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Fahrerlaubnisentziehung bei unwillentlicher Drogeneinnahme

Verwaltungsgericht Saarland – Az.: 5 L 2027/18 – Beschluss vom 12.12.2018

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Die … Antragstellerin wendet sich gegen die Verfügung der Antragsgegnerin, mit der ihr unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis (der Klasse B) entzogen und das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge untersagt wurde.

I.

Am 02.07.2018 wurde um 00:05 Uhr der Pkw Peugeot mit dem amtlichen Kennzeichen … auf der BAB A1 auf dem Park- und Rastplatz der Tank- und Raststätte E…-… einer verdachtsunabhängigen Verkehrskontrolle unterzogen. In dem Pkw befanden sich außer der Antragstellerin als Fahrerin drei weitere Mitfahrer. Auf Nachfrage erklärte die Antragstellerin, dass alle vier zusammen über das Wochenende bei der Pokemon-Go Safari in Dortmund gewesen seien. Mit Ausnahme eines Bieres am Vortag habe keiner alkoholische Getränke oder berauschende Mittel konsumiert. Bei einem Test wurden bei der Antragstellerin folgende Auffallerscheinungen festgestellt: stark erweiterte Pupillen, Lidflattern, wässrige, gerötete Bindehäute, verlangsamte Pupillenreaktion bei Lichteinfall mit Reboundeffekt, provozierbarer Blickrichtungsnystagmus, zeitlich mangelnde Orientierung (Abschätzen von 30 Sekunden wurde nach 14,8 Sekunden beendet), Einbeinstehprobe nicht möglich ohne Heben der Arme bzw. Festhalten am Pkw. Der freiwillig durchgeführte Drogenschnelltest verlief positiv auf Amphetamin. Auf die Konfrontation mit diesem Ergebnis erklärte die Antragstellerin, sie habe keine Drogen konsumiert und zuletzt vor etwa 3 Wochen dreimal an einem Joint gezogen. In der hinteren Sitztasche des Pkws wurde eine Metalldose aufgefunden, in der sich ein Gripptütchen mit 0,3 g netto Amphetamin befand. Der Mitfahrer hinter dieser Sitztasche erklärte, dass ihm weder die Dose noch das Amphetamin gehörten. Ein Drugwipe Wischtest bei diesem Mitfahrer reagierte positiv auf Amphetamin. Die der Antragstellerin um 01:20 Uhr entnommene Blutprobe ergab aufgrund einer toxikologischen Untersuchung durch das Institut für Rechtsmedizin der Universität Mainz eine Konzentration von 32 ng/ml Amphetamin.

Daraufhin hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Schreiben vom 24.10. 2018 zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an. Am 30.10.2018 erschien die Antragstellerin unaufgefordert bei der Antragsgegnerin und erklärte, sie sei auf einem Event gewesen und habe etwas getrunken. Sie sei kurz auf die Toilette gegangen, da sei etwas in ihrem Getränk gewesen. Sie nehme das Zeug nicht und brauche ihren Führerschein wegen ihres herzkranken Vaters, der auch einen Defibrillator habe, und wegen ihrer Tochter.

Mit Bescheid vom 12.11.2018 entzog die Antragsgegnerin der Antragstellerin unter Anordnung des Sofortvollzuges die Fahrerlaubnis und forderte sie auf, ihren Führerschein innerhalb einer Woche nach Zustellung der Verfügung abzugeben. Außerdem untersagte sie ihr das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen. Zur Begründung ist in dem Bescheid ausgeführt, da die Antragstellerin am 02.07.2018 mit Amphetamin im Blut (32 ng/ml) am Straßenverkehr teilgenommen habe, sei ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu verneinen. Der von ihr behauptete Fall einer unbewussten bzw. missbräuchlichen Verabreichung durch Dritte stelle sich als Ausnahmezustand dar, zu dem in der Regel nur der Betroffene als der am Geschehen Beteiligte Klärendes beisteuern könne und der daher von diesem jedenfalls glaubhaft und widerspruchsfrei dargetan werden müsse. Angesichts der von einem Drogenkonsum im Straßenverkehr für die übrigen Verkehrsteilnehmer ausgehenden erheblichen Gefahren seien dabei an die Plausibilität der Einlassungen erhöhte Anforderungen zu stellen. Die Glaubhaftmachung eines unbewussten, zufälligen oder durch Dritte manipulierten Konsums harter Drogen setze detaillierte, in sich schlüssige Darlegungen voraus, die einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen ließen. Es sei nämlich nach der Lebenserfahrung nicht wahrscheinlich, dass Dritte einer Person Betäubungsmittel verabreichten, sofern nicht ein nachvollziehbares Motiv für eine solche Handlungsweise aufgezeigt werde. Die Behauptung einer unbewussten Drogeneinnahme sei daher nur glaubhaft, wenn überzeugend dargelegt werden könne, dass dem Auffinden von Betäubungsmitteln im Körper des Betroffenen ein Kontakt mit Personen vorangegangen sei, die zumindest möglicherweise einen Beweggrund gehabt haben könnten, diesem heimlich Drogen beizubringen und es ferner naheliege, dass von dem Betroffenen selbst die Aufnahme des Betäubungsmittels unbemerkt bleibe.1 Diesen Anforderungen werde das Vorbringen der Antragstellerin nicht gerecht. Das Vorbringen, sie sei wegen ihres Vaters und ihrer Tochter auf die Fahrerlaubnis angewiesen, könne keine Berücksichtigung finden, weil es sich beim Entzug der Fahrerlaubnis um eine gebundene Entscheidung handele, bei der kein Ermessensspielraum bestehe. Ihr Vorbringen bei der persönlichen Vorsprache am 06.11.2018, sie konsumiere keine Betäubungsmittel, weil ein Bekannter vor einigen Jahren aufgrund Betäubungsmittelkonsums tödlich verunglückt sei, reiche nicht aus um glaubhaft darzulegen, dass jemand anderes einen Beweggrund hätte haben können, ihr Betäubungsmittel ins Getränk zu mischen.

Außerdem sei die sofortige Vollziehung dieser Verfügung anzuordnen, weil die durch die Nichteignung eines Fahrzeugführers begründeten Gefahren für die Allgemeinheit dies notwendig machten. Die aufschiebende Wirkung eines eventuell eingelegten Rechtsbehelfs hätte zur Folge, dass die durch die Nichteignung eines Fahrzeugführers begründeten Gefahren für die Allgemeinheit bis zum Erlass einer rechtskräftigen Entscheidung weiterhin bestünden. Damit würden bis zum Erlass einer rechtskräftigen Entscheidung weiterhin Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet. Es überwiege hier das durch Sorge um Leben, Gesundheit und Vermögen anderer Verkehrsteilnehmer begründete ganz herausragende Interesse der Allgemeinheit, ungeeignete Fahrzeugführer vom Verkehr fernzuhalten, gegenüber dem sonst regelmäßig anzuerkennenden Bedürfnis des Einzelnen, bis zur Rechtskraft der Entziehungsverfügung von Entziehungsmaßnahmen verschont zu bleiben. Daher sei es dringend erforderlich, Fahrzeugführer, die wegen ihres Betäubungsmittelkonsums nicht mehr in der Lage seien, ein Kraftfahrzeug sicher zu führen, so schnell als möglich aus dem öffentlichen Straßenverkehr zu entfernen.

Am 22.11.2018 erschien die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin, erkundigte sich zum grundsätzlichen Verfahrensablauf und erklärte erneut, dass sie die Drogen nicht bewusst genommen, sondern ins Getränk gemischt bekommen habe.

Am 27.11.2018 hat sie bei Gericht beantragt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs wiederherzustellen. Zur Begründung führt sie aus, der Entzug ihrer Fahrerlaubnis sei unrechtmäßig. Sie habe bereits bei ihrer persönlichen Vorsprache am 06.11.2018 der Antragsgegnerin erklärt, dass ihr die Amphetamine offensichtlich widerrechtlich in ihr Getränk getan worden seien, ohne dass sie das gewusst habe. Sie sei am 02.07.2018 mit dem Drogentest einverstanden und von dem Ergebnis, das sie anzweifele, sehr überrascht gewesen. Sie sei bereit, einen neuen Test vornehmen zu lassen. Dieser könne nachweisen, dass sie keine Betäubungsmittel konsumiere. Der Sofortvollzug des Bescheides sei aufzuheben, weil sie den Führerschein benötige, um zu ihrer Arbeitsstelle zu fahren. Diese könne sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erreichen.

Die Antragstellerin beantragt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 12.11.2018 wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Sie führt aus, dass der – wenn auch nicht ausdrücklich erhobene – Widerspruch der Antragstellerin – diese habe bei ihrer Vorsprache am 22.11.2018 geltend gemacht, dass sie mit dem Bescheid nicht einverstanden sei – keine Aussicht auf Erfolg habe, da die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Untersagung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge rechtmäßig seien. Die Antragstellerin sei als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. Die Fahreignung sei aufgrund des Konsums von Amphetamin zu verneinen (Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV). Nach dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Mainz sei der sichere Nachweis von 32 ng/ml Amphetamin im Blutserum der Antragstellerin geführt worden. Es lägen auch keine Besonderheiten in der Person der Antragstellerin vor, die darauf schließen ließen, dass ihre Fähigkeit, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr sicher, umsichtig und verkehrsgerecht zu führen, sowie ihr Vermögen, zwischen Konsum von Betäubungsmitteln und der Teilnahme am Straßenverkehr zuverlässig zu trennen, nicht erheblich herabgesetzt seien. Soweit die Antragstellerin vortrage, sie habe das Amphetamin nicht willentlich zu sich genommen, sei das nicht zu glauben. Nach der Rechtsprechung setze die Glaubhaftmachung eines unbewussten, zufälligen oder durch Dritte manipulierten Konsums harter Drogen eine detaillierte, in sich schlüssige Darlegung voraus, die einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen ließe. Es sei nämlich nach der Lebenserfahrung nicht wahrscheinlich, dass Dritte einer Person Betäubungsmittel verabreichten, sofern nicht ein nachvollziehbares Motiv für eine solche Handlungsweise aufgezeigt werde. Die Behauptung einer unbewussten Drogeneinnahme sei daher nur glaubhaft, wenn überzeugend dargelegt werden könne, dass dem Auffinden von Betäubungsmitteln im Körper des betroffenen Fahrerlaubnisinhabers ein Kontakt mit Personen vorangegangen sei, die zumindest möglicherweise einen Beweggrund gehabt haben könnten, diesem heimlich Drogen beizubringen und es ferner naheliege, dass von dem Betroffenen selbst die Aufnahme des Betäubungsmittels unbemerkt bleibe.2 Die Angaben der Antragstellerin genügten diesen Anforderungen nicht. Sie habe bei ihrer Vorsprache am 30.10.2018 allein angegeben, bei einem Event kurz zur Toilette gegangen zu sein, dann sei etwas in ihrem Getränk gewesen. Außerdem habe sie gesagt, dass sie „das Zeug nicht nehme“, da sie ihren Führerschein brauche. Sie sei sodann darauf hingewiesen worden, dass diese Angaben nicht ausreichten, um die unbewusste Einnahme glaubhaft zu machen. Weder während der ihr nochmals eingeräumten Stellungnahmefrist bis zum 09.11.2018 noch bei ihrer Vorsprache am 22.11.2018 noch bei der Antragstellung bei Gericht habe sie nähere Angaben gemacht und allein behauptet, Amphetamin nicht bewusst eingenommen zu haben. Damit habe sie die Einschätzung nicht entkräften können, dass es sich um eine reine Schutzbehauptung handele.

Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei rechtmäßig. § 3 Abs. 1 StVG gehöre zu den Vorschriften, bei denen zur Abwehr von Gefahren für typische Gemeinschaftsgüter, nämlich die Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs, das besondere öffentliche Vollzugsinteresse nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im Regelfall mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsaktes zusammenfalle und sich die Behörde bei der Abwägung zwischen den Beteiligteninteressen im Wesentlichen auf die Prüfung beschränken könne, ob nicht ausnahmsweise in Ansehung der besonderen Umstände des Falles die sofortige Vollziehung weniger dringlich als im Normalfall sei.

II.

Der Antrag, mit dem die Antragstellerin die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres fristgerecht eingelegten Widerspruchs gegen die kraft behördlicher Anordnung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO sofort vollziehbare Entziehung ihrer Fahrerlaubnis, die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge und die Aufforderung zur Abgabe ihres Führerscheins begehrt, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Die vom Gericht zu treffende Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO richtet sich danach, ob ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Verfügung schriftlich hinreichend begründet wurde (§ 80 Abs. 3 VwGO) und ob es gegenüber dem Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs schwerer wiegt (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Im Rahmen der Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Widerspruchs zu berücksichtigen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf nach dem derzeitigen Erkenntnisstand offensichtlich aussichtslos ist; umgekehrt überwiegt bei einer offensichtlichen Erfolgsaussicht des Widerspruchs das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin.3

Zunächst hat die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung in einer den formalen Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise mit der Gefahr, die mit der Teilnahme ungeeigneter Kraftfahrer am Straßenverkehr für die Allgemeinheit verbunden ist, und der angesichts dieser Gefahr bestehenden Notwendigkeit eines schnellen Eingreifens begründet. Diese auf die typische Interessenlage abstellende Begründung ist zulässig und ausreichend, weil es um die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des öffentlichen Straßenverkehrs geht und in Fällen der vorliegenden Art sich das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gerade aus den Gesichtspunkten ergibt, die für den Erlass des Verwaltungsakts selbst maßgebend sind.4

Damit erfüllt die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs die formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Bei Vorliegen einer den formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entsprechenden Begründung der Vollzugsanordnung hat das Gericht keine inhaltliche, gegebenenfalls am Maßstab von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO oder § 114 VwGO ausgerichtete Rechtmäßigkeitsprüfung der Vollzugsanordnung, sondern allein eine an dem Ergebnis einer summarischen Vorausbeurteilung der Hauptsache ausgerichtete eigene Interessenabwägung vorzunehmen.

Weiter ist davon auszugehen, dass der Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 12.11.2018 nach derzeitigem Erkenntnisstand keine Aussicht auf Erfolg hat, da der Entzug der Fahrerlaubnis offensichtlich rechtmäßig erscheint.

Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis der Antragstellerin sind die §§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dies gilt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Gemäß Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV ist im Fall der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) davon auszugehen, dass im Regelfall die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr besteht. Im Hinblick darauf rechtfertigt nach der gefestigten Rechtsprechung der saarländischen Verwaltungsgerichte bereits der einmalige Konsum sog. harter Drogen, zu denen auch Amphetamin gehört, grundsätzlich die Annahme der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen.5

Der Verordnungsgeber stellt in Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV im Hinblick auf harte Drogen – anders als bei Cannabis – allein auf die Einnahme als solche und nicht auf deren Häufigkeit ab. Die hierin zum Ausdruck kommende Strenge ist in der Aufnahme des jeweiligen Betäubungsmittels im Katalog des Betäubungsmittelgesetzes bzw. der besonderen Gefährlichkeit der Einnahme dieser Droge begründet. Es ist nämlich jederzeit möglich, dass ein Konsument von Amphetaminen im Zustand drogenbedingt reduzierter Steuerungsfähigkeit am Straßenverkehr teilnimmt.

Amphetamin ist eine psychostimulierende Substanz, die euphorisierend und aufputschend wirkt. Sie ermöglicht Zugriff auf geschützte Leistungsreserven des Körpers, welche eigentlich dem Notfall vorbehalten sind. Bezüglich der Fahrtüchtigkeit sind Urteils- und Kritikfähigkeitsstörungen mit erhöhtem Selbstwertgefühl, Fehleinschätzung von Situationen, gegebenenfalls auch Verwirrtheitszustände zu beobachten. Nach der zunächst psychostimulierenden Wirkung treten eine Erschöpfungsphase mit Leistungsknick sowie Störungen der Wahrnehmung und der zentralen Verarbeitung auf, ferner sind auch Verlängerungen der Reaktionszeit möglich. Diese Ausfallerscheinungen sind nach Einnahme der Substanz durch den Konsumenten in keiner Weise steuerbar.

Der damit einhergehenden Straßenverkehrsgefährdung kann wirksam nur durch die Entziehung der Fahrerlaubnis begegnet werden. Dabei wird dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch Genüge getan, dass die Bewertung der fehlenden Fahreignung bei Einnahme von Betäubungsmitteln nach dem Betäubungsmittelgesetz (ausgenommen Cannabis) nach der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV nur für den Regelfall gilt. Mithin ist auch bei einem einmaligen oder nur gelegentlichen Konsum einer Droge, wie Amphetamin, auf der Grundlage der §§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, 46 Abs. 1 FeV i.V.m. Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV die Fahrerlaubnis in der Regel zu entziehen. Des Nachweises einer Drogenabhängigkeit, eines regelmäßigen oder auch nur gelegentlichen Konsums bedarf es nicht. Ebenso wenig hängt der im Regelfall gerechtfertigte Schluss auf die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen davon ab, dass der Drogenkonsument im berauschten Zustand am Straßenverkehr teilgenommen hat oder konkrete Ausfallerscheinungen im Sinne von Fahruntüchtigkeit bei diesem zu verzeichnen waren.6

Dies zugrunde legend bestehen vorliegend keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass die Antragsgegnerin aufgrund des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Mainz vom 08.08.2018 davon ausgegangen ist, dass die Antragstellerin Amphetamin konsumiert hat und sie deshalb im Rechtssinne zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist.

Allerdings ist in der Rechtsprechung weitgehend geklärt, dass eine im Regelfall eignungsausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln nur bei einem willentlichen Konsum angenommen werden kann.7

Vorliegend kann letztlich offen bleiben, ob die bei der Antragstellerin festgestellte Einnahme von Amphetamin – wie von ihr behauptet – unabsichtlich erfolgt ist oder ob es sich dabei um eine Schutzbehauptung handelt. Denn die Interessen der Antragstellerin müssen selbst dann zurücktreten, wenn im vorliegenden gerichtlichen Verfahren Zweifel an der bewussten Einnahme von Amphetamin bestünden. Insoweit müsste im Rahmen der Interessenabwägung dem allgemeinen Interesse an der Verkehrssicherheit, dem grundsätzlich ein ganz erhebliches Gewicht zukommt, der Vorrang eingeräumt werden. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtsbarkeit des Saarlandes, dass die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs den individuellen Belangen des Einzelnen in der Regel vorgeht.8

Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist jedenfalls dann rechtmäßig, wenn die Antragstellerin das Amphetamin bewusst zu sich genommen hat. Insoweit steht nach der Untersuchung durch das Institut für Rechtsmedizin der Universität Mainz vom 08.08.2018, das das vorläufige Ergebnis des Drogenschnelltests bestätigt, fest, dass die Antragstellerin Amphetamin konsumiert hat. Streitig ist insoweit allein, ob dies unbewusst oder absichtlich geschehen ist.

Nach der allgemeinen Lebenserfahrung geht einem positiven Drogennachweis typischerweise ein entsprechender Willensakt voraus. Der von der Antragstellerin behauptete Fall eines unwissentlichen und unwillentlichen Konsums von Rauschmitteln stellt sich dagegen als ein Ausnahmetatbestand dar, zu dem nur der Betroffene als der am Geschehen Beteiligte Klärendes beisteuern kann und der daher von diesem jedenfalls glaubhaft und widerspruchsfrei dargetan werden muss. Erst nach einer solchen Schilderung kann sich die Frage ergeben, zu wessen Nachteil eine gleichwohl verbleibende Ungewissheit über den genauen Hergang der Ereignisse ausschlägt.9

Ein solcher Sonderfall wird von der Antragstellerin vorliegend geltend gemacht. Allerdings hat die Antragstellerin keine – auch für das Gericht – ernsthaft nachvollziehbaren Umstände vorgetragen, dass sie unabsichtlich Amphetamin zu sich genommen hat. Dabei ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin über das Wochenende bei der Pokemon-Go Safari in Dortmund war und in der Nacht von Sonntag auf Montag ins Saarland zurückgefahren ist. Angesichts der anfangs aufputschenden Wirkung von Amphetamin, die die Müdigkeit zurücktreten lässt, und der gut vierstündigen Rückfahrt einerseits und dem Fehlen jeglicher Anhaltspunkte, wer ein Interesse am Drogenrausch der Antragstellerin hätte haben können, spricht wenig für ihr Vorbringen, jemand müsse ihr das Amphetamin ins Getränk gemischt haben. Denn ohne einen bestimmten Grund würde man kaum jemandem ein Betäubungsmittel in sein Getränk mischen. Gegen versehentlichen Konsum des Amphetamins spricht zudem, dass sich die Antragstellerin trotz einer Konzentration von 32 ng/ml Amphetamin offenbar fahrtauglich gefühlt hat. Dies erscheint jedoch bei einer angeblich drogenabstinenten Fahrerin wenig plausibel.

Immerhin wurden bei der Polizeikontrolle als Auffallerscheinungen stark erweiterte Pupillen, Lidflattern, wässrige, gerötete Bindehäute, eine verlangsamte Pupillenreaktion bei Lichteinfall mit Reboundeffekt, ein provozierbarer Blickrichtungsnystagmus, eine zeitlich mangelnde Orientierung (Abschätzen von 30 Sekunden wurde nach 14,8 Sekunden beendet) und weiterhin festgestellt, dass eine Einbeinstehprobe nicht ohne Heben der Arme bzw. Festhalten am Pkw möglich war.

Diese Auffallerscheinungen legen nicht den Schluss nahe, dass sich die Antragstellerin des Konsums von Amphetamin nicht bewusst war. Daher hält es die Kammer für angezeigt, dass die Antragstellerin im Rahmen des Widerspruchsverfahrens einen Nachweis – z.B. durch eine Haarprobe – darüber führt, dass es tatsächlich ein einmaliger versehentlicher Konsum von Amphetamin gewesen war und sie ansonsten drogenfrei ist.

Sollte dieser Nachweis gelingen, so ist von der Erfolgsaussicht ihres Rechtsbehelfes auszugehen und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wäre dann wiederherzustellen. Derzeit besteht jedoch im Hinblick auf den nachgewiesenen Konsum von Amphetamin und unter Berücksichtigung der Erforderlichkeit des Schutzes anderer Verkehrsteilnehmer vor Fahrern, die harte Drogen konsumieren, hierfür kein Anlass.

Für ein Abweichen von der Regelvermutung nach Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV besteht im konkreten Fall auch ansonsten kein Anlass.

Ausnahmen von der Regelvermutung nach Ziffer 9.1 der Anlage 4 FeV sind dann anzuerkennen, wenn in der Person des Drogenkonsumenten Besonderheiten bestehen, die darauf schließen lassen, dass seine Fähigkeit, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr sicher, umsichtig und verkehrsgerecht zu führen, sowie sein Vermögen, zwischen dem Konsum von Betäubungsmitteln und der Teilnahme am Straßenverkehr zuverlässig zu trennen, nicht erheblich herabgesetzt sind.10

Solche besonderen Umstände hat die Antragstellerin nicht dargelegt.

Die Regelung des § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV sieht die Entziehung der Fahrerlaubnis bei Vorliegen der Voraussetzungen zwingend vor. Raum für Ermessens- bzw. Billigkeitserwägungen besteht nicht.11

Ohne Erfolg verweist die Antragstellerin auch darauf, dass sie beruflich und wegen ihres herzkranken Vaters und ihrer Tochter auf die Fahrerlaubnis angewiesen sei.

Selbst eine Gefährdung der beruflichen Existenz ist im Rahmen einer Fahrerlaubnisentziehung grundsätzlich ohne rechtliche Bedeutung, da die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs den wirtschaftlichen und beruflichen Interessen des Einzelnen vorgeht. Dass die Antragstellerin beruflich auf ihre Fahrerlaubnis angewiesen ist, kann sie somit vor einer Entziehung nicht schützen. Im Interesse der Gefahrenabwehr hat die Antragstellerin vielmehr auch die absehbaren Nachteile in Kauf zu nehmen, die ihr insoweit in beruflicher Hinsicht entstehen.12

Auch die auf § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV gestützte Anordnung der Ablieferung des Führerscheins ist rechtmäßig. Die Voraussetzungen dieser Regelungen liegen ersichtlich vor, nachdem die Entziehung der Fahrerlaubnis für sofort vollziehbar erklärt wurde und es nach den vorstehenden Ausführungen beim Sofortvollzug verbleiben muss.

Im Hinblick auf die Ungeeignetheit der Antragstellerin zum Führen von Kraftfahrzeugen war die Antragsgegnerin auch gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV berechtigt, ihr das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen zu untersagen.

Folglich ist der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Danach ist für den Entzug der Fahrerlaubnis B der Auffangwert von 5.000,– € anzusetzen. Dieser Wert ist in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes mit der Hälfte festzusetzen.

 

Fußnoten

1)

VG des Saarlandes, Beschluss vom 02.05.2014 – 6 L 481/14 –

2)

VG des Saarlandes, Beschluss vom 02.05.2014 – 6 L 481/14 -, juris Rn. 14, 15 unter Hinweis auf das Urteil vom 18.09.2009 – 10 K 660/08 – sowie OVG des Saarlandes, Beschluss vom 09.07.2002 – 9 W 16/02 -; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 04.10.2011 – 1 M 19/11 -, OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25.01.2012 – 10 B 11430/11 -, Blutalkohol 49, 123, OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.03.2012 – 16 B 231/12 –

3)

Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 80 Rdnr. 158.

4)

Ständige Rechtsprechung, vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 07.05.2008 – 2 B 187/8 -; VG Saarlouis, Beschlüsse vom 28.07.2011 – 10 L 558/11 -, vom 20.01.2012 – 10 L 1872/11 -, m.w.N., vom 27.10.2014 – 6 L 961/14 – und vom 08.06.2015 – 5 L 555/15 -.

5)

Vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 26.06.2009 – 1 B 373/09 – und vom 29.05.2009 – 1 A 31/09 -; ferner Beschlüsse des Gerichts vom 04.08.2011 – 10 L 489/11 -, vom 02.05.2014 – 6 L 481/14 – und vom 06.11.2015 – 5 L 1432/15 -, jew. m.w.N..

6)

Vgl. dazu OVG des Saarlandes, u.a. Beschlüsse vom 26.06.2009 und vom 29.05.2009, a.a.O.; Urteil des Gerichts vom 16.11.2011 – 10 K 488/11 -; ebenso VGH München, Beschluss vom 23.04.2008 – 11 CS 07.2671 -, juris.

7)

vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.02.2007 – 1 M 219/06 -; Bayerischer VGH, Beschluss vom 31.05.2007 – 11 C 06.2695 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25.01.2012 – 10 B 11430/11 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.03.2012 – 16 B 231/12 -, jew. juris.

8)

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 05.11.2018 – 3 VR 1.18 -, Rn. 25, juris; OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 23.12.2015 –1 B 232/15 – und vom 28.09.2016 –1 B 273/16 –, jew. juris; VG des Saarlandes, Beschlüsse vom 05.07.2012 – 10 L 503/12 –, vom 12.07.2013 – 10 L 789/13 – und vom 06.11.2015 – 5 L 1432/15 –

9)

Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 18.02.2008 – 16 B 2113/07 – und vom 22.03.2012, a.a.O., juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25.01.2012, a.a.O.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 04.10.2011 – 1 M 19/11 -, NJW 2012, 548; Bayerischer VGH, Beschluss vom 10.12.2007 – 11 CS 07.2905 -, juris

10)

Vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 26.06.2009, a.a.O.; ferner VGH München, Beschluss vom 23.04.2009 – 11 CS 07.2671 -, a.a.O..

11)

Vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 20.02.2002 – 1 BvR 2062/96 -, NJW 2002, 2378; ferner OVG Mecklenburg/Vorpommern, Beschluss vom 21.02.2006 – 1 M 22/06 -, juris.

12)

Vgl. dazu VG Saarlouis, u.A. Beschlüsse vom 12.07.2013 – 10 L 782/13 -, vom 27.11.2015 – 5 L 1960/15 – und vom 18.01.2017 – 5 L 38/17 -, alle juris; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 21.12.2017 – 1 B 720/17 -, Blutalkohol 55, 166; BVerfG, Beschluss vom 20.02.2002 – 1 BvR 2062/96 -, NJW 2002, 2378; ferner OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 21.02.2006 – 1 M 22/06 -, juris

 

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