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Fahrerlaubnisentziehung eines älteren Kraftfahrers bei Abkommen von Fahrbahn

BayVGH – Az.: 11 CS 21.2385 – Beschluss vom 07.02.2022

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 30. August 2021 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 6.250,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der 1940 geborene Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A1, B, C1 (Schlüsselzahl 171), BE, C1E, M, L (Schlüsselzahlen 174, 175) und T/S (Schlüsselzahl 181).

Fahrerlaubnisentziehung eines älteren Kraftfahrers bei Abkommen von Fahrbahn
(Symbolfoto: sheris9/Shutterstock.com)

Im Juli 2020 ging bei dem Landratsamt Weilheim-Schongau eine polizeiliche Mitteilung ein, wonach der Antragsteller am 13. Juni 2020 zwei Verkehrsunfälle innerhalb von zwei Stunden verursacht habe. Im ersten Fall sei er aus ungeklärter Ursache nach rechts von der Fahrbahn angekommen und gegen eine Straßenlaterne geprallt. Im zweiten Fall sei er bei einer Einfahrt in ein Grundstück mit der rechten Fahrzeugseite mit einem Hoftor kollidiert. Insbesondere im Rahmen der Aufnahme des zweiten Unfalls habe der Antragsteller altersbedingte geistige und körperliche Ausfallerscheinungen gezeigt und unschlüssige Ursachen zum Grund des Unfalls angegeben. Aufgrund seines vom Notarzt festgestellten unklaren Gesundheitszustands sei der Antragsteller ins Krankenhaus Schongau verbracht worden.

Mit Schreiben vom 14. August 2020 bat das Landratsamt den Antragsteller, zur Aufklärung, ob bei ihm eine fahreignungsrelevante Erkrankung vorliege, persönlich vorzusprechen und eine hausärztliche Stellungnahme zu etwaigen Erkrankungen bzw. Einschränkungen sowie ggf. zur Medikamenteneinnahme vorzulegen.

Der Antragsteller reichte daraufhin einen Medikamentenplan sowie ein ärztliches Attest vom 22. August 2020 ein, in dem u.a. die Diagnosen Herzinsuffizienz bei KHK, Vorhofflimmern, Z.n. Mitralklappenersatz nach Endokarditis (aktuell kardial kompensiert) sowie chronische Niereninsuffizienz (aktuell kompensiert) genannt werden.

Mit Schreiben vom 12. Oktober 2020 forderte das Landratsamt den Antragsteller auf, ein Gutachten eines Arztes einer anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung beizubringen. Zu klären sei u.a., ob bei dem Antragsteller eine Erkrankung vorliege, die nach Nr. 4 und/oder Nr. 10 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung der Gruppen 1 und 2 in Frage stelle, ob er in diesem Falle in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 vollständig gerecht zu werden, ob eine ausreichende Compliance sowie Adhärenz vorliege und ob insoweit Auflagen, Beschränkungen oder Nachuntersuchungen erforderlich seien.

Nachdem innerhalb der bis zum 27. Januar 2021 verlängerten Frist kein Gutachten vorgelegt wurde, entzog das Landratsamt dem Antragsteller nach vorheriger Anhörung mit Bescheid vom 28. April 2021 die Fahrerlaubnis und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgeldes auf, seinen Führerschein innerhalb einer Woche ab Zustellung des Bescheids abzugeben. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an.

Hiergegen ließ der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München am 19. Mai 2021 Klage (Az. M 6 K 21.2647) erheben, über die noch nicht entschieden worden ist. Gleichzeitig stellte er einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, den das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 30. August 2021 ablehnte. Die Klage bleibe voraussichtlich ohne Erfolg. Das Landratsamt habe nach § 11 Abs. 8 FeV auf die mangelnde Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen müssen, da dieser das rechtmäßig geforderte Gutachten nicht vorgelegt habe. Die in dem Attest vom 22. August 2020 genannten Erkrankungen in Verbindung mit dem ungeklärten Verkehrsunfall vom 13. Juni 2020 hätten einen hinreichenden Anlass für die Begutachtung geboten.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der der Antragsgegner entgegentritt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Es kann dahinstehen, ob die Beschwerdebegründung sich hinreichend mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt und insoweit den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt. Selbst wenn man von einer Erfüllung des Darlegungserfordernisses und damit einer zulässigen Beschwerde ausgeht, ist diese nicht begründet. Denn aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen wäre.

1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Dezember 2020 (BGBl I S. 2667), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch die zum Teil zum 1. April 2021 in Kraft getretene Verordnung vom 16. November 2020 (BGBl I S. 2704), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV).

Nach § 11 Abs. 2 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens, unter anderem eines Gutachtens eines Arztes einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV), anordnen, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisinhabers begründen. Bedenken gegen die körperliche und geistige Fahreignung bestehen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur FeV hinweisen. Nicht erforderlich ist also, dass eine solche Erkrankung oder ein solcher Mangel bereits feststeht. Allerdings darf die Beibringung des Gutachtens nur aufgrund konkreter Tatsachen, nicht auf einen bloßen Verdacht „ins Blaue hinein“ bzw. auf Mutmaßungen, Werturteile, Behauptungen oder dergleichen hin verlangt werden (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01 – NJW 2002, 78 = juris Rn. 22 ff.; U.v. 14.11.2013 – 3 C 32.12 – BVerwGE 48, 230 = juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 5.10.2020 – 11 CS 20.1203 – juris Rn. 19; B.v. 3.11.2020 – 11 CS 20.1469 – juris Rn. 22). Ob die der Behörde vorliegenden Tatsachen ausreichen, ist nach den gesamten Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2020, a.a.O.)

Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung geschlossen werden. Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung der Begutachtung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 = juris Rn. 19).

2. Daran gemessen begegnet die vom Landratsamt verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis keinen rechtlichen Bedenken. Der Schluss aus der Nichtvorlage des angeforderten ärztlichen Gutachtens auf die fehlende Fahreignung erweist sich als gerechtfertigt.

a) Wie das Landratsamt und das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen haben, ergaben sich aus dem auffälligen Verhalten des Antragstellers im Straßenverkehr am 13. Juni 2020 sowie aus dem ärztlichen Attest vom 22. August 2020 zum maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtensanordnung (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016, a.a.O. Rn. 14; BayVGH, B.v. 11.2.2019 – 11 CS 18.1808 – juris Rn. 18) hinreichende Anhaltspunkte für eine fahreignungsrelevante Erkrankung, die die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens nach § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV rechtfertigten. Dabei hat das Landratsamt zu Recht auf die Fahreignung für Fahrzeuge der Gruppen 1 und 2 abgestellt, da sich die Fahrerlaubnis des Antragstellers u.a. auf die Klasse C1E erstreckt, die der Gruppe 2 zuzuordnen ist (vgl. Nr. 1.2 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27.1.2014 [VkBl S. 110] – in der Fassung vom 28.10.2019 [VkBl S. 775]).

aa) Ein Unfall eines älteren Kraftfahrers und auch die Tatsache, dass dieser darauf aufgeregt reagiert, können zwar nicht ohne Weiteres und ohne Rücksicht auf die konkreten Umstände des Einzelfalls zum Anlass für eine nähere Aufklärung genommen werden (vgl. dazu Rebler, SVR 2018, 125/127 f.). Hier bestanden aufgrund der in der polizeilichen Mitteilung geschilderten Vorkommnisse im Sinne eines „Anfangsverdachts“ jedoch ausreichende Bedenken hinsichtlich der körperlichen und geistigen Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen. Ein Abkommen von der Fahrbahn ohne erkennbaren verkehrlichen Grund, wie es hier beschrieben wird, kann auf ein Wahrnehmungsdefizit bzw. eine verlangsamte Informationsverarbeitung zurückzuführen sein (vgl. Rebler, a.a.O. S. 128), oder aber auch auf Bewusstseinstrübungen oder Schwäche, für die verschiedene organische Ursachen in Betracht kommen. Ferner hat der Antragsteller nach Einschätzung der Polizei unschlüssige Ursachen für den zweiten Vorfall am Hoftor angegeben und veranlasste der herbeigerufene Notarzt bei unklarem Gesundheitszustand die Einlieferung ins Krankenhaus. Daraus ergaben sich weitere Anhaltspunkte für einen Eignungsmangel.

Entgegen der Auffassung der Beschwerde konnte das Landratsamt die polizeiliche Mitteilung in diesem Umfang auch zu Grunde legen, ohne den Sachverhalt eigenständig zu überprüfen. Mitteilungen der Polizei nach § 2 Abs. 12 StVG und sonstige polizeiliche Schilderungen sind grundsätzlich berücksichtigungsfähig, wenn sie Anhaltspunkte für Fahreignungszweifel des Betroffenen enthalten und nicht durch substantiierte Einwände erschüttert werden oder sonst der weiteren Klärung bedürfen (vgl. zu polizeilichen Mitteilungen nach § 2 Abs. 12 StVG BayVGH, B.v. 18.4.2012 – 11 ZB 12.296 – juris Rn. 4; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 2 StVG Rn. 86 und § 13 FeV Rn. 20; zur Verwertung amtlicher Schilderungen s. auch BayVGH, B.v. 13.1.2016 – 22 CS 15.2643 – GewArch 2016, 160 = juris Rn. 10). Hier ergeben sich keine greifbaren Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der polizeilichen Darstellung, soweit es darauf ankommt. Ob es sich bei dem zweiten Vorfall um einen Unfall handelt und das Hoftor beschädigt wurde, ist dabei, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, unerheblich. Ebenfalls unerheblich ist, ob sich der Antragsteller im Rahmen der polizeilichen Aufnahme dieses Ereignisses in einem „geistigen Ausnahmezustand befand“, wie die Dame, die der Antragsteller besuchen wollte, nach der polizeilichen Mitteilung geäußert hat, oder er nur „etwas neben der Spur war“, wie es in der Beschwerde heißt.

Folglich hat das Landratsamt die Mitteilung der Polizei in nicht zu beanstandender Weise zum Anlass für eine Vorabklärung genommen (vgl. auch BayVGH, B.v. 3.5.2017 – 11 CS 17.312 – juris Rn. 16 ff.; B.v. 3.11.2020 – 11 CS 20.1469 – juris Rn. 22).

bb) Das daraufhin vorgelegte ärztlichen Attest vom 22. August 2020 war – aus der maßgeblichen Sicht eines medizinisch und psychologisch nicht geschulten Laien (vgl. auch BayVGH, B.v. 20.3.2020 – 11 ZB 20.145 – ZfSch 2020, 295 = juris Rn. 12; B.v. 28.4.2020 – 11 CS 19.2189 – juris Rn. 19; B.v. 3.11.2020 – 11 CS 20.1469 – juris Rn. 23) – nicht geeignet, die begründeten Bedenken gegen die Fahreignung auszuräumen. Vielmehr bestärkten die dort genannten Diagnosen Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern und Niereninsuffizienz die Zweifel. Nach Nr. 4.5 der Anlage 4 zur FeV hängt die Fahreignung bei Herzinsuffizienz (Herzleistungsschwäche) von der Schwere der Erkrankung ab und setzt in jedem Fall eine fachärztliche Untersuchung voraus. Die Eignung zum Führen von Fahrzeugen der Gruppe 2, erfordert, sofern sie überhaupt bejaht werden kann, darüber hinaus jährliche kardiologische Kontrolluntersuchungen (vgl. auch Nr. 3.4.5 der Begutachtungsleitlinien). Vorhofflimmern stellt eine Herzrhythmusstörung dar (vgl. Pschyrembel online, Beitrag „Vorhofflimmern“, abgerufen am 1.2.2022), die die Fahreignung nach Nr. 4.1 der Anlage 4 zur FeV bei anfallsweiser Bewusstseinstrübung oder Bewusstlosigkeit in Frage stellt (vgl. auch Nr. 3.4.1 der Begutachtungsleitlinien). Bei Niereninsuffizienz hängt die Fahreignung nach Nr. 10 der Anlage 4 zur FeV vom Schweregrad der Erkrankung und den damit verbundenen Beeinträchtigungen bzw. dem Erfolg der Behandlung ab (vgl. auch Nr. 3.6 der Begutachtungsleitlinien).

Dass die Erkrankungen am Herzen sowie die Niereninsuffizienz nach den Angaben im hausärztlichen Attest vom 22. August 2020 aktuell kompensiert sind, stand der weiteren Aufklärung durch eine ärztliche Begutachtung nach § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV jedenfalls deswegen nicht entgegen, weil die Auffälligkeiten am 13. Juni 2020 Anhaltspunkte dafür boten, dass die Erkrankungen nicht hinreichend unter Kontrolle sind und die Fahreignung erheblich beeinträchtigen. Insbesondere kann, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, Vorhofflimmern Bewusstseinstrübungen oder Bewusstlosigkeit zur Folge haben (vgl. Nr. 4.1.1. der Anl. 4 zur FeV; Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Aufl. 2018, S. 133 f.); darin könnte folglich eine Erklärung für das Abkommen von der Fahrbahn liegen. Herzinsuffizienz kann die Leistungsfähigkeit ebenfalls einschränken (vgl. Nr. 3.4.5 der Begutachtungsleitlinien; Schubert/Huetten/Reimann/Graw, a.a.O. S. 139 f.). Gleiches gilt für die Niereninsuffizienz (vgl. Nr. 10.1 der Anl. 4 zur FeV; Nr. 3.6 der Begutachtungsleitlinien; Schubert/Huetten/Reimann/Graw, a.a.O. S. 163). Es drängte sich auch nicht auf, dass weitere – das Verfahren verzögernde – Nachfragen beim Antragsteller und etwaige Auskünfte seiner behandelnden Fachärzte diese Zweifel an der Fahreignung auch für einen medizinischen Laien eindeutig und restlos ausräumen könnten.

cc) Das im gerichtlichen Verfahren nachgereichte hausärztliche Attest vom 10. Mai 2021 ist, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, im vorliegenden Verfahren nicht zu berücksichtigen, weil es nach dem für die Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (stRspr; vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 14.17 – BVerwGE 165, 215 = juris Rn. 11; vgl. auch BayVGH, B.v. 24.3.2016 – 11 CS 16.260 – DAR 2017, 101 = juris Rn. 13) vorgelegt wurde. Abgesehen davon ist die hausärztliche Einschätzung, wonach der Antragsteller mit Blick auf einen ausreichend stabilen Allgemeinzustand und stabile Vitalparameter noch fahrtüchtig ist, nicht geeignet, die auch durch die Vorkommnisse am 13. Juni 2020 begründeten Bedenken an der Fahreignung nachvollziehbar und eindeutig so zu widerlegen, dass keine Restzweifel mehr verbleiben (vgl. dazu BayVGH, B.v. 24.3.2016, a.a.O.).

dd) Der Einwand, der Antragsteller sei zwischen den Vorfällen am 13. Juni 2020 und der Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr negativ aufgefallen, ist schon grundsätzlich nicht geeignet, die begründeten Eignungszweifel auszuräumen. Im Übrigen kommt gerade bei Eignungszweifeln wegen altersbedingter Erkrankungen und Leistungsmängel der Tatsache, dass diese Schwächen sich noch nicht in Unfällen oder anderen Verkehrsauffälligkeiten manifestiert haben, regelmäßig keine besondere Aussagekraft zu. Dies gilt umso mehr, wenn wie im vorliegenden Fall der Kraftfahrer durch einen von ihm verschuldeten Unfall in Erscheinung getreten ist (vgl. auch BVerwG, B.v. 29.11.1974 – BVerwG 7 B 82.74 – VRS 48, 478 = juris Rn. 10).

b) Wenn die Beschwerde rügt, das Landratsamt habe dem Antragsteller die vorgenannte polizeiliche Mitteilung nicht vorgelegt, dringt sie damit nicht durch. Hinsichtlich der formellen Anforderungen an eine Beibringungsanordnung bestimmt § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV u.a., dass die Behörde dem Betroffenen die Gründe für die Zweifel an seiner Eignung mitteilt. Maßgeblich ist dabei, dass der Betroffene der Aufforderung entnehmen kann, was konkret ihr Anlass ist und ob das in ihr Verlautbarte die behördlichen Zweifel an der Fahreignung zu rechtfertigen vermag (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01 – NJW 2002, 78 = juris Rn. 25). Diesen Anforderungen wird die Gutachtenanordnung, die den wesentlichen Inhalt der polizeilichen Mitteilung wiedergibt, hier gerecht. Ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller insoweit auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juli 2001. Darin wird allein der Frage nachgegangen, ob die polizeiliche Mitteilung dem Betroffenen mitübersandt worden war und dieser somit trotz der unzureichenden Umschreibung der Eignungszweifel in der Gutachtensanordnung selbst über den Inhalt der Mitteilung informiert war (a.a.O. Rn. 32). Eine allgemeine Verpflichtung, über die Angabe von Gründen hinaus Unterlagen, aus denen sich die Bedenken ergeben, zu übersenden, nimmt das Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung hingegen nicht an. Abgesehen davon hat das Landratsamt dem Antragsteller hier Einsicht in die Akte, die u.a. die polizeiliche Mitteilung enthielt, gewährt.

c) Soweit der Antragsteller in den Raum stellt, er könne die Kosten für die Begutachtung nicht aufbringen, kann auch dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Fehlende finanzielle Mittel stellen keinen Grund dar, von notwendigen Aufklärungsmaßnahmen abzusehen. Von einem zur Vorlage eines Eignungsgutachtens verpflichteten Verkehrsteilnehmer ist zu fordern, dass er alle ernsthaft in Betracht kommenden Möglichkeiten ausschöpft, um die einer Begutachtung entgegenstehenden finanziellen Hemmnisse auszuräumen. Allenfalls dann, wenn der Betreffende entsprechende, noch nicht abgeschlossene Bemühungen wie z.B. die Abklärung einer etwaigen Ratenzahlung mit dem Gutachter oder einer anderweitigen Finanzierungsmöglichkeit geltend und glaubhaft macht, kann die Fahrerlaubnisbehörde gehalten sein, ihre abschließende Entscheidung vorübergehend zurückzustellen, soweit die dadurch eintretende Verzögerung auch unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit vertretbar erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2019 – 11 CS 18.2278 – DAR 2019, 345 = juris Rn. 16 m.w.N.; Dauer in Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 11 FeV Rn. 53). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

2. Davon ausgehend hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiegt. Bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, ist das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2021 – 11 CS 20.2342 – juris Rn. 17). Dem Schutz der Allgemeinheit vor Verkehrsgefährdungen kommt angesichts der Gefahren durch die Teilnahme ungeeigneter Kraftfahrer am Straßenverkehr besonderes Gewicht gegenüber den Nachteilen zu, die einem betroffenen Fahrerlaubnisinhaber in beruflicher oder in privater Hinsicht entstehen (vgl. BVerfG, B.v. 19.7.2007 – 1 BvR 305/07 – juris Rn. 6; B.v. 15.10.1998 – 2 BvQ 32/98 – BayVBl 99, 463 = juris Rn. 5, zu einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO; BayVGH, B.v. 17.2.2020 – 11 CS 19.2220 – juris Rn. 17; OVG NW, B.v. 22.5.2012 – 16 B 536/12 – juris Rn. 33).

3. Die Beschwerde war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, 46.2, 46.3, 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Die Befugnis zur Änderung des Streitwerts in der Rechtsmittelinstanz von Amts wegen folgt aus § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

 

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