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Fahrerlaubnisentziehung bei paranoider Schizophrenie

Fahrerlaubnis entzogen: Paranoide Schizophrenie gilt als Ungeeignetheit

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat den Antrag einer Frau, die an paranoider Schizophrenie leidet, auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Entziehung ihrer Fahrerlaubnis abgelehnt. Die Entscheidung basiert auf der Beurteilung, dass die Frau aufgrund ihrer psychischen Erkrankung nicht fahrtauglich ist. Dies wurde durch Polizeiberichte und medizinische Gutachten bestätigt. Die Abwägung zwischen persönlichen Rechten der Antragstellerin und dem öffentlichen Interesse an Verkehrssicherheit fiel zugunsten letzterem aus.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 14 L 1081/23  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Ablehnung des Antrags: Die Frau hat keinen Erfolg mit ihrem Antrag gegen die Entziehung ihrer Fahrerlaubnis.
  2. Rechtsgrundlage: Die Entscheidung stützt sich auf § 3 Abs. 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV, wonach bei Ungeeignetheit zum Führen von Fahrzeugen die Fahrerlaubnis zu entziehen ist.
  3. Psychische Erkrankung: Die Frau leidet an paranoider Schizophrenie, was ihre Fahrtüchtigkeit in Frage stellt.
  4. Polizeiberichte und medizinische Gutachten: Diese bestätigen die Bedenken hinsichtlich ihrer Eignung zum Führen eines Fahrzeugs.
  5. Weigerung zur Begutachtung: Ihre Weigerung, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, wird als weiterer Grund für die Entziehung der Fahrerlaubnis gesehen.
  6. Öffentliches Interesse vs. Persönliche Rechte: Das öffentliche Interesse an Verkehrssicherheit überwiegt gegenüber den persönlichen Rechten der Antragstellerin.
  7. Datenschutzrechtliche Erwägungen: Trotz Bedenken im Datenschutzrecht, überwiegt das Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs.
  8. Kostenentscheidung und Streitwert: Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens, und der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Fahrerlaubnisentziehung aufgrund psychischer Erkrankungen

In der gegenwärtigen Rechtspraxis stellt die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund psychischer Erkrankungen ein relevantes und zugleich sensibles Thema dar. Im Fokus steht dabei die Frage, wie psychische Beeinträchtigungen, wie beispielsweise eine paranoide Schizophrenie, die Fahreignung eines Menschen beeinflussen und welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben. Diese Thematik berührt sowohl die individuellen Rechte der betroffenen Personen als auch das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit.

Zentrale Aspekte in solchen Fällen sind die Beurteilung der Fahrtüchtigkeit durch medizinisch-psychologische Gutachten und die rechtlichen Rahmenbedingungen, die eine Entziehung der Fahrerlaubnis regeln. Dabei spielen die Abwägung zwischen dem Schutz der Verkehrsteilnehmer und der informationellen Selbstbestimmung des Betroffenen sowie die Rolle der Fahrerlaubnisbehörden eine entscheidende Rolle. Im nachfolgenden Text wird ein spezifischer Fall beleuchtet, der die Komplexität und Tragweite dieser Entscheidungen verdeutlicht. Tauchen Sie ein in die Welt des Verkehrsrechts und erfahren Sie mehr über einen Fall, der die Schnittstelle zwischen psychischer Gesundheit und Fahrsicherheit untersucht.

Fahrerlaubnisentziehung bei psychischer Erkrankung: Der Fall im VG Düsseldorf

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf stand die Entziehung der Fahrerlaubnis einer Frau, die an paranoider Schizophrenie leidet, im Mittelpunkt. Die Klage der Antragstellerin gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners zielte darauf ab, ihre Fahrerlaubnis trotz ihrer psychischen Erkrankung beizubehalten. Dieser Antrag wurde jedoch vom Gericht abgelehnt. Der Kern des Falles liegt in der Abwägung zwischen dem individuellen Recht der Frau, ein Kraftfahrzeug zu führen, und dem öffentlichen Interesse an der Verkehrssicherheit.

Bewertung der Fahrtüchtigkeit bei paranoider Schizophrenie

Zentrale Bedeutung im Urteil hatte die Beurteilung der Fahrtüchtigkeit der Antragstellerin. Berichte von Polizeibeamten und medizinische Unterlagen deuteten darauf hin, dass die Frau an einer schweren psychischen Störung litt. Dies führte zu ernsthaften Zweifeln an ihrer Fahreignung, insbesondere da sie das Führen eines Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr fortsetzen wollte. Die Gerichtsentscheidung beruhte somit auf der Einschätzung, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer paranoiden Schizophrenie eine potenzielle Gefahr für sich selbst und andere Verkehrsteilnehmer darstellte.

Rechtliche Grundlagen und die Rolle der Fahrerlaubnisbehörde

Die Fahrerlaubnisbehörde spielte eine entscheidende Rolle in diesem Verfahren. Sie forderte ein fachärztliches Gutachten gemäß den Vorschriften der Fahrerlaubnis-Verordnung an. Die Weigerung der Antragstellerin, sich einer solchen Untersuchung zu unterziehen, führte dazu, dass die Behörde von ihrer Nichteignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs ausgehen durfte. Dieser Schritt war sowohl rechtlich zulässig als auch erforderlich, um die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten.

Datenschutzrechtliche Erwägungen und öffentliches Interesse

Das Gericht musste auch datenschutzrechtliche Aspekte berücksichtigen. Die Abwägung zwischen dem Recht der Antragstellerin auf informationelle Selbstbestimmung und dem Schutz von Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer fiel zugunsten der öffentlichen Sicherheit aus. Die Verwertung der Erkenntnisse aus der Betreuungsakte war somit im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren zulässig. Diese Entscheidung unterstreicht, dass in Fällen, in denen die Fahreignung aufgrund einer psychischen Erkrankung in Frage steht, das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit Vorrang hat.

Abschließend bestätigte das Verwaltungsgericht Düsseldorf, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis der Antragstellerin rechtmäßig war. Dieses Urteil hebt die Bedeutung der Verkehrssicherheit und des Schutzes der Allgemeinheit über individuelle Freiheiten hervor, insbesondere in Fällen, in denen psychische Erkrankungen die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen könnten. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen dieser Fall auf zukünftige Entscheidungen in ähnlichen Situationen haben wird.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Wie beeinflusst eine psychische Erkrankung wie paranoide Schizophrenie die Fahrtüchtigkeit einer Person und welche rechtlichen Konsequenzen kann dies haben?

Paranoide Schizophrenie und andere psychische Erkrankungen können die Fahrtüchtigkeit einer Person erheblich beeinträchtigen. Während einer akuten Psychose ist das Führen eines Fahrzeugs nicht zulässig, da die Realitätswahrnehmung des Betroffenen stark beeinträchtigt ist und eine realistische Einschätzung der Verkehrssituation nicht möglich ist. Nach dem Abklingen der akuten Symptome kann die Fähigkeit zum Führen eines Fahrzeugs jedoch wieder gegeben sein.

Die Einnahme von Psychopharmaka, insbesondere solche mit dämpfender Wirkung wie Antipsychotika, kann die Reaktionszeit verlängern und somit die Fahrtauglichkeit einschränken. Daher sollten Betroffene, die Psychopharmaka einnehmen, immer mit ihrem Arzt besprechen, ob sie mit den verordneten Medikamenten fahrtauglich sind.

Rechtlich gesehen kann eine psychische Erkrankung wie paranoide Schizophrenie zu einer zeitweiligen Beschränkung der Fahrtüchtigkeit oder sogar zur Aufhebung der Fahreignung führen. In Deutschland besteht keine Meldepflicht für Erkrankungen, die die Fahrtüchtigkeit einschränken können. Der Verkehrsteilnehmer hat jedoch die Pflicht zur Vorsorge und muss dafür sorgen, dass er nicht aufgrund physischer oder psychischer Erkrankungen dahingehend beeinträchtigt ist, sich sicher im Straßenverkehr zu bewegen.

In einigen Fällen kann die Fahrerlaubnis wegen paranoider Schizophrenie entzogen werden, insbesondere wenn psychiatrische Auffälligkeiten und eine verminderte psychische Belastbarkeit festgestellt wurden und der Betroffene keine Krankheitseinsicht zeigt. Wer fahruntauglich am Steuer eines Autos erwischt wird, setzt seinen Führerschein aufs Spiel.

Es ist daher von größter Bedeutung, dass Personen mit paranoider Schizophrenie oder anderen psychischen Erkrankungen ihre Fahrtüchtigkeit regelmäßig überprüfen und gegebenenfalls ärztlichen Rat einholen.


Das vorliegende Urteil

VG Düsseldorf – Az.: 14 L 1081/23 – Beschluss vom 25.05.2023

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der Klage 14 K 3016/23 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 00. April 2023 wiederherzustellen bzw. anzuordnen, hat keinen Erfolg.

Die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hängt von einer Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Suspendierung der angefochtenen Maßnahme einerseits und der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits ab. Bei der Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der sofort vollziehbare Verwaltungsakt rechtswidrig ist, überwiegt das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers. An der Vollziehung einer rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme kann kein öffentliches Interesse bestehen. Ist hingegen der angegriffene Bescheid rechtmäßig, überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Bestand der sofortigen Vollziehbarkeit.

Vorliegend ergibt die Abwägung des Interesses der Antragstellerin – bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiter ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr führen zu dürfen – mit dem widerstreitenden öffentlichen Interesse – die Teilnahme der Antragstellerin am motorisierten Straßenverkehr zum Schutze der anderen Verkehrsteilnehmer sofort zu unterbinden -, dass dem öffentlichen Interesse Vorrang einzuräumen ist. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand erweisen sich die in der Hauptsache angefochtenen Regelungen als rechtmäßig. Es liegen auch keine sonstigen Umstände vor, die ein überwiegendes Aussetzungsinteresse der Antragstellerin ausnahmsweise begründen könnten.

Die Verfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) in Verbindung mit § 46 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV -). Nach diesen Vorschriften hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 (zu den §§ 11, 13 und 14 FeV) vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechende Anwendung und die Fahrerlaubnisbehörde hat die dort geregelten Aufklärungsmaßnahmen zu treffen. Ordnet sie, wie hier mit Schreiben vom 1. September 2022, nach Maßgabe der §§ 11 bis 14 FeV die Beibringung eines fachärztlichen Gutachten an und weigert sich der Betroffene, dieser Anordnung Folge zu leisten, so darf sie gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. Diese Schlussfolgerung ist zulässig, wenn die Anordnung rechtmäßig ist und für die Weigerung, das geforderte ärztliche Gutachten beizubringen, kein ausreichender Grund besteht,

vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl., 2023, § 11 FeV, Rdnr. 51; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 25. August 2008 – 16 A 1200/07 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 25. August 2021 – 16 B 1059/21 – juris.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Antragsgegner durfte aufgrund der Weigerung der Antragstellerin, sich ärztlich untersuchen zu lassen, auf ihre Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen, da die Aufforderung, sich durch einen Facharzt für Psychiatrie mit verkehrsrechtlicher Qualifikation untersuchen zu lassen, rechtmäßig ist und die vorgetragenen Gründe die Weigerung zur Vorlage eines entsprechenden medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht rechtfertigen.

Die angeordnete Begutachtungsaufforderung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, 11 Abs. 6 FeV. Eine Begutachtungsanordnung nach § 11 Abs. 2 FeV dient der Klärung von Eignungszweifeln, so dass für die auf § 11 Abs. 2 FeV gestützte Anordnung, ein ärztliches Gutachten vorzulegen, erforderlich aber auch ausreichend ist, dass aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte berechtigte Zweifel an der Kraftfahreignung des Betroffenen bestehen. Die tatsächlichen Feststellungen müssen den Eignungsmangel als naheliegend erscheinen lassen. „Bedenken“ in diesem Sinne verlangen tatsächliche Hinweise auf Umstände, die für die Verkehrssicherheit in so hohem Maße bedeutsam sind, dass die bisher für die Eignungsbeurteilung zugrunde liegenden Tatsachen fachlich überprüft werden müssen.

Vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl., 2023, § 11 FeV, Rdnr. 27a; OVG NRW, Beschluss vom 25. August 2021 – 16 B 1059/21 – juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. April 2005 – 12 ME 540/04 -, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Juli 2018 – 14 L 1624/18.

Andererseits reicht ein bloß entfernter Verdacht eines körperlichen oder geistigen Mangels für die Tatbestandsmäßigkeit des § 11 Abs. 2 FeV nicht aus (keine Anordnung einer Untersuchungsmaßnahme „ins Blaue hinein“).

Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 5. Juli 2001 – 3 C 13/01 -, NJW 2002, 78 f. und juris.

Hiervon ausgehend sind keine Bedenken gegen die materielle Rechtmäßigkeit der Gutachtenaufforderung vom 00. September 2022 gegeben. Es bestanden zum Zeitpunkt der Gutachtenaufforderung hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte, die bei vernünftiger Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründeten, dass bei der Antragstellerin ein psychischer (geistiger) Mangel i. S. der Nr. 7 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV vorliegt, der Bedenken an ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu begründen vermochte.

Nach dem Bericht der Polizeibeamten der Kreispolizeibehörde N. vom 00. August 2021, der am 00. August 2021 bei dem Antragsgegner einging, sei die Antragstellerin am Sonntag, dem 00. August 2021 an der Wohnanschrift ihres Ex-Mannes angetroffen worden, wo sie sich nach Auskunft ihres Ex-Mannes seit 9:00 Uhr aufhalte und ihn belästige. Dem Unterzeichner des Polizeiprotokolls sei der Sachverhalt bereits aus vorangegangenen Einsätzen bekannt. Die Antragstellerin sei mit ihrem PKW zu der Wohnanschrift gefahren. Der Polizeibericht führt abschließend wörtlich aus:

„Es wird um eine zeitnahe Erklärung der aktuellen Fahrerlaubnissituation der BET in Zusammenarbeit mit dem StVA des Kreises N. und anschließender Rückmeldung gebeten. Laut Zeugenaussagen wird durch die BET täglich ein Kfz geführt. Des Weiteren bestehe ein zweifelhafter psychischer Gesundheitszustand der BET, sodass an der Befähigung zum Führen von Kfz gezweifelt wird und eine entsprechende Meldung nach Klärung des Sachverhaltes erfolgen würde.“

Dieser Bericht deckt sich mit der Mitteilung einer namentlich bekannten, früheren Nachbarin der Antragstellerin vom 00. Juni 2021 an die Straßenverkehrsbehörde, derzufolge die Antragstellerin sich Tag und Nacht in ihrem Pkw vor der Wohnanschrift ihres Ex Mannes aufhalte, der mittlerweile das Sorgerecht für die beiden Töchter habe. Die Mitteilende gab in diesem Schreiben an, dass ihr bekannt sei, dass die Antragstellerin unter Depressionen leide und unter Betreuung stehe.

Aus der seitens des Antragsgegners unter dem 00. August 2021 angeforderten Betreuung Akte des Amtsgerichts N. (00 XXXX 000/00), die am 00. Juli 2022 bei dem Antragsgegner einging, ergibt sich, dass die Antragstellerin seit dem Beschluss vom 00. Juni 2021 unter Betreuung stehe. Vom 00. März 2022 bis zum 00. Juni 2022 befand die Antragstellerin sich in stationärer psychiatrischer Behandlung im I. Klinikum O. . Seit der Entlassung befindet sie sich dauerhaft in ambulanter Behandlung in der psychiatrischen Institutsambulanz dieses Klinikums. Ausweislich des Gutachtens zur Verlängerung einer geschlossenen Unterbringung des I1. O. vom 00. Mai 2022 besteht bei der Antragstellerin als Grunderkrankung eine paranoide Schizophrenie, wobei weder Krankheitseinsicht noch Behandlungswilligkeit bestehe. Diese Diagnose deckt sich mit dem psychiatrischen Gutachten des Arztes Dr. P. aus I2. vom 00. Juni 2021, das die Grundlage für den Betreuungsbeschluss bildete.

Aus diesem Sachverhalt ergeben sich ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin an einer psychischen Erkrankung leidet, die Zweifel an der Fahrtüchtigkeit begründen. Nach Nr.7.6 der Anlage 4 zur FeV können schizophrene Psychosen die Fahreignung ausschließen, wobei bei akuten schizophrenen Psychosen keine Fahreignung gegeben ist. Aufgrund des Polizeiberichts und des Inhalts der Betreuungsakte konnte der Antragsgegner berechtigterweise davon ausgehen, dass die Antragstellerin an einer paranoiden Schizophrenie leidet, die auch begründete Zweifel an ihrer Fahrtauglichkeit aufkommen lassen.

Vgl.: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Beschluss vom 16. Oktober 2019 – 11 CS 19.1434 – juris.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin waren die durch die Beiziehung der Betreuungsakte gewonnenen Erkenntnisse auch im Fahrerlaubnisverfahren verwertbar. Denn im sicherheitsrechtlichen Fahrerlaubnisentziehungsverfahren unterliegen eventuell unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen gewonnene fahreignungsrelevante Erkenntnisse keinem pauschalen Verwertungsverbot. Nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, der sich die Kammer anschließt, können auch strafverfahrensrechtliche Maßstäbe über die Rechtsfolgen von Mängeln der Beweiserhebung nicht ohne weiteres auf das ordnungsrechtliche Fahrerlaubnisverfahren übertragen werden, da dieses andere Zielsetzungen verfolgt und anderen Verfahrensbestimmungen unterliegt. Soweit daher – wie im Fahrerlaubnisrecht – ein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot nicht besteht, ist im Einzelfall unter Abwägung der Schwere des Eingriffs in die Rechte des Betroffenen einerseits sowie des Interesses an der Straßenverkehrssicherheit und am Schutz von Leben und Gesundheit unbeteiligter Dritter andererseits abzuwägen, ob ein Verwertungsverbot anzunehmen ist,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Oktober 2016 – 16 A 1237/14 – juris; ebenso: BayVGH, Beschluss vom 31. Januar 2014 – 11 CS 13.2216 – juris; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 9. Februar 2016 – 3 M 14/16; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl., 2023, § 11 FeV, Rdnr. 23b.

Diese Abwägung fällt im Fahrerlaubnisrecht in aller Regel zulasten des jeweiligen Fahrerlaubnisinhabers aus, d. h., dass das Grundrecht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG) hinter dem Schutz von Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 GG) dritter Verkehrsteilnehmer zurücktreten muss. Wörtlich führt das oben angegebene Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen hierzu aus:

„Während nämlich Beweisverwertungsverbote im vorrangig repressiven Zwecken dienenden Strafprozess dem Spannungsverhältnis zwischen dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch einerseits und dem Grundrechtsschutz des Betroffenen andererseits Rechnung tragen, sind im rein präventiven, auf keine Bestrafung gerichteten Fahrerlaubnisverfahren mit erheblichem Gewicht auch Rechtsgüter einer unbestimmten Zahl Dritter, namentlich Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer zu beachten. Mit dem Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrerlaubnisinhaber wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die Fahrerlaubnisbehörden an der Berücksichtigung (eventuell) strafprozessual fehlerhaft gewonnener Erkenntnisse allgemein gehindert wären bzw. wegen eines außerhalb ihres Verantwortungsbereichs begangenen Verfahrensfehlers sehenden Auges die gravierenden Gefahren hinzunehmen hätten, die mit der Verkehrsteilnahme eines derzeit kraftfahrungeeigneten Fahrerlaubnisinhabers verbunden sind.“

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Oktober 2016 – 16 A 1237/14 – juris, Rdnr. 49.

Diese Maßstäbe sind auf datenschutzrechtliche Bestimmungen zu übertragen. Dabei fällt nach diesen Grundsätzen auch im vorliegenden Fall die Abwägung zwischen dem Recht der Antragstellerin auf informationelle Selbstbestimmung und dem Schutz von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Verkehrsteilnehmern zulasten der Antragstellerin aus. Vor diesem Hintergrund kann es dahinstehen, ob dem Akteneinsichtsgesuch seitens des Amtsgerichts N. nicht hätte entsprochen werden dürfen, wie dies im Schreiben des Amtsgerichts N. vom 00. Februar 2023 vertreten wird. Nach dem Bekanntwerden dieser Tatsachen war der Antragsgegner vor dem Hintergrund des Gefahrenabwehrrechts jedenfalls gehalten, im Interesse der Straßenverkehrssicherheit und dem Schutz von Leben und Gesundheit unbeteiligter Dritter die entstandenen Zweifel an der Fahreignung der Antragstellerin aufzuklären.

Die Begutachtung durch einen Facharzt für Psychiatrie mit verkehrsmedizinischer Qualifikation (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV) vornehmen zu lassen, ist nicht zu beanstanden.

Der Antragsgegner hat sein ihm in § 11 Abs. 2 FeV eingeräumtes Ermessen auch erkennbar und fehlerfrei ausgeübt. Insbesondere war die Gutachtenaufforderung auch erforderlich und angemessen, da sie der Verhinderung von Gefahren für Leib und Leben für die Antragstellerin und andere Verkehrsteilnehmer diente.

Die Gutachtenaufforderung genügt auch den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 FeV, da sie sowohl die Rechtsgrundlagen nennt als auch die konkrete Fragestellung enthält. Ebenso wird die Antragstellerin auf die Folgen der Nichtvorlage des Gutachtens hingewiesen.

Da die Antragstellerin das geforderte Gutachten somit ohne rechtfertigenden Grund nicht beigebracht hat, konnte der Antragsgegner nach § 11 Abs. 8 FeV die fehlende Eignung der Antragstellerin unterstellen und dies zum Anlass der Untersagung des Führens von Fahrzeugen nehmen.

Die Interessenabwägung fällt auch im Übrigen zulasten der Antragstellerin aus. Denn in aller Regel trägt allein die voraussichtliche Rechtmäßigkeit einer auf den Verlust der Kraftfahreignung gestützten Ordnungsverfügung die Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs. Zwar kann die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen. Derartige Folgen, die bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage reichen können, muss der Betroffene jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen.

Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Kammerbeschluss vom 20. Juni 2002 – 1 BvR 2062/96 -, Rn. 50 ff., juris; BVerfG, Beschluss vom 25. September 2000 – 2 BvQ 30/00 -, Rn. 4, juris; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2012 – 16 B 944/12 -, Rn. 11, juris.

Die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins folgt aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV. Die mit der Fahrerlaubnisentziehung verbundene Zwangsgeldandrohung ist gemäß §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) rechtmäßig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Das Interesse an der Fahrerlaubnis wird unabhängig von den betroffenen Klassen in Klageverfahren nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, der die Kammer folgt, mit dem Auffangwert des GKG (5.000,00 Euro) angesetzt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Februar 2015 – 16 B 8/15 -, juris.

Im Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes ermäßigt sich der Betrag um die Hälfte.

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