Tochter habe der Antragsteller ein Zeugnisverweigerungsrecht.

3. Das Landratsamt beantragt für den Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.

Die Fahrtenbuchauflage sei verhältnismäßig, da der Verkehrsverstoß mit einem Bußgeld von 120,00 EUR und einem Eintrag in das Verkehrszentralregister mit 3 Punkten zu ahnden gewesen wäre. Ermittlungen hinsichtlich der familiären Verhältnisse des Antragstellers seien weder zumutbar noch zulässig gewesen.

II.

Der Antrag bleibt ohne Erfolg.

Ordnet die Behörde, wie hier, nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes an, kann der Betroffene gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO bei Gericht beantragen, die aufschiebende Wirkung seines Rechtsbehelfs wiederherzustellen.

Bei der Entscheidung über den Antrag hat das Gericht eine eigenständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist das öffentliche Interesse daran, dass die Fahrtenbuchauflage unverzüglich vollzogen wird, abzuwägen gegen das Interesse des Antragstellers, hiervon zumindest vorläufig verschont zu bleiben. Dabei sind auch die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu berücksichtigen, da am sofortigen Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes ebenso wenig ein berechtigtes Interesse bestehen kann, wie an der aufschiebenden Wirkung einer erkennbar unbegründeten Klage. Vorliegend ist der Antrag abzulehnen, da zu Recht angeordnet wurde, dass der Antragsteller ein Fahrtenbuch zu führen hat.

1. Dabei hat das Gericht vorab zu prüfen, ob die Behörde ihrer Verpflichtung aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrtenbuchauflage schriftlich zu begründen, nachgekommen ist. Dies ist hier der Fall. An die besondere Begründung bei einer derartigen, der Gefahrenabwehr dienenden Maßnahme, sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen, da in der Regel das öffentliche Interesse am Sofortvollzug deckungsgleich ist mit dem am Erlass des Verwaltungsaktes selbst (vgl. BayVGH vom 15.4.1999, 11 CS 98.3283). Es handelt sich bei Fahrtenbuchauflagen auch um weitgehend gleiche Sachverhalte (Verstoß, Fahrer nicht feststellbar), so dass Pauschalierungen in der Begründung des Sofortvollzuges unvermeidbar sind.

2. Rechtsgrundlage für die Fahrtenbuchauflage ist § 31 a Abs. 1 Satz 1 der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO). Danach kann die Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene Fahrzeuge das Führen eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Diese Voraussetzungen lagen hier vor.

Es ist zwischen den Beteiligten nicht strittig, dass mit dem Fahrzeug des Antragstellers ein Verkehrsverstoß begangen wurde.

Die Feststellung eines Fahrzeugführers war nicht möglich. Dies ist dann der Fall, wenn die Polizei nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Fahrzeugführer zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen Maßnahmen hierzu ergriffen hat. Die Angemessenheit beurteilt sich danach, ob die Polizei in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die in ähnlich gelagerten Fällen erfahrungsgemäß Erfolg haben. Die in diesem Rahmen gebotene Anhörung des Halters begründet für diesen eine Obliegenheit, an der Aufklärung eines mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes mitzuwirken. Dazu gehört insbesondere, dass er den bekannten oder zumindest den möglichen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreise der Nutzungsberechtigten fördert. Lehnt der Halter dagegen die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, ist es der Polizei regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (vgl. OVG NRW vom 30.11.2005, 8 A 280/05; BayVGH vom 25.11.1997, 11 B 96.2649; VG Augsburg vom 24.6.2011, Au 3 S 11.622, sämtlich zitiert nach juris).

Wie der Antragsteller mit der Klageschrift vom 19. September 2011 erklären ließ, wurde das Fahrzeug von seiner Tochter geführt. Es kommt aber nicht nur darauf an, dass im Endeffekt der Täter nicht festgestellt, sondern auch darauf, dass die Tat geahndet werden kann (vgl. BayVGH vom 30.8.2010, 11 CS 10.1464). Die Benennung des Fahrers nach Ablauf der dreimonatigen Verfolgungsverjährung gemäß § 26 Abs. 3 i.V.m. § 24 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) ist daher regelmäßig irrelevant (vgl. VGH BW vom 30.11.2010, NJW 2011, 628).

Der Antragsteller war seiner Obliegenheit zur Mitwirkung an der Feststellung des Fahrzeugführers auch nicht deshalb enthoben, weil es sich dabei um seine Tochter handelte, bezüglich derer er nach § 71 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) i.V.m. § 52 Abs. 1 Nr. 4 der Strafprozessordnung (StPO) das Recht zur Zeugnisverweigerung hatte. Denn ein „doppeltes Recht“, nach einer Verkehrsordnungswidrigkeit die Aussage verweigern zu können und zugleich trotz fehlender Mitwirkung an der Feststellung des Fahrzeugführers von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, gibt es nicht. Aus der für sich gesehen zulässigen Aussageverweigerung darf die Prognose abgeleitet werden, dass der Halter auch bei künftigen Verstößen mit einem auf ihn zugelassenen Fahrzeug von seinem Recht zum Schweigen Gebrauch macht. Das Risiko, dass dann Verkehrsverstöße nicht geahndet werden können, muss die Rechtsordnung nicht hinnehmen. Sie verlöre sonst die Möglichkeit, in einem Teilbereich des Verkehrsrechts durch die Androhung von Maßnahmen Verkehrsverstößen vorzubeugen. Die Fahrtenbuchauflage ist keine (doppelte) Sanktionierung einer Verkehrsordnungswidrigkeit, sondern eine vorbeugende Maßnahme der Gefahrenabwehr (vgl. BVerwG vom 11.8.1999 BayVBl 2000, 380; BayVGH vom 12.6.2008, 11 CS 08.587).

Der Ermittlungsaufwand war angesichts der Haltung des Antragstellers, der sich zur Person des Fahrers oder zu einem entsprechenden Personenkreis nicht äußerte, angemessen. Auf Grund der Auskünfte, der Antragsteller habe öfter wechselnde Frauenbekanntschaften, war der Kreis der Täterinnen nicht einzugrenzen. Es lag deswegen keineswegs nahe, sich bei dieser Erkenntnislage bei der Gemeinde nach weiblichen Verwandten des Antragstellers zu forschen, sich deren Lichtbilder zu besorgen und diese mit dem Lichtbild, das anlässlich des Verkehrsverstoßes angefertigt wurde, zu vergleichen.

3. Es entspricht sowohl dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass überhaupt ein Fahrtenbuch auferlegt, als auch, dass die Dauer des Führens auf 12 Monate festgelegt wurde. Ein Verkehrsverstoß, der – wie hier – nach Anlage 13 Nr. 5.4 zur Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (FeV) mit 3 Punkten in das Verkehrszentralregister eingetragen und nach Tabelle 1 c) lfd. Nr. 11.3.6 der Bußgeld-Katalog-Verordnung mit einem Bußgeld von 120,00 EUR geahndet wird, rechtfertigt eine entsprechende Maßnahme auch von der Dauer her (vgl. BayVGH vom 18.5.2010, 11 CS 10.357).

4. Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.

Streitwertfestsetzung: §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) und Nr. 46.13 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der sich hiernach ergebende Streitwert von 4.800,00 EUR (12 x 400,00 EUR) ist für das Eilverfahren zu halbieren.

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