Führerschein trotz positivem Gutachten entzogen: Gericht prüft Drogenkonsum
Das VG Gelsenkirchen lehnte den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen den Entzug der Fahrerlaubnis ab, da der Entzug bei summarischer Prüfung wahrscheinlich rechtmäßig war, trotz eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens, das die Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen attestiert hatte, jedoch durch weitere Beweise und Umstände widerlegt wurde.
Übersicht
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Das Gericht lehnte den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Fahrerlaubnisentzug ab.
- Der Fahrerlaubnisentzug basierte auf § 3 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 46 Abs. 1 FeV.
- Trotz positivem Gutachten widerlegten weitere Beweise die Annahmen dieses Gutachtens bezüglich der Abstinenz und Drogenfreiheit des Antragstellers.
- Es wurden Zweifel an der Herkunft der für das positive Gutachten eingereichten Haarproben geäußert.
- Das Gericht urteilte, dass das öffentliche Interesse am Schutz anderer Verkehrsteilnehmer das Interesse des Antragstellers überwiegt.
- Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
- Der Streitwert wurde auf 2.500 Euro festgesetzt.
Fahreignung und Fahrerlaubnisentziehung
Die Fahreignung ist eine der zentralen Voraussetzungen um eine Fahrerlaubnis zu erhalten und behalten zu können. Die Erteilung und der Entzug der Fahrerlaubnis sind im Straßenverkehrsgesetz (StVG) und der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) geregelt. Bei Zweifeln an der Fahreignung kann die zuständige Behörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen.
Kommt ein solches Gutachten zu einer negativen Prognose hinsichtlich der Fahreignung, droht in der Regel der Entzug der Fahrerlaubnis. Ein positiver Ausgang ist hingegen kein Garant dafür, dass die Fahrerlaubnis erhalten bleibt. Denn die Fahrerlaubnisbehörden können die Bewertungen durch eigene Ermittlungen gegebenenfalls überwinden, insbesondere wenn neue Erkenntnisse die Annahmen und Prognosen des Gutachtens widerlegen.
➜ Der Fall im Detail
Der Fall um die Entziehung der Fahrerlaubnis trotz positiven Gutachtens
Im Kern dreht sich der Fall um den Entzug der Fahrerlaubnis eines Antragstellers durch die Ordnungsbehörde, trotz eines später eingeholten positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens. Ausgangspunkt war eine Aufforderung der Behörde an den Antragsteller, ein weiteres Gutachten vorzulegen, nachdem frühere Untersuchungen auf einen Betäubungsmittelkonsum hingewiesen hatten. Der Antragsteller legte ein positives Gutachten vor, welches besagte, dass nicht zu erwarten sei, er würde erneut unter Drogeneinfluss ein Fahrzeug führen. Dieses positive Gutachten wurde jedoch durch weitere Indizien in Frage gestellt, insbesondere durch die Feststellung, dass der Antragsteller seit seinem 16. Lebensjahr regelmäßig Drogen konsumiert habe und auch nach 2004, entgegen der Annahme im Gutachten, nicht durchgehend abstinent gelebt habe.
Die juristische Bewertung und das Urteil des Gerichts
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen führte eine Interessenabwägung durch und kam zu dem Schluss, dass der Entzug der Fahrerlaubnis wahrscheinlich rechtmäßig sei. Dies begründete das Gericht unter anderem damit, dass das positive Gutachten in seinen tragenden Annahmen widerlegt wurde. So waren die Annahmen der dauerhaften Abstinenz und der Distanzierung vom Drogenmilieu nicht haltbar. Zusätzlich wurden Zweifel an der Authentizität der für das positive Gutachten eingereichten Haarproben geäußert. Das Gericht betonte, dass bei feststehender Ungeeignetheit dem Antragsgegner kein Ermessen zustehe und die sofortige Vollziehung der Entziehungsverfügung angeordnet werden könne.
Die Bedeutung des medizinisch-psychologischen Gutachtens
Im vorliegenden Fall spielt das medizinisch-psychologische Gutachten eine zentrale Rolle. Es diente zunächst als Hoffnungsschimmer für den Antragsteller, seine Fahrerlaubnis zu behalten. Die detaillierte Auseinandersetzung des Gerichts mit dem Gutachten und dessen Widerlegung zeigt jedoch, dass nicht nur das Ergebnis eines solchen Gutachtens, sondern insbesondere die zugrundeliegenden Annahmen und die Beweiskraft entscheidend sind.
Die Folgen der Entscheidung
Durch die Entscheidung des Gerichts wurde die Ordnungsverfügung bestätigt und die Fahrerlaubnis des Antragstellers bleibt entzogen. Dies verdeutlicht die strengen Anforderungen an die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis nach einem Drogenmissbrauch und die Bedeutung einer sorgfältigen Prüfung aller vorliegenden Beweismittel. Das Gericht stellte klar, dass das öffentliche Interesse am Schutz von Leib, Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer das persönliche Interesse des Antragstellers überwiegt.
Schlüsselaspekte und Lehren aus dem Fall
Der Fall unterstreicht die Komplexität der rechtlichen Beurteilung bei der Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund von Drogenkonsum. Er zeigt auf, dass ein positives medizinisch-psychologisches Gutachten allein nicht ausreicht, wenn andere Beweismittel dagegen sprechen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen macht deutlich, dass neben dem Gutachten auch die Gesamtschau der Lebensumstände und des Verhaltens des Betroffenen eine wesentliche Rolle spielt.
✔ Häufige Fragen – FAQ
Wann kann trotz eines positiven Gutachtens die Fahrerlaubnis entzogen werden?
Trotz eines positiven Gutachtens kann die Fahrerlaubnis entzogen werden, wenn bestimmte Kriterien nicht erfüllt oder bestimmte Auflagen nicht eingehalten werden. Einige der Umstände, unter denen dies geschehen kann, sind:
- Nichteinhaltung von Fristen: Wenn besondere Fristen nicht eingehalten werden, kann trotz eines positiven Gutachtens die Fahrerlaubnis abgelehnt werden.
- Verspätete Vorlage des Gutachtens: Wenn ein medizinisch-psychologisches Gutachten nicht rechtzeitig vorgelegt wird, darf die Behörde von einer fehlenden Fahreignung ausgehen.
- Bedingt geeignetes Gutachten: Ein solches Gutachten wird mit Auflagen versehen, und die Fahrerlaubnis wird erst erteilt, wenn diese Auflagen erfüllt sind, wie beispielsweise die Teilnahme an einer Nachschulung.
- Straftaten während der Sperrfrist: Wenn während der Sperrfrist Fehler oder Straftaten begangen werden, kann die Sperrfrist verlängert werden, und der Führerschein wird trotz eines positiven Gutachtens nicht erteilt.
- Lange Wartezeit vor der MPU: Wenn die MPU erst lange Zeit nach dem Führerscheinentzug stattfindet, kann es sein, dass die Behörden eine theoretische und praktische Fahrprüfung zur Auffrischung der Kenntnisse anordnen.
- Chronische körperliche und psychische Krankheiten: Diese können dazu führen, dass man den medizinischen Teil der MPU nicht besteht, selbst wenn ein positives Gutachten vorliegt.
- Fehlende Fahreignung: Gemäß den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung kann die Behörde oder das Gericht trotz eines positiven Gutachtens die Fahrerlaubnis entziehen, wenn sie aufgrund anderer Tatsachen von einer fehlenden Fahreignung ausgeht.
- Alkohol- oder Drogenkonsum: Wenn weiterhin Alkohol oder Drogen im Blut oder Urin nachgewiesen werden, kann dies zur Nichtbestehung des medizinischen Teils der MPU führen.
- Fehler oder Straftaten nach der MPU: Selbst nach einer bestandenen MPU kann ein erneuter Führerscheinentzug erfolgen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber erneut straffällig wird oder Fehler begeht, die seine Fahreignung in Frage stellen.
Es ist also wichtig, dass alle Anforderungen der MPU erfüllt werden und dass keine weiteren Umstände eintreten, die Zweifel an der Fahreignung aufkommen lassen.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 3 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG): Regelt die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund von Eignungsmängeln. Im vorliegenden Fall bildet es die Rechtsgrundlage für die Fahrerlaubnisentziehung aufgrund des Drogenkonsums des Antragstellers.
- § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung (FeV): Spezifiziert die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung und Entziehung einer Fahrerlaubnis. In Kombination mit § 3 StVG dient es der konkreten rechtlichen Begründung für den Entzug der Fahrerlaubnis.
- § 11 Abs. 6 und Abs. 7 FeV: Legen die Anforderungen an die Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens fest. Relevant, da die Aufforderung an den Antragsteller, ein solches Gutachten vorzulegen, diesen Anforderungen entsprechen muss.
- § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO): Erlaubt es dem Gericht, im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes über die aufschiebende Wirkung einer Klage zu entscheiden. Grundlage für das Gericht, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ordnungsverfügung nicht wiederherzustellen.
- § 117 Abs. 5 VwGO: Verweist auf die Möglichkeit, im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens auf die Ausführungen in der angegriffenen Verfügung Bezug zu nehmen. Das Gericht nutzt dies, um seine Entscheidung zu stützen.
- § 154 Abs. 1 VwGO und § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG): Regelungen zur Kostenentscheidung und zur Streitwertfestsetzung im gerichtlichen Verfahren. Relevant für die Entscheidung über die Kostenlast und die Höhe des Streitwerts im vorliegenden Fall.
Das vorliegende Urteil
VG Gelsenkirchen – Az.: 7 L 396/15 – Beschluss vom 23.04.2015
1. Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.
2. Der Streitwert wird auf 2.500,– Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers 7 K 802/15 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 11. Februar 2015 wiederherzustellen, ist gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – zulässig, aber unbegründet.
Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil die Ordnungsverfügung, mit der dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, bei summarischer Prüfung mit großer Wahrscheinlichkeit im Ergebnis rechtmäßig ist. Zur Begründung verweist die Kammer zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen in der angegriffenen Verfügung (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).
Ergänzend ist mit Rücksicht auf das Klage- und Antragsvorbringen Folgendes auszuführen:
Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist auf der Rechtsgrundlage von § 3 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – i. V. m. § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung – FeV – zu Recht erfolgt.
Zwar dürfte die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht schon gemäß § 46 Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 8 FeV anzuordnen gewesen sein, weil der Antragsteller trotz Aufforderung ein weiteres medizinisch-psychologisches Gutachten nicht beigebracht hat. Die Entziehung setzt insoweit voraus, dass die Begutachtungsanordnung nach § 11 Abs. 6 FeV dem Inhaber der Fahrerlaubnis gegenüber wirksam geworden ist und in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig, namentlich anlassbezogen und verhältnismäßig war.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2005 – 3 C 25.04 -, juris; zu § 15b Abs. 2 StVZO a. F.; OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2012 – 16 A 1782/11 -, juris m. w. N.
Die Aufforderung des Antragsgegners vom 29. August 2013 dürfte bereits nicht den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV genügen, da diese nicht die durch das Gutachten zu klärenden Fragen hinreichend genau mitteilt. Darüber hinaus hat nach § 11 Abs. 7 FeV eine Anordnung zu unterbleiben, wenn die Nichteignung des Betroffenen feststeht. Hiervon ist nach der im Eilverfahren gebotenen und möglichen summarischen Prüfung auszugehen.
Das medizinisch-psychologische Gutachten vom 21. Juli 2010 ist für den Antragsteller zu einer negativen Prognose gelangt. Dieses stellt zusammenfassend fest, dass der Antragsteller aufgrund des aktenkundigen Betäubungsmittelkonsums noch nicht wieder Kraftfahrzeuge der beantragten Klasse sicher führen könne und insbesondere zu erwarten sei, dass dieser ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln oder deren Nachwirkungen führen werde. Zwar wurde dem Antragsteller durch das kurz darauf eingeholte medizinisch-psychologische Gutachten vom 29. November 2010 (Gutachtenversand am 2. Februar 2011) eine positive Prognose gestellt. Danach sei nicht zu erwarten, dass der Antragsteller erneut ein Fahrzeug unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln führen werde. Die tragenden Annahmen des zweiten, positiven Gutachtens sind jedoch in mehrfacher Hinsicht widerlegt. Das Gutachten vom 29. November 2010 kann daher die Eignung des Antragstellers nicht belegen. Im Einzelnen:
Zum einen ist die der positiven Prognose zugrunde liegende Annahme, dass der Antragsteller dauerhaft abstinent sei, als widerlegt anzusehen. Das Gutachten geht davon aus, dass der Antragsteller seit seiner Inhaftierung im Jahr 2004 den Drogenkonsum dauerhaft eingestellt und dieser seine „Drogenfreiheit ausreichend stabil etabliert“ habe (S. 22 f.). Diese Annahme ist nach dem Stand des Eilverfahrens unzutreffend. Das Urteil des Landgerichts F. vom 21. August 2012 (Az.: …) enthält zu der Person des Antragstellers die Feststellung, dass dieser seit seinem 16. Lebensjahr regelmäßig und steigernd Cannabis-Produkte und gelegentlich Amphetamin und Kokain konsumiere. Dass sich diese Feststellungen des Landgerichts allein auf die Zeit bis 2004 beziehen, ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Entgegen dem Vortrag des Antragstellers ist zudem weder aus dem Urteil noch der zugrunde liegenden Strafakte, die das Gericht im vorliegenden Verfahren beigezogen hat (Az.: …), ersichtlich, dass es sich hierbei um ein Versehen oder eine offensichtliche Unrichtigkeit handelt. Vielmehr werden die Feststellungen des Landgerichts durch die Aussagen des im Ermittlungsverfahren als Beschuldigten vernommenen T. (im Folgenden: Beschuldigter) gestützt. Dieser erklärte bei seiner Vernehmung am 10. Oktober 2011, dass der Antragsteller im Jahr 2010 eine medizinisch-psychologische Untersuchung durchgeführt habe. Der Antragsteller habe mit seinen Freunden in dieser Zeit alle paar Monate „richtig Party gemacht“ und das Wochenende „durchgefeiert und durchgekokst“. Auf dem Tisch im Partyraum habe Kokain gelegen, das sich der Antragsteller „als Linie reingezogen“ habe. Das Gericht erachtet die Aussage des Beschuldigten als glaubhaft. Dieser hat bei seiner Vernehmung umfassende, detaillierte und im Ermittlungsverfahren überprüfte Angaben zu den beteiligten Personen, den Räumlichkeiten („Partyraum“ des Arbeitgebers des Antragstellers), den einzelnen Treffen mit dem Antragsteller und anderen Personen und zu konkreten Vorfällen und Gesprächen gemacht. Dem Beschuldigten war in diesem Zusammenhang auch bekannt, dass der Antragsteller im Jahr 2010 jedenfalls eine medizinisch-psychologische Untersuchung durchführte. Nach alledem ist davon auszugehen, dass dieser beim Erwerb von Marihuana bzw. Kokain häufiger Kontakt zu dem Antragsteller hatte und er dabei auch den Drogenkonsum des Antragstellers beobachten konnte. Auch unabhängig hiervon erachtet es die Kammer als in hohem Maße unwahrscheinlich, dass der Antragsteller seit 2004 durchgehend abstinent war: Das positive Gutachten geht bei dem Antragsteller von einer „fortgeschrittenen Drogenproblematik“ aus (S. 22). Gleichzeitig war der Antragsteller nach den unbestrittenen Feststellungen des Landgerichts jedenfalls noch im Februar 2012 an der Einfuhr von und dem Handel mit größeren Mengen von Marihuana bzw. Kokain beteiligt. Der Antragsteller hatte demnach Umgang mit bzw. Zugriff auf die genannten Drogen. Dass es dem Antragsteller unter diesen Umständen gelungen sein sollte, dauerhaft abstinent zu bleiben, ist fernliegend.
Zum anderen ist auch die weitere, der positiven Prognose zugrunde liegende Annahme widerlegt, dass der Antragsteller seinen Drogenkonsum aufgearbeitet und sich von dem Milieu distanziert habe. Das Gutachten stützt sich insoweit auf die Erklärung des Antragstellers, dass dieser sich von seinem bisherigen Freundeskreis distanziert und den Kontakt abgebrochen habe (S. 23). Hiervon kann – unabhängig, ob der Antragsteller noch Eigenkonsument war – nicht ausgegangen werden. Der Antragsteller war, wie oben ausgeführt, jedenfalls noch im Februar 2012 an der Einfuhr von und dem Handel mit Marihuana und Kokain beteiligt. Wie den auch insoweit glaubhaften Aussagen des Beschuldigten in dem bezeichneten Ermittlungsverfahren zu entnehmen ist, traf sich der Antragsteller jedenfalls noch in den Jahren 2010 und 2011 regelmäßig mit anderen Personen, die Drogen konsumierten oder mit diesen Handel trieben und die der Antragsteller unter anderem im „Partyraum“ seines Arbeitgebers empfing. Dass der Antragsteller sich, wie das Gutachten annimmt, nachhaltig und dauerhaft von seinem bisherigen Freundeskreis bzw. dem bisherigen Milieu distanziert hätte, ist demnach nicht ersichtlich.
Es bestehen schließlich erhebliche Bedenken, ob alle für die Begutachtung eingereichten Haarproben tatsächlich von dem Antragsteller selbst stammen. Nach den Ausführungen des Gutachtens ist jedenfalls eine der Haarproben nicht direkt bei der Begutachtungsstelle bzw. dem beauftragten Labor abgenommen worden. Vielmehr übersandte der von dem Antragsteller zur Nachsorge beauftragte Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie die Haarprobe über ein drittes Labor an die Begutachtungsstelle. In dem Gutachten vom 29. November 2010 wird hierzu ausgeführt (S. 17 f.): „Die zweite Haaranalyse sollte im Rahmen der Begutachtung durchgeführt werden, hierzu hatte Herr C. für den 13.12.2010 einen Termin in der Begutachtungsstelle in L. vereinbart. Dieser Termin wurde abgesagt, weil Herr C. nach Angaben des betreuenden Arztes Dr. [ … ] noch am 12.12.2010 zu einer Montagebaustelle habe fahren müssen (Bescheinigung des Arbeitgebers wurde am 31.1.2011 nachgereicht). Daher führte Herr Dr. [ … ] die Haarentnahme am Sonntag, den 12.12.2010 in L. mit entsprechender Dokumentation durch. Die Haare wurden nach einem Umweg über ein nicht abgesprochenes Labor schließlich in L. vorgelegt und zum Labor U. nach M. geschickt.“ Bei diesem – für die Begutachtung untypischen – Vorgehen bestand keine hinreichende Gewähr dafür, dass die Haarprobe von dem Antragsteller stammte. Zweifel an der Zuordnung der abgegebenen Haarprobe ergeben sich auch aus der Aussage des Beschuldigten in dem oben bezeichneten Ermittlungsverfahren. Dieser erklärte bei seiner Vernehmung am 10. Oktober 2011, dass der Antragsteller sich im Jahr 2010 für die medizinisch-psychologische Untersuchung einen Psychologen besorgt habe. Diesen habe er zweimal im „Partyraum“ des Arbeitgebers des Antragstellers gesehen. Der Psychologe habe dem Antragsteller Unterlagen für die medizinisch-psychologische Untersuchung mitgebracht und ihm geraten, selber keine eigene Haarprobe, sondern die seines Bruders abzugeben. Anschließend habe der Antragsteller die Haarprobe seines Bruders eingereicht und die medizinisch-psychologische Untersuchung bestanden.
Nach dem Stand des Eilverfahrens sind schließlich auch keine neuen Umstände ersichtlich, die die negative Prognose des medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 21. Juli 2010 entkräften können. Insbesondere kann die zuletzt vorgelegte Stellungnahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt vom 16. Februar 2014, wonach sämtliche Drogentests im Justizvollzug ohne Befund geblieben seien, als solche noch keine positive Prognose rechtfertigen. Insoweit ist bereits nicht ersichtlich, über welchen Zeitraum und in welchen Abständen die Untersuchungen durchgeführt worden sind. Zudem ist der Antragsteller am 20. Februar 2015 aus der Haft entlassen worden, so dass die Drogentests allenfalls den Zeitraum bis zur Haftentlassung erfassen. Der Antragsteller hat damit derzeit bereits nicht den Nachweis einer einjährigen Abstinenz (Ziffer 9.5 Anlage 4 zu FeV) erbracht. Darüber hinaus kann die Eignung nicht schon durch den Verzicht auf Drogenkonsum nachgewiesen werden. Die Wiedererlangung der fehlenden Eignung, die durch das allein tragfähige Gutachten vom 21. Juli 2010 festgestellt worden ist, setzt vielmehr voraus, dass auf der Grundlage einer tragfähigen Motivation eine hinreichend stabile Verhaltensänderung eingetreten ist.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Mai 2014 – 16 B 436/14 -, juris.
Einen solchen Nachweis hat der Antragsteller nicht erbracht.
Bei feststehender Ungeeignetheit steht dem Antragsgegner kein Ermessen zu. Angesichts dessen bestehen keine Bedenken gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung. Zudem ergibt auch eine von den Erfolgsaussichten der Hauptsache losgelöste Interessenabwägung, dass das Interesse des Antragstellers daran, seine Fahrerlaubnis wenigstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nutzen zu können, hinter dem öffentlichen Interesse am Vollzug der Entziehungsverfügung zurückstehen muss. Der Schutz von Leib, Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer überwiegt das Interesse des Antragstellers, sein Fahrzeug für persönliche oder berufliche Zwecke vorübergehend zu nutzen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
II.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG -. Der Streitwert eines Klageverfahrens, das die Erteilung einer Fahrerlaubnis betrifft, ist ungeachtet der im Streit stehenden Fahrerlaubnisklassen, nach dem Auffangwert zu bemessen. Dieser ist im vorliegenden Eilverfahren zu halbieren.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Mai 2009 – 16 E 550/09 – juris.