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Rotlichtverstoß – Absehen vom Regelfahrverbot

KG Berlin – Az.: 3 Ws (B) 185/18 – 162 Ss 85/18 – Beschluss vom 21.08.2018

Auf Antrag des Betroffenen wird ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung der Rechtsbeschwerdeanträge und deren Begründung gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 19. Februar 2018 gewährt.

Der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 24. Mai 2018 ist gegenstandslos.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 19. Februar 2018 wird nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Der Betroffene hat die Kosten des Wiedereinsetzungsantrages und seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Betroffenen wegen eines fahrlässig begangenen Rotlichtverstoßes zu einer Geldbuße von 200,- Euro verurteilt und ihm gemäß § 25 Abs. 1 StVG für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein des Betroffenen nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Rechtskraft des Urteils (§ 25 Abs. 2a StVG).

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts missachtete der Betroffene am 5. Mai 2016 um 12.08 Uhr im Bereich der Kreuzung Oberlandstraße/Bundesautobahn 100, 12099 Berlin, das rote Lichtzeichen und passierte die Haltelinie der Lichtzeichenanlage, als dieses seit mindestens 15,7 Sekunden leuchtete. Die ausgeurteilte Rechtsfolge folgt der Regelgeldbuße in laufender Nr. 132.3 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV und der Dauer des darin bezeichneten Fahrverbots.

Gegen das am 19. Februar 2018 verkündete Urteil hat der Betroffene form- und fristgemäß Rechtsbeschwerde eingelegt. Das Urteil wurde seinem Verteidiger am 12. März 2018 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt; dieser hat indes die Rechtsbeschwerdeanträge und deren Begründung nicht innerhalb der maßgeblichen Frist von einem Monat (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 345 Abs. 1 StPO), sondern erst mit Schriftsatz vom 13. April 2018 angebracht. Mit Beschluss vom 24. Mai 2018 hat das Amtsgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen und die Entscheidung dem Verteidiger am 31. Mai 2018 zugestellt.

Mit am 5. Juni 2018 bei Gericht eingegangenem Verteidigerschriftsatz hat der Betroffene Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Frist beantragt und ausgeführt, dass es sich bei dem Fristversäumnis um ein Versehen seines Verteidigers gehandelt habe, welches ihm – dem Betroffenen – nicht zuzurechnen sei. Wie der Verteidiger anwaltlich versichert hat, habe er die in seinem digitalen Terminkalender notierte Frist im Zuge der Vornahme weiterer Einträge versehentlich gelöscht und hiernach irrtümlich einen Fristablauf zugrunde gelegt, der mit der notwendigen Erledigung einer arbeitsgerichtlichen Angelegenheit innerhalb desselben Mandatsverhältnisses einhergegangen sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat mit Zuschrift vom 2. Juli 2018 beantragt, dem Betroffenen die beantragte Wiedereinsetzung zu gewähren und seine Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

Die Gegenerklärung des Verteidigers vom 19. Juli 2018 lag dem Senat bei seiner Entscheidung vor.

II.

1. Dem Betroffenen ist auf seinen Antrag gemäß § 46 Abs. 1 OWiG, §§ 44, 45 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Frist zur Anbringung der Rechtsbeschwerdeanträge und deren Begründung zu gewähren.

a) Der Wiedereinsetzungsantrag ist gemäß § 46 Abs. 1 OWiG, § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO innerhalb einer Woche nach Kenntnisnahme von der Fristversäumnis und somit rechtzeitig gestellt worden. Wie der Verteidiger anwaltlich versichert hat, habe er die Einhaltung der Frist bei Fertigung und Übermittlung seines Schriftsatzes vom 13. April 2018 nicht mehr gesondert überprüft, weshalb er deren Versäumnis erst mit der am 31. Mai 2018 erfolgten Zustellung des Verwerfungsbeschlusses vom 24. Mai 2018 zur Kenntnis genommen habe. Ebenfalls innerhalb der Wochenfrist nach Wegfall des Hindernisses hat der Betroffene gemäß § 46 Abs. 1 OWiG, § 45 Abs. 2 Satz 2 StPO die Rechtsbeschwerdeanträge über seinen Verteidiger (erneut) gestellt und (nochmals) begründet.

b) Der Betroffene hat weiter über seinen Verteidiger einen Sachverhalt vorgetragen und glaubhaft gemacht, der ein eigenes der Wiedereinsetzung entgegenstehendes Verschulden ausschließt. Denn nach dem anwaltlich versicherten Vortrag des Verteidigers fiel es ausschließlich in dessen Organisationsverschulden, die Frist für die Anbringung der Rechtsbeschwerdeanträge und deren Begründung versäumt zu haben. Das Versehen des Verteidigers ist dem Betroffenen daher nicht zuzurechnen (vgl. nur Meyer-Goßner/Schmidt, StPO 61. Aufl., § 44 Rn. 18 mit zahlreichen Nachweisen).

2. Da keine Säumnis des Betroffenen vorliegt, ist der Verwerfungsbeschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 24. Mai 2018 gegenstandslos (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2017 – 3 Ws (B) 302/17 –; Gericke in Karlsruher Kommentar, StPO 7. Aufl., § 346 Rn. 29).

3. In der Sache hat die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er sich auf die Verjährung der festgestellten Ordnungswidrigkeit beruft und die Verletzung sachlichen Rechts beanstandet, keinen Erfolg.

a) Die bereits auf die ordnungsgemäß erhobene Sachrüge von Amts wegen veranlasste Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen ergibt, dass die festgestellte Ordnungswidrigkeit – entgegen der Ansicht des Rechtsbeschwerdeführers – nicht verjährt ist. Insbesondere war bis zu der am 10. September 2016 erfolgen Zustellung des Bußgeldbescheids vom 26. Juli 2016 an den Betroffenen noch keine Verjährung eingetreten.

aa) Die zunächst dreimonatige Verjährungsfrist (§ 26 Abs. 3 1. Alt. StVG) der am 5. Mai 2016 begangenen Ordnungswidrigkeit ist am 23. Mai 2016 durch die automatisiert veranlasste Übersendung eines Anhörungsbogens an den Betroffenen unterbrochen und zugleich erneut in Gang gesetzt worden, § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 OWiG. Ungeachtet seiner Adressierung an die „…“ und der Anrede „Sehr geehrte Damen und Herren“ wandte sich dieser Anhörungsbogen gegen den Betroffenen persönlich. Wie die Gewerbe-Meldeauskunft der Stadtverwaltung Cottbus vom 16. Juni 2016 dokumentiert, war der Betroffene alleiniger Geschäftsführer der als Adressat bezeichneten Firma und somit als Person individualisierbar. Die Formulierung des Tatvorwurfs mit persönlicher Ansprache („Ihnen wird vorgeworfen … Sie missachteten …“), die Bezugnahme auf das Frontfoto der automatischen Rotlichtkamera als Beweismittel und die angefügte Belehrung über die Betroffenenrechte ließen zudem den eindeutigen Rückschluss zu, dass das Schreiben nicht nur zur Ermittlung des Fahrers an die Firma als Halterin des fraglichen Fahrzeugs übermittelt wurde (vgl. OLG Brandenburg DAR 2007, 396). Die verjährungsunterbrechende Wirkung wurde auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Anhörungsbogen eine nicht mehr zutreffende (Geschäfts-)Adresse aufwies und dem Betroffenen deshalb zunächst nicht zugegangen ist. Denn maßgeblich für die Anwendung des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG ist allein die Anordnung der Anhörung; auf deren erfolgreichen Vollzug – mithin den Zugang beim Betroffenen – kommt es demgegenüber nicht an (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Juni 2017 – 3 Ws (B) 148/17 –; BayObLG DAR 2003, 428; Göhler, OWiG 17. Aufl., § 33 Rn. 6a, 10).

bb) Mit der am 4. August 2016 durch die Verfolgungsbehörde angeordneten vorläufigen Verfahrenseinstellung wegen Abwesenheit des Betroffenen wurde die Verjährungsfrist erneut unterbrochen, § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 OWiG. Eine aktuelle Wohnanschrift des Betroffenen war zu diesem Zeitpunkt – anders als der Verteidiger meint – ausweislich des Akteninhalts nicht bekannt. Unter der (Privat-)Anschrift, wie sie aus der Gewerbe-Meldeauskunft der Stadtverwaltung Cottbus hervorging (…), war der Betroffene ausweislich des Vermerks der PIN AG vom 29. Juli 2016 nicht zu ermitteln. Tatsächlich war er bereits seit dem 1. August 2015 unter der Anschrift …, wohnhaft, unter der ihm der Bußgeldbescheid auch letztlich zugestellt wurde. Diese Anschrift gelangte indes erst durch Mitteilung des Einwohnermeldeamts E… vom 31. August 2016 zur Kenntnis der Behörde. Überdies gilt es zu berücksichtigen, dass die verjährungsunterbrechende Wirkung einer vorläufigen Verfahrenseinstellung wegen Abwesenheit des Betroffenen selbst dann gegeben ist, wenn die Annahme der Abwesenheit auf einem von der Behörde verschuldeten Irrtum beruht (vgl. OLG Bamberg NStZ 2008, 532; BayObLG VRS 58, 389; aA OLG Hamm NZV 2005, 491 [offen gelassen in OLG Hamm NStZ-RR 2008, 85]), solange es sich nicht um eine die bloße Untätigkeit verdeckende Scheinmaßnahme handelt (vgl. hierzu Göhler aaO, § 33 Rn. 3). Denn die enumerative Aufzählung der verjährungsunterbrechenden Handlungen in § 33 OWiG dient der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, weshalb grundsätzlich keine Einzelfallprüfung erfolgt, ob die jeweilige Unterbrechungshandlung objektiv tatsächlich geboten war. Unschädlich ist hiernach, dass es die Behörde mit Rücksicht auf die vorliegende Gewerbe-Meldeauskunft unterlassen hat, vor Erlass des Bußgeldbescheids hinsichtlich des Betroffenen eine aktuelle Melderegisterauskunft einzuholen (die im Übrigen nur den Hinweis auf die gleichfalls überholte Wohnanschrift … erbracht hätte), und auch keinen Versuch einer (Ersatz-)Zustellung unter der aus dem zugehörigen Datensatzauszug ersichtlichen – neuen – Geschäftsadresse unternommen hat.

cc) Nach der Verjährungsunterbrechung durch die am 10. September 2016 erfolgte Zustellung des Bußgeldbescheids vom 26. Juli 2016 (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG) ist die danach geltende sechsmonatige Verjährungsfrist (§ 26 Abs. 3 2. Alt. StVG) jeweils unterbrochen worden durch den Eingang der Akten beim Amtsgericht nach Aktenübersendung durch die Amtsanwaltschaft Berlin am 17. November 2016 (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 OWiG), die Anberaumung eines Hauptverhandlungstermins am 30. Januar 2017 (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 OWiG),

die Vernehmung des Betroffenen in der Hauptverhandlung am 3. April 2017 (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG),

die Beauftragung eines Sachverständigen am 5. Juli 2017 (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG) sowie

die Anberaumung weiterer Hauptverhandlungstermine am 16. November 2017 und 15. Januar 2018.

b) Soweit sich der Rechtsmittelführer mit der Sachrüge insbesondere gegen die Anordnung des Fahrverbotes wendet, deckt die Überprüfung des angefochtenen Urteils keinen ihn belastenden Rechtsfehler auf.

Liegen – wie hier – die Voraussetzungen der §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BKatV iVm laufender Nr. 132.3 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV vor, unter denen ein Fahrverbot als regelmäßige Denkzettel- und Erziehungsmaßnahme angeordnet werden soll, so ist grundsätzlich von einer groben Pflichtverletzung des betroffenen Kraftfahrers im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG auszugehen; sie ist in diesen Fällen bereits indiziert (tatbestandsbezogene Vermutungswirkung). Die Gerichte haben diese Vorbewertung des Verordnungsgebers zu beachten, da die Bindung der Sanktionspraxis sowohl der Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer als auch der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der durch bestimmte Verkehrsverstöße ausgelösten Rechtsfolgen dient. Der Tatrichter ist in diesen Fällen gehalten, ein Fahrverbot anzuordnen. Ein Absehen von dieser Anordnung wegen Wegfalls des Erfolgs- oder Handlungsunwerts kommt nur dann in Betracht, wenn entweder besondere Ausnahmeumstände in der Tat (z.B. atypischer Rotlichtverstoß wegen Ausschlusses eines Gefahrenlage) oder in der Persönlichkeit des Betroffenen (z.B. Augenblicksversagen beim Rotlichtverstoß) offensichtlich gegeben sind und deshalb erkennbar nicht der von § 4 Abs. 1 BKatV erfasste Normalfall vorliegt. Eine Widerlegung der Regelwirkung auf der Rechtsfolgenseite ist (nur) dann in Betracht zu ziehen, wenn eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände, die in ihrer Gesamtheit eine Ausnahme zu begründen vermögen, vorliegen oder wenn die durch die Anordnung eines Fahrverbots bedingte erhebliche Härte oder gar eine Härte außergewöhnlicher Art eine solche Entscheidung als nicht gerecht erscheinen lassen (vgl. etwa Senat NZV 2017, 340; Beschlüsse vom 2. August 2018 – 3 Ws (B) 202/18 – und vom 24. Februar 2016 – 3 Ws (B) 95/16 –). Dem tatrichterlichen Beurteilungsspielraum sind jedoch der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit wegen enge Grenzen gesetzt und die gerichtlichen Feststellungen müssen die Annahme eines Ausnahmefalles nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. Senat VRS 108, 286; Beschlüsse vom 11. Januar 2017 – 3 Ws (B) 659/16 – und vom 2. Juni 2014 – 3 Ws (B) 285/14 –).

Innerhalb dieses Maßstabs hält die Verhängung des Fahrverbots rechtlicher Nachprüfung stand.

aa) Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann, dass dem Rotlichtverstoß des Betroffenen um mehr als eine Sekunde (konkret um mindestens 15,7 Sekunden) die ihm besondere abstrakte Gefährlichkeit innewohnte, die der Gesetzgeber zum Anlass genommen hat, die Anordnung der erzieherischen Maßnahme des Fahrverbots als Regelfolge vorzuschreiben, sind nicht ersichtlich. Insbesondere verfängt der Hinweis der Verteidigung, es habe sich um einen Verstoß während der „verkehrsberuhigten Mittagszeit“ gehandelt, nicht. Denn auch außerhalb der Stoßzeiten des sog. Berufsverkehrs zeichnet sich das Verkehrsaufkommen in einer Großstadt wie Berlin im Tagesverlauf bekanntermaßen durch eine hohe Verkehrsdichte aus. Zudem gilt es in die Bewertung einzustellen, dass es sich bei dem tatbestandlichen Handeln um einen Rotlichtverstoß im Bereich einer Kreuzung mit Zu- und Abfahrten der Bundesautobahn 100 handelte, innerhalb derer sich die Verkehrsführung naturgemäß unübersichtlicher als in weniger komplexen Kreuzungsbereichen darstellt.

bb) Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Anordnung der Maßregel für den Betroffenen eine ganz außergewöhnliche Härte darstellen würde, die er nicht durch ihm zumutbare Maßnahmen abfedern kann (vgl. etwa Senat NJW 2016, 1110; Beschlüsse vom 31. Oktober 2014 – 3 Ws (B) 487/14 – und vom 19. Juni 2013 – 3 Ws 127/13 – mwN). Dass der Betroffene niederländischer Herkunft ist, war dem Amtsgericht ausweislich der Urteilsgründe bekannt; urteilsfremd sind dagegen die Ausführungen des Verteidigers, sein Mandant wäre auf die Fahrerlaubnis aufgrund „privater Kontakte in seine Heimat“ in besonderem Maße angewiesen. Gleiches gilt für die in Bezug genommenen Geschäftsinteressen; insoweit ist zudem anzumerken, dass sich ein Betroffener grundsätzlich nicht darauf berufen kann, aus beruflichen Gründen auf die Fahrerlaubnis angewiesen zu sein, wenn er den Führerschein in Kenntnis der Bedeutung, die dieser für ihn hat, infolge mangelnder Verkehrsdisziplin leichtfertig riskiert (std. Rspr. des Senats, vgl. etwa Beschlüsse vom 11. Januar 2017 – 3 Ws (B) 659/16 –, vom 14. Juli 2015 – 3 Ws (B) 307/15 – und vom 13. Mai 2015 – 3 Ws (B) 42/15 –). Ein Ausnahmefall liegt nur dann vor, wenn dem Betroffenen infolge des Fahrverbots der Arbeitsplatz- bzw. Geschäftsverlust droht und diese Konsequenz nicht durch zumutbare Vorkehrungen abgewendet oder vermieden werden kann (vgl. etwa Senat VRS 127, 74; VRS 117, 197) – was vorliegend weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich ist.

cc) Schließlich steht auch der Zeitablauf seit der Tatbegehung am 5. Mai 2016 der Verhängung eines Fahrverbots nicht entgegen.

Wann bei langer Verfahrensdauer wegen des Zeitablaufs allein oder zusammen mit anderen Umständen die Verhängung eines Fahrverbots nicht mehr in Betracht kommt, ist eine Frage des Einzelfalls, die einen gewissen Beurteilungsspielraum eröffnet. In aller Regel dürfte dieser Zeitpunkt nach etwa zwei Jahren erreicht sein (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Dezember 2005 – 3 Ws (B) 563/05 –; OLG Celle VRS 108, 118; OLG Karlsruhe DAR 2005, 168; BayObLG VRS 106, 463); eine starre Grenze besteht jedoch nicht. Der Zeitraum von zwei Jahren ist lediglich ein Anhaltspunkt dafür, dass eine tatrichterliche Prüfung, ob das Fahrverbot seinen erzieherischen Zweck im Hinblick auf den Zeitablauf noch erfüllen kann, nahe liegt. Sie ist dann anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, ob hierfür maßgebliche Umstände im Einflussbereich des Betroffenen liegen oder Folge gerichtlicher und/oder behördlicher Abläufe sind (vgl. Senat NZV 2017, 340 mwN; OLG Bamberg, Beschluss vom 10. März 2011 – 2 Ss OWi 1889/10 –).

Vorliegend war die Grenze von zwei Jahren im Zeitpunkt des amtsgerichtlichen Urteils, das rund zwanzig Monate nach der festgestellten Tat ergangen ist, noch nicht erreicht. Zwar ist nicht ersichtlich, dass die Verfahrensdauer im Einflussbereich des Betroffenen gelegen hätte; in der vorzunehmenden Gesamtschau gab allein der Zeitablauf dem Amtsgericht indes (noch) keinen zwingenden Anlass, den erzieherischen Zweck des Fahrverbots näher zu prüfen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 StPO.

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