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Fahrerlaubnisentziehung wegen Trunkenheitsfahrt mit Fahrrad

Radfahren im Rausch: Wie Alkohol am Lenker zur Führerscheinentziehung führte

Im Fokus dieses Falls steht ein scheinbar harmloser Abend, der für einen Mann in einer ernsten rechtlichen Auseinandersetzung endete. Die Essenz dieses Konflikts dreht sich um die Folgen einer Trunkenheitsfahrt – allerdings nicht mit einem Auto, sondern mit einem Fahrrad. Überraschend für viele, war die Konsequenz jedoch die Entziehung seiner Fahrerlaubnis für alle Klassen.

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Radler am Rande des Rechts

An einem unglücklichen Abend stieg der Kläger betrunken auf sein Fahrrad und wurde dabei erwischt. Infolgedessen wurde ihm eine medizinisch-psychologische Untersuchung, auch als MPU bekannt, auferlegt. Diese sollte die Frage klären, ob er, nach einer Trunkenheitsfahrt mit einem fahrerlaubnisfreien Fahrzeug, zukünftig auch mit einem Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr auffällig werden würde.

Die MPU als Wendepunkt

Die MPU, auch bekannt als „Idiotentest“, ist ein entscheidender Schritt, um festzustellen, ob eine Person geeignet ist, ein Kraftfahrzeug zu führen. Eine MPU ist eine Mischung aus medizinischer Untersuchung, psychologischem Interview und Verkehrstest, die den Fahrer auf Herz und Nieren prüft. In diesem Fall sollte das Gutachten insbesondere die Frage klären, ob aufgrund der Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad zu erwarten sei, dass der Kläger zukünftig auch mit einem Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss auffällig werden würde.

Konsequenzen der Fahrt im Rausch

Nachdem der Kläger das verlangte Gutachten nicht vorlegte, wurde ihm die Fahrerlaubnis für alle Klassen entzogen. Zusätzlich wurde er aufgefordert, seinen Führerschein innerhalb einer Woche abzugeben und für den Fall der nicht fristgerechten Ablieferung des Führerscheins wurde ein Zwangsgeld angedroht.

Die Entscheidung

Am Ende stand die Entscheidung des VG München (Az: M 6 K 20.5417) fest: Die Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis war unbegründet. Eine entscheidende Begründung dafür war, dass der Kläger die Aufforderung zur MPU nicht nachkam und kein Gutachten vorlegte. Damit versäumte er eine wesentliche Chance, seine Fahreignung unter Beweis zu stellen und eventuell seine Fahrerlaubnis zu behalten.


Das vorliegende Urteil

VG München – Az.: M 6 K 20.5417 – Urteil vom 17.03.2021

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis der Klassen A (79.03, 79.04), A1 (79.03, 79.04), AM, B, BE (79.06), C1 (171), C1E, L (174).

Fahrerlaubnisentziehung wegen Trunkenheitsfahrt mit Fahrrad
(Symbolfoto: connel/Shutterstock.com)

Mit Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 26. Mai 2014, rechtskräftig seit 22. Juli 2014, war gegen den Kläger wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 und 2 Strafgesetzbuch – StGB – eine Geldstrafe verhängt worden. Dem lag zugrunde, dass er am 10. April 2014 gegen 01:08 Uhr mit dem Fahrrad auf einer öffentlichen Straße in München gefahren war, obwohl eine ihm um 01:31 Uhr entnommene Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration von 1,91 Promille ergab.

Das Kraftfahrt-Bundesamt übersandte der Beklagten am 22. August 2014 einen Auszug aus dem Fahreignungsregister, woraus sich 3 Punkte ergaben. Die Beklagte forderte daraufhin die Akten in der zugrundeliegenden Strafsache an.

Mit Schreiben vom 19. Januar 2015, zugestellt am 21. Januar 2015 wurde der Kläger erstmals zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung innerhalb von 3 Monaten ab Zustellung aufgefordert und zur Begründung auf die Alkoholfahrt am 10. April 2014 hingewiesen.

Eine Reaktion des Klägers erfolgte zunächst nicht. Mit Schreiben vom 30. Juli 2015 wurde der Kläger daraufhin zur beabsichtigten Entziehung seiner Fahrerlaubnis angehört. Mit Schreiben der stomatologischen Ordination Ljubuski, Bosnien-Herzegowina, vom 28. August 2015 wurde der Beklagten vorgetragen, dass der Kläger infolge eines Verkehrsunfalls im Oktober 2014 schwere Verletzungen an den Zähnen im alveolaren Grat von Ober-und Unterkiefer erlitten habe und deswegen eine chirurgische Intervention erforderlich sei.

Die Beklagte gewährte mit Schreiben vom 9. September 2015 eine Fristverlängerung zur Gutachtensbeibringung bis 1. Januar 2016 und nach einem weiteren Arztbrief vom 14. Dezember 2015 eine Fristverlängerung bis 30. Juni 2016.

Mit Arztbrief vom 23. Juni 2016 wurde mitgeteilt, dass der Kläger der weiteren Behandlung aufgrund einer Entzündungsbehandlung und Schmerztherapie bedürfe und eine Information erfolge, sobald diese Behandlung abgeschlossen sei.

Mit Schreiben vom 9. Oktober 2017, dem Kläger zugestellt am 12. Oktober 2017, erließ die Beklagte eine neue Gutachtensanordnung mit einer Frist von 3 Monaten. Mit Arztbrief vom 8. Dezember 2017 wurde mitgeteilt, dass eine Schmerztherapie erforderlich und deshalb noch keine Entlassung des Klägers möglich sei.

Mit Schreiben vom 14. August 2018 (zugestellt am 17. August 2018) wurde der Kläger zur geplanten Entziehung der Fahrerlaubnis angehört. Daraufhin teilte der Kläger am 23. August 2018 mit, dass er jetzt bereit sei, das geforderte Gutachten erstellen zu lassen. Mit Schreiben vom 29. August 2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ihm eine neue Gelegenheit zu Gutachtensbeibringung eingeräumt werde, wenn er seinen Auslandsaufenthalt nachweise. In einem weiteren, der Fahrerlaubnisbehörde übersandten Arztbrief vom 5. September 2018 ist ausgeführt, dass die Therapie des Klägers noch bis 10. Januar 2019 andauere.

Mit Schreiben vom 16. Januar 2019, zugestellt am 19. Januar 2019, wurde der Kläger wiederum zu Entziehung seiner Fahrerlaubnis angehört.

Mit erneuter Gutachtensanordnung vom 7. März 2019, zugestellt am 9. März 2019, wurde dem Kläger nochmals die Gelegenheit gegeben ein entsprechendes medizinisch-psychologisches Gutachten zur Ausräumung der Zweifel an der Fahreignung vorzulegen, das folgende Fragen klären sollte:

„Ist aufgrund der ersichtlichen Trunkenheitsfahrt mit einem fahrerlaubnisfreien Fahrzeug zu erwarten, dass die zu begutachtende Person zukünftig mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auch mit einem Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr auffällig werden wird, so dass dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist? Liegen als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppe 1 und 2 infrage stellen?“

Zur Vorlage des medizinisch-psychologischen Gutachtens wurde dem Kläger eine Frist von 3 Monaten ab Zustellung der Aufforderung gesetzt. Der Kläger legte kein Gutachten vor.

Am 7. Mai 2019 teilte der Kläger der Fahrerlaubnisbehörde per E-Mail mit, dass er sich noch im Ausland befinde. Diese antwortete daraufhin am 13. Mai 2019, dass eine weitere Fristverlängerung nicht möglich sei und hörte ihn mit Schreiben vom 12. Juni 2019 (zugestellt am 14.6.2019 bzw. 13.7.2019) erneut zum geplanten Fahrerlaubnisentzug an.

Mit Bescheid vom 7. August 2019, gegen Zustellungsurkunde zugestellt am 10. August 2019, wurde dem Kläger die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen aller Klassen (Ziffer 1 des Bescheids) entzogen. Zugleich wurde der Kläger aufgefordert, seinen Führerschein spätestens innerhalb einer Woche ab Bestandskraft des Bescheids abzugeben (Ziffer 2) und für den Fall der nicht fristgerechten Ablieferung des Führerscheins ein Zwangsgeld in Höhe von 1000.- EUR angedroht (Ziffer 3).

Gegen den Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 26. August 2019, bei der Beklagten eingegangen am 28. August 2019 Widerspruch ein.

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens wurde dem Kläger auf dessen Wunsch hin noch einmal die Möglichkeit zur Beibringung einer MPU eingeräumt und mit Schreiben vom 27. November 2019 der Untersuchungsauftrag der TÜV Nord Mobilität GmbH & Co. KG übersandt. Mit Schreiben vom 14. Januar 2020 sandte der TÜV die Akten zurück. Eine Gutachtensvorlage seitens des Klägers erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 5. April 2020 bat der Kläger um einen neuen TÜV Termin. Er legte ein Schreiben seines Hausarztes vor, wonach der Kläger 23. Januar 2020 einen seit längerer Zeit feststehenden Operationstermin habe, weshalb seine für den 28. Januar 2020 vorgesehene MPU etwa 4-5 Wochen verschoben werden müsse.

Mit Schreiben der Beklagten vom 18. Mai 2020 wurde eine weitere Fristverlängerung abgelehnt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2020, zugestellt am 01. Oktober 2020, wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.

Am 26. Oktober 2020 ließ der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage erheben und beantragen, den Bescheid der Beklagten vom 7. August 2019 und den Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 23. September 2020 werden aufgehoben.

Mit Schreiben vom 25. November 2020 wurden dem Prozessbevollmächtigten die Behörden, sowie die Gerichtsakte zur Akteneinsicht in die Kanzlei übersandt.

Eine Klagebegründung erfolgte nicht.

Mit Beschluss vom 1. März 2021 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen

Am 17. März 2021 fand die mündliche Verhandlung statt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung, die Gerichtsakten sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis ist regelmäßig derjenige der letzten Behördenentscheidung, also hier der Zustellung des Widerspruchsbescheids. Die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, wonach bei der gerichtlichen Überprüfung einer Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist (Bay VGH, U.v. 17.1.2020 – 11 B 19.127 – juris), ist hier nicht einschlägig, da dem Kläger mit dem streitgegenständlichen Bescheid nicht untersagt wurde fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen.

2. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Beklagte hat dem Kläger zu Recht die Fahrerlaubnis entzogen, da er das mit Schreiben vom 7. März 2019 geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht beigebracht hat (§ 3 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG –, § 46 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV)

2.1 Zunächst bestehen hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit der Beklagten gem. § 73 Abs. 2 Satz 1 FeV entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht des Prozessbevollmächtigten keine Bedenken. Ausweislich der Melderegisterauskunft (Blatt 128 der Behördenakte der Beklagten) vom 7. August 2019 ist der Kläger seit Juli 1995 mit einziger Wohnung in München unter der Adresse gemeldet, die auch bei Klageerhebung als Zustellungsanschrift genannt ist. Er hat diese auch in der mündlichen Verhandlung als Hauptwohnsitz eingeräumt.

2.2 Gemäß § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV ist ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer das Führen von Fahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann (Alkoholmissbrauch).

Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV). Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ist zur Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzuordnen, wenn der Betreffende ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr führt. Darunter fällt auch die erstmalige Fahrt mit einem Fahrrad (BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 3 B 102.12 – NJW 2013, 2696 Rn. 5; BayVGH, 7.1.2020 – 11 CS 19.2237 – Juris). Die Teilnahme am Straßenverkehr in erheblich alkoholisiertem Zustand stellt mit jedem Fahrzeug und somit auch mit einem Fahrrad eine gravierende Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs dar. Eine festgestellte Blutalkoholkonzentration in dieser Höhe begründet somit den Verdacht eines die Fahreignung ausschließenden Alkoholmissbrauchs (vgl. BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 3 B 102.12 – NJW 2013, 2696 Rn. 7), weshalb § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV in solchen Fällen die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Abklärung des Trennungsvermögens bzw. der Trennungsbereitschaft regelmäßig zwingend vorsieht.

Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – NJW 2017, 1765 Rn. 19 m.w.N.) und für die Nichtbeibringung des angeforderten Gutachtens kein ausreichender Grund besteht. Steht die Nichteignung danach fest, da das rechtmäßig geforderte Gutachten nicht vorgelegt wurde, besteht für die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Nichtvorlage des Gutachtens kein Ermessensspielraum mehr (BayVGH, 7.1.2020 – 11 CS 19.2237 – Juris).

2.3 Die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung vom 7. März 2019 (zugestellt 9.3.2019) war rechtmäßig.

Nach § 13 Satz 1 Nr. 2c FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist derjenige der Beibringungsanordnung. Zu diesem Zeitpunkt war die Straftat der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr § 316 Abs. 1 und Abs. 2 Strafgesetzbuch noch nicht tilgungsreif. Der zugrundeliegende Strafbefehl wurde am 22. Juli 2014 rechtskräftig (§ 29 Abs. 4 Nr. 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG), woraus sich das Tilgungsdatum 22. Juli 2019 ergibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StVG). Die Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung in den Fällen des § 11 Abs. 8 FeV setzt nicht voraus, dass die Gutachtenanforderung auch noch im Zeitpunkt der Entziehungsentscheidung rechtmäßig ergehen könnte. Insoweit ist vielmehr auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der zu überprüfenden Anordnung abzustellen.

Das Bundesverwaltungsgericht (B.v. 9.6.2005a.a.O. – juris Rn. 34) geht davon aus, dass aus einer noch nicht getilgten Eintragung im Verkehrszentralregister auf jeden Fall Zweifel an der Fahreignung resultieren (so auch BayVGH, B.v. 25.6.2019 – 11 ZB 19.187 – juris). Nur hinsichtlich der weiteren Aufklärung wird es als möglich angesehen, dass unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit z.B. auch anderweitige Mittel ausreichend sein können (BVerwG a.a.O. Rn. 34). Dies ist dahingehend zu verstehen, dass ausnahmsweise geprüft werden muss, ob die Ausräumung der Fahreignungszweifel auch durch andere, weniger einschneidende Mittel möglich ist (vgl. auch BayVGH, B.v. 4.10.2016 – 11 ZB 16.1535 – juris Rn. 11). Ein solcher Fall liegt hier ersichtlich nicht vor, denn ein längerer Krankenhausaufenthalt ist ebenso wie die bloße Möglichkeit der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr keine einem medizinisch-psychologischen Gutachten gleichwertige Aufklärungsmaßnahme. Andere, weniger belastende Aufklärungsmaßnahmen hat der Kläger nicht genannt und sind auch nicht ersichtlich.

Auch im Übrigen bestehen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung.

2.3 Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV durfte die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen.

Zum Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis (Zustellung des Bescheids am 10.8.2019) war – entgegen der in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Auffassung des Prozessbevollmächtigten – die Befugnis der Fahrerlaubnisbehörde zu Entziehung auch noch nicht verwirkt. Verwirkung setzt neben einem Zeitmoment ein Umstandsmoment voraus, aus dem der Betroffene schließen durfte, dass die Behörde nunmehr nicht mehr tätig werden würde. Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich.

Es kann dahinstehen, ob eine Verwirkung im Rahmen sicherheitsrechtlicher Befugnisse, die nicht im Ermessen der Behörde stehen, überhaupt in Betracht kommt (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2014 – 11 C 14.386 – juris Rn. 20). Voraussetzung für eine Verwirkung wäre jedenfalls, dass neben dem Verstreichen eines längeren Zeitraums weitere Umstände hinzukommen, die ein schutzwürdiges Vertrauen darauf begründen, die Behörde werde von ihrer Befugnis auch künftig keinen Gebrauch mehr machen (vgl. BayVGH, B.v. 7.1.2014 – 11 CS 13.2005 – DAR 2014, 281 Rn. 7).

Durch die mehrfachen Aufforderungen, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen und die jeweils durch die Arztbriefe veranlassten Fristverlängerungen, war dem Kläger seit Zustellung der ersten Gutachtensaufforderung vom 21. Januar 2015 bewusst, dass eine Entziehung der Fahrerlaubnis im Raum stand. Der bloße Zeitablauf besagt nichts über eine Änderung der durch die Trunkenheitsfahrt belegten problematischen Trinkgewohnheiten (vgl. NdsOVG, B.v. 7.5.2019 – 12 ME 71/19 – juris Rn. 8). Es ist z.B. nicht auszuschließen, dass der Kläger nur unter dem Druck des noch nicht abgeschlossenen Verfahrens die Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss unterlassen hat oder bis heute durch Zufall nicht mehr aufgefallen ist.

Wie von dem erkennenden Gericht bereits in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, hatte die Beklagte bei der vorliegenden Fallgestaltung weder hinsichtlich der Anordnung zur Beibringung des Fahreignungsgutachtens noch hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Nichtvorlage des Gutachtens einen Ermessenspielraum.

3. Da die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig war, ist auch die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins §§ 3 Abs. 2 StVG, § 47 Abs. 1 FeV nicht zu beanstanden.

Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung wird auf die Begründung des behördlichen Bescheids verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung – ZPO –.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 10.000.- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Die Führerscheinklassen Klassen A (79.03, 79.04), A1 (79.03, 79.04), AM waren nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen.

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