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Bußgeldbescheid – Zustellungsfiktion bei Verteidigungsanzeige

Verfahrensfehler führt zur Einstellung: Bußgeldbescheid und Zustellungsprobleme im Fokus

In diesem interessanten Rechtsfall stand ein Bußgeldbescheid im Mittelpunkt, dessen Zustellung aufgrund von Fehlinterpretationen rechtlicher Anforderungen problematisch wurde. Dieses Urteil handelt von einem Verkehrsteilnehmer (im Folgenden als „Betroffener“ bezeichnet), gegen den ein Bußgeldverfahren aufgrund einer Verkehrsordnungswidrigkeit eingeleitet wurde. Der Fall wirft dabei Fragen bezüglich der Zustellung des Bußgeldbescheids auf, und zwar in Bezug auf die sogenannte „Zustellungsfiktion bei Verteidigungsanzeige“. Im Kern dreht sich der Fall um die Frage, ob eine Zustellung des Bußgeldbescheids an den Verteidiger des Betroffenen erfolgt ist oder nicht.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 RB 15/19 – 3 Ss-OWi 55/19 >>>

Das Problem der Verjährung

In diesem Verfahren wurde eine Verkehrsordnungswidrigkeit vorgeworfen, die unter Verjährungsregeln fiel. Die Klage wurde aufgrund von Verjährungsfristen abgelehnt und das Verfahren eingestellt. Das Gericht stellte fest, dass die Verfolgung der Tat aufgrund der Verfolgungsverjährung nicht mehr möglich war. In solchen Fällen führt eine nicht ordnungsgemäße Zustellung zu einem Hindernis in der Verfolgung und kann zur Einstellung des Verfahrens führen.

Rolle des Verteidigers und Zustellungsfiktion

In diesem Kontext wurde das Verhalten des Verteidigers besonders ins Auge gefasst. Der Verteidiger hatte eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung versichert und Akteneinsicht beantragt, was normalerweise als ausreichend für die Zustellungsfiktion angesehen wird. Jedoch stellte das Gericht fest, dass die Anforderungen der Zustellungsfiktion hier nicht erfüllt waren. Die gesetzliche Zustellungsfiktion nach § 51 Abs. 3 OWiG war unzweifelhaft nicht gegeben.

Verhaltensinterpretation und rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht

Die Generalstaatsanwaltschaft vertrat die Ansicht, dass aus dem Verhalten des Verteidigers auf eine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht geschlossen werden könne. Das Gericht wies diese Interpretation zurück. Nach außen hin ist aufgrund der anwaltlichen Versicherung nur die Bevollmächtigung hinsichtlich der vom Verteidiger vorgenommenen Verteidigungshandlungen erkennbar, während eine Zustellungsvollmacht passiven Charakter hat. Das bedeutet, die Anwesenheit des Verteidigers und seine Tätigkeiten stellen keine Zustellungsfiktion dar, solange nicht explizit eine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht erteilt wurde.

Auswirkungen des Urteils auf zukünftige Fälle

Die Entscheidung in diesem Fall könnte weitreichende Auswirkungen auf ähnliche Fälle haben. Es verdeutlicht die Notwendigkeit, dass Verteidiger explizit eine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht vorweisen müssen, um Zustellungen für ihre Mandanten entgegennehmen zu können. Ohne solche Vollmacht kann es zu rechtlichen Komplikationen kommen und im Extremfall sogar dazu führen, dass ein Verfahren eingestellt wird. Insgesamt zeigt der Fall die Bedeutung von Klarheit und Genauigkeit in Bezug auf juristische Zustellungsfiktionen und Vollmachten.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Hamburg – Az.: 2 RB 15/19 – 3 Ss-OWi 55/19 – Beschluss vom 10.09.2020

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Wandsbek vom 11. Januar 2019 aufgehoben.

2. Das Verfahren wird eingestellt.

3. Die Kosten des Verfahrens sowie die dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.

Gründe

Das vorliegende Verfahren war – unter klarstellender Aufhebung des angefochtenen Urteils – durch Beschluss gem. § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. 206a StPO einzustellen, weil die auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen ergeben hat, dass der Verfolgung der dem Betroffenen in diesem Verfahren zur Last gelegten Tat das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung entgegensteht.

Die dem Betroffenen vorgeworfene Verkehrsordnungswidrigkeit verjährt gemäß § 26 Abs. 3 StVG in drei Monaten nach Tatbegehung, solange wegen der Tat kein Bußgeldbescheid erlassen ist. Hier ist die Tat am 30. Juni 2018 begangen worden; durch die am 13. August 2018 verfügte Anhörung der Betroffenen im Bußgeldverfahren wurde die Verfolgungsverjährung gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen und begann gem. § 33 Abs. 3 Satz 1 OWiG neu zu laufen.

In den folgenden drei Monaten ist indes keine weitere Unterbrechung der Verfolgungsverjährung eingetreten. Insbesondere wurde die Verjährung nicht durch die am 22. September 2018 an den Verteidiger erfolgte Zustellung des Bußgeldbescheides unterbrochen.

Für die Verjährungsunterbrechung gem. § 33 Abs. 1 Nr. 9 2. Alt. OWiG kommt es allein auf die Zustellung des Bußgeldbescheides an, die grundsätzlich auch an den gewählten oder bevollmächtigten Verteidiger erfolgen kann. Voraussetzung für eine nach § 51 Abs. 3 OWiG wirksame Zustellung an den Verteidiger ist indes das Vorliegen einer Vollmacht, welche sich bei den Akten befinden muss (Göhler, OWiG, § 51, Rn. 44a). Vorliegend hatte der Verteidiger durch Schriftsatz vom 17. August 2018 lediglich die Vertretung des Betroffenen als Verteidiger angezeigt, eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung versichert und Akteneinsicht beantragt, so dass die Voraussetzungen der gesetzlichen Zustellungsfiktion aus § 51 Abs. 3 OWiG unzweifelhaft nicht gegeben waren.

Entgegen der Auffassung des Generalstaatsanwaltschaft kann indes aus dem Verhalten des Verteidigers nicht auf das Bestehen einer rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht geschlossen werden.

Der Verteidiger hat in seinem Schriftsatz lediglich angezeigt, dass er den Betroffenen als Verteidiger vertrete und insoweit eine Bevollmächtigung der Betroffenen anwaltlich versichere. Hieraus allein ergibt sich nach der Rechtsprechung nicht die Erklärung, dass der Verteidiger rechtsgeschäftlich zur Empfangnahme von Zustellungen bevollmächtigt ist, denn nach außen erkennbar ist aufgrund der anwaltlichen Versicherung nur die Bevollmächtigung hinsichtlich der vom Verteidiger vorgenommenen Verteidigungshandlungen, während eine Zustellungsvollmacht passiven Charakter hat. Aus dem Verhalten des Verteidigers kann hier eine entsprechende Bevollmächtigung daher nicht geschlossen werden, denn bereits die Regelungen der §§ 145a StPO, 51 Abs. 3 OWiG belegen, dass ein bevollmächtigter Verteidiger auch über keine Zustellungsvollmacht verfügen könnte (OLG Celle, Beschluss vom 30. August 2018 – 3 Ss (OWi) 157/18 –, juris).

Das vorliegende Verfahren war daher – unter klarstellender Aufhebung des angefochtenen Urteils – durch Beschluss gem. § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 206a StPO einzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG. Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO davon abzusehen, die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Landeskasse aufzuerlegen.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

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