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Fahrerlaubnisentziehung bei einmaligem Cannabiskonsum

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof  – Az.: 11 AS 18.525 – Beschluss vom 27.03.2018

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. August 2016 (Az. M 26 S 16.3080) wird in Nr. I. geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L sowie zur Fahrgastbeförderung und gegen die Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins und des Fahrgastbeförderungsscheins für Mietwagen (Bescheid des Landratsamts München vom 29.6.2016 Nrn. 1 und 2, Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 8.9.2016) wird wiederhergestellt. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller baldmöglichst den Führerschein der Klassen AM, B und L und den Fahrgastbeförderungsschein zurückzugeben oder ihm, falls die Rückgabe nicht möglich ist, Ersatzdokumente auszustellen.

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Änderungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Änderungsverfahren wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Pflicht zur Ablieferung seiner Führerscheine.

Mit Bescheid vom 29. Juni 2016 entzog das Landratsamt München dem Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L sowie zur Fahrgastbeförderung und verpflichtete ihn unter Androhung eines Zwangsgelds zur Ablieferung seines Führerscheins und seines Fahrgastbeförderungsscheins für Mietwagen innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung des Bescheids. Der Antragsteller sei gelegentlicher Cannabiskonsument und habe durch seine Teilnahme am Straßenverkehr unter der Wirkung von Cannabis am 13. Dezember 2015 dokumentiert, dass er nicht bereit oder in der Lage sei, zwischen Cannabiskonsum und Fahren zu trennen. Seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen stehe damit fest.

Am 22. Juli 2016 gingen die vom Antragsteller übersandten Führerscheine beim Landratsamt ein.

Mit Beschluss vom 18. August 2016 (Az. M 26 S 16.3080), gegen den der Antragsteller kein Rechtsmittel eingelegt hat, hat das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Wiederherstellung des gegen den Bescheid erhobenen Widerspruchs abgelehnt. Den Widerspruch hat die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 8. September 2016 zurückgewiesen.

Mit Urteil vom 9. Januar 2018 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Landratsamts und den Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern aufgehoben (Az. M 26 K 16.4642). Über die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten hat der Senat noch nicht entschieden (Az. 11 BV 18.259).

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 2. März 2018 hat der Antragsteller beantragen lassen, die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen. Um seinen Beruf auszuüben, sei der Antragsteller als angestellter Mietwagenfahrer und Chauffeur auf die Fahrerlaubnis angewiesen. Das Verwaltungsgericht habe sich der geänderten Rechtsauffassung des Berufungsgerichts angeschlossen und der Klage deshalb stattgegeben.

Mit Schreiben vom 6. März 2018, eingegangen am 9. März 2018, hat der Senat den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers darauf hingewiesen, dass das Verwaltungsgericht einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bereits mit Beschluss vom 18. August 2016 rechtskräftig abgelehnt hat.

Der Antragsgegner hat von einer Äußerung abgesehen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II.

Fahrerlaubnisentziehung bei einmaligem Cannabiskonsum
(Symbolfoto:
Von BAZA Production/Shutterstock.com)

Zwar ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage, an dem der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers trotz des Hinweises des Senats festgehalten hat, unzulässig, da das Verwaltungsgericht diesen Antrag mit Beschluss vom 18. August 2016 (Az. M 26 S 16.3080) rechtskräftig abgelehnt hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 80 Rn. 172). Die Bindungswirkung dieses Beschlusses erstreckt sich auch auf das danach erst anhängig gewordene Klageverfahren. Allerdings ist der Bayerische Verwaltungsgerichtshof als im Berufungsverfahren zuständiges Gericht der Hauptsache hierdurch nicht gehindert, den Beschluss des Verwaltungsgerichts von Amts wegen gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO oder auf Antrag gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO wegen veränderter Umstände zu ändern. Solche Umstände hat der Senat im Hinblick auf seine geänderte Rechtsprechung zur (nunmehr verneinten) Frage, ob die Fahrerlaubnisbehörden nach einer erstmaligen Fahrt mit einem Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis ohne weitere Zusatztatsachen von feststehender Fahrungeeignetheit ausgehen können, in einem ähnlich gelagerten Fall bereits angenommen (BayVGH, B.v. 14.2.2018 – 11 AS 17.1014). Er macht deshalb aus Gründen der Gleichbehandlung auch hier von der Änderungsbefugnis des § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO zugunsten des Antragstellers Gebrauch.

Der Senat geht zwar davon aus, dass der Antragsteller zumindest gelegentlich Cannabis konsumiert hat. Den behaupteten einmaligen Cannabiskonsum auf einer Party am 13. Dezember 2015 zwischen 3:00 und 7:00 Uhr hat er weder substantiiert noch glaubhaft dargelegt. Außerdem hat er gegen das Trennungsgebot der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) verstoßen, indem er mit einer THC-Konzentration von 4,3 ng/ml im Blut am Straßenverkehr teilgenommen hat. Dabei war eine hierdurch bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen. Damit steht aber nicht i.S.d. § 11 Abs. 7 FeV hinreichend gesichert fest, dass der Antragsteller ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist (vgl. u.a. BayVGH, U.v. 25.4.2017 – 11 BV 17.33 – Blutalkohol 54, 268). Das Landratsamt war daher nicht berechtigt, ihm nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dies gilt auch für die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung. Vielmehr hätte das Landratsamt zuerst von den Aufklärungsmöglichkeiten des nach § 46 Abs. 3 bzw. § 48 Abs. 9 FeV im Entziehungsverfahren entsprechend anzuwendenden § 14 FeV Gebrauch machen und im Ermessenswege darüber entscheiden müssen, ob es nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV eine medizinisch-psychologische Untersuchung anordnet.

Damit erweist sich auch die gemäß § 47 Abs. 1, § 48 Abs. 10 Satz 3 FeV verfügte Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins der Klassen AM, B und L und des Fahrgastbeförderungsscheins als rechtswidrig. Der Antragsgegner war daher nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO zu verpflichten, die Führerscheine dem Antragsteller wieder herauszugeben oder ihm, falls die Rückgabe der Dokumente, von denen sich in den dem Gericht vorliegenden Behördenakten (Bl. 84 ff.) nur Kopien befinden, etwa wegen Unbrauchbarmachung oder aus anderen Gründen nicht möglich sein sollte, Ersatzdokumente auszustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5, Nr. 46.3 und Nr. 46.10 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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