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Fahrtenbuchanordnung – fehlende Befristung und nachträgliche Verlängerung

Fahrtenbuchanordnung: Ermessensfehler führen zur Aufhebung

Die rechtliche Thematik, die im Fokus des vorliegenden Urteils steht, betrifft die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs im Kontext des Verkehrsrechts. Hierbei spielt vor allem die Frage eine Rolle, inwieweit eine solche Anordnung befristet sein muss und welche Kriterien bei der Entscheidungsfindung durch die zuständigen Behörden zu berücksichtigen sind. Im Kern geht es um die Ausübung des Ermessens durch die Behörde, insbesondere unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes und der Verhältnismäßigkeit.

Die Problematik entsteht häufig in Situationen, in denen Verkehrsverstöße vorliegen, aber der verantwortliche Fahrzeugführer nicht unmittelbar ermittelt werden kann. In solchen Fällen wird von den Behörden oft eine Fahrtenbuchauflage als Mittel zur zukünftigen Sicherstellung der Fahreridentifikation verhängt. Die zentrale Rechtsfrage dreht sich um die angemessene Dauer und Befristung dieser Auflage und inwiefern diese Entscheidungen Ermessensspielräume der Behörden widerspiegeln und gleichzeitig rechtsstaatlichen Prinzipien entsprechen müssen.

Wichtige Aspekte in diesem Zusammenhang sind die Berücksichtigung der individuellen Umstände des Einzelfalls, die Einhaltung von ermessenslenkenden Richtlinien und die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Entscheidungen der Verwaltungsgerichte in diesen Angelegenheiten haben oft weitreichende Implikationen sowohl für die Verwaltungspraxis als auch für die Rechte der betroffenen Fahrzeughalter.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 13 S 404/23  >>>

Das Wichtigste in Kürze


  • Fahrtenbuchanordnung wurde vom Landratsamt Rems-Murr-Kreis nach einer erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung ausgesprochen.
  • Ursprüngliche Befristung der Fahrtenbuchauflage auf 24 Monate durch das Landratsamt.
  • Widerspruch gegen die Anordnung führte zu einer Neufassung des Bescheids durch das Regierungspräsidium Stuttgart, wobei die Befristung aufgehoben wurde.
  • Verwaltungsgericht Stuttgart stellte teilweise die aufschiebende Wirkung der Klage wieder her; kritisierte jedoch das Fehlen ausreichender Ermessenserwägungen für die Änderung von befristeter zu unbefristeter Auflage.
  • Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg änderte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts; stellte die aufschiebende Wirkung der Klage vollständig wieder her.
  • Feststellung, dass die Fahrtenbuchanordnung an Ermessensfehlern leidet und somit rechtswidrig ist, da keine hinreichenden Gründe für eine Abweichung von der üblichen Befristungspraxis dargelegt wurden.
  • Hervorhebung der Bedeutung der Einhaltung von Verhältnismäßigkeit und Gleichheitsgrundsatz bei Ermessensentscheidungen.

Fahrtenbuchanordnung nach Geschwindigkeitsüberschreitung

Im vorliegenden Fall geht es um die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs, die vom Landratsamt Rems-Murr-Kreis ausgesprochen wurde. Diese Anordnung erfolgte, nachdem am 24.07.2022 mit dem Kraftfahrzeug der Antragstellerin eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften festgestellt wurde. Da der verantwortliche Fahrzeugführer nicht ermittelt werden konnte, wurde eine Fahrtenbuchauflage für 24 Monate verfügt. Gegen diese Anordnung legte die Antragstellerin Widerspruch ein, woraufhin das Regierungspräsidium Stuttgart den Ausgangsbescheid neu fasste, den Widerspruch im Übrigen aber zurückwies. Interessant dabei ist, dass die zunächst vorgesehene Befristung der Fahrtenbuchauflage aufgehoben und durch eine unbefristete Auflage ersetzt wurde, mit der Möglichkeit einer Aufhebung nach 24 Monaten unter bestimmten Bedingungen.

Rechtliche Problemstellung bei Fahrtenbuchauflagen

Das rechtliche Problem in diesem Fall liegt in der Frage, ob eine Fahrtenbuchanordnung von vornherein zu befristen ist und wie das Ermessen der Behörden bei der Anordnung ausgeübt werden muss. Die Herausforderung besteht darin, die Verhältnismäßigkeit und den Gleichheitsgrundsatz zu wahren, insbesondere wenn die Behörden von ihren eigenen ermessenslenkenden Richtlinien abweichen.

Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat in einem ersten Schritt teilweise die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin wiederhergestellt. Dabei wurde betont, dass eine Fahrtenbuchanordnung, insbesondere bei gravierenden Verkehrsverstößen, rechtlich nicht zu beanstanden sei. Allerdings wurde bemängelt, dass keine ausreichenden Ermessenserwägungen seitens des Regierungspräsidiums vorlagen, um eine Änderung von einer befristeten zu einer unbefristeten Fahrtenbuchauflage zu rechtfertigen.

Bedeutung des Urteils für die Verkehrsrechtpraxis

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat in seinem Beschluss vom 10.05.2023 die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart geändert und die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vollumfänglich wiederhergestellt. In der Urteilsbegründung wurde hervorgehoben, dass die Fahrtenbuchanordnung an Ermessensfehlern leidet, da keine hinreichenden Gründe für eine Abweichung von der üblichen Befristungspraxis dargelegt wurden. Zudem wurde betont, dass die Behörde bei der Ermessensausübung die Verhältnismäßigkeit und den Gleichheitsgrundsatz beachten muss.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Feststellung des Gerichts, dass die Verlängerung der Pflicht, ein Fahrtenbuch zu führen, allein wegen der Verletzung einer sich aus einer Fahrtenbuchanordnung ergebenden Pflicht grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Dies ist insbesondere relevant, da die Verletzung solcher Pflichten eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit darstellt und somit bereits ein eigenes Sanktionsregime bildet.

Die Auswirkungen dieses Urteils sind bedeutend, da es die Anforderungen an die Ermessensausübung bei Fahrtenbuchanordnungen klarstellt und die Notwendigkeit der Beachtung der Verhältnismäßigkeit und des Gleichheitsgrundsatzes unterstreicht. Für die Verwaltungspraxis bedeutet dies, dass eine sorgfältige Begründung erforderlich ist, wenn von der üblichen Befristungspraxis abgewichen wird.

Das Fazit des Urteils liegt darin, dass die Fahrtenbuchanordnung in diesem speziellen Fall rechtswidrig war, da die Behörde ihr Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt hat. Dies verdeutlicht die Bedeutung einer korrekten Ermessensentscheidung und die Notwendigkeit, die rechtlichen Vorgaben stets einzuhalten, um die Rechtmäßigkeit administrativer Entscheidungen zu gewährleisten.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was bedeutet eine Fahrtenbuchanordnung nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO?

Die Fahrtenbuchanordnung nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO bezieht sich auf eine Anordnung der zuständigen Behörde, die einem Fahrzeughalter die Führung eines Fahrtenbuchs vorschreibt. Dies geschieht in der Regel, wenn nach einer Verkehrsordnungswidrigkeit der verantwortliche Fahrer nicht ermittelt werden konnte.

Die Fahrtenbuchanordnung ist eine Maßnahme, die dazu dient, zukünftige Verkehrsverstöße besser zuordnen zu können. Sie wird oft dann angeordnet, wenn bei einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat der Fahrer nicht ermittelt werden konnte. Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage kann erfolgen, wenn ein Fahrer während eines Bußgeldverfahrens nicht ermittelt werden kann.

Der Halter eines Fahrzeugs ist verpflichtet, das Fahrtenbuch ordnungsgemäß und vollständig für die angesetzte Zeit anzulegen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, können 100 Euro Bußgeld fällig werden.

Die Dauer, für die ein Fahrtenbuch geführt werden muss, hängt von der Schwere des Verkehrsverstoßes ab. In der Regel wird die Dauer der Fahrtenbuchauflage wie folgt festgelegt: Bei einem schweren Verstoß kann die Dauer bis zu zwei Jahre betragen, bei einem mittelschweren Verstoß bis zu einem Jahr und bei einem leichten Verstoß bis zu sechs Monate.

Die Fahrtenbuchauflage findet ihre rechtliche Grundlage in § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

Für die Frage, wem als Halter die Führung eines Fahrtenbuchs auferlegt werden kann, kommt es auf die Haltereigenschaft im Zeitpunkt des Verkehrsverstoßes an.

Die Fahrtenbuchregelung richtet sich nach dem individuellen Fall. Im Gegensatz zum Bußgeldbescheid und seinen angeordneten Maßnahmen wie ein Fahrverbot, ist die Fahrtenbuchauflage schon ab dem ersten Tag der Anordnung gültig.

Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage ist für den betroffenen Fahrzeughalter mit Kosten verbunden. Die Gebühren, welche für die Anordnung sowie die Prüfung der Eintragungen fällig werden, können sich auf einen Betrag zwischen 21,50 Euro und 200 Euro belaufen.

In welchen Fällen ist eine erneute Verhängung oder Verlängerung der Pflicht zur Fahrtenbuchführung zulässig?

Die Pflicht zur Fahrtenbuchführung kann in bestimmten Fällen erneut verhängt oder verlängert werden. Eine erneute Verhängung der Fahrtenbuchauflage ist jedoch nicht möglich, wenn das Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß geführt wurde. Eine Verlängerung der Pflicht zur Fahrtenbuchführung kann jedoch stattfinden, wenn das Fahrtenbuch nicht bei allen Fahrten mitgeführt und vorgezeigt wurde, wie es von Kontrollpersonen wie Polizisten verlangt wird.

Die Fahrtenbuchauflage wird in der Regel für einen festgelegten Zeitraum verordnet, der in der Regel sechs Monate beträgt. Die Dauer der Fahrtenbuchauflage kann jedoch je nach Schwere des Verstoßes und dem Verhalten des Fahrzeughalters bei der vorherigen Fahrerermittlung variieren. In einigen Fällen kann die Dauer der Fahrtenbuchauflage auch auf mehrere Jahre oder sogar auf unbegrenzte Zeit erhöht werden.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Fahrtenbuchauflage nur dann zulässig ist, wenn zwei Wochen zwischen dem Verkehrsverstoß und der ersten Anhörung liegen. Dies liegt daran, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass sich ein Fahrzeughalter in diesem Zeitraum noch daran erinnern kann, wer mit dem Fahrzeug gefahren ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine erneute Verhängung oder Verlängerung der Pflicht zur Fahrtenbuchführung in bestimmten Fällen möglich ist, insbesondere wenn die Fahrtenbuchauflage nicht ordnungsgemäß eingehalten wurde oder wenn der Fahrzeughalter bei der vorherigen Fahrerermittlung unkooperativ war.


Das vorliegende Urteil

VGH Baden-Württemberg – Az.: 13 S 404/23 – Beschluss vom 10.05.2023

Leitsätze

1. Die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO ist in der Regel von vornherein zu befristen (Abgrenzung zu BayVGH, Beschluss vom 30.11.2022 – 11 CS 22.1813 – juris Rn. 32).

2. Orientiert die Behörde ihre Verwaltungspraxis an ermessenslenkenden Richtlinien, verbietet ihr der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 Abs. 1 GG, hiervon ohne sachlichen Grund abzuweichen.

3. Im Hinblick auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO kommt eine erneute Verhängung oder Verlängerung der Pflicht, ein Fahrtenbuch zu führen, allein wegen der Verletzung einer der sich aus einer Fahrtenbuchanordnung ergebenden Pflichten grundsätzlich nicht in Betracht.


Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 16. Februar 2023 – 1 K 6743/22 – geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Verfügung des Landratsamts Rems-Murr-Kreis vom 01.12.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.01.2023 und der Änderungsverfügung des Landratsamts Rems-Murr-Kreis vom 20.03.2023 und des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 04.04.2023 wird wiederhergestellt bzw. angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 9.600,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs.

Ihr wird vorgehalten, dass am 24.07.2022 mit ihrem Kraftfahrzeug außerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Geschwindigkeit von 70 km/h um 46 km/h überschritten worden sei (vorgesehene Sanktion: 320,– EUR Bußgeld, zwei Punkte, ein Monat Fahrverbot). Nachdem der verantwortliche Fahrzeugführer von der Bußgeldbehörde nicht festgestellt werden konnte, ordnete das Landratsamt mit für sofort vollziehbar erklärter Verfügung vom 01.12.2022 die Führung eines Fahrtenbuchs für die Dauer von 24 Monaten an.

Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch fasste das Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2023 den Tenor des angegriffenen Ausgangsbescheids vom 01.12.2022 neu und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. In der Neufassung des Tenors des Ausgangsbescheids wurden unter anderem in Ziffer 1 als Beginn der Pflicht zur Führung eines Fahrtenbuchs der Zeitpunkt „der Zustellung dieser Entscheidung“ sowie in Ziffer 3 andere bzw. weitere Termine zur Vorlage des Fahrtenbuchs („01.04.2023, 01.07.2023, 01.10.2023, 01.01.2024, 01.04.2024, 01.07.2024, 01.10.2024, 01.01.2025 und zum Ablauf der Aufzeichnungsfrist“) festgelegt. Außerdem wurde die im Ausgangsbescheid unter Ziffer 1 vorgesehene Befristung auf 24 Monate gestrichen und stattdessen die folgende Ziffer 5 eingefügt:

5. Die Aufhebung der Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs wird nach Ablauf von 24 Monaten unter der Voraussetzung in Aussicht gestellt, dass ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch nach diesem Zeitpunkt zusammen mit einem entsprechenden Antrag dem Landratsamt vorgelegt wird und dass die in Ziffer 3 genannten Vorlagetermine anstandslos eingehalten wurden.

Zur Begründung wurde unter anderem auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30.11.2022 – 11 CS 22.1813 – juris Rn. 31 f. verwiesen.

Auf den von der Antragstellerin gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO stellte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 16.02.2023 die aufschiebende Wirkung wieder her, aber nur „soweit durch Ziffer 5 des Widerspruchbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.01.2023 lediglich in Aussicht gestellt wird, die in Ziffer 1 Satz 1 des Bescheids des Landratsamts Rems-Murr-Kreis vom 01.12.2022 ausgesprochene Fahrtenbuchauflage für die Dauer von 24 Monaten nach Ablauf von 24 Monaten unter der Voraussetzung aufzuheben, dass ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch nach diesem Zeitpunkt zusammen mit einem entsprechenden Antrag dem Landratsamt vorgelegt wird und dass die in Ziffer 3 genannten Vorlagetermine anstandslos eingehalten wurden“. Im Übrigen wurde der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens wurden im Verhältnis 4/5 zu 1/5 zwischen Antragstellerin und Antragsgegner aufgeteilt. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht unter anderem aus: Angesichts des festgestellten gravierenden Verkehrsverstoßes sei es rechtlich nicht zu beanstanden, die Führung eines Fahrtenbuchs für die Dauer von 24 Monaten zu verlangen, so wie es ursprünglich von dem Landratsamt verfügt worden sei. Im Grundsatz sei es auch möglich, dass im Widerspruchsbescheid gegenüber dem Ausgangsbescheid eine sog. reformatio in peius vorgenommen werde. Hier seien jedoch seitens des Regierungspräsidiums keine Ermessenserwägungen dargelegt worden, die den Wechsel von der zunächst auf 24 Monate befristeten Fahrtenbuchauflage zu einer unbefristeten Fahrtenbuchauflage mit einer Inaussichtstellung einer Aufhebung nach 24 Monaten für angezeigt erschienen ließen.

Mit Änderungsverfügung vom 20.03.2023 änderte das Landratsamt die durch den Widerspruchsbescheid neugefasste Ziffer 5 ab, indem die dortigen Wörter „in Aussicht gestellt“ durch die Wörter „verbindlich zugesichert“ ersetzt wurden. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass mit der nunmehr ausdrücklich formulierten verbindlichen Zusicherung, nach 24 Monaten die Fahrtenbuchauflage unter den genannten Bedingungen aufzuheben, den vom Verwaltungsgericht verlangten Anforderungen genügt werde, schon bei der Anordnung zu prüfen, ob eine Fahrtenbuchauflage zu befristen sei. Der gegen diese Änderungsverfügung von der Antragstellerin eingelegte Widerspruch wurde vom Regierungspräsidium mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.2023 zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat gegen den Ausgangsbescheid vom 01.12.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.01.2023 Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben (Az: 1 K 1146/23), in die auch die Änderungsverfügung vom 20.03.2023 und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid vom 04.04.2023 einbezogen wurden.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und begründet.

Unter Zugrundelegung der in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung, dass – abweichend von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts – das private Interesse der Antragstellerin, vom Vollzug der Verfügung des Landratsamts Rems-Murr-Kreis vom 01.12.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.01.2023 und der Änderungsverfügung des Landratsamts Rems-Murr-Kreis vom 20.03.2023 und des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 04.04.2023 vor einer endgültigen Entscheidung über ihre Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, dem öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug der Verfügung vorgeht. Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ist derzeit davon auszugehen, dass die streitige Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs an Ermessensfehlern leidet und deshalb die Anfechtungsklage der Antragstellerin Erfolg haben wird.

Nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen liegen der Erlass einer Anordnung und die Bestimmung der Dauer im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.05.2015 – 3 C 13.14 – juris Rn. 16 ff.).

Gegenstand der Anfechtungsklage ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Der Widerspruchsbescheid gibt dem Ausgangsbescheid seine endgültige und für den Verwaltungsprozess maßgebliche Gestalt. Dementsprechend ist der gerichtlichen Prüfung der ursprüngliche Verwaltungsakt mit dem Inhalt und der Begründung zugrunde zu legen, die er durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat. Trifft die Widerspruchsbehörde eine eigene Ermessensentscheidung, so tritt diese an die Stelle derjenigen der Ausgangsbehörde und führt bei – auch erstmaligen – Fehlern zugleich zur Aufhebung des Ermessensverwaltungsakts (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.06.2016 – 8 C 5.15 – juris Rn. 22; Decker in BeckOK VwGO, Posser/Wolff, § 114 Rn. 27). Darüber hinaus hat der Senat im Beschwerdeverfahren die nach Erhebung der Anfechtungsklage erlassene Änderungsverfügung des Landratsamts vom 20.03.2023 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums vom 04.04.2023 zu berücksichtigen, da die Änderungsverfügung mit dem durch sie geänderten Verwaltungsakt eine untrennbare Einheit bildet (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 30.08.2021 – 5 MR 5/21 – juris Rn. 5). Bei der Fahrtenbuchanordnung handelt es sich zudem um einen Dauerverwaltungsakt, sodass bei der Überprüfung eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage miteinzubeziehen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.05.2015 a. a. O. Rn. 12; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.11.2010 – 10 S 1860/10 – juris Rn. 8).

Nach diesen Vorgaben dürfte sich hier die Fahrtenbuchanordnung – unabhängig von der zwischen den Beteiligten umstrittenen Frage, ob die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO vorliegen – aller Voraussicht nach jedenfalls auf der Rechtsfolgenseite als rechtswidrig erweisen, weil das dort eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden ist (vgl. § 40 LVwVfG, § 113 Abs. 1 Satz 1, § 114 VwGO). Bei der Ausübung des Ermessens muss sich die Behörde vom Zweck der Ermächtigungsgrundlage leiten lassen und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhalten. Die von der Behörde getroffene Ermessensentscheidung muss insbesondere den Grundrechten und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Artikel 20 Abs. 3 GG) entsprechen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.05.2015 a. a. O. Rn. 18, 24).

Der vom Regierungspräsidium unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluss vom 30.11.2022 – 11 CS 22.1813 – juris Rn. 31 f.) vertretenen Auffassung, dass es unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich nicht geboten sei, die Pflicht zur Führung eines Fahrtenbuchs bereits im Zeitpunkt der Anordnung zu befristen, sondern es im Regelfall genüge, wenn die Behörde in dem Bescheid in Aussicht stelle, die Notwendigkeit einer Fortdauer nach einer von vornherein bestimmten Zeit zu überprüfen, vermag der Senat nicht zu folgen. Die in diesem Beschluss zitierte Entscheidung des beschließenden Gerichtshofs (Urteil vom 03.05.1984 – 10 S 447/84 – VBlBW 1984, 318 f.) ist – worauf bereits das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat – durch eine spätere Entscheidung als teilweise überholt anzusehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.05.1988 – 10 S 3077/87 – VBlBW 1989, 25). In dem Urteil vom 17.05.1988 wird unter anderem ausgeführt, dass die Behörde unverhältnismäßig handelt, „wenn sie wegen eines erheblichen Verstoßes ohne Rücksicht auf die Besonderheiten des Einzelfalls eine Fahrtenbuchauflage bis auf weiteres – und damit zunächst zeitlich unbefristet – anordnet“, selbst dann, wenn sie „mit der Anordnung der Fahrtenbuchauflage ihre Bereitschaft erklärt, die Aufrechterhaltung nach etwa einem Jahr überprüfen zu wollen“. Eine solche Bereitschaftserklärung bedeute nicht, dass die Fahrtenbuchauflage schon von vornherein auf ein Jahr bemessen sei, sondern ändere nichts daran, dass sie auf unbestimmte Zeit erlassen sei, was regelmäßig mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht zu vereinbaren sei. Weiter heißt es: „Die Behörde wird daher grundsätzlich in jedem Einzelfall schon bei der Anordnung zu prüfen haben, ob und wie lange eine Fahrtenbuchauflage zu befristen oder ob sie unbefristet – bis auf weiteres – zu erlassen ist“. Der seinerzeit zuständige 10. Senat hat außerdem in seinem Urteil vom 17.05.1988 klargestellt, dass er an seinen abweichenden Feststellungen im Urteil vom 03.05.1984 nicht mehr festhalte. Im Hinblick auf die somit bestehende Pflicht der Behörde, in jedem Einzelfall bereits bei der Anordnung zu prüfen, ob sich der Zweck, den sie verfolgt, nicht schon mit einer von vornherein befristeten Fahrtenbuchanordnung erreichen lässt, und mit Blick auf § 31a Abs. 3 StVZO, der von einer von vornherein festgelegten Zeit, zu der das Fahrtenbuch geführt werden muss, ausgehen dürfte, ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und Gleichbehandlungsgebots die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs in der Regel von vornherein zu befristen (vgl. z. B. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl., StVZO § 31a Rn. 50; Knop in Münchener Kommentar zum Straßenverkehrsrecht, StVZO § 31a Rn. 24). Die erst durch den Widerspruchsbescheid vom 24.01.2023 und dann durch die Änderungsverfügung vom 20.03.2023 geänderte Fahrtenbuchanordnung enthält die nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich gebotene Befristung nicht, ohne dass seitens des Antragsgegners Besonderheiten aufgezeigt worden wären, die hier ein Absehen von einer Befristung rechtfertigen könnten. Die Inaussichtstellung oder verbindliche Zusicherung, die Pflicht zur Führung eines Fahrtenbuchs nach Ablauf von 24 Monaten aufzuheben, setzt gerade eine unbefristet (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG) erlassene Fahrtenbuchanordnung voraus und ist auch sonst – wertungsmäßig – nicht mit einer Befristung gleichzusetzen, wenn – wie hier – die Aufhebungsbereitschaft an mehrere Bedingungen (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG) geknüpft wird. Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, dürften somit für die (Ermessens-)Entscheidung der Widerspruchsbehörde, im vorliegenden Einzelfall (abweichend vom Ausgangsbescheid) eine unbefristete Fahrtenbuchanordnung zu erlassen, tragfähige Gründe fehlen.

Hinzu kommt, dass die im Widerspruchsbescheid vom 24.01.2023 enthaltenen Ermessenserwägungen in sich nicht schlüssig sind und auf eine im vorliegenden Einzelfall nicht begründete Abweichung von den eigenen Richtlinien hinweisen. Ermessenslenkende Richtlinien zur Bestimmung der Anordnungsdauer sind grundsätzlich zulässig (vgl. z. B. Haus in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 3. Aufl., StVZO § 31a Rn. 83, 102). Orientiert die Behörde ihre Verwaltungspraxis an Richtlinien, verbietet ihr der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 Abs. 1 GG, hiervon ohne sachlichen Grund abzuweichen (vgl. Riese in Schoch/Schneider, VwGO § 114 Rn. 76). In der Begründung des Widerspruchsbescheids vom 24.01.2023 wird mit Blick auf den Runderlass des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 21.09.2016 in der Fassung vom 28.04.2020 festgestellt, dass dieser Runderlass der aktuellen und ständigen Verwaltungspraxis des Regierungspräsidiums (und seiner nachgeordneten Behörden) entspreche. Gleichzeitig werden im Widerspruchsbescheid mehrfach Formulierungen verwendet, die auf ein aus diesem Runderlass ergebendes Erfordernis zur Befristung einer Fahrtenbuchanordnung hindeuten (z. B. „Ablauf der Aufzeichnungsfrist“, „im Bescheid … angeordneten Dauer von 24 Monaten“). Ausdrücklich wird im Widerspruchsbescheid etwa ausgeführt, dass es der aktuellen Verwaltungspraxis entspreche, „bei Verkehrsordnungswidrigkeiten, die zu dem Eintrag von 2 Punkten im Fahreignungsregister und zu einem einmonatigen Fahrverbot geführt hätten, eine Fahrtenbuchauflage mit einer Dauer von 24 Monaten anzuordnen“. Weiter heißt es: „Im vorliegenden Fall sind keine Umstände gegeben, die eine Abweichung von dieser Praxis im Sinne einer Fristverkürzung gebieten würden“ sowie „Besondere Umstände des Einzelfalls, die vorliegend ein Abweichen von dieser ständigen Verwaltungspraxis nahelegen oder rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich“. Überdies wird auch die hier als richtlinienkonform festgestellte Dauer von 24 Monaten durch die im Widerspruchsbescheid getroffene Entscheidung unterlaufen. Die Pflicht der Antragstellerin, ein Fahrtenbuch zu führen, begann mit der am 03.12.2022 erfolgten Zustellung der für sofort vollziehbar erklärten Fahrtenbuchanordnung des Landratsamts vom 01.12.2022. Bei einer Dauer von 24 Monaten müsste diese Pflicht somit mit Ablauf des 03.12.2024 enden. Im Widerspruchsbescheid ist jedoch als Beginn der Pflicht zur Führung eines Fahrtenbuchs der Zeitpunkt „der Zustellung dieser Entscheidung“ genannt. Damit ist nicht – was die Tenorierung nahelegen könnte – der Zeitpunkt der Zustellung der Ausgangsentscheidung gemeint, sondern die (erst) am 26.01.2023 erfolgte Zustellung des Widerspruchsbescheids vom 24.01.2023. Dies ergibt sich aus den durch den Widerspruchsbescheid neu festgesetzten vierteljährlichen Vorlageterminen („… 01.10.2024, 01.01.2025 und zum Ablauf der Aufzeichnungsfrist …“) und den insoweit eindeutigen Ausführungen in der Begründung („… Inaussichtstellung der Aufhebung der Fahrtenbuchauflage nach 24 Monaten nach Zustellung des Widerspruchsbescheids …“). Berücksichtigt man zudem die Modalitäten der in Aussicht gestellten bzw. zugesicherten Aufhebung – nach Ablauf der Aufzeichnungsfrist, nach Antragstellung, nach Prüfung der verfügten Bedingungen und nach Verbescheidung -, so dürfte sich die (Mindest-)Dauer, während derer ein Fahrtenbuch zu führen ist, auf etwa 26 Monate belaufen. Ohne weitere, hier aber fehlende Begründung verstößt eine solche – den eigenen Ermessensrichtlinien und der hierauf beruhenden Verwaltungspraxis widersprechende – Verlängerung der maßgeblichen Dauer durch die Widerspruchsbehörde gegen Artikel 3 Abs. 1 GG. Im Lichte der Rechtsschutzgarantie des Artikels 19 Abs. 4 Satz 1 GG ist jedenfalls der Umstand der Widerspruchseinlegung kein sachgerechtes Kriterium, um eine von der Ausgangsbehörde richtlinienkonform festgesetzte Laufzeit für die Führung eines Fahrtenbuchs zu verlängern (zu einer möglicherweise regelmäßigen Neufestsetzung des Laufzeitbeginns im Rahmen des Widerspruchsverfahrens vgl. Beschluss des Senats vom 25.02.2021 – 13 S 3272/20 – juris Rn. 3).

Indem die spätere Aufhebung der unbefristet auferlegten Pflicht zur Führung des Fahrtenbuchs unter anderem an die Bedingungen geknüpft worden ist, dass das Fahrtenbuch während der gesamten Dauer ordnungsgemäß geführt wurde und dass sämtliche Vorlagetermine anstandslos eingehalten wurden, dürfte der Antragsgegner das ihm in § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO eingeräumte Ermessen zudem nicht entsprechend dem Zweck der Ermächtigung (§ 40 LVwVfG, § 114 VwGO) ausgeübt haben. Tatbestandsmäßig setzt § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO für die Fahrtenbuchanordnung voraus, dass die Ermittlung des Fahrzeugführers nach einem Verkehrsverstoß nicht möglich war. Deshalb kommt die erneute Verhängung oder – im vorliegenden Fall beabsichtigte – Verlängerung der Pflicht, ein Fahrtenbuch zu führen, allein wegen der Verletzung einer der sich aus einer Fahrtenbuchanordnung ergebenden Pflichten grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. VG Hannover, Beschluss vom 18.01.2011 – 5 B 4932/10 – juris Rn. 15 ff.; Dauer a. a. O. Rn. 50, 93; Knop a. a. O. Rn. 41). Vielmehr ist die Verletzung einer dieser Pflichten eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit (§ 69a Abs. 5 Nr. 4 und 4a StVZO) und kann zu gebührenpflichtigen Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung führen (vgl. VG Hannover, Beschluss vom 18.01.2011 a. a. O.; Siegmund in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., StVZO § 31a Rn. 141 ff., 171; Dauer a. a. O. Rn. 50, 80, 91 ff.; Knop a. a. O. Rn. 37, 39, 41; Haus a. a. O. Rn. 9, 96b, 99). Ermessenserwägungen, die die im vorliegenden Fall – neben diesem gesetzlich vorgesehenen Sanktionsregime – aufgestellten Voraussetzungen für eine Aufhebung der Fahrtenbuchanordnung frühestens nach Ablauf von etwa 26 Monaten rechtfertigen könnten, sind bisher nicht erkennbar angestellt worden.

Ist somit derzeit davon auszugehen, dass das dem Antragsgegner nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO eingeräumte Ermessen hinsichtlich der Dauer der auferlegten Pflicht zur Führung eines Fahrtenbuchs fehlerhaft ausgeübt worden ist, so besteht im Fall der Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) schon allein aus diesem Grund ein Anspruch auf Aufhebung des ermessensfehlerhaften und damit rechtswidrigen Verwaltungsakts. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Überprüfung einer Ermessensentscheidung durch § 114 Satz 1 VwGO auf die Feststellung etwaiger Ermessensfehler beschränkt. Wegen des Grundsatzes der Gewaltenteilung (Artikel 20 Abs. 2 Satz 2 GG) ist das Gericht nur befugt, die (Ermessens-)Entscheidung der Behörde auf Rechtsfehler hin zu kontrollieren, nicht aber dazu, sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Behörde zu setzen (vgl. Decker a. a. O. Rn. 26). Es ist daher nicht Aufgabe des Senats, anstelle der hierfür zuständigen Behörde über die Fragen einer Befristung (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG) und einer im Ermessensweg festzulegenden – nach alledem noch zulässigen – Zeitspanne, innerhalb derer ein Fahrtenbuch zu führen ist, zu entscheiden (vgl. BayVGH, Beschluss vom 26.02.2008 – 11 B 08.308 – juris Rn. 12 unter Hinweis auf OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.04.1977 – XIII A 603/76 – DAR 1977, 333, 335). Da eine Teilbarkeit der Fahrtenbuchanordnung – insbesondere vertikal zwischen Ausgangs- und Widerspruchsbescheid – hier rechtlich nicht möglich ist, ist antragsgemäß nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die sofortige Vollziehung der streitigen Fahrtenbuchanordnung (einschließlich getroffener Folge- bzw. Nebenentscheidungen) auszusetzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und § 47 GKG i. V. m. den Empfehlungen in den Nummern 1.5 und 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt z. B. in Schoch/Schneider, VwGO, unter § 163). Für den Streitwert des Beschwerdeverfahrens hält der Senat eine Halbierung des Hauptsachestreitwerts in Höhe von 9.600,– EUR wegen der faktischen Vorwegnahme der Hauptsache für nicht angezeigt (vgl. Beschluss des Senats vom 25.02.2021 a. a. O. Rn. 18).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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