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Fahrerlaubnisentziehung – gelegentlicher Cannabiskonsum ab 100 ng/ml THC-COOH

Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Az.: 2 B 2335/16, Beschluss vom 15.09.2016

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des VG Darmstadt vom 01.08.2016 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung von Amts wegen für beide Rechtszüge auf 5000,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Berichterstatter entscheidet gemäß § 87a Abs. 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anstelle des Senats, weil sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.

Fahrerlaubnisentziehung - gelegentlicher Cannabiskonsum ab 100 ng/ml THC-COOH
Symbolfoto: azure_1/Bigstock

Die am 16. August 2016 gemäß § 147 Abs. 1 VwGO fristgerecht eingelegte und mit beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof am 31. August 2016 eingegangenem Schriftsatz innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO begründete Beschwerde ist zulässig.

Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 14. Juli 2016 gegen die mit Bescheid des Antragsgegners vom 4. Juli 2016 verfügte Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, C1, C1E, M und L anzuordnen.

Aus den mit der Beschwerde dargelegten Gründen, die das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, ergeben sich keine Gesichtspunkte, die zum Erfolg der Beschwerde führen.

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl I S. 310, ber. S. 919), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. März 2015 (BGBl I S. 186) i. v. m. § 46 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr – Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) – i. d. F. vom 16. April 2014 (BGBl I 2010, 2023 – 2029) ist Inhabern einer Fahrerlaubnis diese zu entziehen, wenn sie sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr erweisen. Ungeeignet sind nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere Fahrerlaubnisinhaber in deren Person ein Mangel im Sinne der Anlage 4 zu den §§ 11,13 und 14 dieser Verordnung vorliegen.

Nach Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 ist unter Beachtung der in der Vorbemerkung (insbesonderen Ziffer 3) zu dieser Anlage enthaltenen Maßgaben im Regelfall davon auszugehen dass eine Person zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet ist, wenn sie gelegentlich Cannabis konsumiert und nicht zwischen dem Konsum der Droge und dem Führen eines Kraftfahrzeugs zu trennen vermag. Ebenso sind Personen ungeachtet der Frage ob sie zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs zu trennen vermögen ungeeignet, wenn sie die Droge regelmäßig zu sich nehmen.

Wann von einer „gelegentlichen“ oder „regelmäßigen“ Einnahme von Cannabis auszugehen ist, ist in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und auch des erkennenden Senats geklärt. Hiermit setzt sich das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss ausführlich und in zutreffender Weise auseinander. Insoweit wird auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf S. 5 des amtlichen Umdrucks verwiesen. Zutreffend legt das Verwaltungsgericht auch dar, dass nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats davon auszugehen ist, dass ein Fahrzeugführer unter dem Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hat, wenn die Konzentration des rauschwirksamen Wirkstoffes Tetrahydrocannabinol (THC) den Schwellenwert von 2,0 ng/ml in seinem Blut erreicht bzw. überschreitet (vgl. HessVGH, Beschluss vom 3. Mai 2010 – 2 B 441/10 -, juris; Beschluss vom 10. Februar 2010 – 2 A 1016/09.Z, juris; Beschluss vom 16.März 2010 – 2 A 2506/09.Z, ständige Rspr.)

Ebenso ist dieser Rechtsprechung zu entnehmen, dass von einem mindestens „gelegentlichen“ Konsum im Sinne der Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 der FeV auszugehen ist, wenn die Konzentration des nicht rauschwirksamen Cannabisabbauproduktes THC-Carbonsäure (THCOOH) den Schwellenwert von 100 ng/ml erreicht. Ab einem THCOOH-Wert von 150ng/ml und mehr gehen der erkennende Senat und mit ihm auch andere Obergerichte (vgl. bspw. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Februar 2015 – 16 B 8/15 -, juris, m. w. N) davon aus, dass die Annahme eines regelmäßigen Konsums im Sinne der Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 der FeV gerechtfertigt ist.

Ausgehend von diesen Maßgaben sind sowohl der Antragsgegner als auch das Verwaltungsgericht ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass bei dem Antragsteller ein mindestens gelegentlicher Cannabiskonsum vorliegen muss und dass er nicht zuverlässig zwischen dem Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr und dem Konsum von Cannabis zu trennen vermag. Die im Blut des Antragstellers festgestellte Konzentration an THC lag mit 4,3 ng/ml deutlich oberhalb des genannten Schwellenwertes. Der Wert des ebenfalls rauschwirksamen Cannabis-Inhaltsstoffes Hydroxy-THC lag bei 1,7 ng/ml und damit in einem mittleren Bereich. Aufgrund der Höhe des bereits festgestellten THC-Wertes kann dieser Wert jedoch für die weitere rechtliche Bewertung außer Betracht bleiben. Es steht damit fest dass der Antragsteller unter dem Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt hat. Körperliche Besonderheiten im Sinne der Vorbemerkung der Anlage 4, Ziffer 3 der FeV, die eine andere Sichtweise nahelegen könnten, hat der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.

Der in seinem Blut festgestellte THCOOH-Wert liegt mit 112 ng/ml deutlich oberhalb des Schwellenwertes von 100 ng/ml, ab dem von einer mindestens gelegentlichen Einnahme von Cannabis auszugehen ist. Bei einem solchen Wert ist entgegen des Vortrags des Antragstellers ein nur einmaliger Konsum auszuschließen. Diese Feststellung vermag der Antragsteller auch nicht erfolgreich unter Hinweis auf die Ausführungen in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2014 – 3 C 3/13 – (NJW 2015, S. 2439 -2443) in Frage zu stellen. In diesem Urteil verhält sich das Bundesverwaltungsgericht nicht zu der Indiz-Wirkung der hier streitgegenständlichen THCOOH – Blutwerte und führt aus, dass eine „gelegentliche“ Einnahme bereits dann vorliegen könne, wenn bereits zwei selbständige Konsumvorgänge feststellbar seien. In dem der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrundeliegenden Fall stand die Frage, ob der THCOOH – Wert Rückschlüsse auf einen mehr als einmaligen Konsum erlaubt, nicht zur Debatte.

Vielmehr ging es hierbei darum, ob auch der in diesem Verfahren festgestellte THC-Wert von 1,3 ng/ml einen Rückschluss auf einen mehrmaligen Konsum erlaubt. Hiervon war der VGH Baden-Württemberg in seinem dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zugrundeliegenden Urteil vom 22. November 2012 – 10 S 3174/11 – unter Rückgriff auf entsprechende gutachterliche Feststellungen ausgegangen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich nicht beanstandet. Bei dem Fahrzeugführer dieses Verfahrens wurde übrigens lediglich ein THCOOH-Wert von 16,0 ng/ml festgestellt. Damit lag dieser Wert in einem geringen Bereich und eignete sich daher nicht als Nachweis für einen gelegentlichen Konsum. Anders liegen die Dinge aber im hier zu entscheidenden Fall. Der Wert von 112 ng/ml THCOOH lässt sich nicht erreichen, wenn nur ein einmaliger Konsum erfolgt. Vielmehr spricht dieser Wert eindeutig dafür, dass der Antragsteller in einem sehr überschaubaren Zeitraum mehrere Male Cannabis konsumiert haben muss (vgl. HessVGH, Beschluss vom 24. September 2008 – 2 B 1365/08 -, NJW 2009, 1523; Beschluss vom 17. Juni 2009 – 2 B 1507/09 -; Beschluss vom 16. März 2010 – 2 A 2506/09.Z -; Beschluss vom 10. Februar 2010 – 2 A 1016/09.Z). Daher kann auch nach den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 a. a. O.) entwickelten Grundsätzen ein mindestens gelegentlicher Konsum angenommen werden. Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang von einer „geringfügigen Überschreitung“ des THCOOH-Schwellenwertes von 100 ng/ml spricht, ist dieser Vortrag kaum nachvollziehbar. Bezieht man in die Betrachtung mit ein, dass der Antragsteller mit 4,3 ng/ml THC in seinem Blut sein Kraftfahrzeug im öffentlichen Verkehr geführt hat, ist bereits aufgrund dieses Sachverhalts von seiner fehlenden Eignung aufgrund eines Eignungsmangels im Sinne der Anlage 4 der FeV, Ziffer 9.2.2 auszugehen und dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zu entziehen. Die Ergebnisse der Blutuntersuchung lassen nämlich zuverlässig den Schluss zu, dass der Antragsteller sowohl mindestens gelegentlich Cannabis konsumiert, als auch dass er nicht zwischen dem Konsum der Droge und dem Führen eines Kraftfahrzeugs zu trennen vermag. Der vorherigen Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV hätte es daher gar nicht mehr bedurft. Hierauf hat das Verwaltungsgericht bereits in seinem Beschluss vom 1. August 2016 (Blatt 6, 3. Abschnitt) zutreffend hingewiesen.

Darauf, ob der Beschwerdegegner in rechtmäßiger Weise bei diesem Sachverhalt nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV die Beibringung eines solchen Gutachtens anordnen konnte, kommt es bei dieser Sachlage daher nicht mehr an. Als „Minusmaßnahme“ gegenüber dem sofortigen Fahrerlaubnisentzug kann sie aber aufgrund der Feststellungen im Rahmen der rechtsmedizinischen Begutachtung der Blutprobe des Antragstellers gerade im Hinblick auf den vom Antragsteller ins Feld geführten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ebenfalls nicht mit Erfolg in Frage gestellt werden.

Insoweit verweist der beschließende Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (Blatt 4 – 6), die er sich zu Eigen macht.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, weil sein Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 1, Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 47 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GKG i. V. m. Nr. II. 1.5 und 46.3 sowie 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abrufbar unter www.bverwg.de/informationen/streitwertkatalog.php).DarausergibtsichfüreinHauptsacheverfahreneinStreitwertvon10.000,00€.Dieserermitteltsichwiefolgt:DerAntragstelleristimBesitzderFahrerlaubnisklassenB,BE,C1,C1E,MundL.Gemäߧ6Abs.3Nr.4FeVberechtigtdieFahrerlaubnisderKlasseBauchzumFührenvonFahrzeugenderKlassenAMundL.DaherbleibendieseKlassenfürdieweitereStreitwertberechnungaußerBetracht.Ebensoberechtigtnach§6Abs.3Nr.7FeVdieFahrerlaubnisklasseC1EauchzumFührenderKlasseBE.DieKlasseC1Eumfasstnach§6Abs.1FeVauchdieBerechtigungderKlasseC1.AuchdieKlasseC1bleibtdaherfürdieStreitwertberechnungaußerBetracht.DadieinderKlasseC1EenthalteneKlasseC1nach§9Abs.1FeVabervoraussetzt,dassderBewerberdieFahrerlaubnisderKlasseBbereitsbesitztoderderenVoraussetzungenerfüllt,istdie Klasse B neben der Klasse C1E jeweils mit dem Auffangstreitwert in Ansatz zu bringen. Der so ermittelte Wert von 10.000,00 €, welcher sich auf ein Klageverfahren bezieht, ist im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit Rücksicht auf die Vorläufigkeit der Entscheidung in diesem Verfahren zu halbieren.

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