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Fahrtenbuchauflage wegen Überholmanöver auf rechter Autobahnfahrspur

OVG NRW, Beschluss vom 13 A 1060/91, Beschluss vom 08.01.1992

Gründe

Zutreffend hat das VG ausgeführt, daß die Feststellung des für das mit dem Pkw … am … auf der A 1 durchgeführten rechtswidrigen Überholmanövers verantwortlichen Fahrers nicht möglich war und der Beklagte von der ihm somit nach § 31 a Satz 1 StVZO eröffneten Möglichkeit einer Fahrtenbuchauflage an den Fahrzeughalter ermessensfehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Dem schließt sich der Senat an. Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt keine andere Würdigung.

Ein Überholvorgang auf der rechten Fahrspur einer Autobahn unter dichtem Auffahren, Betätigung der Lichthupe und Ausnutzung einer Lücke zwischen zwei auf dem rechten Fahrstreifen fahrenden Lastkraftwagen bei höher Geschwindigkeit des überholten, auf dem linken Fahrstreifen fahrenden Personenkraftwagens stellt einen schwerwiegenden Verkehrsverstoß dar, weil er unmittelbar eine Gefahr für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer sowie fremdes Eigentum beinhaltet.

Davon, daß der geschilderte schwerwiegende Verkehrsverstoß mit dem ehemals auf die Klägerin angemeldeten Tatfahrzeug tatsächlich erfolgt ist, ist auch der Senat überzeugt. Der Zeuge H. hat vor dem VG bekundet, daß zu dem von ihm mit einer Geschwindigkeit von ca. 180 km/h auf der Überholspur geführten Pkw der BMW der Klägerin unter Betätigung der Lichthupe so dicht auffuhr, daß er die Beleuchtung dieses Fahrzeuges nicht mehr sehen konnte, und daß anschließend dieses Fahrzeug unter Ausnutzung einer Lücke zwischen zwei Lkw auf dem rechten Fahrstreifen überholt habe. Erläuternd hat er erklärt, dem sich nähernden BMW zuvor nicht nach rechts ausgewichen zu sein, weil dort mehrere Lkw im Abstand von ca. 50 bis 70 m fuhren. Der Senat hat ebenso wie das VG keinen Anlaß, an der Glaubhaftigkeit des Kerns dieser Aussage, bei der entscheidend ist der rechtswidrige Überholvorgang auf dem rechten Fahrstreifen in Form des sog. Lückenspringens, zu zweifeln. Es ist nämlich völlig unerfindlich, weshalb ein Kraftfahrer einen ihm unbekannten anderen Kraftfahrer wahrheitswidrig eines derartigen riskanten Überholmanövers auf der Autobahn bezichtigen und grundlos die an eine Anzeige anknüpfenden Mühen auf sich nehmen sollte. Die Glaubhaftigkeit der wesentlichen Zeugenaussage wird insbesondere nicht durch den Angriff der Klägerin erschüttert, der geschilderte Überholvorgang sei technisch unmöglich, er hätte für den Überholenden mit einem Auffahrunfall auf den vorderen Lkw enden müssen. Denn es entspricht der Erfahrung, daß die Angaben von Zeugen zu Geschwindigkeiten und Distanzen von am Verkehrsgeschehen beteiligten Fahrzeugen häufig nicht völlig korrekt sind, sondern mit gewissen Abstrichen zu versehen sind und ihnen daher keine allein entscheidende Bedeutung zugemessen werden kann. Selbst wenn der Zeuge sich hier insoweit verschätzt haben sollte, stellt das die Glaubhaftigkeit seiner übrigen Bekundungen nicht in Frage. Entscheidend ist seine sichere und eindeutige Bekundung, daß er auf der Autobahn bei sehr hoher Geschwindigkeit unter Ausnutzung einer Lücke zwischen zwei Lkw auf dem rechten Fahrstreifen rechtswidrig überholt worden ist, was zu äußert gefährlichen Situationen, beispielsweise durch schreckhafte Reaktionen des Überholten, führen kann.

Fahrtenbuchauflage wegen Überholmanöver auf rechter Autobahnfahrspur
Symbolfoto: aldorado10/Bigstock

Soweit die Klägerin mit der Berufung einen Aufklärungsmangel des Beklagten bei der Feststellung des Führers des Tatfahrzeuges rügt, vermag sie damit ebenfalls nicht durchzudringen. Wenn sie einen Vergleich sämtlicher Firmenzugehöriger und sämtlicher Kunden, die nach ihrer seinerzeitigen Einlassung das Tatfahrzeug gefahren haben könnten, durch die Ermittlungsbehörde mit der Täterschilderung des Zeugen verlangt, überdehnt sie die Aufklärungspflichten der Behörde. Eine solche Behördentätigkeit wäre uneffektiv, weil sie einen unangemessenen Aufwand erfordern würde und innerhalb der Verjährungsfrist für Verkehrsordnungswidrigkeiten so gut wie kaum erfolgversprechend wäre.

Entgegen der Klägerin liegt darin, daß schon im Falle der „erstmaligen“ Nichtfeststellbarkeit des Fahrers eines bestimmten Tatfahrzeuges eine Fahrtenbuchauflage verhängt wurde, kein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot. Abgesehen davon, daß ein Register über die Nichtfeststellbarkeit eines Fahrzeugführers nach einem Verkehrsverstoß nicht geführt wird und daher die von der Klägerin erfolgte Einordnung nicht verifizierbar ist, kann nach ständiger Rechtsprechung der VGe (vgl. zuletzt Beschluß des Senats vom 6.11.1991 – 13 A 1515/91 -) auch ein einmaliger schwerwiegender Verkehrsverstoß die Fahrtenbuchauflage auslösen.

Schließlich erweist sich die Fahrtenbuchauflage, soweit sie noch Gegenstand des Rechtsstreits ist, nicht deshalb als rechtswidrig, weil sie sich schlicht auf ein – nicht näher konkretisiertes – Ersatzfahrzeug für das Tatfahrzeug bezieht. Hierdurch ist die angefochtene Ordnungsverfügung entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu unbestimmt. Der Begriff des Ersatzfahrzeuges ist nämlich hinreichend klar und bestimmt. Nach allgemeinem Sprachverständnis handelt es sich um ein Kraftfahrzeug, welches in einem überschaubaren zeitlichen Zusammenhang in die Funktion des alten Fahrzeuges im weiteren Sinne eintritt, wobei der Senat auch bei Firmen mit einer gewissen Fluktuation im Kraftfahrzeugbestand jedenfalls bei einem Zeitraum von einem halben Jahr nach Abgabe bzw. Abmeldung des Tatfahrzeuges noch einen Zusammenhang zwischen einem neuerworbenen Kraftfahrzeug und dem Altfahrzeug zu erkennen vermag. Einer näheren Präzisierung des Ersatzfahrzeuges mit der verfügten Fahrtenbuchauflage in der Weise, wie sie von der Klägerin in der Berufung für notwendig gehalten wird, bedarf es nicht; sie ist auch der Behörde regelmäßig nicht möglich. Der Adressat der Fahrtenbuchauflage jedenfalls – und das ist entscheidend – weiß regelmäßig sehr genau, wann ein Kraftfahrzeug und welches als Ersatzfahrzeug für ein abgegebenes bzw. abgemeldetes Fahrzeug in Betracht kommt. Ob an die Stelle des Tatfahrzeuges ein ebenfalls mit der Fahrtenbuchauflage belegtes Ersatzfahrzeug tritt, ist eine sich im Regelfall erst nach dem für die Rechtmäßigkeitsprüfung der Fahrtenbuchauflage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung stellende Tatsachenfrage, die schon deswegen nicht auf die Rechtmäßigkeit der Verfügung einwirken kann. Zwar kann diese Frage für die Behörde bei der Kontrolle der Beachtung der Fahrtenbuchauflage mit nicht unerheblichen Schwierigkeiten verbunden sein. Gelingt es dieser beispielsweise nicht, ein an die Stelle des Tatfahrzeuges getretenes Ersatzfahrzeug zu konkretisieren, dürften ihr vollstreckungsrechtliche oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Maßnahmen verwehrt sein und dürfte die Auflage für das Ersatzfahrzeug ins Leere gehen. Diese Gefahr für die Behörde führt aber nicht dazu, den Fahrzeughalter von einer Fahrtenbuchauflage für ein Ersatzfahrzeug schlechthin zu verschonen. Wer nämlich durch Zurverfügungstellung seines Kraftfahrzeuges, wenn auch in nicht vorwerfbarer Weise, zu einer schweren Verkehrsgefährdung durch einen Dritten beiträgt und zur Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers nicht beitragen kann oder will, muß eine Fahrtenbuchauflage für ein Ersatzfahrzeug schlechthin sowie die Verpflichtung zu das Ersatzfahrzeug konkretisierenden Angaben bzw. Feststellungen der Behörde zur Konkretisierung des Ersatzfahrzeuges in Kauf nehmen.

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