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Fahrerlaubnisentziehung wegen Drogenkonsums – Verwertung von Angaben gegenüber der Polizei

VG München, Az.: M 6 S 16.2604, Beschluss vom 14.09.2016

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf EUR 2.500,– festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen B, L, M und S.

Am … Juni 2015 gegen a… Uhr führte der Antragsteller ein Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis. Laut toxikologischem Gutachten vom … August 2015 wurde in der am … Juni 2015 um b… Uhr entnommenen Blutprobe ein THC-Wert von a… µg/l (entspricht ng/ml) festgestellt. Der Antragsteller erhielt deswegen einen Bußgeldbescheid vom … September 2015 (rechtskräftig seit … Oktober 2015).

Gegenüber der Polizei hatte der Antragsteller am … Juni 2015 im Formblatt „Betroffenenanhörung“ angegeben, sich nicht zur Sache äußern zu wollen. Ein vom Antragsteller ebenfalls unterschriebenes Protokoll vom … Juni 2015 enthält allerdings u.a. zur Frage einer Drogeneinnahme in den letzten 24 Stunden vor dem Vorfall die Angaben: „…06.15 c… Uhr, 2 Joints zusammen mit Freunden“. Im Formblatt „Polizeilicher Bericht“ vom … Juni 2015 wird ausgeführt, dass der Antragsteller zunächst geäußert habe, „vor einigen Wochen“ einen Joint mitgeraucht zu haben. Nachdem der Drogentest positiv auf THC verlaufen sei, habe der Antragsteller angegeben, „vor zwei Tagen (…06.15, c… – d… Uhr) mit Freunden 2 Joints Marihuana geraucht zu haben“.

Mit Schreiben vom … Januar 2016 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zur Entziehung der Fahrerlaubnis an. Hierauf äußerte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom … Februar 2016 dahingehend, dass objektiv nachgewiesen lediglich der einmalige Vorgang am … Juni 2015 sei. Die fiktive Konstruktion eines gelegentlichen, mindestens zweimaligen Konsums sei falsch. Irgendwelche Stundenangaben des Antragstellers seien nicht richtig und würden ausdrücklich widerrufen. Bestritten werde auch, dass der Antragsteller nicht zwischen Konsum und Fahren habe trennen können. Dieser sei davon ausgegangen, genügend zeitlichen Abstand gehabt zu haben, nur seine Unerfahrenheit habe ihn getäuscht. Der Antragsteller sei zuvor noch nie mit Cannabis in Berührung gekommen. Er verfolge zielstrebig seine Ausbildung zum A… und habe bereits eine Zusage zur Festübernahme.

Mit Bescheid vom 12. Februar 2016 entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis aller Klasen (Nr. 1 des Bescheids), forderte ihn unter Fristsetzung auf, seinen Führerschein bei der Fahrerlaubnisbehörde abzugeben (Nr. 2) und drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe ein Zwangsgeld in Höhe von EUR a… an (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 4). Die Nrn. 5 und 6 des Bescheids enthalten Festsetzungen zu den Kosten des Verfahrens. Die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV wurde mit der Fahrt unter Einfluss von Cannabis am … Juni 2015 mit einem THC-Wert von a… ng/ml begründet. Die gelegentliche Einnahme von Cannabis ergebe sich aus den Angaben des Antragstellers, am … Juni 2015 gegen c… Uhr Cannabis konsumiert zu haben. Nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Abbaugeschwindigkeit von Cannabis sei angesichts der festgestellten Konzentration von a… ng/ml THC davon auszugehen, dass es am Tattag zu einer weiteren Einnahme von Cannabis gekommen ist. Die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV stehe daher fest, § 11 Abs. 7 FeV. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung begründete die Fahrerlaubnisbehörde auf den Seiten 6 und 7 des Bescheids mit der aufgrund des beim Antragsteller belegten Cannabiskonsums bei gleichzeitig fehlendem Trennvermögen von Konsum und Führen eines Kraftfahrzeugs bestehenden konkreten Gefahr der Behinderung und Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer.

Gegen diesen Bescheid erhob der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom … März 2016 Widerspruch und führte zur Begründung aus, dass die Angaben des Antragstellers gegenüber der Polizei nicht als richtig unterstellt werden dürften. Der Beschuldigte müsse im Strafverfahren keine Angaben machen, er dürfe sogar lügen. Aus den Abbauwerten dürfe nicht auf einen zweiten Konsum geschlossen werden. Genauso möglich sei einfach, dass sich der Antragsteller in der Angabe des Konsums getäuscht habe und dieser „halt später“ gewesen sei. Vorgelegt wurde zudem einen Laborbericht vom … Februar 2016, dass die Untersuchung einer am … Februar 2016 entnommenen Blutprobe einen THC-Wert von <1.0 µg/l ergeben habe, sowie ein Referenzschreiben des Arbeitgebers des Antragstellers vom … Februar 2016, dass beabsichtigt sei, diesen nach Abschluss seiner Ausbildung in ein festes Arbeitsverhältnis zu übernehmen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2016, zugestellt am … Mai 2016, wies die Regierung von Oberbayern den Widerspruch des Klägers zurück. Es bestünden keine Zweifel daran, dass der Antragsteller mehr als einmalig und damit gelegentlich Cannabis konsumiert habe. Die Angaben des Antragstellers zu Tag, Uhrzeit und Anzahl der Joints konkretisierten die Tatumstände sehr genau. Das Vorbringen in der Widerspruchsbegründung sei daher als Schutzbehauptung zu werten.

Am … Mai 2016 gab der Antragsteller seinen Führerschein bei der Polizei ab, die diesen dem Antragsgegner übersandte. Dieser ordnete daraufhin die Sollabsetzung des inzwischen fällig gewordenen Zwangsgelds an.

Ende Mai 2016 erhielt der Antragsgegner Kenntnis, dass gegen den Antragsteller erneut wegen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung von Cannabis am … Januar 2016 ermittelt werde. Laut toxikologischem Gutachten vom … April 2016 wurde in der am … Januar 2016 um e… Uhr entnommenen Blutprobe ein Wert von b… µg/l (entspricht ng/ml) THC festgestellt. Gegenüber der Polizei hatte der Antragsteller im Formblatt „Betroffenenanhörung“ angegeben, sich nicht zur Sache äußern zu wollen. In dem Beiblatt zum polizeilichen Bericht vom … Januar 2016 wird ausgeführt, dass der Antragsteller angegeben habe, dass er vor drei Wochen mehrere Joints und mehrere „Köpfe“ einer Bong geraucht habe.

Mit Schriftsatz vom … Juni 2016, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am … Juni 2016, erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage für diesen und beantragte, den Bescheid des Beklagten vom 12. Februar 2016 in der Form des Widerspruchsbescheids aufzuheben. Zugleich beantragte er,

die sofortige Vollziehbarkeit des Widerspruchs gegen den oben genannten Bescheid wiederherzustellen.

Zur Begründung wird ausgeführt, der Antragsgegner habe den Antragsteller für fahrungeeignet gehalten, weil er erheblich bzw. wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen habe. Es liege aber lediglich ein einmaliger nachgewiesener Vorfall vor, bei dem der Antragsteller Cannabis konsumiert habe. Aus dem einmaligen Vorgang folge lediglich, dass der Antragsteller versehentlich ein einziges Mal nicht lange genug gewartet und die Abbauwerte unterschätzt habe. Dies könne nicht zum Anlass genommen werden, die Fahrerlaubnis aller Klassen zu entziehen. Eine geeignete Auflage hätte die Sicherheit des Straßenverkehrs auch aufrechterhalten. Zu bedenken sei auch, dass der Vorfall bei Erlass des Ausgangsbescheids bereits mehr als 10 Monate zurück gelegen habe. Beigefügt waren unter anderem ein Befundbericht vom … März 2016 sowie ein nicht datierter, unter dem … April 2016 übersandter Bericht, dass die Untersuchung der am … März 2016 entnommenen bzw. der am … April 2016 übersandten Blutprobe jeweils einen THC-Wert von <1.0 µg/l ergeben habe.

Mit Schriftsatz vom 5. Juli 2016 legte der Antragsgegner die Akten vor und beantragte, den Antrag abzulehnen.

Mit Schriftsatz vom … August 2016 legte der Bevollmächtigte des Antragstellers einen weiteren negativen Befundbericht vom … Juni 2016 sowie ein Ausbildungszeugnis für den Antragstellers vor, aus dem hervorgeht, dass dieser nach Abschluss seiner Ausbildung von seinem Arbeitgeber übernommen wird. Eine negative Prognose bezüglich der Fahreignung sei daher nicht gerechtfertigt.

Mit Beschluss vom 14. September 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakten sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

II.

Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet und daher ohne Erfolg.

Der uneingeschränkt gestellte Antrag ist gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage – nicht seines vor Klageerhebung bereits zurückgewiesenen Widerspruchs – gegen die in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids vom 12. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2016 enthaltene Entziehung seiner Fahrerlaubnis aller Klassen begehrt. Des Weiteren ist der Antrag dahingehend auszulegen, dass er außerdem die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage hinsichtlich der in Nr. 2 des Bescheids enthaltenen, fristmäßig konkretisierten, Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins (§ 47 Abs. 1 Satz 1 Fahrerlaubnisverordnung – FeV; BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – juris) und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der in Nr. 3 enthaltenen Zwangsgeldandrohung (welche gemäß Art. 21 a des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes –VwZVG – bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist; § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) begehrt.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist allerdings hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids bereits unzulässig. Denn der Antragsteller hat seinen Führerschein schon vor Klageerhebung abgegeben. Damit ist die Verpflichtung aus Nr. 2 des Bescheids erfüllt. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Antragsgegner das in Nr. 3 des Bescheids angedrohte Zwangsgeld entgegen der Vorschrift des Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG gleichwohl noch beitreiben wird. Die zunächst beantragte Sollstellung des Zwangsgelds hat der Antragsgegner vielmehr abgesetzt. Daher fehlt es dem Antragsteller für einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der Nr. 3 des Bescheids am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis (BayVGH, B.v. 12.2.2014 – 11 CS 13.2281 – juris).

Nicht erledigt hingegen hat sich durch die Abgabe des Führerscheins die Verpflichtung in Nr. 2 des Bescheids, denn sie stellt den Rechtsgrund für das vorläufige behalten dürfen dieses Dokuments für die Fahrerlaubnisbehörde dar (BayVGH, B.v. 12.2.2014 – 11 CS 13.2281 – juris).

Im Übrigen ist der Antrag zulässig, aber unbegründet.

1. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 4 des Bescheids vom 12. Februar 2016 genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.

Nach dieser Vorschrift ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes angeordnet hat. An den Inhalt der Begründung sind dabei allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in: Eyermann, VwGO – Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43).

Dem genügt die ersichtlich auf den vorliegenden Einzelfall abstellende Begründung auf den Seiten 6 und 7 im Bescheid. Die Fahrerlaubnisbehörde hat dargelegt, warum sie konkret im Fall des Antragstellers im Interesse der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs die sofortige Vollziehung anordnet. Im Übrigen ergibt sich das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung im Bereich des Sicherheitsrechts regelmäßig – so auch hier – gerade aus den Gesichtspunkten, die für den Erlass des Verwaltungsakts selbst maßgebend waren.

2. Hinsichtlich der in Nr. 4 des Bescheids vom 12. Februar 2016 angeordneten sofortigen Vollziehung war die aufschiebende Wirkung der Klage vom … Juni 2016 bzgl. der Nrn. 1 und 2 nicht wiederherzustellen. Gleiches gilt hinsichtlich einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu den Nrn. 5 und 6 des Bescheids.

2.1 Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt zum einen, wenn die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet hat. Die aufschiebende Wirkung entfällt aber auch dann, wenn dies gesetzlich angeordnet ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO).

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessensabwägung.

2.2 Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war der Antrag abzulehnen, weil sich die in Nr. 1 des Bescheids vom 12. Februar 2016 enthaltene Entziehung der Fahrerlaubnis aller Klassen des Antragstellers nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als rechtmäßig darstellt und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, so dass die hiergegen erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Dabei ist zunächst anzumerken, dass maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage derjenige der Zustellung der letzten Behördenentscheidung, hier also des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2016 an den Bevollmächtigten des Antragstellers am … Mai 2016 ist (BayVGH, B.v. 4.12.2012 – 11 ZB 12.2667 – juris – unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 25.2.2010, NJW 2010,1828).

Mit dieser Maßgabe nimmt die erkennende Kammer zunächst vollumfänglich Bezug auf die ausführlichen Gründe des Bescheids vom 12. Februar 2016 sowie des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2016 und macht sich diese zur Begründung der vorliegenden Entscheidung zu Eigen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Die Fahrerlaubnisbehörde hat ebenso wie die Widerspruchsbehörde sowohl die den Bescheid tragenden Rechtsgrundlagen zutreffend angegeben als auch im Ergebnis richtig festgestellt, dass dem Antragsteller die Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – und § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV – mangels Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu entziehen war, weil eine gelegentliche Einnahme von Cannabis bei ihm ebenso feststand wie das fehlende Trennungsvermögen zwischen Konsum und Fahren am … Juni 2015, Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV, § 11 Abs. 7 FeV.

2.3 Das Vorbringen des Antragstellers führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.

2.3.1 Die Fahrerlaubnisbehörde konnte aus den eigenen Angaben des Antragstellers gegenüber der Polizei ohne weiteres eine „gelegentliche“ Einnahme von Cannabis herleiten.

Mag der Antragsteller in dem Formblatt „Betroffenenanhörung“ am … Juni 2015 auch angegeben haben, sich nicht zur Sache äußern zu wollen, so unterliegen seine Angaben gegenüber der Polizei, wie sie in dem von ihn unterschriebenen „Protokoll“ vom … Juni 2015 dokumentiert sind, keinerlei Verwertungsverbot für das Verwaltungsverfahren der Fahrerlaubnisbehörde in Vollzug des Fahrerlaubnisrechts als speziellen präventiven Sicherheitsrecht (VG München, B.v. 1.7.2016 – M 6 S 16.2624). Vielmehr unterliegen die Angaben gegenüber der Polizei der freien Beweiswürdigung durch das Gericht (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

An der inhaltlichen Richtigkeit bestehen zur Überzeugung der erkennenden Kammer keine Zweifel, weil die Angaben zur Frage einer Drogeneinnahme in den letzten 24 Stunden vor dem Vorfall mit „…06.15 c… Uhr, 2 Joints zusammen mit Freunden“ so präzise und – trotz aller Kürze – detailreich sind, dass die Angaben vom Antragsteller stammen müssen. Hierfür spricht auch, dass der Antragsteller die – inhaltlich mit denjenigen im „Polizeilichen Bericht“ vom … Juni 2015 übereinstimmenden – Angaben durch seine Unterschrift unter das Protokoll bestätigt hat. Angesichts der detaillierten Angaben des Antragstellers zum Zeitpunkt und Umfang des Konsums ist der sinngemäße Vortrag dessen Bevollmächtigten, der THC-Wert sei mit a… ng/ml zum Tatzeitpunkt bzw. Zeitpunkt der Blutentnahme deshalb noch so hoch gewesen, weil sich der Antragsteller bezüglich des Zeitpunkts des Konsums getäuscht und dieser eben doch erst später stattgefunden habe, nicht ausreichend, um den Beweiswert der eigenen Aussagen des Antragstellers sowie der polizeilichen Feststellungen zu erschüttern. Nimmt ein Kraftfahrzeugführer unter der Einwirkung von Cannabis am Straßenverkehr teil, ist zur Verneinung seiner Fahreignung eine weitere Aufklärung durch Ermittlung der Häufigkeit des Konsums nur dann geboten, wenn er ausdrücklich behauptet und substantiiert darlegt, er habe erstmals Cannabis eingenommen und sei somit weder ein gelegentlicher noch ein regelmäßiger Konsument (VG Bayreuth, B.v. 10.7.2012 – 1 S 12.453 – juris – unter Hinweis auf BayVGH, B.v. 26.9.2011 – 11 CS 11.1427- juris). An derartigen substantiierten Darlegungen fehlt es hier.

2.3.2 Soweit bestritten wird, dass der Antragsteller zwischen Konsum und Fahren nicht habe trennen können, ist dies nicht zielführend. Fehlendes Trennvermögen und damit eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs setzt bereits ab einem im Blutserum festgestellten THC-Wert von 1,0 ng/ml ein (BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – juris). Indem der Antragsteller am … Juni 2016 mit einer THC-Konzentration von a… ng/ml mit einem Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hat, hat er belegt, dass er den Konsum von Cannabis und das Fahren nicht trennt. Ob es zu der Fahrt, wie behauptet, lediglich aus Unerfahrenheit mit dem Konsum von Cannabis bzw. „versehentlich“ wegen Fehleinschätzung der Abbaugeschwindigkeit von Cannabis gekommen ist, spielt keine Rolle. Auf ein Verschulden kommt es insoweit nicht an.

2.3.3 Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers vorbringt, dass zu berücksichtigen sei, dass zwischen dem Vorfall am … Juni 2015 und der Entziehung der Fahrerlaubnis bereits 10 Monate vergangen seien, ist dies unbehilflich. Die Rechtsprechung des BayVGH zur sog. verfahrensrechtlichen Einjahresfrist (grundlegend B.v. 9.5.2005 – 11 CS 04.2526 – juris) ist hier nicht einschlägig. Die Wiedererlangung der Fahreignung kommt grundsätzlich frühestens nach einjähriger Betäubungsmittelabstinenz bzw. – bei Cannabisgebrauch – nach einjährigem Übergang zu einem straßenverkehrsrechtlich zulässigen Konsumverhalten in Betracht (vgl. Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV). Anhaltspunkte für einen atypischen Fall im Sinn der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die bevorstehende Übernahme des Antragstellers in ein Arbeitsverhältnis nach erfolgreichem Abschluss seiner Ausbildung genügt insoweit nicht. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier am … Mai 2016, konnte der Antragsteller die Fahreignung daher – auch bei Außerachtlassung des erst später bekannt gewordenen erneuten Cannabiskonsums am … Januar 2016 – mangels Ablauf eines Jahres seit dem letzten (seinerzeit bekannten) Cannabiskonsum am … Juni 2015 noch nicht wiedererlangt haben. Die vorgelegten Laborbefunde sind daher im vorliegenden Entziehungsverfahren rechtlich nicht relevant, sondern können allenfalls im Verfahren zur Neuerteilung der Fahrerlaubnis von Bedeutung sein. Nur vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass aus den vorgelegten Befunden nicht hervorgeht, ob die Anforderungen an verwertbare Drogenscreenings eingehalten worden sind (insbesondere kurzfristige Einbestellung ohne Vorwarnung und kontrollierte Abgabe).

2.3.4 Die Entziehung der Fahrerlaubnis aller Klassen war auch nicht unverhältnismäßig. Die bloße Anordnung von Auflagen kommt nur bei noch bedingter Fahreignung, nicht aber in Fällen in Betracht, in denen – wie hier – die Fahrungeeignetheit feststeht (§ 46 Abs. 2 FeV).

2.3.5 Daher müssen die persönlichen Interessen des Antragstellers hinter den Interessen der Allgemeinheit – hier insbesondere an der Sicherheit des Straßenverkehrs – zurücktreten. Dies gilt umso mehr, als inzwischen bekannt geworden ist, dass der Antragsteller am … Januar 2016 erneut unter dem Einfluss von Cannabis (b… ng/ml THC) am Straßenverkehr teilgenommen hat und damit – unabhängig von den Angaben des Antragstellers gegenüber der Polizei – belegt ist, dass er in zumindest zwei selbständigen Konsumvorgängen Cannabis konsumiert hat, die auch den vom BVerwG (U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – juris) geforderten gewissen zeitlichen Zusammenhang aufweisen.

2.4 Da somit die sofortige Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis der summarischen gerichtlichen Überprüfung standhält, verbleibt es auch bei der in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltenen Verpflichtung, den Führerschein abzuliefern. Diese – im Bescheid hinsichtlich der Frist konkretisierte – Verpflichtung ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV.

2.5 Rechtliche Bedenken gegen die in den Nrn. 5 und 6 des Bescheids enthaltenen Festsetzungen zu den Kosten des Verwaltungsverfahrens wurden weder vorgetragen, noch sind solche sonst ersichtlich.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i.V.m. den Empfehlungen in den Nrn. 1.5 sowie 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Anh. § 164 Rn. 14).

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