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Fahrerlaubniserteilung nach Entziehung wegen Nötigung und Gefährdung des Straßenverkehrs

Kein Neuerteilung der Fahrerlaubnis bei Gefährdung des Straßenverkehrs

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof lehnte die Berufung eines Klägers gegen die Nichterteilung seiner Fahrerlaubnis ab. Der Kläger wurde zuvor wegen Nötigung im Straßenverkehr und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs strafrechtlich verurteilt. Die Entscheidung basierte auf der Annahme, dass die strafrechtlichen Feststellungen und die daraufhin eingeforderten negativen medizinisch-psychologischen Gutachten die Zweifel an der Fahreignung des Klägers bestätigen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 11 ZB 14.1452  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Ablehnung der Berufung: Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wurde abgelehnt.
  2. Strafrechtliche Verurteilung: Der Kläger wurde wegen Nötigung und Gefährdung des Straßenverkehrs strafrechtlich verurteilt.
  3. Entzug der Fahrerlaubnis: Dies führte zum Entzug seiner Fahrerlaubnis.
  4. Anforderung eines Gutachtens: Die Behörde forderte vom Kläger ein medizinisch-psychologisches Gutachten.
  5. Negative Gutachten: Der Kläger legte zwei negative Gutachten vor, die seine Fahruntauglichkeit bestätigten.
  6. Keine Berücksichtigung der Videoaufzeichnungen: Das Gericht lehnte die Berücksichtigung der vom Kläger eingereichten Videoaufzeichnungen ab.
  7. Bindung an strafrechtliche Feststellungen: Das Gericht sah sich an die Feststellungen des Strafverfahrens gebunden.
  8. Kostenpflicht des Klägers: Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Nach einer Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Nötigung und Gefährdung des Straßenverkehrs muss ein Kläger verschiedene Bedingungen erfüllen, um die Wiedererteilung zu erreichen. Eine Verurteilung wegen Nötigung kann dazu führen, dass das Amtsgericht die Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1 StGB entzieht.

Für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis ist neben dem Bestehen eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) auch eine neue Fahrerlaubnisprüfung erforderlich. Im weiteren Verlauf dieses Beitrags wird ein konkretes Urteil zum Thema Fahrerlaubniserteilung nach Entziehung vorgestellt und erläutert.

Verkehrsdelikte führen zur Fahrerlaubnisentziehung

In einem bemerkenswerten Fall hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof eine Entscheidung getroffen, die tiefgreifende Folgen für einen Kläger mit sich bringt. Der Kläger, dessen Identität nicht bekannt gegeben wurde, hatte sich wegen Nötigung im Straßenverkehr und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs vor dem Amtsgericht Aichach zu verantworten. Er wurde schuldig gesprochen, und ihm wurde die Fahrerlaubnis entzogen, verbunden mit einer Sperrfrist von 18 Monaten für die Wiedererteilung. Diese Verurteilung basierte auf mehreren Vorfällen auf Autobahnen und Bundesstraßen im Jahr 2006, bei denen der Kläger andere Verkehrsteilnehmer durch gefährliches Überholen, abruptes Abbremsen und beleidigende Gesten nötigte und gefährdete.

Medizinisch-psychologische Gutachten als Wendepunkt

Als entscheidenden Teil des Verfahrens ordnete die Beklagte, vertreten durch die zuständige Behörde, an, dass der Kläger medizinisch-psychologische Gutachten vorlegen sollte, um seine Fahreignung zu beweisen. Diese Gutachten, durchgeführt von der DEKRA und der IAS, fielen jedoch negativ aus und bestätigten, dass der Kläger nicht geeignet war, ein Fahrzeug zu führen. Diese Entwicklung führte schließlich zur Ablehnung seines Antrags auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis im Jahr 2012, eine Entscheidung, die trotz seines Widerspruchs aufrechterhalten wurde.

Juristische Auseinandersetzung und gerichtliche Entscheidungen

Der Fall eskalierte weiter, als der Kläger beim Verwaltungsgericht München Klage einreichte, um die Entscheidung der Behörde anzufechten. Das Gericht wies jedoch seine Klage ab und stützte sich dabei auf die strafrechtliche Verurteilung und die negativen Gutachten. Der Kläger versuchte, die Glaubwürdigkeit der strafrechtlichen Feststellungen in Frage zu stellen, indem er auf Videoaufzeichnungen verwies, die er während der Vorfälle gemacht hatte. Das Gericht erachtete diese jedoch nicht als neue Beweismittel, da sie bereits im Strafverfahren berücksichtigt worden waren. Diese Entscheidung betonte die Bedeutung der strafrechtlichen Verurteilung und der daraus resultierenden Feststellungen für das Verwaltungsverfahren.

Ablehnung der Berufung und Konsequenzen für den Kläger

Schließlich wandte sich der Kläger an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, um gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München Berufung einzulegen. Der Gerichtshof lehnte jedoch den Antrag auf Zulassung der Berufung ab, da keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestanden, keine Verfahrensmängel vorlagen und der Fall keine grundsätzliche Bedeutung hatte. Der Kläger wurde somit verpflichtet, die Kosten des Verfahrens zu tragen. Dieser Beschluss unterstreicht die Verantwortung und Konsequenzen, die mit Verkehrsdelikten verbunden sind und zeigt, wie schwerwiegend die Auswirkungen auf die Fahrerlaubnis sein können.

Die juristische Auseinandersetzung und das letztliche Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs verdeutlichen, dass bei der Beurteilung der Fahreignung eines Individuums die strafrechtlichen Feststellungen und die daraus resultierenden Gutachten von entscheidender Bedeutung sind. Die strikte Anwendung der rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere in Bezug auf die Fahrerlaubnis-Verordnung und das Straßenverkehrsgesetz, zeigt, dass die Gerichte ein hohes Maß an Verantwortung für die Sicherheit im Straßenverkehr tragen.

In diesem speziellen Fall hat das Gericht klargestellt, dass die Rechtskraft strafrechtlicher Urteile und die daraus folgenden medizinisch-psychologischen Gutachten wesentlich für die Beurteilung der Fahreignung sind. Dies bedeutet, dass trotz der Einwände des Klägers und seiner Versuche, die Urteile anzufechten, die ursprünglichen Entscheidungen des Amtsgerichts und der nachfolgenden Instanzen bestehen bleiben.

Für den Kläger bedeutet das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass er sich den Konsequenzen seiner Handlungen stellen und die Verantwortung für sein gefährliches Verhalten im Straßenverkehr übernehmen muss. Die Entscheidung dient als ein deutliches Zeichen dafür, dass Verstöße gegen die Verkehrsregeln und die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer nicht leicht genommen werden und zu ernsthaften rechtlichen Folgen führen können.

Insgesamt stellt der Fall ein wichtiges Beispiel dafür dar, wie das deutsche Rechtssystem mit Fällen von Verkehrsdelikten und der Frage der Fahreignung umgeht. Es zeigt auf, dass die Sicherheit im Straßenverkehr eine oberste Priorität hat und dass die Gerichte konsequent gegen Verkehrssünder vorgehen, um diese Sicherheit zu gewährleisten.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Wie wird Nötigung im Straßenverkehr rechtlich definiert und geahndet?

Nötigung im Straßenverkehr wird rechtlich als eine Situation definiert, in der jemand durch Gewalt oder die Androhung von Gewalt so unter Druck gesetzt bzw. in eine Zwangssituation gebracht wird, dass er zu einem bestimmten Verhalten gezwungen wird. Dies kann beispielsweise durch dauerhaftes Drängeln und dichtes Auffahren mit Lichthupe über einen längeren Zeitraum, absichtliches, grundloses und abruptes Ausbremsen des Hintermanns, den Hintermann vorsätzlich am Überholen hindern oder die Bildung einer Straßenblockade geschehen.

Die Strafen für Nötigung im Straßenverkehr sind im Strafgesetzbuch (§ 240 Abs. 1 StGB) geregelt. Eine Verurteilung wegen Nötigung führt in der Regel zu einer Geldstrafe, die in Tagessätzen berechnet wird und sich nach dem Nettomonatsgehalt richtet. Zusätzlich kann ein Fahrverbot von einem oder mehreren Monaten angeordnet werden. In schweren Fällen oder bei Wiederholungstätern droht sogar der Entzug der Fahrerlaubnis. Bei Vorliegen einer Nötigung sieht § 240 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor.

Es ist zu beachten, dass nicht jedes aggressive oder rücksichtslose Verhalten im Straßenverkehr als Nötigung gilt. Es muss eine vorsätzliche Behinderung vorliegen und der betroffene Verkehrsteilnehmer muss sich durch das Verhalten des anderen in seiner Freiheit zu einer bestimmten Handlung, Duldung oder Unterlassung eingeschränkt fühlen.


Das vorliegende Urteil

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 ZB 14.1452 – Beschluss vom 13.02.2015

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis.

Mit Urteil vom 18. Oktober 2007 sprach das Amtsgericht Aichach den Kläger der Nötigung im Straßenverkehr in zwei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit Nötigung in Tatmehrheit mit Beleidigung schuldig, verhängte eine Geldstrafe, entzog die Fahrerlaubnis und ordnete eine Sperrfrist von 18 Monaten für die Wiedererteilung an. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts war der Kläger am 31. Mai 2006 auf der Autobahn vom rechten auf den linken Fahrstreifen gewechselt und hatte dann grundlos eine Vollbremsung eingeleitet, wodurch das hinter ihm fahrende Fahrzeug massiv abbremsen musste. Am 12. Juli 2006 fuhr er auf der linken Fahrspur der Autobahn mit hoher Geschwindigkeit zunächst dicht auf ein vor ihm fahrendes Fahrzeug auf, überholte dieses dann rechts, scherte anschließend vor dem Fahrzeug ein und bremste dann ohne ersichtlichen Grund ab. Am 14. Juli 2006 überholte er auf einer mehrspurigen Bundesstraße ein Fahrzeug auf der rechten Fahrspur, wechselte dann wieder auf die linke Spur und beleidigte anschließend den Fahrer dieses Fahrzeugs durch eine Geste. Am 28. August 2006 überholte der Kläger erneut auf der Autobahn ein Fahrzeug auf der rechten Spur, wechselte vor diesem Fahrzeug wieder auf die linke Spur und bremste dann unvermittelt und grundlos sehr stark ab. Das Amtsgericht sah den vom Kläger bestrittenen Sachverhalt aufgrund der Einvernahme von Zeugen und der Inaugenscheinnahme von Videoaufzeichnungen des Verkehrsgeschehens als erwiesen an, die der Kläger mit einer in seinem Fahrzeug angebrachten Kamera während der Fahrt aufgenommen hatte. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil hatte lediglich hinsichtlich einer Reduzierung der Anzahl der Tagessätze und einer Verkürzung der Sperrfrist Erfolg (Urteil des Landgerichts Augsburg vom 20.6.2008).

Nachdem die Beklagte den Kläger mehrfach zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung aufgefordert und der Kläger daraufhin zwei seine Fahreignung verneinende Gutachten der DEKRA (Untersuchung am 25.6.2009) und der IAS (Untersuchung am 16.6.2011) vorgelegt hatte, lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis der Klassen A1, B, BE, L, M und S mit Bescheid vom 8. Februar 2012 ab. Der hiergegen eingereichte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 22.1.2014).

Mit Urteil vom 7. Mai 2014 hat das Verwaltungsgericht München die Klage des Klägers mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 8. Februar 2012 und des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 22. Januar 2014 zur Erteilung der Fahrerlaubnis der Klassen A1, B, BE, L, M und S zu verpflichten, abgewiesen. Die Beklagte sei wegen der strafgerichtlichen Verurteilung des Klägers berechtigt gewesen, von ihm die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu verlangen. Ein positives Fahreignungsgutachten habe der Kläger jedoch nicht vorgelegt. Die Sachverhaltsfeststellungen und der Schuldspruch im Strafverfahren hätten den Gutachtensaufforderungen und den vorgelegten Gutachten uneingeschränkt zugrunde gelegt werden können. Die im strafgerichtlichen Verfahren bereits berücksichtigten Videoaufnahmen des Klägers könnten zu keinem anderen Ergebnis führen. Sie seien keine neuen Tatsachen oder Beweismittel und von der Beklagten und vom Gericht nicht zu prüfen. Eine vollständige Wiederholung der Beweisaufnahme des Strafprozesses im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sei nicht vorgesehen. Außerdem wäre die Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnungen durch das Verwaltungsgericht wegen des damit verbundenen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der aufgenommenen Personen unzulässig. Schließlich habe sich der Kläger durch die Akzeptanz der strafgerichtlichen Urteile und Verzicht auf ihm zur Verfügung stehende Rechtsmittel der Möglichkeit beraubt, die Videoaufnahmen zu seiner Entlastung zu verwenden. Daher müsse er sich an der Verurteilung festhalten lassen. Im Übrigen ergebe die verbale Beschreibung des Klägers zum Vorfall vom 28. August 2006, dass sich dieser Vorfall tatsächlich wie im strafgerichtlichen Verfahren angenommen abgespielt habe und vom Kläger lediglich abweichend bewertet werde.

Zur Begründung des hiergegen eingereichten Antrags auf Zulassung der Berufung, dem die Beklagte entgegentritt, macht der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, Verfahrensmängel und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Aus der Antragsbegründung ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch liegt ein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

a) Bewerber um eine Fahrerlaubnis müssen die hierfür notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen. Sie dürfen unter anderem nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen haben, sodass dadurch die Eignung ausgeschlossen wird (§ 2 Abs. 4 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes [StVG] i.d.F. d. Bek. vom 5.3.2003 [BGBl I S. 310, 919], zuletzt geändert durch Gesetz vom 28.11.2014 [BGBl I S. 1802]; § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr [Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV] vom 13.12.2010 [BGBl I S. 1980], zuletzt geändert durch Verordnung vom 16.12.2014 [BGBl I S. 2213]). Bei einer erheblichen Straftat, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr steht, oder bei Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen, kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Klärung von Eignungszweifeln die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) anordnen (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV). Gleiches gilt bei Straftaten, die im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung stehen, insbesondere wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial bestehen (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 FeV).

Die Beklagte und das Verwaltungsgericht sind zutreffend davon ausgegangen, dass die Verurteilung des Klägers wegen Nötigung im Straßenverkehr und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs Zweifel an seiner Fahreignung begründet und daher die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens im Erteilungsverfahren rechtfertigt. Soweit der Kläger vortragen lässt, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ergäben sich daraus, dass das Verwaltungsgericht die Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnungen abgelehnt habe, kann er damit nicht durchdringen. Zwar gilt die Bindungswirkung des in einem Strafverfahren festgestellten Sachverhalts, der Beurteilung der Schuldfrage und der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gemäß § 3 Abs. 4 StVG für die Fahrerlaubnisbehörde zum einen ausdrücklich nur in einem Entziehungsverfahren und zum anderen lediglich für Abweichungen zum Nachteil des Betroffenen. Außerdem entfällt die Bindungswirkung, wenn gewichtige Anhaltspunkte, insbesondere neue Tatsachen oder Beweismittel als Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO, für die Unrichtigkeit der tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil sprechen (BVerwG, B.v. 28.9.1981 – 7 B 188.81 – juris Rn. 7, B.v. 3.9.1992 – 11 B 22.92 – BayVBl 1993, 26 m.w.N.; BayVGH, B.v. 16.9.2010 – 11 ZB 09.2002 – juris Rn. 12 ff.). Trotz der gesetzlich nicht ausdrücklich angeordneten Bindungswirkung für das Erteilungsverfahren muss die Fahrerlaubnisbehörde oder das Verwaltungsgericht den in einem Straf- oder Bußgeldverfahren festgestellten Sachverhalt jedoch nicht jeweils neu ermitteln. Vielmehr können sie auch hier grundsätzlich von den für die Fahreignung relevanten strafrichterlichen Feststellungen ausgehen, an denen sich der Betroffene festhalten lassen muss, sofern nicht ausnahmsweise gewichtige Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit bestehen (vgl. BayVGH, B.v. 12.8.2013 – 11 ZB 11.2200 – juris Rn. 7 für die Wiedererteilung der Fahrlehr- und Fahrschulerlaubnis).

Gemessen daran ist das Verwaltungsgericht zu Recht von der Richtigkeit der Feststellungen des Amtsgerichts Aichach und des Landgerichts Augsburg ausgegangen und hat diese seiner Entscheidung zugrunde gelegt, ohne die Videoaufzeichnungen des Klägers in Augenschein zu nehmen. Neu im Sinne von § 359 Nr. 5 StPO sind nur solche Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Urteil im Strafverfahren eingetreten oder dem erkennenden Gericht zuvor nicht bekannt gewesen sind (Schmidt in Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Auflage 2013, § 359 Rn. 24). Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr lagen die Videoaufzeichnungen bereits im Strafverfahren vor, wurden von den Gerichten in beiden Rechtszügen eingesehen und bei der Urteilsfindung berücksichtigt. Es handelt sich dabei somit nicht um neue Tatsachen oder Beweismittel i.S.v. § 359 Nr. 5 StPO. Von der erneuten Verwertung konnte das Verwaltungsgericht daher ohne Verletzung der Amtsaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) und unabhängig von der Frage, ob die Inaugenscheinnahme und Berücksichtigung im Hinblick auf die Persönlichkeitsrechte der ohne ihr Wissen aufgezeichneten anderen Verkehrsteilnehmer überhaupt zulässig wäre (vgl. dazu VG Ansbach U.v. 12.8.2014 – AN 4 K 13.01634 – DAR 2014, 663; AG München, B.v. 13.8.2014 – 345 C 5551.14 – ZD 2014, 530), absehen.

Gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des strafrichterlich festgestellten Sachverhalts ergeben sich auch nicht daraus, dass das Geständnis des Verurteilten und das Ergebnis des Verfahrens auf einer Verständigung im Strafprozess nach § 257c StPO beruhen (vgl. BVerwG, B.v. 3.9.1992 a.a.O. und BayVGH, B.v. 12.8.2013 a.a.O.). Anderes gilt allenfalls dann, wenn neue Erkenntnisse dafür vorliegen, dass der Verurteilte aufgrund einer solchen Verständigung die ihm zur Last gelegten Verstöße der Wahrheit zuwider auf sich genommen hat. Dafür ist hier nichts ersichtlich. Vielmehr hat der Kläger die ihm zur Last gelegten Taten auch nach seiner Verurteilung beispielsweise bei einer verkehrspsychologischen Einzeltherapie zumindest teilweise eingeräumt. In der vom Kläger selbst der Beklagten vorgelegten Bestätigung vom 17. Juni 2009 führt die Fachpsychologin für Verkehrstherapie hierzu aus, der Kläger nehme das Überholen auf der rechten Spur und anschließende Ausbremsen des Fahrzeugs rückblickend sehr kritisch wahr. Sein Ärger über den vorausfahrenden Verkehrsteilnehmer habe zu einem äußerst impulsiven Handeln geführt. Im DEKRA-Gutachten (Untersuchungsdatum 25.6.2009) wird der Kläger unter anderem wie folgt zitiert (S. 7 f.): „Im Jahr 2006, bei mir hat sich ein schlechter Fahrstil eingeschlichen, das heißt rechts überholen. Ich habe gelernt, dass das Ausbremsen keine belehrende Wirkung hat, keinen Effekt hat. … Dass ich Fehler gemacht habe, die sich im Laufe der Jahre langsam eingeschlichen haben. Ich habe erkannt, was zu tun ist, damit es nicht mehr passiert. Ja, diese Kette aufbrechen. Diese Kette besteht aus Lichthupe, rechts überholen, ausbremsen und Kopfschusszeichen geben. Ich werde das nicht mehr tun, es ist gefährlich und verboten.“

Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Kläger – ausgehend von der Richtigkeit der Feststellungen im Strafverfahren – gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 5 und 7 FeV zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung aufgefordert und aufgrund der von ihm vorgelegten und nachvollziehbaren negativen Gutachten der DEKRA und der IAS seinen Antrag auf Erteilung der Fahrerlaubnis abgelehnt hat.

b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils oder ein entscheidungserheblicher Verfahrensmangel wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs oder unterbliebener Aufklärung des Sachverhalts sind auch nicht deshalb anzunehmen, weil das Verwaltungsgericht die Zulässigkeit der Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnungen verneint hat. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung nicht allein tragend auf diesen Gesichtspunkt gestützt, sondern die Inaugenscheinnahme – wie bereits ausgeführt zu Recht – auch deshalb abgelehnt, weil die Videoaufzeichnungen bereits im Strafverfahren berücksichtigt worden waren und es sich bei ihnen somit nicht um neue Tatsachen oder Beweismittel i.S.v. § 359 Nr. 5 StPO handelt, die die strafgerichtlichen Feststellungen im Verfahren hinsichtlich der Erteilung der Fahrerlaubnis in Frage stellen können. Die Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils setzt jedoch voraus, dass der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (BVerfG, B.v. 20.12.2010

– 1 BvR 2011.10 – NVwZ 2011, 546; B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057.11 – BVerfGE 134, 106 Rn. 36). Auch wegen eines Verfahrensmangels kann die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nur zugelassen werden, wenn die Entscheidung auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen und der Verfahrensmangel somit für die Entscheidung ausschlaggebend gewesen sein kann. Daran fehlt es hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht als nicht neu i.S.v. § 359 Nr. 5 StPO angesehenen und abgelehnten Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnungen. Auf die ebenfalls verneinte Zulässigkeit ihrer Berücksichtigung kam es für die Klageabweisung nicht entscheidungserheblich an.

c) Schließlich ist die Berufung auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Die hierzu in der Antragsbegründung aufgeworfene Frage, ob Behörden und Verwaltungsgerichte sich „unbesehen auf die Rechtskraft von Deal-Urteilen“ stützen dürfen, würde sich im Berufungsverfahren nicht stellen. Das Verwaltungsgericht hat sich nicht „unbesehen“ auf die Feststellungen des Amtsgerichts Aichach und des Landgerichts Augsburg gestützt. Es hat diese vielmehr (auch) deshalb seiner Entscheidung zugrunde gelegt, weil die Videoaufzeichnungen, mit denen der Kläger die Unrichtigkeit des angenommenen Sachverhalts belegen will, bereits im Strafverfahren berücksichtigt wurden und damit keine neuen Tatsachen oder Beweismittel sind, mit denen die Unrichtigkeit der tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil belegt werden könnte. Abgesehen davon ist die Frage der Berücksichtigung strafrichterlicher Feststellungen in einem Urteil, das auf einer Absprache beruht, nicht klärungsbedürftig. Vielmehr kann diese Frage im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. September 1992 (11 B 22.92 – BayVBl 1993, 26) dahingehend als geklärt angesehen werden, dass sich der Verurteilte den in einem Strafverfahren festgestellten Sachverhalt auch im Falle einer Verständigung bei der Prüfung seines Antrags auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis jedenfalls dann entgegenhalten lassen muss, wenn er – wie hier – gegen das Strafurteil weder Berufung eingelegt noch später ein Wiederaufnahmeverfahren betrieben hat und auch keine hinreichenden und nachvollziehbaren Gründe dafür vorträgt, warum er die ihm zur Last gelegten Verstöße der Wahrheit zuwider auf sich genommen haben könnte.

2. Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 46.2 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung.

3. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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