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Fahrtenbuchauflage wegen Verkehrsverstoß von einigem Gewicht mit wenigstens 1 Punkt

VG Leipzig – Az.: 1 K 231/10 – Urteil vom 09.03.2012

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung der Beklagten, mit der ihm die Führung eines Fahrtenbuchs für die Dauer von acht Monaten auferlegt wurde.

Der Kläger war Halter des Pkw Daimler Chrysler mit dem amtlichen Kennzeichen …-… … Mit diesem Fahrzeug wurde am 3.4.2009 auf der Bundesautobahn A 9, Höhe Berg, Richtung Süden, um

14:07 Uhr die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften um 58 km/h (dies abzüglich einer Toleranz von 5 km/h) überschritten. Das gefertigte Blitzfoto zeigt als Fahrer eine männliche Person. Am 16.4.2009 übersandte das Polizeiverwaltungsamt S… dem Kläger eine Anhörung als Betroffener wegen der vorgenannten Verkehrsordnungswidrigkeit, welche der Kläger am 22.4.2009 zurücksandte und ankreuzte, dass er nicht der verantwortliche Fahrzeugführer gewesen sei. Weitere Angaben zur Sache machte er nicht. Dieses Schreiben ging am 28.4.2009 bei der Polizeiverwaltung S… ein. Mit Schreiben vom 5.5.2009 bat sie das Polizeirevier Nordost in L… um Amtshilfe bei der Ermittlung des Fahrers. Laut Aktenvermerk des Polizeireviers L…-Nordost vom 20.5.2009 sei der Kläger mehrfach an der Wohnanschrift aufgesucht, aber nicht angetroffen worden, so dass er schriftlich geladen worden sei. Auf dem Revier habe der Kläger erklärt, dass er nicht angeben könne, wer zum Tatzeitpunkt sein Fahrzeug genutzt habe. Er selbst sei es nicht gewesen und die Bildqualität sei auch nicht gerade dazu geeignet, eine Person erkennen zu können. Über das Einwohnermeldeamt wurde ein Lichtbild des Klägers angefordert. Am 19.6.2009 wurde der Kläger vor dem Amtsgericht Leipzig richterlich vernommen. Hierbei erklärte er, er könne nicht angeben, wer Fahrzeugführer am maßgebenden Tattag gewesen sei. Er selbst sei am Tattag in Berlin gewesen. Trotz mehrfacher intensiver Befragung sei der Kläger bei dieser Aussage geblieben. Mit Verfügung vom 29.6.2009 stellte die Polizeiverwaltung S… das Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen den Kläger ein.

Am 2.7.2009 setzte der Kläger das Fahrzeug Daimler Chrysler, amtliches Kennzeichen …-… …, außer Betrieb.

Mit Schreiben vom 10.7.2009 hörte die Beklagte den Kläger zur Anordnung eines Fahrtenbuchs an, für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen …, dessen Halter der Kläger sei. Im Einzelnen wurde dargelegt, dass, wie dem Kläger bekannt sei, am 3.4.2009 eine Ordnungswidrigkeit begangen worden sei. Da dieses Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … … nicht mehr auf ihn zugelassen sei, sei beabsichtigt, die Fahrtenbuchauflage auf das Ersatzfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … zu erlassen.

Mit Bescheid vom 14.10.2009 ordnete die Beklagte gegenüber dem Kläger für das Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … die Führung eines Fahrtenbuchs für acht Monate an. Diese Fahrtenbuchauflage gelte auch für ein Ersatz-bzw. Nachfolgefahrzeug. Gestützt wurde die Anordnung auf § 31a Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung -StVZO -. Ferner wurde im Einzelnen dargelegt, dass eine Feststellung des Fahrers am Tattag 3.4.2009 nicht möglich gewesen sei. Am 3.4.2009 sei durch den Führer des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen „…“ die im Einzelnen beschriebene Ordnungswidrigkeit begangen worden. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 16.11.2009 Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid der Landesdirektion L… vom 9.2.2010, zugestellt am 11.2.2010, zurückgewiesen wurde.

Am 22.3.2010 wurde das Fahrzeug VW mit dem amtlichen Kennzeichen …-… … auf den Kläger zugelassen. Ferner wurde der Pkw BMW mit dem amtlichen Kennzeichen … am 8.4.2010 außer Betrieb gesetzt.

Mit Bescheid vom 23.4.2010 wurde dem Kläger die Führung eines Fahrtenbuchs für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen …-… … angeordnet. Zur Begründung wurde ausgeführt, ersatzweise für das am 2.7.2009 außer Betrieb gesetzte Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen …-… … sei gegenüber ihm als Fahrzeughalter mit Bescheid vom 14.10.2009 ein Fahrtenbuch für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … angeordnet worden. Dieses Fahrzeug sei am 8.4.2010 ebenfalls außer Betrieb gesetzt worden. Da er der Halter des am 22.3.2010 zugelassenen Fahrzeugs VW mit dem amtlichen Kennzeichen …-… … sei, werde für dieses das Fahrtenbuch angeordnet. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 18.5.2010 Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid der Landesdirektion L… vom 31.5.2010 zurückgewiesen wurde.

Am 17.6.2011 wurde das Fahrzeug VW mit dem amtlichen Kennzeichen … auf den Kläger zugelassen und das Fahrzeug VW mit amtlichen Kennzeichen …-… … am 1.7.2011 auf einen neuen Halter umgeschrieben.

Mit Bescheid vom 23.2.2012 ordnete die Beklagte gegenüber dem Kläger die Führung eines Fahrtenbuches für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … an. Zur Begründung wurde Bezug genommen auf den Bescheid vom 14.10.2009 und 23.4.2010. Da der Kläger seit dem 1.7.2011 nicht mehr Halter des Fahrzeugs VW mit dem amtlichen Kennzeichen …-… … sei, sondern seit dem 17.6.2011 für das Fahrzeug …, werde für dieses die Fahrtenbuchauflage angeordnet. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 28.2.2012 Widerspruch. Mit Schreiben vom 7.3.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie seinem Widerspruch nicht abhelfe und der Vorgang an die Widerspruchsbehörde weitergeleitet werde.

Der Kläger hat bereits am 10.3.2010 Klage erhoben, zunächst gegen den Bescheid der Beklagten vom 14.10.2009. Am 29.6.2010 hat er die Klage gegen den Bescheid vom 23.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.5.2010 erweitert und am 8.3.2012 gegen den Bescheid vom 23.2.2012. Im Hinblick auf letzteren erklärte der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 9.3.2012, dass er auf den Erlass eines Widerspruchsbescheides verzichte.

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, der Fahrer habe am 3.4.2009 auf dem besagten Autobahnabschnitt die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten, so dass kein Verkehrsverstoß vorliege. Ebenso sei die Messung unrichtig und es sei nicht ersichtlich, dass das Messgerät VR 6 F gültig geeicht gewesen sei. Er wisse nicht, ob die gemessenen Daten auch dem Fahrzeug Daimler Chrysler, …-… … zugeordnet werden könnten. Das Blitzfoto sei ohnehin kein Beweis für einen Verkehrsverstoß und es sei auch nicht verwertbar, denn für dieses Foto fehle es an einer formellen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Somit liege ein verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Eingriff in das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung vor. § 100 h Strafprozessordnung – StPO -könne nicht als Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden, da es an einem Anfangsverdacht fehle. Ein Messgerät, welches zunächst die Geschwindigkeit messe und anschließend bei Überschreitung der Geschwindigkeit ein Foto anfertige, könne schon gar keinen Verdacht begründen. Die Bußgeldbehörde habe auch nicht alle zumutbaren Anstrengungen unternommen, um den Fahrer des Kraftfahrzeugs ausfindig zu machen. Die richterliche Befragung und die Vernehmung durch die Polizeibeamten seien zu spät erfolgt, so dass der Kläger gar nicht mehr die Möglichkeit gehabt habe, sich an einen möglichen Fahrer zu erinnern. Auch an der Mitwirkungspflicht des Klägers habe es nicht gefehlt, denn er sei zu den Befragungen stets erschienen und habe sich geäußert. Für ihn selbst gebe es keine verwertbaren Voreintragungen im Bundesverkehrszentralregister. Es sei unverhältnismäßig, dem Kläger gegenüber die Fahrtenbuchauflage nach fast drei Jahren noch aufrecht zu erhalten.

Der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 14.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Landesdirektion L… vom 9.2.2010 nebst des Änderungsbescheides vom 23.4.2010, dieser in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Landesdirektion L… vom 31.5.2010, sowie den Bescheid vom 23.2.2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und macht ergänzend geltend, durch die Übersendung des Anhörungsbogens binnen 13 Tagen sei die Behörde ihren Ermittlungsmöglichkeiten nachgekommen. Im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht habe der Kläger mögliche Fahrer nicht benannt. Die bloße Aussage, dass er nicht der Fahrer gewesen sei, genüge nicht den Mitwirkungspflichten. Es liege auch kein Beweisverwertungsverbot vor, denn es sei hier keine verdachtsunabhängige Messung zur Anwendung gekommen. Erst nach der Geschwindigkeitsmessung, welche eine Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit festgestellt habe, sei es zum Auslöser des Tatfotos gekommen. § 100 h StPO sei als Ermächtigungsgrundlage ausreichend. Hier sei keine Videoaufzeichnung erfolgt, sondern ein Foto mit dem Messsystem Multanova VR 6 F. Das Messgerät sei auch geeicht gewesen, was der Eichschein, dessen Gültigkeit bis Ende 2009 gewesen sei, belege.

Mit Beschluss vom 6.2.2012 wurde das Verfahren gemäß § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 14.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Landesdirektion L… vom 9.2.2010 nebst des Änderungsbescheides vom 23.4.2010, dieser in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Landesdirektion L… vom 31.5.2010 sowie des Bescheides vom 23.2.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage gemäß § 31 a Abs. 1 StVZO liegen vor. Nach dieser Norm kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein auf ihn zugelassenes oder künftig zuzulassendes Fahrzeug die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Verwaltungsbehörde kann dabei auch ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge benennen.

Vorliegend wurde mit dem Kraftfahrzeug, Daimler Chrysler, amtliches Kennzeichen …-… …, dessen Halter der Kläger bis zum 8.4.2010 war, am 3.4.2009 ein Verkehrsverstoß begangen. Denn der Führer des Fahrzeugs überschritt außerhalb geschlossener Ortschaften die höchstzulässige Geschwindigkeit von 100 km/h um 58 km/h. Hierbei liegt, wie nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gefordert, die sich das Gericht zu Eigen macht, ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.5.1995, BVerwGE 98, 227 m.w.N.). Der mit dem auf den Kläger zugelassenen Kraftfahrzeug begangene Verkehrsverstoß wäre gemäß Nr. 11.3. der Anlage zu § 1 Abs. 1 Satz 1 Bußgeldkatalogverordnung mit einem Bußgeld i.H.v. 240,00 Euro und einem Fahrverbot von einem Monat geahndet worden. Ferner wäre gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 3 StVG eine Speicherung im Verkehrszentralregister erfolgt, wobei eine Bewertung gemäß Nr. 4.3 der Anlage 13 zu § 40 FeV mit 4 Punkten vorgenommen worden wäre. Bereits die Bewertung des Verkehrsverstoßes mit wenigstens 1 Punkt rechtfertigt die Annahme, dass es sich um einen Verkehrsverstoß von einigem Gewicht handelt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 9.9.1999 – 3 B 94.99, juris).

1. Dass mit dem Fahrzeug des Klägers am 3.4.2009 der genannte Verkehrsverstoß begangen wurde, steht zur Überzeugung des Gerichts fest. Daran vermag weder der Vortrag des Klägers, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten worden sei, die Messung unrichtig erfolgt sei, noch dass nicht ersichtlich sei, dass das Messegerät VR 6 F gültig geeicht worden sei, etwas zu ändern. Gleiches gilt für seine Ausführungen, er wisse nicht, ob die gemessenen Daten überhaupt dem Fahrzeug Daimler Chrysler, …-… … zuordenbar seien.

Das bloße Bestreiten der Geschwindigkeitsüberschreitung – wie hier – reicht nicht aus, um das Messergebnis und den Geschwindigkeitsverstoß in Zweifel zu ziehen. Messergebnisse, die mit amtlich zugelassenen Geräten im standardisierten Verfahren gewonnen werden, können, wenn mögliche Fehlerquellen durch den Abzug von Messtoleranzen – wie hier – Rechnung getragen worden ist, von Behörden und Gerichten im Regelfall ohne weiteres zu Grunde gelegt werden (vgl. VG Gelsenkirchen, Urt. v. 21.3.2011 – 14 K 1116/10, Rn. 25 f, m.w.N.; VG Trier, Beschl. v. 20.12.2011 – 1 L 1538/11.TR, Rn. 8, juris). Das hier maßgebende Messgerät Typ Multanova VR 6 F-2 wurde laut Eichschein vom 8.5.2008 von der Physikalischen Technischen Bundesanstalt (PTB) zugelassen und weist eine gültige Eichbescheinigung bis Ende 2009 aus. Die gemessene Geschwindigkeit betrug 163 km/h. Unter Abzug einer Messtoleranz von 5 km/h wurde eine Geschwindigkeit von 158 km/h festgestellt, so dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 58 km/h überschritten wurde. Das aufgenommene Blitzfoto zeigt eindeutig das Fahrzeug des Klägers, Daimler Chrysler und das Kennzeichen …-… …, sowie die dazugehörigen Messdaten vom 3.4.2009 um 14:07 Uhr.

Der Kläger geht fehl in der Annahme, dass das Blitzfoto als Beweis für einen Verkehrsverstoß nicht verwertbar sei und es an einer Ermächtigungsgrundlage für die Erstellung des Blitzfotos fehle, insbesondere § 100 h StPO nicht als Ermächtigungsgrundlage herangezogenen werden könne. Ebenso wenig vermag der Kläger sich auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts v. 11.8.2009 – 2 BvR 941/08 – zu berufen, der sich zu einer verdachtsunabhängigen Videoüberwachung auf Grund eines Ministerialerlasses bezieht.

Die hier eingesetzte Geschwindigkeitsmessanlage zeichnet verdachtsabhängig auf. Bei einer solchen Anlage wird zunächst die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs ohne eine Individualisierung ermittelt. Erst bei Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit wird die fotografische Erfassung ausgelöst, welche eine Zuordnung des Fahrzeuges und Fahrers ermöglicht. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.8.2009 ist somit für den vorliegenden Fall bereits nicht einschlägig (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 31.3.2010 – 3 B 3/10 Rn. 7, juris).

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Einsatz bildgebender Messverfahren zur Feststellung von Geschwindigkeits-oder Abstandsverstößen in § 100 h Abs. 1 Nr. 1 StPO i.V.m. § 46 OWiG eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage findet und auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten keine Bedenken bestehen (vgl. z. B. SächsOVG, Beschl. v. 31.3.2010 – 3 B 3/10 Rn. 7; BayVGH, Beschl. v. 24.8.2010 – 11 CS 10.1245 Rn. 20 – m.w.Rspr.N., juris). Schließlich hat auch das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 5.7.2010 – 2 BvR 759/10 – ausdrücklich ausgeführt, dass § 100 h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Anfertigung von Bildaufnahmen darstellt und einen Eingriff in das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung verfassungsrechtlich rechtfertigt.

Selbst wenn das angefertigte Blitzfoto einem Verfahrensverstoß unterliegen würde, was hier jedoch nicht der Fall ist, würde ein eventuell bestehendes strafrechtliches Verwertungsverbot nicht bedeuten, dass im vorliegenden Zusammenhang eine entsprechende Beurteilung geboten wäre. Zwar muss die Behörde auch im Verwaltungsverfahren bei ihren Ermittlungstätigkeiten, die sich aus Gesetzen, allgemeinen Verfahrensgrundsätzen und Grundrechten ergebenden Grenzen beachten, ein ausdrückliches Verwertungsverbot sieht die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung für rechtswidrig erlangte Erkenntnisse über begangene Verkehrszuwiderhandlungen indessen nicht vor. Dies ergibt sich bereits aus der unterschiedlichen Funktion und rechtlichen Ausgestaltung des Straf-und Ordnungswidrigkeitsverfahrens einerseits und des der Gefahrenabwehr dienenden Fahrtenbuchauflage andererseits. Während im Strafprozess das repressive staatliche Strafverfolgungsinteresse im Vordergrund steht, dient die Fahrtenbuchauflage der Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs. Die an den Fahrzeughalter als den Inhaber der Fahrzeugführungsbefugnis über das Fahrzeug gerichtete Anordnung ein Fahrtenbuch zu führen, ist eine Maßnahme zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs, mit der dafür Sorge getragen werden soll, dass künftig die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten möglich ist. Die Sicherheit des Straßenverkehrs und seiner einhergehenden Gefahren für Leib und Leben begründen ein erhebliches öffentliches Interesse, welches es sogar rechtfertigen kann, verfahrensfehlerhaft ermittelte Verkehrsverstöße zur Grundlage von gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahmen zu machen. Demgegenüber bedeutet die Fahrtenbuchauflage für den Halter eine bloße Unannehmlichkeit, in dem er selbst bzw. durch andere Eintragungen vornehmen lassen muss, die lediglich wenige Minuten in Anspruch nehmen (vgl. NdsOVG, Beschl. 7.6.2010, DVBl. 2010, 916 [917]).

2. Die Feststellung des Fahrzeugführers zu der am 3.4.2009 begangenen Ordnungswidrigkeit mit dem auf den Kläger zugelassenen Kraftfahrzeug war auch nicht möglich. Dies ist dann der Fall, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen Maßnahmen ergriffen hat. Die Angemessenheit der Aufklärung beurteilt sich danach, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die in gleichliegenden Fällen erfahrungsgemäß Erfolg haben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 9.12.1993 -11 B 113.93). Dabei kann sich Art und Umfang der Tätigkeit der Behörde, den Fahrzeugführer nach einem Verkehrsverstoß zu ermitteln, an der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Polizei regelmäßig nicht zumutbar, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.1982, BayVBl. 1983, 310; OVG NRW, Urt. v. 30.11.2005, DAR 2006, 172).

Zu den angemessenen und zumutbaren Maßnahmen der Behörde zählt grundsätzlich die unverzügliche, das heißt regelmäßig innerhalb von zwei Wochen erfolgte Benachrichtigung des Fahrzeughalters von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung. Dies ist deshalb geboten, damit der Halter die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Eine verspätete Anhörung schließt eine Fahrtenbuchauflage allerdings dann nicht aus, wenn feststeht, dass die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.6.1987, Buchholz 442.16, § 31 a StVZO Nr. 17; OVG NRW, Urt. v. 30.11.2005, a.a.O.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Ermittlungsaufwand der Behörde – hier der Polizeiverwaltung S… – angemessen. Der Kläger wurde bereits 13 Tage nach dem Verkehrsverstoß am 3.4.2009 unter dem 16.4.2009 durch Übersendung eines Anhörungsbogens und eines Frontfotos zu dem Verkehrsverstoß angehört. Hierzu erklärte er, er sei nicht der verantwortliche Fahrzeugführer gewesen. Weitere Angaben zur Sache erfolgten nicht. Die polizeilichen Ermittlungen, insbesondere die Befragung des Klägers durch die Polizei und auch die richterliche Befragung verliefen ergebnislos. Laut Aktenvermerk vom 20.5.2009 erklärte der Kläger gegenüber der Polizei im Polizeirevier L… Nordost, dass er nicht angeben könne, wer zum Tatzeitpunkt sein Fahrzeug genutzt habe. Er selbst sei es nicht gewesen, und die Bildqualität sei auch nicht gerade dazu geeignet, eine Person erkennen zu können. Auch bei der richterlichen Befragung vor dem Amtsgericht L… am 19.6.2009 erklärt er, er könne nicht angeben, wer Fahrzeugführer zum maßgeblichen Tatzeitpunkt gewesen sei. Er selbst sei am Tattag in Berlin gewesen. Trotz mehrfacher intensiver Befragung sei er bei dieser Aussage geblieben. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die richterliche Befragung und die Vernehmung durch die Polizeibeamten so spät erfolgt sei, dass er gar nicht mehr die Möglichkeit gehabt habe, sich an einen möglichen Fahrer zu erinnern. Denn durch die zeitnahe Übersendung des Anhörungsbogens, 13 Tage nach dem Verkehrsverstoß, hatte der Kläger bereits Gelegenheit, den Fahrzeugführer am Tattag zu benennen bzw. sich zu erinnern, wer das Fahrzeug zum Tattag gefahren hat. Dass er bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gewusst haben will, von wem sein Pkw am 3.4.2009 gefahren wurde, hat nicht einmal der Kläger behauptet. Unabhängig von seinem Erinnerungsvermögen hätte der Kläger anhand des Frontfotos den Fahrzeugführer – auch bei der polizeilichen Vernehmung -erkennen können. Zwar hat er bei seiner polizeilichen Vernehmung erklärt, dass die Bildqualität „nicht gerade dazu geeignet“ sei, eine Person zu erkennen, jedoch ist zu berücksichtigen, dass das Frontfoto keine derart schlechte Qualität aufweist, dass ein bekanntes Gesicht nicht wiederzuerkennen wäre. Weitergehende Ermittlungsmaßnahmen waren der Behörde nicht zumutbar.

Der Kläger ist durch sein Verhalten seinen Mitwirkungspflichten zur Ermittlung des Fahrzeugführers nicht nachgekommen. Nach Sinn und Zweck dient die Fahrtenbuchauflage dazu, Fahrer zu erfassen, die Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer gefährden. Wie bereits ausgeführt, ist sie eine Maßnahme zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung; setzt aber den Nachweis einer konkreten Gefahr nicht voraus. Die Fahrtenbuchauflage soll helfen zu gewährleisten, dass in Zukunft der Täter einer Ordnungswidrigkeit im Hinblick auf die kurze Verjährung rechtzeitig ermittelt wird. Sie soll auf die dem Fahrzeughalter mögliche und zumutbare Mitwirkung bei der Feststellung des Führers des Kraftfahrzeugs hinwirken, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen wurde, und den Fahrzeughalter zur Erfüllung seiner Aufsichtspflichten anhalten, wenn er geltend macht, den Fahrzeugführer nicht zu kennen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.6.1995 -7 B 7.95 -).

Die Befristung der Fahrtenbuchauflage auf acht Monate lässt nicht erkennen, dass das Übermaßverbot verletzt sein könnte. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass bereits eine einmalige Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 20 km/h regelmäßig eine so erhebliche Verkehrsübertretung darstellt, dass eine Androhung nicht ausreichend, sondern die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage mit einer Dauer von mindestens sechs Monate geboten ist, selbst wenn durch die Geschwindigkeitsüberschreitung, die eine der hauptsächlichen Unfallursachen ist, eine konkrete Gefährdung nicht eingetreten ist (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 31 a StVZO, Rn. 8 m.Rspr.N.). Hier lag eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 58 km/h vor, die mit vier Punkten zu bewerten gewesen wäre und einem Monat Fahrverbot. Insofern ist die angeordnete Dauer von acht Monaten angemessen, was im Hinblick auf die mit der Anordnung erstrebten Erhöhung der Verkehrssicherheit durch Überwachung des Fahrzeugbenutzers zu dessen Wirksamkeit erforderlich ist (vgl. z. B. OVG NRW, Urt. v. 30.11.2005, DAR 2006, 172; VG Leipzig, Urt. v. 18.5.2010 – 1 K 474/09, juris).

Im Bescheid vom 14.10.2009 wurde die Fahrtenbuchauflage zu Recht auf das Fahrzeug des Klägers BMW mit dem amtlichen Kennzeichen … angeordnet. Denn dieses Fahrzeug war auf den Kläger zugelassen und das Fahrzeug Daimler Chrysler mit dem amtlichen Kennzeichen …-… …, mit dem der Verkehrsverstoß begangen worden war, wurde am 2.7.2009 vom Kläger außer Betrieb gesetzt. Soweit sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung darauf berufen hat, das im Bescheid vom 14.10.2009 angegeben sei, dass mit dem Fahrzeug „…“ am 3.4.2009 eine Ordnungswidrigkeit begangen worden sei, handelt es sich offensichtlich um ein Schreibfehler der Beklagten. Zudem war aus dem Anhörungsschreiben der Polizeiverwaltung S… vom 16.4.2009 für den Kläger erkennbar, dass mit dem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen …-… … die Verkehrsordnungswidrigkeit am 3.4.2009 begangen wurde und auch aus dem Anhörungsschreiben der Beklagten vom 10.7.2009 zur beabsichtigten Fahrtenbuchauflage war für den Kläger ohne Zweifel erkennbar, dass die Fahrtenbuchauflage für das Fahrzeug mit dem Kennzeichen … erlassen werden soll, weil mit dem seinerzeit auf den Kläger zugelassen Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen …-… … die Ordnungswidrigkeit begangen wurde.

Nachdem der Kläger auch das Fahrzeug BMW mit dem amtlichen Kennzeichen … am 8.4.2010 außer Betrieb hat setzen lassen, hat die Beklagte zu Recht mit Bescheid vom 23.4.2010 die Fahrtenbuchauflage für den ab dem 22.3.2010 auf den Kläger zugelassenen Pkw VW mit dem amtlichen Kennzeichen …-… … angeordnet. Da für dieses Fahrzeug am 1.7.2011 ein neuer Halter eingetragen wurde und auf den Kläger nunmehr am 17.6.2011 der Pkw VW mit dem amtlichen Kennzeichen … angemeldet wurde, hat die Beklagte in rechtmäßiger Weise die Fahrtenbuchauflage mit Bescheid vom 23.2.2012 für den nunmehr auf den Kläger zugelassenen Pkw VW mit dem amtlichen Kennzeichen … angeordnet. Wie bereits ausgeführt, kann die Fahrtenbuchauflage nach § 31 a StVZO auf für Nachfolge-und Ersatzfahrzeuge angeordnet werden. Dies ist im Ausgangsbescheid vom 14.10.2009 erfolgt.

Schließlich vermag auch der Kläger mit seinem Einwand im Schriftsatz vom 6.3.2012, dass es unverhältnismäßig sei, ihm gegenüber die Fahrtenbuchauflage nach fast drei Jahren noch aufrecht zu erhalten, nicht durchdringen. Insbesondere vermag sein Bezug auf § 33 Abs. 3 Satz 2 OWiG und die dortigen Verfolgungsverjährungsfristen keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der hier streitgegenständlichen Bescheide auszulösen. Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist allein die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 14.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides bzw. der Änderungsbescheide – dies betreffend die Kennzeichen der Nachfolgefahrzeuge -. Dass durch die Zeitdauer des Verwaltungsverfahrens und des gerichtlichen Verfahrens seit dem Verkehrsverstoß fast drei Jahre vergangen sind, vermag die Anordnung der Fahrtenbuchauflage nicht als unverhältnismäßig darzustellen und hat auf die Rechtmäßigkeit der Anordnung keine Auswirkungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht hat nach seinem Ermessen davon abgesehen, das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, da der Kostenerstattungsanspruch der Beklagten nicht ins Gewicht fällt (vgl. § 167 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung war nicht gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, da die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 3.200,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht hat sich dabei am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 7./8. Juli 2009 beschlossenen Änderungen orientiert und für die Fahrtenbuchauflage pro Monat jeweils 400,00 Euro angesetzt (vgl. Nr. 46.13 Streitwertkatalog). Die Fahrtenbuchauflage wurde für acht Monate angeordnet, so dass der Streitwert 3.200,00 Euro beträgt.

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