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Fahrerlaubnisentziehung zur Fahrgastbeförderung

Rücknahme der Fahrgastbeförderungserlaubnis: Zwischen sicherheitsrechtlicher Verpflichtung und Eignungsprüfung

In einem Rechtsfall, der sich mit der Entziehung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung befasst, wurde ein Urteil vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gefällt (Az.: 11 CS 20.1436, Beschluss vom 07.09.2020). Es handelt sich hierbei um eine komplexe juristische Angelegenheit, die tief in die Grundlagen des Verkehrsrechts und der öffentlichen Sicherheit eindringt. Im Mittelpunkt der Kontroverse stand die Frage, ob der Kläger aufgrund verschiedener Verfehlungen im Straßenverkehr die besonderen Sorgfaltspflichten als Fahrer möglicherweise missachten könnte.

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Eignungsvoraussetzung und Unmittelbarer Zwang

In einer Kernentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Androhung unmittelbaren Zwangs bestätigt. Es wurdebetont, dass eine besondere charakterliche Eignungsvoraussetzung verlangt wird, um die Sorgfaltspflichten gegenüber den Fahrgästen gewährleisten zu können. Des Weiteren wurde die Notwendigkeit eines Gutachtens zur Klärung dieser Frage hervorgehoben.

Verfassungsrechtliche Grundsätze und Strafklageverbrauch

Es wurde argumentiert, dass die Taten des Antragstellers, die zuvor zur Bestrafung geführt hatten, nicht erneut als Grundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis verwendet werden dürfen, um den Grundsatz „ne bis in idem“ und den Rechtsgedanken des Strafklageverbrauchs zu respektieren. Dabei wurde kritisiert, dass der Gerichtsbeschluss nicht klar ausführte, inwiefern die Taten des Antragstellers die Befürchtung rechtfertigen könnten, er würde die Sorgfaltspflichten missachten.

Fragen der Gutachtensanordnung und Gesamtabwägung

Die Anordnung des Gutachtens vom 26. Juni 2019 wurde in Frage gestellt und es wurde argumentiert, dass es an einer sachgerechten Gesamtabwägung gefehlt habe. Darüber hinaus wurde hervorgehoben, dass die Tatsache, ob der Antragsteller Fahrgäste geschädigt hat, irrelevant sei. Es wurde betont, dass die Gefahr für die Allgemeinheit besteht, solange ihm die charakterliche Eignung fehlt.

Verständnis der sicherheitsrechtlichen Maßnahmen und Ermessensausübung

Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass die sicherheitsrechtlichen Maßnahmen, die zur Entziehung der Erlaubnis zur Fahrgastbeförderung führten, nicht als Doppelbestrafung zu betrachten sind. Vielmehr dienen sie dem Zweck, Fahrgäste zu schützen. Die Entscheidung des Gerichts verdeutlichte, dass die Behörde im Interesse der Verkehrssicherheit weitere Ermittlungen anstellen muss, wenn konkrete Zweifel an der Eignung eines Fahrerlaubnisinhabers bestehen.


Das vorliegende Urteil

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 CS 20.1436 – Beschluss vom 07.09.2020

I. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 8. Mai 2020 wird die aufschiebende Wirkung der Klage (AN 10 K 20.00263) gegen die Androhung unmittelbaren Zwangs in Nummer 3 Satz 3 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 6. Februar 2020 angeordnet.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Unter Abänderung der Nummer 2 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 8. Mai 2020 tragen der Antragsteller 3/4 und die Antragsgegnerin 1/4 der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Rücknahme der Fahrgastbeförderungserlaubnis: Zwischen sicherheitsrechtlicher Verpflichtung und EignungsprüfungIn einem Rechtsfall, der sich mit der Entziehung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung befasst, wurde ein Urteil vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gefällt (Az.: 11 CS 20.1436, Beschluss vom 07.09.2020). Es handelt sich hierbei um eine komplexe juristische Angelegenheit, die tief in die Grundlagen des Verkehrsrechts und der öffentlichen Sicherheit eindringt. Im Mittelpunkt der Kontroverse stand die Frage, ob der Kläger aufgrund verschiedener Verfehlungen im Straßenverkehr die besonderen Sorgfaltspflichten als Fahrer möglicherweise missachten könnte.

Eignungsvoraussetzung und Unmittelbarer Zwang
In einer Kernentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Androhung unmittelbaren Zwangs bestätigt. Es wurdebetont, dass eine besondere charakterliche Eignungsvoraussetzung verlangt wird, um die Sorgfaltspflichten gegenüber den Fahrgästen gewährleisten zu können. Des Weiteren wurde die Notwendigkeit eines Gutachtens zur Klärung dieser Frage hervorgehoben.

Verfassungsrechtliche Grundsätze und Strafklageverbrauch
Es wurde argumentiert, dass die Taten des Antragstellers, die zuvor zur Bestrafung geführt hatten, nicht erneut als Grundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis verwendet werden dürfen, um den Grundsatz "ne bis in idem" und den Rechtsgedanken des Strafklageverbrauchs zu respektieren. Dabei wurde kritisiert, dass der Gerichtsbeschluss nicht klar ausführte, inwiefern die Taten des Antragstellers die Befürchtung rechtfertigen könnten, er würde die Sorgfaltspflichten missachten.

Fragen der Gutachtensanordnung und Gesamtabwägung
Die Anordnung des Gutachtens vom 26. Juni 2019 wurde in Frage gestellt und es wurde argumentiert, dass es an einer sachgerechten Gesamtabwägung gefehlt habe. Darüber hinaus wurde hervorgehoben, dass die Tatsache, ob der Antragsteller Fahrgäste geschädigt hat, irrelevant sei. Es wurde betont, dass die Gefahr für die Allgemeinheit besteht, solange ihm die charakterliche Eignung fehlt.

Verständnis der sicherheitsrechtlichen Maßnahmen und Ermessensausübung
Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass die sicherheitsrechtlichen Maßnahmen, die zur Entziehung der Erlaubnis zur Fahrgastbeförderung führten, nicht als Doppelbestrafung zu betrachten sind. Vielmehr dienen sie dem Zweck, Fahrgäste zu schützen. Die Entscheidung des Gerichts verdeutlichte, dass die Behörde im Interesse der Verkehrssicherheit weitere Ermittlungen anstellen muss, wenn konkrete Zweifel an der Eignung eines Fahrerlaubnisinhabers bestehen.
Sicherheitsmaßnahmen und Fahrgastschutz: Die Komplexität der Eignungsprüfung bei der Fahrgastbeförderungserlaubnis im Verkehrsrecht. (Symbolfoto: mangostock /Shutterstock.com)

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung der ihm am 31. Mai 2001 erstmals erteilten, zuletzt bis 26. November 2021 verlängerten Fahrerlaubnis zu Fahrgastbeförderung.

Mit rechtskräftigem Urteil vom 24. Mai 2018 verurteilte das Amtsgericht Deggendorf den Antragsteller wegen Nötigung im Straßenverkehr zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen, sah aber von der Verhängung eines Fahrverbots ab, weil der Antragsteller als Taxifahrer viel unterwegs sei und keine Einträge im Fahreignungsregister habe.

Aus diesem Grund verzichtete auch die Antragsgegnerin auf eine Überprüfung der charakterlichen Eignung des Antragstellers.

Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen einer am 13. August 2018 begangenen vorsätzlichen Körperverletzung stellte die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth mit Verfügung vom 26. November 2018 mangels öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein.

Mit Schreiben vom 7. Februar 2019 ermahnte die Antragsgegnerin den Antragsteller wegen des Eintrags von vier Punkten im Fahreignungsregister gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG.

Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 19. Januar 2019 verurteilte das Amtsgericht Nürnberg den Antragsteller zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort am 5. Oktober 2018.

Wegen dieser Vorfälle forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Schreiben vom 26. Juni 2019 auf, bis 30. September 2019 ein Eignungsgutachten gemäß § 48 Abs. 9 i.V.m. § 11 Abs. 3 FeV zu der Frage beizubringen, ob er den besonderen Anforderungen, die an den Inhaber einer Erlaubnis zur Personenbeförderung gestellt würden, charakterlich gewachsen sei.

Der Antragsteller erklärte sich mit der Begutachtung zunächst einverstanden, legte in der Folge jedoch kein Gutachten vor.

Nach Anhörung entzog ihm die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 6. Februar 2020 die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung und forderte ihn unter Androhung unmittelbaren Zwangs (zwangsweise Einziehung) auf, den Führerschein zur Fahrgastbeförderung unverzüglich abzugeben. Ferner ordnete sie die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an.

Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom selben Tag legte der Antragsteller eine Teilnahmebestätigung an einer verkehrspsychologischen Einzelberatung (fünf Einzelgespräche) vom 27. September bis 18. November 2019 vor.

Am 14. Februar 2020 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten beim Verwaltungsgerichts Ansbach Klage erheben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stellen.

Den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 8. Mai 2020 ab. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei im Sinne von § 80 Abs. 3 VwGO ordnungsgemäß begründet worden. Insofern reiche es aus, die typische Interessenslage aufzuzeigen und auszuführen, dass im Falle einer möglichen charakterlichen Ungeeignetheit aufgrund der akuten Gefahr für Fahrgäste die Fahrerlaubnis schnellstmöglich zu entziehen und der durch den Führerschein vermittelte Rechtsschein zu beseitigen sei. Die Entziehung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung sei auch materiell rechtmäßig, da die Antragsgegnerin nach § 48 Abs. 9 Satz 3 FeV und § 48 Abs. 9 Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 3 FeV bei Zweifeln an der besonderen Verantwortung des Inhabers einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer anerkannten Begutachtungsstelle anordnen könne. Die strafgerichtlich geahndete Nötigung und das unerlaubte Entfernen vom Unfallort begründeten Zweifel im Sinne von § 48 Abs. 9 Satz 1 und Abs. 4 Nr. 2a FeV. An der besonderen charakterlichen Eignungsvoraussetzung fehle es bereits dann, wenn Umstände die ernsthafte Befürchtung rechtfertigten, der Inhaber einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung werde gegenüber den ihm anvertrauten Fahrgästen obliegende Sorgfaltspflichten möglicherweise missachten. Da dies durch das angeforderte Gutachten erst habe geklärt werden sollen, bedürfe es insofern keines zweifelsfreien Nachweises. Der ersten Tat liege eine private Autobahnfahrt zugrunde, bei der der Antragsteller einen Lkw-Fahrer, der zuvor offensichtlich selbst eine Verkehrszuwiderhandlung begangen habe, so zum Abbremsen genötigt habe, dass dieser einen Zusammenstoß nicht mehr habe vermeiden können. Bei der anderen Tat habe der Antragsteller den Außenspiegel eines anderen Fahrzeugs abgefahren und einen Sachschaden von 761,- EUR verursacht, ohne dem Unfallbeteiligten die Möglichkeit einzuräumen, die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Wegen des nicht zur Verfolgung gelangten Vorwurfs einer vorsätzlichen Körperverletzung habe die Polizei ermittelt, dass es sich um wechselseitige Körperverletzungen gehandelt habe, weshalb ein Strafverfahren nicht eröffnet worden sei. Diese Ereignisse könnten Bedenken gegen die Gewähr der besonderen Verantwortung auslösen. Die Nötigung und die Fahrerflucht lägen gerade ein gutes Jahr auseinander. Unbeachtlich sei, dass die Antragsgegnerin die Rechtsgrundlagen § 48 Abs. 9 und § 11 Abs. 3 FeV genannt habe, ohne deren Voraussetzungen weiter zu konkretisieren. Aus der Gutachtensanforderung werde deutlich, dass es nicht um die Kraftfahreignung, also die körperliche und/oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisinhabers gegangen sei, sondern um die Gewähr für die besondere Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen. So sei Gegenstand der Fragestellung gewesen, ob der Antragsteller den Anforderungen an die Personenbeförderung charakterlich gewachsen sei. Auch habe die Antragsgegnerin ihr Entschließungsermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Anlass zu weitergehenden gesonderten Ermessenserwägungen habe nicht bestanden. Die Verurteilung zu zwei vorsätzlichen Straftaten im Straßenverkehr hätte bereits bei regulären Fahrerlaubnisinhabern nach § 11 Abs. 3 Nr. 5 FeV eine Überprüfung im Ermessenswege veranlasst. Vorliegend sei es nicht um die Fahreignung des Antragstellers an sich gegangen, sondern nur um die charakterliche Eignung zur Fahrgastbeförderung. An die Ausübung des Entschließungsermessens seien daher nur sehr geringe Anforderungen zu stellen, die von der Gutachtensanforderung zweifelsfrei erfüllt würden. Der Antragsteller könne weiter nicht damit durchdringen, dass die grundsätzlich erforderliche Abwägung zwischen einer Überprüfung der Fahrergeeignetheit und der Eintragung der Vorfälle im Fahreignungsregister nicht stattgefunden habe. Dies wäre sicherlich notwendig gewesen, wenn es um die Fahreignung des Antragstellers gegangen wäre, was hier aber nicht der Fall gewesen sei. Der Antragsteller könne sich auch nicht darauf berufen, dass § 48 Abs. 4 Nr. 2a und § 48 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 FeV als Nachweis der Gewährsbietung eine aktuelle Auskunft aus dem Fahreignungsregister vorsähen. Denn § 48 Abs. 9 Satz 1 FeV eröffne bei vorhandenen Zweifeln durch die Verweisung auf §§ 11 ff. FeV die Möglichkeit einer Überprüfung durch ein Fahreignungsgutachten, darunter auch ein medizinisch-psychologisches Gutachten (§ 48 Abs. 9 Satz 3 FeV). Die getroffenen Verfügungen seien daher nicht zu beanstanden. Unmittelbar zur Androhung des unmittelbaren Zwangs habe die Antragsgegnerin zwar nichts ausgeführt, allerdings bei der Begründung des Sofortvollzugs, dass der Führerschein zur Fahrgastbeförderung unverzüglich abzugeben sei, um – insbesondere bei Verkehrskontrollen durch die Polizei – den Anschein zu vermeiden, dass der Antragsteller Inhaber einer solchen Fahrerlaubnis sei. Es sei in Teilen der Rechtsprechung anerkannt, dass Zwangsgeld auch dann untunlich sei, wenn der Einsatz zwar erfolgversprechend sein könnte, der unmittelbare Zwang aber im konkreten Einzelfall wirksamer sei, um die Verpflichtung durchzusetzen. Unter Berücksichtigung der Zielrichtung dieser Argumentation sei es im Rahmen einer Interessenabwägung gerechtfertigt, von der Rechtmäßigkeit der Androhung unmittelbaren Zwangs auszugehen.

Mit seiner Beschwerde, der die Antragsgegnerin entgegentritt, beantragt der Antragsteller unter Abänderung des Gerichtsbeschlusses nach den Anträgen in erster Instanz zu erkennen und den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. Februar 2020 aufzuheben sowie die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung (§ 149 Abs. 1 Satz 2 VwGO) einstweilen auszusetzen, hilfsweise die Vollziehung zumindest teilweise oder unter Erfüllung von Auflagen oder der Leistung einer Sicherheit auszusetzen. Die durch eine Vollziehung geschaffenen vollendeten Tatsachen gefährdeten die wirtschaftliche Existenz und die Lebensgrundlage des Antragstellers und seiner Familie mit Ehefrau und zwei minderjährigen Kindern. Gerade auch aufgrund der derzeitigen COVID-19-Krisensituation sei eine derart kurzfristige berufliche Umorientierung für den 53-jährigen Antragsteller unmöglich. Der Antragsteller macht geltend, die Anordnung des Sofortvollzugs sei schon wegen eines Begründungsmangels formell unrechtmäßig. Die pauschale Aussage, dass bei weiterer Belassung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung zu befürchten sei, dass der Antragsteller seiner besonderen Verantwortung gegenüber den beförderten Fahrgästen nicht gerecht werde, setze sich gerade nicht mit den besonderen Umständen des Einzelfalls auseinander. Materiell reichten die Anknüpfungspunkte bzw. die drei Vorfälle nicht aus, um eine Entziehung der Fahrerlaubnis zu rechtfertigen. Das Amtsgericht Deggendorf habe es nicht für erforderlich gehalten, bei Anwendung der Nötigung ein Fahrverbot zu verhängen und die charakterliche Eignung des Antragstellers zu überprüfen. Zudem habe sich dieser Vorfall im privaten Bereich ereignet. Das Verfahren hinsichtlich der Körperverletzung, das zutreffend eingestellt worden sei, habe die Behörde und das Verwaltungsgericht zu Unrecht zum Nachteil des Antragstellers berücksichtigt. Der Antragsteller habe sich über einen Zeitraum von 19 Jahren stets vorbildlich und anstandslos verhalten. Wenn es in einen solchen Zeitraum zu einer Auseinandersetzung mit einem Fahrgast komme und einzig nachgewiesen werden könne, dass der Antragsteller von der angeblich Geschädigten ins Gesicht geschlagen worden sei, dürfe ihm dies nicht zum Nachteil gereichen. Allein aus dem Umstand, dass eine Person den Antragsteller unberechtigterweise mit einem Strafverfahren überzogen habe, könne und dürfe kein Schluss auf ein etwaig negatives Verhalten gegenüber Fahrgästen gezogen werden. Dies stelle zwangsläufig einen Verstoß gegen die im Rechtsstaatsprinzip verankerte und in Art. 6 Abs. 2 EMRK normierte Unschuldsvermutung dar. Infolge des Strafbefehls habe der Antragsteller u.a. für einen Monat seine Fahrerlaubnis abgegeben, was sich zwangsläufig auch auf die Beförderung von Fahrgästen ausgewirkt habe. Unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes ne bis in idem und vor dem Hintergrund des Rechtsgedankens des Strafklageverbrauchs dürfe dies nicht nochmals zur Bestrafung des Antragstellers herangezogen werden. In dem Gerichtsbeschluss werde lediglich ausgeführt, welche strafrechtlichen Taten dem Antragsteller angelastet worden seien, nicht jedoch, inwiefern diese im einzelnen geeignet sein sollten, die ernsthafte Befürchtung aufkommen zu lassen, der Antragsteller werde künftig die besonderen Sorgfaltspflichten bei der Beförderung von Fahrgästen missachten. Rechtsfehlerhaft sei es auch, die Nötigung und die ein Jahr später erfolgte Fahrerflucht als zusammenhängend zu betrachten. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die notwendige umfassende Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Antragstellers stattgefunden habe. Eine solche hätte, auch unter Berücksichtigung der Teilnahmebestätigung an einer umfassenden verkehrspsychologischen Einzelberatung, zu dem Ergebnis führen müssen, dass sich der Antragsteller mit den hier zugrunde gelegten Anknüpfungstatsachen ausgiebig auseinandergesetzt habe und künftig keine Sorgfaltspflichtverletzungen zu befürchten seien. Er habe auch bislang die besonderen Sorgfaltspflichten nicht missachtet, jedenfalls nicht derart, dass eine künftige Missachtung ernsthaft zu befürchten sei. Ferner sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller von Anfang an mehrfach die Bereitschaft geäußert habe, weitere medizinisch-psychologische Untersuchungen durchzuführen, was ihm noch vor Ablauf der Einreichungsfrist verwehrt worden sei. Entgegen der gerichtlichen Beurteilung habe die Antragsgegnerin auch einen Ermessensfehler begangen. Das Gericht führe unzutreffend aus, dass bei Nichtvorlage des geforderten Gutachtens davon ausgegangen werden dürfe “und müsse“, dass der Betreffende die besondere Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen nicht mehr gewährleiste, was dem ausdrücklichen Wortlaut des § 11 Abs. 8 FeV widerspreche. Die Gutachtensanordnung vom 26. Juni 2019 sei nicht rechtmäßig ergangen. Gemessen an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hätte über eine bloße Feststellung hinaus, dass die Gutachtensanforderung einer sachgerechten Ermessensausübung entspreche, eine Gesamtabwägung vorgenommen und dies dem Antragsteller gegenüber näher ausgeführt werden müssen. Auch hätte erwähnt werden müssen, weshalb die konkreten Anknüpfungstatsachen, obwohl sie im privaten Bereich stattgefunden hätten, über die bereits verhängten Straffolgen hinaus bei einem Fahrerlaubnisinhaber zur Fahrgastbeförderung einer weiteren Abklärung bedürfen. Im Rahmen der Interessenabwägung ließe sich der Vorrang der Sicherheit der Fahrgäste vor den persönlichen Interessen des Antragstellers im Hinblick auf die allgemeine Handlungsfreiheit und die Berufsfreiheit nur begründen, wenn mit hinreichender Sicherheit feststünde, dass die geforderte Eignung bzw. Verantwortung nicht gegeben und eine Gefahr für die Fahrgäste daher begründet sei. Da die Sicherheit der zu befördernden Fahrgäste hier aber nicht einmal tangiert werde, könne diese den Privatinteressen des Antragstellers nicht vorgehen. Mangels bisheriger vergleichbarer Fälle sei nicht zu befürchten, dass der Antragsteller seiner Verantwortung gegenüber den Fahrgästen nicht gerecht werde. Dass ohne ein medizinisch-psychologisches Gutachten, das nach den oben genannten Kriterien ggf. ermessensfehlerfrei einzufordern wäre, die gegenwärtige Eignung zur Fahrgastbeförderung bejaht werden müsse, spreche hier für den Erfolg des Hauptsacheverfahrens. Die Teilnahmebestätigung an der umfassenden verkehrspsychologischen Beratung unterstreiche zudem die Eignung zur Fahrgastbeförderung und das Verantwortungsbewusstsein des Antragstellers. Die Antragsgegnerin trage jedenfalls im Entziehungsverfahren die materielle Beweislast. Der Wegfall der Lebensgrundlage des Antragstellers und seiner Familie sei offensichtlich unangemessen im Verhältnis zu den vagen Anschuldigungen ihm gegenüber. Auch die Androhung unmittelbaren Zwangs sei rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin sich nicht mit der Verhältnismäßigkeit der Zwangsmittel, insbesondere der Androhung des milderen Mittels, eines Zwangsgelds, auseinandergesetzt habe.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nur zum Teil begründet.

Soweit der Antragsteller die Aufhebung des mit seiner Klage angefochtenen Bescheids begehrt, kann die Beschwerde schon deshalb keinen Erfolg haben, weil dieses Rechtschutzziel nur mit der Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zu erreichen ist. Gegenstand des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes kann gemäß § 80 Abs. 5 VwGO allein die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage sein. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 149 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann keinen Erfolg haben, weil die Vorschrift die Vollziehung einer gerichtlichen Entscheidung zum Gegenstand hat und eine Antragsablehnung schon ihrem Wesen nach nicht vollzugsfähig ist (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, Stand Januar 2020, § 149 Rn. 5). Ungeachtet der Antragsformulierung lässt sich dem Beschwerdevorbringen jedoch nach zweckentsprechender Auslegung (§§ 88, 122 VwGO) entnehmen, dass der Antragsteller eine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung sowie die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen die für sofort vollziehbar erklärten (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) bzw. von Gesetzes wegen sofort vollziehbaren (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, Art. 21a Satz 1 VwZVG) Verfügungen des angefochtenen Bescheids gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO begehrt.

Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich, dass der angefochtene Beschluss im tenorierten Umfang abzuändern ist.

Der Bescheid vom 6. Februar 2020 ist insoweit rechtswidrig, als die Antragsgegnerin unmittelbaren Zwang angedroht hat, ohne die Gesichtspunkte darzulegen, von denen sie bei der Ausübung ihres Ermessens (Art. 29 Abs. 1, 2 VwZVG) ausgegangen ist (Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG). Ungeachtet dessen, ob der nachträglich in der Antragserwiderung vorgetragene Grund für die Wahl unmittelbaren Zwangs die Zwangsandrohung rechtfertigen würde, kommt eine Heilung des Begründungsmangels gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG nicht in Betracht. Denn § 114 Satz 2 VwGO lässt nur eine Ergänzung von Ermessenserwägungen, nicht die erstmalige Ermessensausübung zu (vgl. BVerwG, B.v. 5.9.2006 – 1 C 20.05 – BayVBl 2007, 218 = juris Rn. 20; OVG NW, B.v. 29.1.2018 – 9 B 1540/17 – DÖV 2018, 379 = juris Rn. 22 ff.). Weder aus dem Bescheid noch dem Akteninhalt lässt sich indes ein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass die Antragsgegnerin erkannt hat, dass ihr insoweit Ermessen zusteht und dass sie dieses ausgeübt hat (vgl. BayVGH, B.v. 19.5.1988 – 25 CS 88.312 – BayVBl 1988, 463/466 a.E.). Nachdem unmittelbarer Zwang gemäß Art. 34 Satz 1 VwZVG ultima ratio sein soll, kommt die Annahme eines Falls intendierten Ermessens nicht in Betracht.

Im Übrigen ergibt sich aus dem Beschwerdevortrag jedoch nicht, dass der Bescheid rechtswidrig wäre.

Die Begründung, mit der die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung angeordnet hat, an deren Inhalt keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind, entspricht den formalen Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Insbesondere verlangt die Anordnung des Sofortvollzugs hier kein besonderes öffentliches Interesse, das über das die Entziehung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung rechtfertigende Interesse hinausgeht. Insoweit gilt entsprechend der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung in Fällen fehlender Fahreignung (vgl. BayVGH, B.v. 16.10.2019 – 11 CS 19.1434 – juris Rn. 20 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 10.12.2014 – 3 B 148/14 – juris Rn. 6; OVG NW, B.v. 14.11.2014 – 16 B 1195/14 – juris Rn. 3; VGH BW, B.v. 20.9.2011 – 10 S 625/11 – juris Rn. 4; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 55, 46), dass bei Kraftfahrern, die Fahrgäste befördern, ohne die Gewähr der besonderen Verantwortung hierfür zu bieten, das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch ist. Dieser Sachverhaltsgestaltung liegt eine typische Interessenlage zugrunde. Es reicht daher aus, diese Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass sie nach Auffassung der Fahrerlaubnisbehörde auch im konkreten Fall vorliegt (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 23.5.2013 – 11 CS 13.785 – juris Rn. 7; B.v. 5.9.2008 – 11 CS 08.1890 – juris Rn. 18 zur Fahreignung). Dem hat die Antragsgegnerin genügt, indem sie – ausgehend von einer nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV anzunehmenden fehlenden charakterlichen Eignung (vgl. Freimann/Wellner in Trésoret, jurisPK Straßenverkehrsrecht, Stand 6.1.2020, § 48 FeV Rn. 142) und dem alle privaten Interessen überwiegenden Interesse der Sicherheit der Fahrgäste – den sofortigen Ausschluss des Antragstellers von der Fahrgastbeförderung für erforderlich erklärt hat. Ob dem Antragsteller tatsächlich die charakterliche Eignung zur Fahrgastbeförderung fehlt, ist eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit des für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakts, nicht der ausreichenden Begründung. Auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung kommt es nicht an, da § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO eine formelle und keine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung normiert (vgl. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Januar 2020, § 80 Rn. 246; Hoppe, a.a.O. Rn. 54 f.; Bostedt in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 80 Rn. 81). Die behördliche Annahme, dass einem ungeeigneten Kraftfahrer im Hinblick auf die damit für die Allgemeinheit verbundenen erheblichen Gefahren die Fahrerlaubnis (hier zur Fahrgastbeförderung) ungeachtet des Gewichts seines persönlichen Interesses nicht bis zum Eintritt der Bestandskraft des Entziehungsbescheids belassen werden kann, begegnet keinen Bedenken (stRspr des Senats, vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2019 a.a.O. m.w.N. zur Entziehung der Fahrerlaubnis; OVG NW, B.v. 22.1.2001 – 19 B 1757/00 u.a. – juris Rn. 17 zur Fahrerlaubnis eines Berufskraftfahrers). Dabei spielt es keine Rolle, ob der Antragsteller bis zum Erlass des Entziehungsbescheids tatsächlich Fahrgäste geschädigt hat. Maßgeblich ist, dass die Gefahr für die Allgemeinheit unvermindert besteht, solange ihm die charakterliche Eignung fehlt.

Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Dezember 2019 (BGBl I S. 2008), und § 48 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. Oktober 2019 (BGBl I S. 1416), in Kraft getreten zum 1. Januar 2020, bedarf es zur Fahrgastbeförderung in einem Kraftfahrzeug neben der Fahrerlaubnis einer zusätzlichen Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung, wenn für die Beförderung eine Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz erforderlich ist. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 48 Abs. 10 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung zu entziehen, wenn eine der in § 48 Abs. 4 FeV aufgezählten Erteilungsvoraussetzungen fehlt. Dies ist der Fall, wenn der Fahrerlaubnisinhaber nicht mehr die Gewähr dafür bietet, dass er der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht wird (§ 48 Abs. 4 Nr. 2a FeV; vgl. auch § 11 Abs. 1 Satz 4 FeV).

Begründen Tatsachen Zweifel an der körperlichen und geistigen Eignung oder an der Gewähr der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechende Anwendung (§ 48 Abs. 9 Satz 1 FeV). Bei Bedenken hinsichtlich der Gewähr der besonderen Verantwortung bei der Fahrgastbeförderung kann nach § 48 Abs. 9 Satz 3 FeV und § 48 Abs. 9 Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8, Abs. 1 Satz 4 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung schließen (§ 48 Abs. 9 Satz 1 FeV i.V.m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Der Schluss auf die fehlende Fahreignung ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – NJW 2017, 1765 = juris Rn. 19 m.w.N.).

Steht fest, dass der Fahrerlaubnisinhaber nicht mehr die Gewähr dafür bietet, dass er der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht wird, ist die Entziehung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung zwingend, ohne dass der Fahrerlaubnisbehörde ein Ermessensspielraum zukäme (vgl. § 48 Abs. 10 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 FeV; Freimann/Wellner, a.a.O. § 48 FeV Rn. 319). Dies gilt auch bei Nichtvorlage eines zu Recht geforderten Eignungsgutachtens (vgl. BayVGH, B.v. 25.6.2020 – 11 CS 20.791 – juris Rn. 20 zur Fahreignung). Dies hat nichts damit zu tun, dass die Anordnung des medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 48 Abs. 9 Satz 3 und Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 FeV im pflichtgemäßen Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde steht. Ist gemäß § 11 Abs. 8 FeV vom Fehlen der charakterlichen Eignung auszugehen, ändern auch die zwischenzeitliche Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Maßnahme oder die Bekundung der Mitwirkungsbereitschaft hieran nichts.

Die von der Fahrerlaubnisbehörde zu treffende Prognoseentscheidung fällt bereits dann zu Ungunsten des Betroffenen aus, wenn Tatsachen vorliegen, welche die ernsthafte Befürchtung rechtfertigen, dass der Inhaber der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung die besonderen Sorgfaltspflichten, die ihm bei der Beförderung der ihm anvertrauten Personen obliegen, zukünftig missachten werde (vgl. BayVGH, B.v. 3.9.2015 – 11 CE 15.1556 – juris Rn. 10; Freimann/Wellner, a.a.O. § 48 FeV Rn. 139). Die beiden rechtskräftig geahndeten Straftaten und der strafrechtlich relevante aktenkundige Vorfall rechtfertigen auch nach Auffassung des Senats Zweifel daran, ob der Antragsteller der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht werden kann.

Die Antragsgegnerin macht zu Recht geltend, dass die Straftaten selbstgerechte bzw. selbstsüchtige Charakterzüge offenbaren, die sich – worauf es maßgebend ankommt (vgl. BayVGH, B.v. 23.4.2020 – 11 CE 20.870 – juris Rn. 18 m.w.N.) – im Falle der Personenbeförderung zum Schaden der Fahrgäste auswirken können. Da der Charakter einer Person durch dauerhafte Persönlichkeitsmerkmale gekennzeichnet ist, spielt es keine Rolle, dass die Taten nicht bei der Fahrgastbeförderung begangen worden sind.

Die Tat am 4. September 2017, bei der der Antragsteller einen Lkw-Fahrer auf der Autobahn dreimal zu derart starkem Abbremsen genötigt hat, dass dieser zuletzt einen Zusammenstoß nicht mehr vermeiden konnte, dokumentiert darüber hinaus ein erhebliches Aggressionspotential sowie eine erhebliche Risikobereitschaft und lässt die nötige Besonnenheit im Straßenverkehr vermissen. Die Forderung nach einem besonnenen und gelassenen Verhalten eines Taxifahrers gerade in schwierigen Situationen – wie sie auch in § 8 Abs. 1 der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr (BOKraft) formuliert wird – dient dem Schutz der Fahrgäste, die durch aggressives und unbeherrschtes Vorgehen des Fahrers in Gefahr geraten können, nicht nur, weil der Taxifahrer sich durch den Fahrgast provoziert fühlt, sondern auch, wenn ein Taxifahrer sich von einem dritten Verkehrsteilnehmer reizen lässt (Freimann/Wellner, a.a.O. § 48 FeV Rn. 176). Soweit das Amtsgericht Deggendorf dem Antragsteller strafmildernd zugutegehalten hat, dass ihn ein vorangegangenes Verhalten des Lkw-Fahrers zu dieser Vorgehensweise motiviert und er sich dabei selbst geschädigt hat, kann dies bei der Beurteilung der Gewähr der besonderen Verantwortung, die im Interesse der Sicherheit Dritter gefordert wird, sein Verhalten nicht in einem milderen Licht erscheinen lassen. Hier ist entscheidend, dass der Fahrerlaubnisbewerber auch in ihn emotional belastenden Situationen aufkommende Aggressionen beherrschen kann und zu gewaltfreiem Handeln fähig ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.5.2012 – 11 B 12.6 – juris Rn. 3; Freimann/Wellner, a.a.O. § 48 FeV Rn. 177). Im Übrigen hat auch das Amtsgericht zu Lasten des Antragstellers die durch ihn hervorgerufene „besondere Gefährdung“ gewertet. Dass im Einzelfall die Schuld im strafrechtlichen Sinn als gering anzusehen ist, bedeutet nicht, dass die Verfehlung ordnungsrechtlich, d.h. im Hinblick auf den Schutz der Allgemeinheit, nicht von erheblichem Gewicht sein kann (vgl. BayVGH, B.v. 8.9.2011 – 21 ZB 11.1286 – juris Rn. 11 zum Waffenrecht).

Auch ein abstraktes Vermögensdelikt zur Sicherung bzw. Abwehr zivilrechtlicher Ersatzansprüche wie das unerlaubte Entfernen vom Unfallort (vgl. Sternberg-Lieben, Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 142 Rn. 1a) vermag Zweifel an der charakterlichen Eignung zu wecken. Die charakterliche Eignung im Sinne von § 48 Abs. 4 Nr. 2a FeV umfasst neben der ordnungsgemäßen Beförderung der Fahrgäste und deren Bewahrung vor Verkehrsunfällen auch den konkreten Umgang mit diesen Personen und ihrem Eigentum und Vermögen. Eignungsbedenken können sich daher auch aus Straftaten, die nicht im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr oder der Personenbeförderung stehen, namentlich aus Eigentums- und Vermögensdelikten, ergeben (Freimann/Wellner, a.a.O. § 48 FeV Rn. 186 ff. m.w.N. aus der Rspr.; vgl. auch BayVGH, B.v. 23.4.2020 – 11 CE 20.870 – juris Rn. 18 zur Insolvenzverschleppung).

Ferner durfte die Antragsgegnerin im Wege der Gesamtschau auch den Vorfall vom 13. August 2018 heranziehen, bei dem das von der Zeugin anschaulich und detailliert geschilderte Verhalten daran zweifeln lässt, ob der Antragsteller in der Lage ist, in Situationen, die nicht zu seiner Zufriedenheit verlaufen, angemessen zu reagieren (vgl. Freimann/Wellner, a.a.O. § 48 FeV Rn. 202). Die Staatsanwaltschaft hat dieses Verfahren nicht wegen fehlender Glaubwürdigkeit der Zeugin, die sich mit ihrer Aussage auch selbst belastet hat, bzw. wegen Fehlens eines hinreichenden Tatverdachts eingestellt, sondern hat diese mangels öffentlichen Interesses auf den Privatklageweg verwiesen. Das Leugnen des Antragstellers und seine nicht sehr plausible Darstellung, wie die Zeugin sich selbst verletzt haben könnte, räumen die Verdachtsmomente nicht aus. Bei der Prognoseentscheidung, ob der Fahrerlaubnisinhaber der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht wird, dürfen – wie auch bei der Beurteilung der allgemeinen Fahreignung – auch strafrechtliche Sachverhalte herangezogen werden, die entweder gar nicht zu einer Strafverfolgung geführt haben oder deren strafgerichtliche Aburteilung noch aussteht, sofern die Annahme der aus strafbarem Verhalten abzuleitenden Gefahr für die Sicherheit der Fahrgäste eine ausreichende tatsächliche Grundlage hat (OVG NW, U.v. 21.3.2014 – 16 A 730/13 – VRS 126, 177 = juris Rn. 22 ff.; BayVGH, B.v. 3.9.2015 – 11 CE 15.1556 – juris Rn. 10; Freimann/Wellner, a.a.O. § 48 FeV Rn. 160, 199, 202; Dauer in Hentschel/König/ Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 48 FeV Rn. 27).

Dies verletzt weder die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK noch den Rechtsgrundsatz „ne bis in idem“. Die Unschuldsvermutung schließt es nicht aus, Rechtsfolgen ohne Strafcharakter an einen verbleibenden Tatverdacht zu knüpfen (Lohse/Jakobs in KK zur StPO, Art. 6 EMRK Rn. 77). Sie schützt vor Nachteilen, die einem Schuldspruch oder einer Strafe gleichkommen, nicht vor der Durchführung von Ermittlungen (vgl. BVerfG, B. v. 16.5.2002 – 1 BvR 2257/01 – juris Rn. 9, 13). Die Berücksichtigung und Bewertung von Verdachtsgründen stellt keine durch die Unschuldsvermutung verbotene Schuldfeststellung oder -zuweisung dar (vgl. BVerfG, B. v. 16.5.2002 a.a.O. Rn. 9, 11). Mit dem Einwand, durch die Gutachtensanordnung bzw. die Entziehung der Erlaubnis zur Fahrgastbeförderung werde das Fehlverhalten des Antragstellers doppelt geahndet, verkennt die Beschwerde den Zweck der von der Antragsgegnerin ergriffenen sicherheitsrechtlichen Maßnahmen, die hier allein den Zweck verfolgen, Fahrgäste zu schützen. Der verfassungsrechtlich in Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 3 GG verankerte Rechtsgrundsatz des Verbots einer Doppelbestrafung („ne bis in idem“) verbietet nicht verwaltungsrechtliche Ermittlungsmaßnahmen und Sanktionen (vgl. BVerfG, B.v. 18.11.1966 – 1 BvR 173/63 – BVerfGE 20, 365/371 = juris Rn. 17 zur Entziehung der Fahrerlaubnis; BayVGH, B.v. 2.11.2010 – 11 ZB 10.562 – juris Rn. 12; Degenhart in Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 103 GG Rn. 85).

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch auf die relativ dichte zeitliche Abfolge der zwischen dem 4. September 2017 und dem 5. Oktober 2018 vorgekommenen Vorfälle abgehoben. Es hat damit keinen unzulässigen Zusammenhang zwischen den Taten hergestellt. Dass dem Antragsteller offenbar auch die rechtskräftige Ahndung der Nötigung mit Urteil vom 24. Mai 2018 keine ausreichende Warnung war, es nicht zu weiteren Pflichtverstößen bei der Teilnahme am Straßenverkehr kommen zu lassen, kann zu seinen Lasten berücksichtigt werden.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers sind der Antragsgegnerin bei Anordnung des medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 48 Abs. 9 Satz 3 und Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 FeV auch keine Ermessensfehler unterlaufen. Sie hat gesehen, dass Ermessen auszuüben ist, die dem Antragsteller vorgeworfenen Tathandlungen aufgeführt und dargelegt, dass diese aus ihrer Sicht Zweifel an der charakterlichen Eignung bieten und eine Eignungsuntersuchung erforderlich machen, ferner, dass andere Mittel als die nach § 48 Abs. 9 i.V.m. § 11 Abs. 3 FeV, mithin die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, zur Aufklärung nicht ersichtlich seien. Dies ist vor dem Hintergrund, dass die dargestellten beiden im Straßenverkehr begangenen Taten und das rasch eskalierende Geschehen zwischen dem Antragsteller und der Zeugin ohne weiteres für sich sprechen, noch als ausreichend zu erachten. Wenn durch konkrete Tatsachen begründete Zweifel an der körperlichen, geistigen oder charakterlichen Eignung eines Fahrerlaubnisinhabers bestehen, hat die Behörde im Interesse der Verkehrssicherheit im Regelfall weitere Ermittlungen anzustellen. Liegen keine besonderen Umstände vor, die dafür sprechen, trotz der festgestellten Eignungsbedenken von weiteren Aufklärungsmaßnahmen abzusehen, besteht im Rahmen der typisierenden Regelungen des § 48 Abs. 9 FeV i.V.m. §§ 11 ff. FeV kein Anlass zu weitergehenden gesonderten Ermessenserwägungen (vgl. VGH BW, B.v. 8.3.2013 – 10 S 54/13 – NZV 3013, 517 = juris Rn. 5; Freimann/Wellner, a.a.O. § 48 FeV Rn. 280 f.). Dies war hier in Anbetracht der Häufung der Vorfälle und – ordnungsrechtlich gesehen – der Schwere der Nötigung im Straßenverkehr nicht der Fall. Dass der Antragsteller an einer verkehrspsychologischen Einzelberatung teilgenommen hat, konnte die Antragsgegnerin nicht berücksichtigen, weil diese erst nach Anordnung des Gutachtens, nämlich wenige Tage vor Ablauf der Beibringungsfrist, begonnen hat.

Im Hinblick auf den hohen Rang der zu schützenden Rechtsgüter der körperlichen Unversehrtheit und der sonstigen Sicherheit der Fahrgäste kann auch die berufliche Angewiesenheit des Antragstellers auf die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung nicht zu einem Absehen von der gesetzlich vorgesehenen Maßnahme führen. Bei einem Fehlen der charakterlichen Eignung ist die daran anknüpfende Entziehung der Fahrerlaubnis verhältnismäßig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 46.10 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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