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Fahrlässige Inbetriebnahme Fahrzeugkombination – Planung Schwertransport

AG Tübingen – Az.: 16 OWi 18 Js 26093/19 – Urteil vom 22.01.2020

1. Der Betroffene wird, weil er fahrlässig die Inbetriebnahme einer Fahrzeugkombination zugelassen hat, deren zulässiges Gesamtgewicht überschritten war, zu einer Geldbuße von 300,- Euro verurteilt.

2. Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens.

Angewendete Vorschriften: §§ 31 Abs. 2, 34 Abs. 3 Sätze 2 und 3, Abs. 6 Nr. 5, 69a Abs. 5 Nr. 3 StVZO, 24 StVG.

Gründe

I.

Der Betroffene wurde 1977 in R. geboren. Er lebt in O.

Der Betroffene arbeitet bei der Firma G. KG in E. als Disponent. Derzeit hält er sich in Ostasien auf. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse sind geordnet.

Im Auszug aus dem Fahreignungsregister vom 2. Dezember 2019 befinden sich folgende Eintragungen:

Am XXX überschritt der Betroffene um XXX Uhr in N. auf der B 27 in Fahrtrichtung R. die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 28 Km/h. Die Stadt R. erließ einen Bußgeldbescheid, der am 16. Dezember 2017 in Rechtskraft erwuchs.

Am XXX benutzte der Betroffene in der S.-Straße in B. ein elektronisches Gerät in vorschriftswidriger Weise. Gegen ihn erging ein Bußgeldbescheid, der am 1. März 2018 in Rechtskraft erwuchs.

Am XXX überschritt der Betroffene auf der Autobahn 9 zwischen M. und B. auf Gemarkung B. als Führer eines PKW mit Anhänger die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 29 Km/h. Gegen ihn erging ein Bußgeldbescheid, der am 18. August 2018 in Rechtskraft erwuchs.

Am XXX führte er in F. einen PKW mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,74‰. Deshalb erging ein Bußgeldbescheid, der am 23. September 2019 in Rechtskraft erwuchs. Er sah ein Fahrverbot von einem Monat vor, das noch nicht verbüßt ist.

Genau ein Jahr später überschritt der Betroffene in R. auf der B 33 die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 28 Km/h. Gegen ihn erging ein Bußgeldbescheid, der am 9. Oktober 2019 in Rechtskraft erwuchs.

II.

Fahrlässige Inbetriebnahme Fahrzeugkombination - Planung Schwertransport
(Symbolfoto: Von aapsky/Shutterstock.com)

Am 8. April 2019 erteilte der Betroffene einem Fahrer, dem getrennt verfolgten R., den Auftrag, einen Bagger mit einem Sattelzug und Tiefladeauflieger vom Firmensitz der Fahrzeughalterin, der Firma G. GmbH & Co. KG in E., zur Baustelle nach T. in die E.-straße zu befördern.

Der Fahrer sollte die Eisenbahnstraße mit der Fahrzeugkombination MAN LKW für Kippmulden mit Abrollvorrichtung, dreiachsig, und Tiefladeanhänger Goldhofer, vierachsig, insgesamt sieben Achsen, ansteuern. Nach der Verladung erreichte das Gespann ein Gesamtgewicht von 55.340 KG, der Anhänger selbst wog beladen 37.700 KG. Zulässig waren nach Fahrzeugschein 24.000 KG.

Für das Gespann lag der Firma G. GmbH und Co KG eine Ausnahmegenehmigung des Regierungspräsidiums K. vom 5. April 2016, gültig bis 31. März 2022, vor. Die halterbezogene Genehmigung ließ ein zulässiges Gesamtgewicht des Zuges von 62 Tonnen und des Anhängers von 40 Tonnen zu. Die Ausnahmegenehmigung enthält sodann auf Seite 4 unter der Überschrift „Bedingungen“ folgendes:

„Diese Ausnahmegenehmigung gilt nur, wenn eine Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO mitgeführt wird.“

Der Fahrzeughalterin lag deshalb auch ein Bescheid der Stadt H. vom 5. August 2016 vor, wonach eine Dauererlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO zur Durchführung von Großraum- und Schwertransporten vom 26. August 2016 bis 26. August 2019 für das genannte Gespann erteilt war. Die Dauererlaubnis gilt für verschiedene Landkreise, darunter den Landkreis T., besteht allerdings auch aus einem Ausnahmenkatalog. Im Ausnahmenkatalog sind, alphabetisch nach Städten und Landkreisen geordnet, Bestimmungen für das Fahren auf bestimmten Straßen aufgeführt. Unter der Gliederung „Stadt T.“ ist zu lesen:

„Erlaubnis gilt NUR!! zum Befahren der KLASSIFIZIERTEN STRAßEN im Stadtgebiet T. einschließlich den Stadtteilen sowie der K.- und N.- Straße zwischen XX und XX als auch der Schw.-straße zwischen XX und XX. Von diesen ausgenommen sind die Straßen entsprechend der Brückennegativliste der Landesstelle für Straßentechnik. Auf allen nichtklassifizierten Straßen im Zuständigkeitsbereich der Stadt T. hat der Antragsteller vor Durchführung des Transportes eine Anschlusserlaubnis bei der Straßenverkehrsabteilung zu beantragen…“

Die E.-straße ist weder eine Bundes-, noch eine Landes-, noch eine Kreisstraße. Dies hätte der Betroffene bei sorgsamer Lektüre und Planung der Fahrt vor Fahrtantritt auch erkennen können. Ebenso hätte er erkennen können, daß die E.-straße deshalb keine „klassifizierte Straße“ ist und er somit über keine streckenbezogene Genehmigung für die Nutzung dieser Straße hatte. Er hätte dann eine Anschlußerlaubnis beantragen und somit vermeiden können, daß der Fahrer ohne Erlaubnis in die E.-straße einfuhr.

So allerdings wurde eine Polizeistreife in der E.-straße auf das Gespann aufmerksam. Das Gespann wurde gewogen und gemessen und die genannten Gewichte auf einer geeichten Waage festgestellt.

Gegen den Betroffenen erging Bußgeldbescheid, in dem dem Betroffenen die Inbetriebnahme eines Fahrzeugs vorgeworfen wird, obwohl es gegen die Vorschriften über das zulässige Gesamtgewicht sowohl des Anhängers als auch des Gesamtzuges verstieß. Dabei wurden für die Gewichtsmessung jeweils 40 KG als Toleranz abgezogen, so daß das Gesamtgewicht des Anhängers noch 37.640 KG betrug und das Gesamtgewicht des Zugs 55.260 KG. Gegen diesen Bußgeldbescheid legte der Betroffene form- und fristgerecht Einspruch ein.

III.

Der Sachverhalt steht für das Gericht nach der Beweisaufnahme als erwiesen fest.

Aufgrund seiner Ortsabwesenheit war der Betroffene von seiner Pflicht entbunden, persönlich zur Gerichtsverhandlung zu erscheinen.

Das Gericht hat den Auszug aus dem Fahreignungsregister, die Ausnahmegenehmigung, die Dauererlaubnis und die Zulassungsbescheinigungen (letztere aus der Akte 16 Owi 18 Js 16092/19) nach §§ 71 OWiG, 249 StPO in Auszügen verlesen und die Lichtbilder (Bl. 1 bis 6 der Akte 16 Owi 18 Js 26092/19) in Augenschein genommen. Außerdem hat das Gericht den Zeugen V., technischen Betriebsleiter der Fahrzeughalterin, vernommen. Dieser brachte eine amtliche Straßenkarte im Maßstab 1:200.000 mit, die in Augenschein genommen wurde.

1.) Die Angaben zur Person beruhen auf den Angaben des Verteidigers des Betroffenen, denen das Gericht uneingeschränkt folgen kann. Die Feststellungen zum Inhalt des Fahreignungsregisters beruhen auf dessen Verlesung.

2.) Die Feststellungen zu Auftrag und Fahrtstrecke beruhen auf den Angaben des Verteidigers des Betroffenen. Das Gericht kann auch diesen Äußerungen folgen.

3.) Gewicht und Abmessungen des Gespanns stehen für das Gericht nach Inaugenscheinnahme der Lichtbilder Bl. 2 und 3 der Lichtbildmappe als erwiesen fest. Diese zeigen jeweils das Gespann, Zugmaschine und beladenen Anhänger, sowie eine Zahleneinblendung, die das Gericht einer Waage zuordnet. Wegen weiterer Einzelheiten verweist das Gericht gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die Lichtbilder Bl. 2 und 3. Deshalb schließt das Gericht aus diesen Lichtbildern, daß Zugfahrzeug und Anhänger beladen gewogen wurden und die Ergebnisse auf 17.640 KG für die Zugmaschine und 37.700 KG für den Anhänger, zusammen 55.340 KG lauten. Auf dem Lichtbild Bl. 1 ist zudem der Eichschein für eine Waage zu erkennen. Aus diesem Bild entnimmt das Gericht, daß die Waage, mit der gewogen wurde, geeicht war. Für jede Wiegung nimmt das Gericht einen Toleranzabschlag von 40 KG vor, so daß sich ein vorwerfbares Gewicht von 37.640 KG für den Anhänger und 55.260 KG für den Gesamtzug ergibt.

Aus dem Lichtbild Bl. 6, das das Gespann zeigt und eine Seitenansicht ermöglicht, nimmt das Gericht, daß das Gespann sieben Achsen, verteilt auf drei für das Zugfahrzeug und vier für den Anhänger, hat.

4.) Die Feststellungen zum Inhalt der Genehmigungen beruhen auf deren Verlesung.

Die Feststellungen zu den Eigenschaften des Gespanns beruhen auf der Verlesung der Ausnahmegenehmigung und der Fahrzeugscheine.

Die Feststellung, daß die E.-straße keine „klassifizierte“ Straße ist, beruht in tatsächlicher Hinsicht auf der Augenscheinnahme der vom Zeugen V. mitgebrachten Landkarte. In dieser Karte waren Bundesautobahnen, Bundes-, Landes- und Kreisstraßen farbig markiert. Die E.-straße war, soweit sie überhaupt zu sehen war, nicht farblich gekennzeichnet.

IV.

1.) Indem der Betroffene den Fahrer R. anwies, das 55,26 Tonnen schwere Gespann und den 37,96 Tonnen schweren Anhänger in die E.-straße in T. zu führen, verstieß er gegen § 31 Abs. 2 StVZO. Denn er ließ zu, daß das Gespann in Betrieb genommen wird, obwohl das Gespann nicht vorschriftsmäßig war. Die Vorschrift über das zulässige Gesamtgewicht nach § 34 StVZO war nicht eingehalten.

Nach § 34 Abs. 6 Nr. 5 StVZO darf das zulässige Gesamtgewicht bei dem siebenachsigen Gespann nach 40 Tonnen nicht übersteigen. Dieses Gewicht ist mit 55,26 Tonnen überschritten. Dieses zulässige Gesamtgewicht sind beim Betrieb nicht eingehalten, so daß objektiv ein Verstoß gegen § 34 Abs. 3 Sätze 2 und 3 StVZO vorliegt und das Gespann damit nicht vorschriftsmäßig im Sinne des § 31 Abs. 2 StVZO ist.

2.) Die erforderlichen Erlaubnisse sowohl nach §§ 29, 46 Abs. 2 StVO als auch nach § 70 StVZO lagen für die Fahrt auf der E.-straße nicht vor.

a) Auf die Ausnahmegenehmigung des Regierungspräsidiums K. vom 5. April 2016 allein kann sich der Betroffene nicht berufen. Diese Genehmigung stellt lediglich die technische Erlaubnis zur Überschreitung der Höchstmaße nach StVZO dar. Wie die Nebenbestimmung klarstellt, bedarf der Führer parallel dazu noch einer streckenbezogenen Genehmigung.

b) Der Betroffene kann sich nicht auf die Erlaubnis der Stadt H. nach § 29 Abs. 3, § 46 Abs. 1 Nr. 5 StVO vom 5. August 2016 berufen. Diese erlaubt zwar grundsätzlich das Befahren der Straßen in mehreren Landkreisen, darunter auch dem Landkreis T., enthält jedoch zahlreiche Ausnahmen. Wie sich aus dem umfangreichen Auflagenkatalog ergibt, gilt die Erlaubnis in der Stadt T. nur auf klassifizierten Straßen und drei ausdrücklich genannten nicht klassifizierten Straßen.

Klassifizierte Straßen sind im Gegensatz zu den Gemeindestraßen die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StrG BW oder dem Bundesfernstraßengesetz genannten Straßen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25. April 2007 – 5 S 2243/05 – NuR 2007, 685). Die klassifizierten Straßen sind demnach alle Bundes-, Landes- und Kreisstraßen, die auch eine entsprechende Nummerierung besitzen.

Eine solche Straße ist die E.-straße in T. nicht. Sie heißt auch nicht Sch.-straße, K.- oder N.-Straße.

c) Folglich erlaubten die Genehmigungen den Transport des Gespanns im Hinblick auf die StVZO und im Hinblick auf die streckenbezogene Regelung nicht auf der E.-straße.

3.) Weil die verkehrsrechtliche Erlaubnis fehlt, ist auch die technische Erlaubnis erloschen.

a) Ein Verwaltungsakt wie die Ausnahmegenehmigung gemäß § 70 StVZO kann nach § 36 Abs. 1 LVwVfG mit einer Nebenbestimmung versehen werden. Darunter fällt nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG eine Bestimmung, nach der der Eintritt einer Vergünstigung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt (Bedingung). Er kann auch mit einer Bestimmung verbunden werden, durch die dem Begünstigten ein Tun vorgeschrieben wird (Auflage). Daneben ist denkbar, daß es sich um eine die Genehmigung gestaltende Inhaltsbestimmung des Verwaltungsakts handelt oder auch nur um eine unverbindliche Klarstellung.

b) Liegt eine Inhaltsbestimmung vor, tritt die Wirkung der Ausnahmegenehmigung nicht ein und es liegt ein Verstoß gegen Bestimmungen der StVZO vor. Das soll auch gelten, wenn die Erteilung einer streckenbezogenen Ausnahmegenehmigung zur Bedingung für die Erteilung der Genehmigung nach § 70 StVZO gemacht wurde (so OLG Celle, Beschluß vom 11. Januar 2011 – 322 SsRs 390/10 – NZV 2011, 311). Ist die streckenbezogene Erlaubnis in der Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO hingegen als Auflage im Sinne von § 36 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG und § 71 StVZO bestimmt, dann berührt das Fehlen der streckenbezogenen Ausnahmeerlaubnis die Wirksamkeit der Ausnahmegenehmigung nach der StVZO nicht (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 14.05.2007, NVZ 2007, 638; offen gelassen OLG Schleswig, Beschluß vom 27. August 2015 – 2 Ss Owi 95/15 – DAR 2016, 93).

Es ist möglich, daß ein Verstoß gegen § 29 Abs. 3 StVO tateinheitlich mit einem Verstoß gegen §§ 32, 34 StVZO begangen wird (BayObLG, Urteil vom 24. Oktober 1996 – 2 ObOWi 689/96 – NStZ-RR 1997, 123). Die Vorschriften nach der StVZO ahnden die Inbetriebnahme eines nicht den technischen Bestimmungen (vgl. Näher Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. München 2017, § 29, Rn 8) entsprechenden Fahrzeugs, § 29 Abs. 3 StVO das Führen ohne erforderliche Erlaubnis. Beachtet der Führer eine tageszeitliche Beschränkung einer Auflage nicht, soll darin kein Verstoß gegen §§ 32, 34 StVZO liegen (AG Brühl, Urteil vom 3. August 1995 – 52 Owi 51/95 – DAR 1997, 412).

c) Bei der Bestimmung in der Ausnahmegenehmigung des Regierungspräsidiums K. gemäß § 70 Nr. 1 StVZO vom 25. Februar 2019 handelt es sich um eine Bedingung.

Ob ein Verstoß gegen die Ausnahmegenehmigung vorliegt, ist durch Auslegung der Nebenbestimmung zu ermitteln.

Bei der Abgrenzung zwischen einer Nebenbestimmung im Sinne des § 36 VwVfG und einer Inhaltsbestimmung kommt es nach allgemeiner Meinung auf den Erklärungswert des Bescheids an, d. h. wie er sich bei objektiver Betrachtung aus der Sicht des Empfängers darstellt. Dabei ist die sprachliche Bezeichnung einer Regelung als Nebenbestimmung allein nicht entscheidend. Maßgebend ist vielmehr, ob die im Bescheid getroffene Regelung unmittelbar der Festlegung der Verwaltungsvorgaben, hier der Regulierungsvorgaben, dient, also das Handeln des von dem Bescheid Betroffenen räumlich und sachlich bestimmt und damit den Gegenstand der Genehmigung festlegt. Ist das der Fall, handelt es sich um eine Inhaltsbestimmung, die integraler Bestandteil der in der „Hauptbestimmung“ der Festlegung formulierten Vorgaben ist. Demgegenüber regelt eine Auflage zusätzliche Handlungs- oder Unterlassungspflichten, die zwar der Erfüllung der Vorgaben der Festlegung dienen, aber lediglich zu diesen Vorgaben hinzutreten und keine unmittelbare Wirkung für Bestand und Geltung der Festlegung haben (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2017 – EnVR 2/17 –, Rn. 14, juris; vgl. allgemein OVG Münster, NVwZ-RR 2000, 671; OVG Niedersachsen, NVwZ-RR 2013, 597, 599; OVG Weimar, BeckRS 2015, 51476 Rn. 27; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl., § 36 Rn. 9; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl., § 36 Rn. 93 ff.; Tiedemann in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2. Aufl., § 36 Rn. 1).

Inhaltsbestimmende Wirkung wohnt Wendungen inne, die etwa die Worte „dürfen nur“ oder „Bestandteil der Genehmigung“ umschrieben werden (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 26. September 2016 – 3 K 514/16 – Juris). Ist der Behörde die Regelung wichtig, spricht dies für eine Bedingung, bei Zweifel ist aber von einer Auflage auszugehen (Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl. Baden-Baden 2018, § 18 Rn 11).

Nach diesen Maßstäben geht das Gericht von einer Bedingung aus. Die Genehmigung nach § 70 StVZO ist unter der im Wortlaut eindeutigen „Bedingung“ erteilt, daß der Erlaubnisinhaber auch eine Erlaubnis der Straßenverkehrsbehörde einholt.

Die straßenrechtliche Genehmigung soll sicherstellen, daß das Führen des Gespanns auf dem gewählten Streckenabschnitt möglich ist und die Straße nicht überlastet wird (vgl. Verwaltungsvorschrift zu § 29 StVO, Ziff. 114; Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. München 2017, § 29, Rn 8). Die technischen Feststellungen aus der Genehmigung nach § 70 StVZO bleiben davon indes unberührt. Die Genehmigung nach § 70 StVZO stellt insbesondere die technische Eignung des Gespanns für eine größere als in der StVZO zugelassene Breite und ein höheres als das in der StVZO zugelassene Gesamtgewicht fest. Das Regierungspräsidium K. hat damit überwiegend die technischen Voraussetzungen geprüft, nicht die straßenrechtlichen Voraussetzungen.

Vorliegend verlangt das Regierungspräsidium deshalb nicht „nur“, daß sich der Inhaber der Ausnahmegenehmigung an gesetzliche Pflichten hält und die erforderlichen weiteren Genehmigungen nach § 29 Abs. 3 StVO einholt. Damit kommt der Wille der Behörde klar zum Ausdruck, daß die Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO nur gelten soll, wenn auch eine streckenbezogene Erlaubnis vorliegt. Dann aber erlischt die Genehmigung nach § 70 StVZO, wenn die Bedingungen nicht eingehalten wird.

4.) Der Betroffene hätte dies als Disponent auch wissen müssen und in Erfahrung bringen können.

Von einem Disponenten in einer Spedition oder einem Bauunternehmen mit Fuhrpark erwartet das Gericht, daß er eine Fahrt genau plant und sich darüber informiert, ob die Strecke befahren werden kann und welche Genehmigungen dazu notwendig sind. Gerade wenn besondere Transporte wie Schwerlasttransporte erfolgen, die einer Sondergenehmigung bedürfen, muß der Disponent prüfen, ob die Genehmigungen vorliegen. Eindeutig müßte der Betroffene prüfen, ob eine Anschrift möglicherweise in einer Fußgängerzone liegt, in die der Fahrer nicht einfahren darf. Nichts anderes gilt für einen Schwertransport, der nur mit einer Sondergenehmigung ausgeführt werden darf.

Zwar ist insbesondere die Genehmigung der Stadt H. mit vielen Seiten nicht angenehm zu erlesen und zu erfassen, gleichwohl muß dies gerade dem Betroffenen zugemutet werden. Immerhin reicht eine stichprobenartige Lektüre der Fahrtwege in den betroffenen Gebietskörperschaften aus.

Das Gericht ist auch der Überzeugung, daß der Betroffene den Begriff „klassifizierte Straße“ richtig deuten kann.

Das Gericht hat hierzu auf Antrag des Betroffenen auch den Zeugen V. vernommen.

Der Zeuge gab an, seit Januar 2012 bei der Fahrzeughalterin als technischer Betriebsleiter angestellt zu sein. Er beantrage die Genehmigungen für die Schwertransporte. Den Antrag stelle er über ein Formular im Computer, er hole die Genehmigung dann bei der Stadtverwaltung ab und gebe sie dem Disponenten. Er schaue sich die Genehmigung an. Für ihn seien insbesondere die Auflagen im Hinblick auf Begleitfahrzeuge relevant. Er habe auch den Begriff „klassifizierte Straße“ gesehen und sich schlau gemacht. Er habe dann nach einer Onlineabfrage festgestellt, daß klassifizierte Straßen alle befestigten Straßen seien, für die es keine Einfahrtbeschränkungen gebe. Als Quellen könne er sich auf ein Institut für Materialüberwachung und eine Bundesfachgruppe Schwerlastverkehr berufen. Aus § 3 LStrG habe sich für ihn nichts anderes ergeben.

Er habe am 25. Juli 2018 auch in anderer Sache mit einem Sachbearbeiter der Stadt T. am Telefon gesprochen. Dieser habe gemeint, der Zeuge solle seinen Planungen die amtliche Straßenkarte des Landes Baden-Württemberg im Maßstab 1:200.000 zugrunde legen. Die habe er getan, die Karte sogar dabei. Auch aus dieser Karte habe sich nichts anderes ergeben.

Das Gericht kann den Angaben folgen, da sie erlebnisgetragen sind und Querverweise auf andere Institutionen bieten.

Der Zeuge hatte auch die amtliche Straßenkarte dabei, die das Gericht in Augenschein genommen hat. In der Karte sind Bundesautobahnen, Landstraßen, Kreisstraßen farbig und örtliche Straßen ohne besondere Farbe eingezeichnet. Die E.-straße als solche ist auf dieser Karte nicht als separate Straße zu erkennen. Insgesamt ist die Darstellung deutlich schwächer als auf den gerichtsbekannten „Deutschen Generalkarten“ des ehemaligen Mairschen geographischen Verlags aus Filderstadt im selben Maßstab. In der Kartenlegende taucht der Begriff der „klassifizierten Straße“ nicht auf. Allerdings ergibt sich in der Darstellung der klassifizierten zu den nicht klassifizierten Straßen schon ein Unterschied: die klassifizierten Straßen sind farbig markiert, die nicht klassifizierten Straßen nicht. Die Karte kann durchaus so gelesen werden, daß die Schwertransporte nur auf den farbig markierten Straßen zulässig sind.

Insgesamt meint das Gericht, daß sich der Zeuge und der Betroffene den Begriff der „klassifizierten Straße“ hieraus und aus der Ausnahmegenehmigung hätten erschließen können. Aus der Ausnahmegenehmigung ergibt sich nämlich, daß die Sch.-straße, K.- und N.-Straße keine klassifizierte Straßen sind. Sonst müßten sie nicht eigens erwähnt werden. Außer dem Straßennamen tragen diese Straßen keine Nummernbezeichnung, wie es etwa für die S.-Straße (B 27) oder R.-Straße (B 28) der Fall ist. Dies rechtfertigt aus Sicht des Gerichts durchaus einen auch Laien zumutbaren Schluß, daß nummerierte Straßen klassifiziert sind und nicht nummerierte Straßen nicht. Die Hinweise zu anderen Gebietskörperschaften (etwa dem Landkreis T. mit dem Hinweis, daß die Erlaubnis auf klassifizierten Straßen mit Ausnahme besonderer Kreisstraßen gilt), lassen für den Durchschnittsempfänger ebenfalls erkennen, daß Straßen mit einer offiziellen Nummer (Bundes-, Landes- oder Kreisstraße) klassifiziert sind und Straßen, die nur durch ihre Namensbezeichnung („Sch.-“ oder „N.-Straße“) beschrieben werden, eben nicht klassifiziert sind. Zur Überzeugung des Gerichts wäre dies auch dem verständigen Betroffenen nicht verborgen geblieben, wenn er die Genehmigung sorgfältig geprüft hätte.

V.

Die Verwaltungsbehörde hat sich entschlossen, den Verstoß zu ahnden. Auch das Gericht hält eine Ahndung für geboten.

Soweit im Bußgeldbescheid ein Verstoß gegen das zulässige Gesamtgewicht des Anhängers vorgeworfen wird, sieht das Gericht gemäß §§ 46 OWiG, 154a StPO von einer Ahndung ab. Das Ergebnis ändert sich nicht, da nach § 19 OWiG der stärkere Verstoß für die Sanktion maßgebend ist und beide Verstöße gleich sanktioniert werden.

Als Rechtsfolge sieht § 24 StVG eine Geldbuße bis zu 2.000,- Euro vor. Der Bußgeldkatalog sieht in Ziffer 199.1.6 einen Regelsatz von 425,- Euro vor.

Das Gericht meint, beim Betroffenen hiervon abweichen zu können. Nach der Vernehmung des Zeugen V. ist das Gericht davon überzeugt, daß sich der Betroffene in enger Abstimmung mit seinem Vorgesetzten verhalten hat und das Verschulden daher geringer ist als im Durchschnittsfall. Letztlich hat sich der Zeuge V. selbst informiert und seine Informationen an den Betroffenen weitergegeben. Dieser hat sie nicht weiter überprüft.

Auf der anderen Seite ist der Betroffene erheblich vorbelastet, so daß eine spürbare Sanktion zu verhängen ist.

Die Befürchtung der Verteidigung, daß durch diese Tat die Halterin sanktioniert wird, teilt das Gericht nicht. Der Bußgeldbescheid erging nicht gegen die Halterin, sondern gegen die verantwortlichen Personen. Die Fahrzeughalterin muß zur Überzeugung des Gerichts keine Eintragung im Gewerbezentralregister befürchten. Zum einen erging die Entscheidung gegen Angestellt, nicht gegen Führungskräfte im Sinne des § 9 OWiG. Zudem findet eine Eintragung ins Gewerbezentralregister nicht statt, wenn die Tat – wie hier – ins Fahreignungsregister eingetragen wird, § 149 Abs. 2 Satz 2 GewO. Wäre dies anders, hätte das Gericht die Geschäftsführer der Halterin als Zeugen vernommen und diesem Aspekt bei der Zumessung der Geldbuße anderes Gewicht beigemessen.

300,- Euro erscheinen demnach tat- und schuldangemessen.

VI.

Als Verurteilter trägt der Betroffene die Kosten des Verfahrens, §§ 46 Abs. 1 OWiG, 465 StPO.

 

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