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Fahrerlaubnisentziehung wegen Nichtbeibringung eines Fahreignungsgutachtens

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 CS 22.2195 – Beschluss vom 30.11.2022

I. Die Beschwerde wird verworfen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.

Zusammenfassung

In dem Text wird der Fall eines Mannes erörtert, dem das Landratsamt Neustadt aus gesundheitlichen Gründen den Führerschein entzogen hatte. Der Mann gab an, unter Angst- und Stressstörungen zu leiden, nachdem er einen Schlaganfall erlitten hatte und bei ihm eine chronische Belastungsstörung diagnostiziert worden war. Obwohl die ärztlichen Untersuchungen ergaben, dass der Mann nicht fahrtüchtig war, legte er keinen Bericht über seinen Gesundheitszustand vor. Daraufhin zogen die Behörden seinen Führerschein ein und forderten ihn auf, ihn abzugeben. Der Mann reichte Klage ein, aber das Gericht entschied, dass genügend Beweise vorlagen, um den Entzug zu rechtfertigen. Das Gericht wies die Behauptung des Mannes zurück, es habe eine Verschwörung gegen ihn stattgefunden und seine Fahrtüchtigkeit sei nicht beeinträchtigt worden. Das Gericht entschied außerdem, dass die sofortige Vollstreckung der Entscheidung gerechtfertigt war, weil der Mann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellte. […]

Weiterführende Informationen

Was ist ein Fahreignungsgutachten?

Ein Fahreignungsgutachten ist ein ärztliches Gutachten, das anordnet wird, um zu klären, ob eine Person die Eignung besitzt, ein Fahrzeug im Straßenverkehr zu führen. Es wird angeordnet, wenn Zweifel an der Fahreignung einer Person bestehen. Das Gutachten kann sowohl bei chronischen Erkrankungen und Behinderungen als auch bei neu auftretenden Symptomen angeordnet werden. Die Prüfung besteht aus einer verkehrsmedizinischen Untersuchung und einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU). Die MPU wird im Volksmund oft auch als „Idiotentest“ bezeichnet. Das ärztliche Gutachten zur Fahreignung wird angeordnet, wenn Zweifel an der Fahreignung einer Person bestehen und eine Fahrerlaubnis ausgestellt oder verlängert werden soll. Die gesundheitlichen Voraussetzungen, sowohl körperlich als auch psychisch, müssen erfüllt sein, um als Fahrer eines Kraftfahrzeugs zu agieren.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A79, A2, A1, AM, B, BE, CE79, C1, C1E, L und T.

Im Jahr 2021 wurde der Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts Neustadt a.d. Aisch-Bad Windsheim u.a. bekannt, dass der Antragsteller nach einem hausärztlichen Attest vom 26. Januar 2021 an Angst- und Belastungszuständen leidet. Er sei seit 2015 berufsunfähig und nicht mehr voll belastbar. Es sei ihm nicht zumutbar, einer Gerichtsverhandlung mehr als drei Stunden zu folgen. In einer Strafverhandlung vor dem Amtsgericht Neustadt a.d. Aisch am 10. Februar 2021 äußerte der Antragsteller, er habe im Jahr 2014 einen Schlaganfall erlitten, sei Frührentner und leide an einer Angst- und Belastungsstörung. Im weiteren Verlauf der Verhandlung machte er seine Verhandlungsunfähigkeit geltend. Der hinzugezogene Notarzt hielt den Antragsteller für verhandlungsfähig. Mit Schreiben an das Amtsgericht vom 17. Februar 2021 erklärte er, es bestehe aufgrund seiner gesundheitlichen Vorgeschichte ein erhöhtes Rezidivrisiko für Schlaganfälle und andere Stresssymptome. Nach einem Attest des Hausarztes vom 18. Februar 2021 liegt beim Antragsteller eine chronische Belastungsstörung vor, die offensichtlich durch polizeiliches Fehlverhalten bedingt sei. Durch die jüngsten Ereignisse sei es zu einer weiteren Verschlimmerung der Beschwerden in Form von Schlafstörungen, Schreckhaftigkeit, Albträumen, Herzrasen, Schweißausbrüchen und Übererregung gekommen. Der Antragsteller sei momentan verhandlungsunfähig. Es sei eine Überweisung in eine Klinik für Psychosomatik und Innere Medizin, Sektion Psychotraumatologie, veranlasst. Nach dem weiteren Attest vom 3. März 2021 ist die Erkrankung – nach Rücksprache des Hausarztes mit der Klinik – ernsthaft. Der Antragsteller sei bis auf weiteres nicht verhandlungsfähig.

Unter Bezug auf diesen Sachverhalt forderte das Landratsamt den Antragsteller mit Schreiben vom 13. August 2021 auf, den Entlassungsbericht der behandelnden Klinik und ein Attest des behandelnden Arztes zur Dauer der Behandlung, zu den gestellten Diagnosen und zur Medikamentation vorzulegen. Nachdem hierauf keine Reaktion erfolgt war, forderte das Landratsamt ihn mit Schreiben vom 6. Dezember 2021 auf, bis 6. Februar 2022 ein ärztliches Gutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung zu den Fragen beizubringen, ob bei ihm eine Erkrankung vorliege, die nach Nr. 6 und 7 der Anlage 4 zur FeV die Kraftfahreignung infrage stelle, und ob er in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 gerecht zu werden, falls ja, ob ggf. Auflagen oder Beschränkungen notwendig seien, um das sichere Führen von Kraftfahrzeugen zu gewährleisten. Es gebe Anhaltspunkte für eine kreislaufabhängige Störung der Hirntätigkeit gemäß Nr. 6.4 der Anlage 4 zur FeV und eine psychische Störung gemäß Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV (Angst- und Belastungsstörung, posttraumatische Belastungsstörung).

In einem für das Strafverfahren nach Aktenlage erstellten Gutachten vom 17. Dezember 2021 kam ein vom Amtsgericht Neustadt a.d. Aisch bestellter forensischer Psychiater zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 21 StGB, nicht jedoch die des § 20 StGB in Betracht zu ziehen seien. Der Antragsteller sei verhandlungsfähig. Es sei vorstellbar, dass bei ihm eine organische Persönlichkeits- und Verhaltensstörung aufgrund einer Krankheit bzw. Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns (hier im Sinne eines Schlaganfalls) vorliege (S. 33). Hinweise auf eine schizophrene Psychose hätten sich nicht ergeben; ebenso wenig Hinweise auf eine erhebliche Depressivität. Von einer schwerwiegenden affektiven Erkrankung sei ebenfalls zumindest vorläufig nicht auszugehen. Die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung liege nicht nahe. Es sei eine hirnorganische Schädigung in Betracht zu ziehen, die (bei entsprechenden Auswirkungen) der Kategorie der sogenannten „krankhaften seelischen Störungen“ zugeordnet werden könne (S. 37).

Da der Antragsteller kein Fahreignungsgutachten vorlegte, entzog ihm das Landratsamt gestützt auf § 11 Abs. 8 FeV mit Bescheid vom 8. März 2022 die Fahrerlaubnis und verpflichtete ihn unter Androhung eines Zwangsgelds, seinen Führerschein innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung des Bescheids beim Landratsamt abzugeben. Ferner erklärte es diese Verfügungen für sofort vollziehbar.

Mit Schreiben vom 15. März 2022 legte der Antragsteller Widerspruch ein.

Mit Bescheid vom 25. März 2022 ordnete das Landratsamt die Einziehung des Führerscheins für den Fall an, dass der Antragsteller diesen nicht innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung des Bescheids abgebe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2022 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch zurück.

Am 22. Juni 2022 ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach erheben und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragen. Dabei legte er ein Attest seines Hausarztes vom 20. Mai 2022 vor, wonach er mittlerweile von der damaligen akuten Belastungsstörung genesen und psychisch stabil sei. Von einem apoplektischen Insult in der Vergangenheit sei ihm nichts bekannt. Dieser werde auch in den vorliegenden Arztberichten nicht erwähnt.

Mit Beschluss 26. September 2022 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO mit der Begründung ab, der auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis, die Ablieferungspflicht und die Zwangsgeldandrohung gerichtete Antrag sei zulässig, jedoch nicht begründet. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden, insbesondere im Sinne von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ausreichend begründet. Die Fahrerlaubnisbehörde habe dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zu Recht nach § 46 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV entzogen. Für die Gutachtensanordnung habe ein hinreichender Anlass vorgelegen. Nach Nr. 6.4 der Anlage 4 zur FeV sei bei kreislaufabhängigen Störungen der Hirntätigkeit wie dem nach den eigenen Angaben des Antragstellers erlittenen Schlaganfall eine (bedingte) Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 nach erfolgreicher Therapie und Abklingen des akuten Ereignisses ohne Rückfallgefahr gegeben und zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 zu verneinen. Die Mutter des Antragstellers habe die Angaben ihres Sohnes vor dem Amtsgericht Neustadt a.d. Aisch bestätigt. Die Eignungszweifel würden nicht durch die ärztlichen Atteste vom 21. Januar, 18. Februar und 3. März 2021, in denen der Schlaganfall nicht erwähnt worden sei, und das Attest vom 20. Mai 2022 ausgeräumt. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt sei im Übrigen hier Anfang Dezember 2021. Ferner hätten ausreichende Anhaltspunkte für eine psychische (geistige) Störung im Sinne von Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV vorgelegen. Zum einen habe der Antragsteller am 10. Februar 2021 vor dem Amtsgericht angegeben, eine Angst- und Belastungsstörung zu haben und Frührentner zu sein. Nach dem ärztlichen Attest vom 21. Januar 2021 solle er deshalb nicht mehr als drei Stunden einer Gerichtsverhandlung folgen können und wegen Vorerkrankungen seit 2015 berufsunfähig und nicht mehr voll belastbar sein. Die Mutter des Antragstellers habe vor dem Amtsgericht am 17. Februar 2021 erklärt, dieser habe kürzlich einen Nervenzusammenbruch erlitten. In einem weiteren Attest vom 18. Februar 2021 habe ihn sein behandelnder Arzt wegen einer chronischen Belastungsstörung für verhandlungsunfähig gehalten und in ein Krankenhaus überwiesen. Unterlagen, wie ein Gutachten vom Mai 2020 und eine Bestätigung des Bundesverteidigungsministeriums aus dem Jahr 2020, die nach Angaben seines Bevollmächtigten zu seinen Gunsten sprächen, seien ohne Begründung weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren vorgelegt worden. Die Fragestellung erweise sich auch als hinreichend bestimmt, auch wenn sie unter Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV keine konkrete mögliche Erkrankung nenne. Aus der Gutachtensanordnung sei erkennbar, welche gesundheitliche Problematik geklärt werden solle. Es sei unschädlich, wenn die Fahrerlaubnisbehörde eine Erkrankung nach Nr. 7.5 der Anlage 4 zur FeV für naheliegend gehalten habe, nach dem fachpsychiatrischen Gutachten, das zum Zeitpunkt der Gutachtensanordnung auch noch nicht vorgelegen habe, jedoch vorläufig nicht von einer schwerwiegenden affektiven Erkrankung auszugehen sei. Der Gutachter habe den Antragsteller nicht persönlich untersuchen können. Zudem habe der Antragsgegner eine offene Formulierung („liegt nahe“) verwendet. Schließlich sei auch nicht ersichtlich, woraus sich ein Verwertungsverbot der aus dem Strafverfahren herangezogenen Erkenntnisse ergeben solle. Dem stünden insbesondere die sicherheitsrechtlichen Interessen der Allgemeinheit entgegen. Ferner habe der Antragsteller die Angaben zu seinem Gesundheitszustand großteils in einer öffentlichen Sitzung vor einem Amtsgericht gemacht. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gutachtensanordnung unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft gewesen sei. Insbesondere sei sie erforderlich gewesen, da der Antragsteller der Aufforderung zur Vorlage ärztlicher Berichte der ihn behandelnden Ärzte nicht fristgerecht nachgekommen sei.

Mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, macht der Antragsteller geltend, das bisherige Geschehen sei durch die Initiative mehrerer Staatsbediensteter, die in allen gegen ihn geführten Verfahren auftauchten, hervorgerufen worden. Die Einflussnahme des Polizeihauptmeisters G. sei lückenlos nachweisbar. Er habe alles, was passiert sei, bereits am 16. November 2018 verbal angekündigt. Es seien noch weitere Personen involviert. Der Antragsteller wolle die für ihn unsäglichen Zustände aufzeigen und durch einen anderweitigen Prozessbevollmächtigten ggf. mit Vorlage von Nachweisen weiter vortragen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wäre nur dann zulässig gewesen, wenn überwiegende und dringende Gründe für eine konkrete Gefahr für den Straßenverkehr bei weiterer Verkehrsteilnahme des Antragstellers vorliegen würden und der Sofortvollzug nicht ohne schwerwiegende Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses aufgehoben werden könne. Dies sei vorliegend definitiv nicht der Fall. Aus dem hausärztlichen Attest vom 20. Mai 2022 ergebe sich, dass der Antragsteller von einer akuten Belastungsstörung genesen und psychisch in jeder Hinsicht stabil sei. Zu keinem Zeitpunkt habe eine Erkrankung vorgelegen, durch die das Führen von Fahrzeugen aller Art verhindert werde. Ein apoplektischer Insult in der Vergangenheit liege nicht vor. Dieser werde auch nicht in den dem Hausarzt vorliegenden Arztberichten erwähnt. Der Hausarzt bestätige, dass beim Antragsteller keine Erkrankungen oder Störungen bestünden, die zu einer Nichteignung beitragen könnten. Eine Bestätigung einer Verhandlungsunfähigkeit in einem Ermittlungsverfahren im Februar 2021 könne nicht dazu führen, dass von einer Fahrunfähigkeit des Antragstellers zum jetzigen Zeitpunkt auszugehen sei. Der Antragsteller wolle geklärt wissen, auf welcher Grundlage der Antragsgegner zu der Anamnese komme, dass ein Schlaganfall im medizinischen Sinn und eine Störung der Hirntätigkeit vorliege. Hierfür gebe es keinerlei verwertbare Grundlage. Der Antragsteller frage sich, wie der Antragsgegner verfahrensfehlerhaft Informationen aus den strafgerichtlichen Ermittlungen verwerten wolle. Das im Strafverfahren erstellte fachpsychiatrische Gutachten lasse weder Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit aufkommen, noch auf eine sonstige psychische Erkrankung schließen. Dem Antragsteller missfalle, dass der Antragsgegner zu Informationen aus einem Strafverfahren komme, insbesondere dieses Gutachtens, obwohl das Landratsamt nicht am Verfahren beteiligt und das Gutachten nur den Verfahrensbeteiligten bekannt sei. Es werde nochmals ausdrücklich auf den gesamten bisherigen Sachvortrag in den Schriftsätzen vom 10. Juni und 22. Juli 2022 Bezug genommen und diese zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht den Darlegungsanforderungen genügt und nicht fristgerecht begründet worden ist.

Eine ausreichende Darlegung im Sinne von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses (vgl. BayVGH, B.v. 6.7.2020 – 11 CS 20.854 – juris Rn. 9 m.w.N.; Guckelberger in Sodan/ Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 146 Rn. 76 ff.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 146 Rn. 22a f.). Der Antragsgegner macht zu Recht geltend, dass sich der Beschwerdevortrag auf die Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens bzw. der eigenen Rechtsauffassung beschränkt und sich nicht mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt. Im Übrigen werden dem Senat lediglich eine Reihe rechtlicher Fragen zur Beantwortung vorgelegt.

Ferner ist die Beschwerdebegründung entgegen § 146 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des dem Prozessbevollmächtigten am 27. September 2022 zugestellten und mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehenen Gerichtsbeschlusses beim Verwaltungsgerichtshof, sondern beim Verwaltungsgericht eingereicht worden. Der fristgerechte Eingang beim erstinstanzlichen Gericht wahrt die Begründungsfrist nach dem klaren Wortlaut des § 146 Abs. 4 Satz 2 VwGO indes nicht (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 146 Rn. 20; Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Februar 2022, § 146 Rn. 13b). Dem Antragsteller kann auch nicht gemäß § 60 Abs. 1, Abs. 2 Satz 4 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, da sein Prozessbevollmächtigter die Fehladressierung des Schriftsatzes an das insoweit unzuständige Verwaltungsgericht verschuldet hat und das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner nachwirkenden Fürsorgepflicht den am Tag des Fristablaufs eingereichten Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang auch nicht mehr rechtzeitig an den Verwaltungsgerichtshof weiterleiten konnte (vgl. (BVerfG, B.v. 17.3.2005 – 1 BvR 950/04 – NJW 2005, 2137 = juris Rn. 10; B.v. 3.1.2001 – 1 BvR 2147/00 – NJW 2001, 1343 = juris Rn. 8 f.; BVerwG, B.v. 21.12.2021 – 9 B 19.21 – juris Rn. 18; B.v. 8.10.2020 – 4 B 36.20 – juris Rn. 4 f.).

Die Beschwerde war demnach als unzulässig zu verwerfen (§ 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO).

Ungeachtet dessen wäre die Beschwerde auch unbegründet, da sich aus den vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), nicht ergibt, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben wäre.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids in der Fassung des Gesetzes vom 15. Januar 2021 (BGBl I S. 530), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 18. März 2022 (BGBl I S. 498), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV). Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens, u.a. des Gutachtens eines Arztes einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV), anordnen, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisinhabers begründen. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung geschlossen werden. Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung der Begutachtung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 = juris Rn. 19). Dies war hier – wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat – der Fall.

Soweit der Antragsteller die Meinung vertritt, Dritte bzw. Staatsbedienstete hätten die Anordnung der Begutachtung seiner Kraftfahreignung und letztlich die Entziehung der Fahrerlaubnis „hervorgerufen“, trifft das nur insofern zu, als die Polizei fahreignungsrelevante Informationen an die Fahrerlaubnisbehörde weitergeleitet hat. Dazu ist sie indes verpflichtet. Wie der Antragsgegner zutreffend anführt, hat die Polizei nach § 2 Abs. 12 Satz 1 StVG Informationen über Tatsachen, die auf nicht nur vorübergehende Mängel hinsichtlich der Eignung oder auf Mängel hinsichtlich der Befähigung einer Person zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen lassen, den Fahrerlaubnisbehörden zu übermitteln, soweit dies für die Überprüfung der Eignung oder Befähigung aus der Sicht der übermittelnden Stelle erforderlich ist. Dabei können sich die polizeilichen Erkenntnisse auch aus Umständen außerhalb des Straßenverkehrs ergeben (Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 2 StVG Rn. 85). Die Informationsübermittlung verletzt nicht das Recht auf informelle Selbstbestimmung des Betroffenen (BVerwG, U.v. 15.4.1988 – 7 C 100.86 – NJW 1988, 1863 = juris Rn. 11 ff. zur Rechtslage vor Schaffung des § 2 Abs. 12 StVG).

Ferner ist nicht zu beanstanden, dass sich das Landratsamt Erkenntnisse aus einem Strafverfahren verschafft hat. Die Behörde ist nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG verpflichtet, den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Dabei bestimmt sie Art und Umfang der Ermittlungen, ohne an das Vorbringen und an die Beweisanträge des Betroffenen gebunden zu sein (Art. 24 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG). Nach Art. 26 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ist sie berechtigt, sich hierbei der Beweismittel zu bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere Auskünfte jeder Art einholen und Urkunden und Akten beiziehen (Art. 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 BayVwVfG), also auch Akten aus einem Strafverfahren.

Den staatlichen Stellen bekannt gemacht hat der Antragsteller die Informationen über seinen Gesundheitszustand, welche zu den Fahreignungszweifeln Anlass gegeben haben, darunter die hausärztlichen Atteste vom 26. Januar, 18. Februar und 3. März 2021 sowie seine Angaben in der Strafverhandlung am 10. Februar 2021 und im Schreiben vom 17. Februar 2021, hingegen selbst, nämlich mit dem Ziel, die Durchführung des Strafverfahrens zu beeinflussen. Insbesondere war im Schreiben vom 17. Februar 2021 die Rede von einer erhöhten Rückfallgefahr für Schlaganfälle, die die Fahreignung auch für Fahrzeuge der Gruppe 1 nach Nr. 6.4 der Anlage 4 zur FeV ausschließt. Ferner lag nach den hausärztlichen Attesten vom 18. Februar und 3. März 2021 eine derart schwere psychische Erkrankung vor, dass sie nicht nur zu einer seltenen Verhandlungsunfähigkeit, sondern auch zur stationären Aufnahme in ein Krankenhaus geführt haben sollte. Das Verwaltungsgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass im maßgeblichen Zeitpunkt tatsächliche Anhaltspunkte gegen die Fahreignung des Antragstellers sprachen. Da es für die Rechtmäßigkeit der Beibringungsanordnung in zeitlicher Hinsicht auf ihren Erlass ankommt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 Rn. 14; BayVGH, B.v. 7.2.2022 – 11 CS 21.2385 – juris Rn. 15 jeweils m.w.N.), hier den 6. Dezember 2021, ändern nachfolgende Erkenntnisse wie das Gutachten im Strafverfahren vom 17. Dezember 2021 und das hausärztliche Attest vom 20. Mai 2022 nichts an ihrer Rechtmäßigkeit.

Angaben des Betroffenen zum eigenen Gesundheitszustand sind regelmäßig nicht mit bloßen Mutmaßungen und unbelegten Behauptungen gleichzusetzen, die die Anordnung eines Fahreignungsgutachtens nicht ohne weiteres rechtfertigen könnten (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 11 CS 20.2627 u.a. juris Rn. 18; Siegmund in Freymann/ Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand 26.9.2022, § 11 FeV Rn. 43 f.). Hier waren sie sogar zum Teil durch ärztliche Atteste, die der Antragsteller den staatlichen Stellen auch selbst vorgelegt hat, untermauert.

Entgegen seiner Darstellung hat die „Bestätigung einer Verhandlungsunfähigkeit“ im Strafverfahren nicht dazu geführt, dass das Landratsamt von seiner fehlenden Kraftfahreignung ausgegangen ist. Vielmehr haben seine Angaben zu seinem Gesundheitszustand und die ärztlichen Atteste hierauf, nämlich auf Erkrankungen bzw. einen Mangel nach Nr. 6.4 und Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV, hingewiesen. Dies hat das Landratsamt zunächst zu einer niederschwelligen Aufklärungsmaßnahme, der Anforderung des Entlassungsberichts der behandelnden Klinik und eines Attestes des behandelnden Arztes vom 13. August 2021, veranlasst. Geht eine Behörde einem tatsächlichen Hinweis bzw. einem insoweit ausreichenden „Anfangsverdacht“ (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01 – NJW 2002, 78 = juris Rn. 20 ff.; U.v. 14.11.2013 – 3 C 32.12 – BVerwGE 148, 230 Rn. 17; BayVGH, B.v. 2.11.2022 – 11 C 22.1748 – juris Rn. 14) nach, ist das nicht mit dem Stellen einer Anamnese gleichzusetzen. Vielmehr hat das Landratsamt u.a. die Anamnese des behandelnden Arztes angefordert. Nachdem der Antragsteller hieran nicht mitgewirkt hatte, sah es sich zu Recht zu der weitergehenden Aufklärungsmaßnahme vom 6. Dezember 2021, der Beibringungsanordnung, veranlasst. Die angeordnete ärztliche Begutachtung hätte durchaus ergeben können, dass der Antragsteller – wie er nunmehr behauptet – in Wahrheit keinen Schlaganfall erlitten hat und die Belastungsstörung abgeklungen war. Er war jedoch nicht bereit, an dieser Aufklärungsmaßnahme mitzuwirken. Erst dies hatte nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV die vom Verordnungsgeber festgelegte Rechtsfolge, dass das Landratsamt auf ein Fehlen der Fahreignung schließen musste. Nach der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 11 ZB 21.591 – juris Rn. 17; SächsOVG, B.v. 26.2.2021 – 6 B 431/20 – juris Rn. 8; OVG LSA, B.v. 9.1.2020 – 3 M 216/19 – juris Rn. 11; HessVGH, B.v. 22.1.2019 – 2 B 1641/18 – juris Rn. 3; OVG NW, B.v. 23.4.2015 – 16 B 259/15 – juris Rn. 7 f. jeweils m.w.N.; Dauer in Hentschel/König/ Dauer, § 11 FeV Rn. 51) eröffnet § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV der Fahrerlaubnisbehörde insofern keinen Ermessensspielraum, sondern enthält einen Grundsatz der Beweiswürdigung, der auf der Überlegung beruht, dass eine grundlose Verweigerung einer Begutachtung die Vermutung berechtigt, der Fahrerlaubnisinhaber wolle einen ihm bekannten Eignungsmangel verbergen, sodass ein Eignungsmangel durch die Weigerung zur Vorlage des angeforderten Gutachtens als nachgewiesen gilt.

Hiervon ausgehend durfte das Landratsamt im Interesse der Verkehrssicherheit und des Schutzes anderer Verkehrsteilnehmer auch den sofortigen Ausschluss des Antragstellers vom Straßenverkehr für erforderlich halten. Das Verwaltungsgericht hat die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO zutreffend für ausreichend erachtet. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung ist bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch (vgl. BayVGH, B.v. 31.8.2021 – 11 CS 21.1631 – juris Rn. 22 m.w.N.; Hoppe in Eyermann, VwGO, § 80 Rn. 55, 46). Auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung kommt es dabei nicht an, da § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO eine formelle und keine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung normiert (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Februar 2022, § 80 Rn. 246; Hoppe, a.a.O. Rn. 54 f.; Bostedt in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 81).

Demgemäß wäre die Beschwerde auch zurückzuweisen gewesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 46.2, 46.3, 46.5 und 46.9 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

 

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