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Fahrerlaubnisentziehung bei 8 Punkten – Unrichtigkeit des Bußgeldbescheides

Entzug der Fahrerlaubnis: Legalität und Implikationen

Dieses vorgegebene Urteil betrifft den Antragsteller, der sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis wehrt, nachdem er neun Punkte im Fahreignungsregister erreicht hat. Es wirft rechtliche Fragen auf, vor allem im Hinblick auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Entzugs und der Geltendmachung von Einwänden gegen Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren. Es zeigt auch die Rolle und Verantwortung der Fahrerlaubnisbehörden in solchen Fällen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: AN 10 S 20.0128 >>>

Die Auseinandersetzung um die Fahrerlaubnis

Gemäß dem Urteil wurde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen, weil er die zulässige Punktzahl im Fahreignungsregister überschritten hatte. Die Gerichte prüften die Erfolgsaussichten seiner Klage summarisch und kamen zu dem Schluss, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig war und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzte. Hier wurde klargestellt, dass eine inhaltliche Überprüfung der Entscheidungen nicht stattfindet und Einwände gegen die Richtigkeit von Entscheidungen im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren nur über gesetzlich vorgesehene Rechtsbehelfe geltend gemacht werden können.

Die Rolle des Bußgeldbescheids

Im Kontext des vorgelegten Urteils ist der Bußgeldbescheid ein wichtiges Dokument. Der Antragsteller hat die mit dem Bußgeldbescheid geahndeten Punkte akzeptiert, ohne sich dagegen zu wehren oder ein Wiederaufnahmeverfahren anzustrengen. Außerdem hat er nicht zweifelsfrei nachweisen können, dass er nicht der Fahrer war. Hier zeigt sich die Bedeutung des korrekten und rechtzeitigen Gebrauchs von Rechtsmitteln durch die betroffenen Fahrer.

Bewertung der Beweise und Rechtmäßigkeit des Fahrerlaubnisentzugs

Eine wichtige Überlegung in dem Urteil betrifft die Beweise, die der Antragsteller vorgelegt hat, um zu beweisen, dass er nicht der Fahrer war. Das Gericht fand, dass die vorgelegten Beweise – eine eidesstattliche Versicherung, eine Bestätigung des Bruders und Lichtbilder – nicht überzeugend waren. Die Lichtbilder ließen nicht zweifelsfrei erkennen, dass es sich um verschiedene Personen handelte. In diesem Kontext betonte das Gericht die Bedeutung eines klaren und unbestreitbaren Beweises, um eine Entscheidung zu widerlegen.

Die Notwendigkeit der Fahrerlaubnisabgabe

Das Urteil bekräftigte auch die Notwendigkeit der Abgabe des Führerscheins durch den Antragsteller. Diese Anforderung wurde durch § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. bestätigt. Es wurde argumentiert, dass die Abgabe des Führerscheins notwendig sei, um Sicherheitsrisiken für andere Verkehrsteilnehmer zu reduzieren und die fehlende Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs nach außen hin zu dokumentieren. Es wird deutlich, dass die Fahrerlaubnisbehörden und Gerichte strenge Maßnahmen ergreifen, um die Sicherheit auf den Straßen zu gewährleisten.


Das vorliegende Urteil

VG Ansbach – Az.: AN 10 S 20.01283 – Beschluss vom 13.08.2020

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis wegen Erreichens von neun Punkten im Fahreignungsregister.

Mit Schreiben vom 6. August 2019 wurde der Antragsteller, für den sich seinerzeit fünf Punkte im Fahreignungsregister ergeben hatten, durch die Fahrerlaubnisbehörde unter Bezugnahme auf eine Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 6. August 2019 nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG ermahnt. Eine Zusammenstellung der im Zeitraum vom 8. Juni 2018 bis 13. Mai 2019 begangenen Verkehrszuwiderhandlungen war beigefügt (konkret: 8.6.2018, 22.8.2018, 1.2.2019 und 13.5.2019).

Mit Schreiben vom 24. September 2019 verwarnte die Fahrerlaubnisbehörde den Antragsteller gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG, da sich im Fahreignungsregister für diesen laut einer Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts vom 24. September 2019 ein Punktestand von sechs Punkten ergeben habe. Das Schreiben wies darauf hin, dass der Antragsteller bei Erreichen von acht Punkten mit dem Entzug der Fahrerlaubnis rechnen müsse. Beigefügt war eine Auflistung der vom Antragsteller begangenen Verkehrszuwiderhandlungen. Neu hinzugekommen war eine Ordnungswidrigkeit vom 27. Juni 2019, rechtskräftig seit 7. September 2019.

Mit einer weiteren Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts vom 30. April 2020 wurde der Fahrerlaubnisbehörde mitgeteilt, dass nunmehr für den Antragsteller neun Punkte eingetragen seien. Neu hinzugekommen war eine Ordnungswidrigkeit vom 4. Dezember 2019, rechtskräftig seit 15. Januar 2020 und eine Zuwiderhandlung vom 10. Februar 2020, rechtskräftig seit 10. April 2020.

Mit Schreiben vom 30. April 2020 kündigte die Antragsgegnerin den Entzug der Fahrerlaubnis an und gab dem Antragsteller Gelegenheit, etwaige Einwendungen hiergegen vorzubringen. Daraufhin erwiderte der Antragsteller mit Schreiben vom 28. Mai 2020, dass der Bußgeldbescheid des Kommunalen Zweckverbands Kommunale Verkehrsüberwachung …… (Az.: …………) vom 4. Juli 2019 evident unrichtig sei. Am 13. Mai 2019 um 20:06 Uhr sei der Bruder des Antragstellers der Fahrer des Pkw Daimler gewesen. Die Unrichtigkeit ergebe sich aus dem Vergleich des Beweisfotos mit dem Lichtbild im Führerschein des Antragstellers. Zudem habe sich der Antragsteller am 13. Mai 2019 im Urlaub in der Region …… befunden. Von dem Bußgeldverfahren habe der Antragsteller erst erfahren, als er zur Abgabe des Führerscheins aufgefordert worden sei. Das Original des Bußgeldbescheides habe er nie erhalten. Der Antragsteller gehe davon aus, dass sein Vater den Brief mit dem Bußgeldbescheid aus dem Briefkasten der Wohnung entnommen und den Brief dann verlegt habe. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens dürfte deshalb Erfolg haben. Da der Bußgeldbescheid evident unrichtig sei, entfalle die Bindungswirkung mit der Folge, dass die beiden Punkte nicht zu berücksichtigen seien und die Voraussetzungen für den Entzug der Fahrerlaubnis nicht mehr vorliegen würden. Darüber hinaus wurde mitgeteilt, dass der Antragsteller im Falle des Fahrerlaubnisentzuges in seiner beruflichen Existenz bedroht wäre.

Die Fahrerlaubnisbehörde entzog dem Antragsteller mit Bescheid vom 3. Juni 2020, zugestellt am 5. Juni 2020, die Fahrerlaubnis der Klassen B, AM und L mit sofortiger Wirksamkeit (Ziffer 1), verpflichtete den Antragsteller zur unverzüglichen Abgabe seines Führerscheins, spätestens innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheides (Ziffer 2), drohte unmittelbaren Zwang für den Fall der Nichterfüllung der Ziffer 2 an (Ziffer 3) und ordnete die sofortige Vollziehung der Ziffer 2 an (Ziffer 4). Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass dem Antragsteller die Fahrerlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG zu entziehen gewesen sei, da der Antragsteller laut Mitteilung des Kraftfahrtbundesamtes vom 30. April 2020 Verkehrsverstöße begangen habe, die mit neun Punkten im Fahreignungsregister zu bemessen seien. Der Antragsteller gelte daher als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Bei der Entscheidung sei die Behörde an die rechtskräftigen Entscheidungen über die Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten im Fahreignungsregister gebunden. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei auch dann anzuordnen, wenn der Antragstellernachträglich geltend macht, die Tat nicht begangen zu haben und dies auch belegen will. Eine Überprüfung, ob die rechtskräftige Entscheidung rechtmäßig sei, finde im Entziehungsverfahren nicht statt. Die gesetzlich angeordnete Bindungswirkung verwehre der Fahrerlaubnisbehörde eine eigenständige Überprüfung der Richtigkeit der rechtskräftigen Entscheidungen. Der Einwand, es liege bei der Tat vom 13. Mai 2019 eine evidente Unrichtigkeit vor, könne nicht durchdringen. Das Gesetz sehe hinsichtlich der Bindung keine Ausnahme vor und die Bestimmung sei auch hinreichend klar. Für Ausnahmen auch im Hinblick auf evidente Unrichtigkeit sei kein Raum. Auch der in Aussicht gestellte Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens bei der zuständigen Bußgeldstelle ändere nichts an der Rechtskraft der Verkehrszuwiderhandlung vom 13. Mai 2019. Allein die Antragstellung reiche nicht aus, die Rechtskraft zu durchbrechen.

Da der Antragsteller der Verpflichtung, den Führerschein innerhalb einer Woche ab Zustellung des Entzugsbescheids bei der Führerscheinbehörde abzugeben, nicht nachgekommen ist, wurde der Führerschein des Antragstellers am 24. Juni 2020 eingezogen.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 3. Juli 2020, bei Gericht eingegangen am 6. Juli 2020, ließ der Antragsteller gegen den Bescheid vom 3. Juni 2020 Anfechtungsklage erheben und mit weiterem Schreiben vom 4. Juli 2020 beantragen:

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 3. Juli 2020 gegen die Entziehungsverfügung der Antragsgegnerin vom 3. Juni 2020 wird angeordnet.

2. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, den von dem Antragsteller bereits abgegebenen Führerschein unverzüglich wieder an den Antragsteller zurückzugeben oder ihm für den Fall der Unbrauchbarmachung eine neue Ausfertigung kostenfrei zuzustellen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass der Bußgeldbescheid vom 4. Juli 2019 inhaltlich evident unrichtig und damit rechtswidrig sei. Eine Bindung an den Bußgeldbescheid bestehe aufgrund der evidenten Unrichtigkeit weder für die Fahrerlaubnisbehörde noch für das Gericht. Der Antragsteller habe unverschuldet keine Möglichkeit gehabt, rechtzeitig Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einzulegen, um die Aufhebung des Bescheides in dem hierfür vorgesehenen gerichtlichen Verfahren zu erreichen. Es sei in der Vergangenheit wiederholt vorgekommen, dass Briefe, die in den Briefkasten der Firma und der Familie eingelegt wurden, verschwunden seien. Durch Zufall habe die Mutter des Antragstellers entdeckt, dass ihr Ehemann ungeöffnete Geschäftsbriefe, die an den Antragsteller und dessen Firma gerichtet waren, in einer Schublade in seinem Zimmer versteckt habe. Der Vater habe sich jedoch nicht mehr daran erinnern können. Der Vater leide an einem Lungenkarzinom mit Metastasen im Gehirn und habe Gedächtnisschwierigkeiten. Es müsse deshalb davon ausgegangen werden, dass sich der Vater des Antragstellers auch anderer Briefe, mithin auch des streitgegenständlichen Bußgeldbescheides, aus dem Briefkasten bemächtigt habe. Die Fahrerlaubnisbehörde habe die Punkte aus dem Bußgeldbescheid nicht in ihre Entscheidung einbeziehen dürfen. Es sei eine einschränkende Auslegung des § 4 Abs. 5 StVG unter Berücksichtigung der Anforderungen des Art. 20 Abs. 3 GG wegen evidenter Unrichtigkeit der Entscheidung aus dem Bußgeldverfahren vorzunehmen. Die Bindung an offensichtlich unrichtige Entscheidungen sei nach Sinn und Zweck der Regelung nicht geboten und im Ergebnis rechtsstaatlich unerträglich. Zudem stehe fest, dass das Wiederaufnahmeverfahren wahrscheinlich zu einer Aufhebung des Bußgeldbescheides führe, so dass es im Hinblick hierauf unbillig wäre, an der sofortigen Vollziehbarkeit festzuhalten. Die Güter- und Interessenabwägung falle zugunsten des Antragstellers aus.

Des Weiteren führte die Bevollmächtigte des Antragstellers im Rahmen der Klagebegründung aus, dass der Bescheid vom 3. Juni 2020 unwirksam sei, da keine Zustellung an den Antragstellererfolgt sei, sondern nur an die Kanzlei. Es befinde sich jedoch keine Vollmacht der Kanzlei bei den Akten. Die Unwirksamkeit ergebe sich aus dem Umstand, dass an die Kanzlei und nicht an die Bevollmächtigte als Verteidigerin zugestellt worden sei. Zudem sei die Begründung, das vorgelegte Beweisfoto sei unkenntlich, unbehelflich. In den zugesandten Originalunterlagen, die am Tag des Bescheides zugegangen seien, sei auf der dort beigefügten Kopie des Beweisfotos aus dem Bußgeldbescheid das Gesicht des Fahrers gut erkennbar. Die Antragsgegnerin hätte aufgrund der Unkenntlichkeit des per Fax übersandten Beweisfotos den Eingang der Originalunterlagen vor Erlass des Bescheides abwarten müssen. Zudem würden die Folgen für den Antragsteller, der beruflich auf die Fahrerlaubnis angewiesen sei, besonders schwer wiegen.

Mit Schreiben vom 14. Juli 2020 beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.

Ergänzend wurde zur Begründung ausgeführt, dass die rechtskräftig abgeurteilte Tat dem Antragsteller bereits in der Ermahnung vom 6. August 2019 und der Verwarnung vom 24. September 2019, jeweils per Postzustellungsurkunde zugestellt, ohne Reaktion hierauf mitgeteilt worden sei. Zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses sowie aktuell sei die rechtskräftige Entscheidung im Register eingetragen. Eine Überprüfung, ob dies zu Recht erfolgt sei, finde durch die Fahrerlaubnisbehörde insoweit nicht statt.

Mit Schreiben vom 6. August 2020 teilte die Antragsgegnerin noch mit, dass im Fahreignungsregister eine weitere Tat eingetragen worden sei und sich der Punktestand auf zehn erhöht habe. Nach Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts vom 29. Juli 2020 ist eine Ordnungswidrigkeit vom 30. Mai 2020, die mit einem Punkt bewertet wird, hinzugekommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegte Behördenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der Antragsteller begehrt nach Auslegung des gestellten Antrags (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die bereits kraft Gesetzes (§ 4 Abs. 9 StVG) sofort vollziehbare Entziehung seiner Fahrerlaubnis gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Hs. 1 VwGO sowie die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage in Hinblick auf die mit einer Sofortvollzugsanordnung verbunden Ablieferungspflicht des Führerscheins gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Hs. 2 VwGO verbunden mit der Anordnung der Aufhebung der bereits erfolgten Vollziehung der verfügten Ablieferungspflicht des Führerscheins gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO. Der Antrag wird weiter dahingehend ausgelegt, dass er sich nicht auf die Zwangsmittelandrohung in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids bezieht, da der Führerschein des Antragstellers nach Aktenlage bereits eingezogen wurde und sich die Zwangsmittelandrohung bereits erledigt hat.

Der so verstandene Antrag hat keine Aussicht auf Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet.

I. Im Rahmen einer Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO trifft das Gericht eine Abwägungsentscheidung, eine eigene originäre Ermessensentscheidung, bei der es das Aussetzungsinteresse des Antragstellers gegenüber dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin abwägt. Wesentliches Indiz bei der Abwägung dieser Interessen sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache. Ist die Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich, so überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Ist die Hauptsache dagegen mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, so überwiegt regelmäßig das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin.

1. Vorliegend ist die Klage gegen die in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos. Das Gericht hat die Erfolgsaussichten der Hauptsache insoweit summarisch zu prüfen. Nach dieser gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung hat die in der Hauptsache erhobene Klage aller Voraussicht nach keine Aussicht auf Erfolg, da der angefochtene Bescheid sich insoweit als rechtmäßig darstellt und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich für den Betroffenen acht oder mehr Punkte im Fahreignungsregister ergeben.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Antragsteller hat aufgrund mehrerer Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr im Zeitraum vom 8. Juni 2018 bis 10. Februar 2020 einen Punktestand von neun Punkten nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem erreicht. Die Fahrerlaubnisbehörde hat den Punktestand korrekt berechnet und auch die Vorschaltmaßnahmen gemäß § 4 Abs. 5 StVG ordnungsgemäß durchgeführt. Sie hat den Antragsteller mit Schreiben vom 6. August 2019 bei einem Punktestand von fünf gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG ermahnt und mit Schreiben vom 24. September 2019 bei einem Punktestand von sechs gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG verwarnt.

Der Einwand des Antragstellers, die Ordnungswidrigkeit am 13. Mai 2019 habe nicht er, sondern sein Bruder begangen mit der Folge, dass diese zwei eingetragenen Punkte nicht zu berücksichtigen seien, kann nicht durchgreifen. Nach § 4 Abs. 5 Satz 4 StVG ist die Fahrerlaubnisbehörde bei den Maßnahmen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit gebunden. Es besteht daher, anders als im Rahmen des § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG, keine Möglichkeit, zu Gunsten des Betroffenen davon abzuweichen (vgl. BayVGH, B.v. 10.7.2019 – 11 CS 19.1018 – juris). Der die Ordnungswidrigkeit, die nach dem Vorbringen der Bruder des Antragstellers begangen haben soll, ahndende Bußgeldbescheid vom 4. Juli 2019 ist seit 24. Juli 2019 rechtskräftig. Daran war die Antragsgegnerin bei der Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers gebunden. Eine inhaltliche Überprüfung der Entscheidungen findet nicht statt. Einwendungen gegen die Richtigkeit von Entscheidungen im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren können nur mit den gegen diese Entscheidungen nach dem Gesetz vorgesehenen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden und – im Erfolgsfalle – auf dieser Grundlage zu einer abändernden Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis führen. Solange die strafgerichtliche oder ordnungswidrigkeitenbehördliche Entscheidung aber nicht revidiert ist, bleiben die Fahrerlaubnisbehörden und die Verwaltungsgerichte an diese gebunden. Die Bindung entfällt erst dann, wenn diese Entscheidungen im Wege der Wiederaufnahme oder der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgehoben worden sind (VG Düsseldorf, B.v. 28.1.2019 – 6 L 2892/18 – juris Rn. 33).

Ob von dem genannten Grundsatz und damit von der gesetzlich angeordneten Bindungswirkung eine Ausnahme in Betracht kommt, wenn ein Bußgeldbescheid evident unrichtig ist, kann vorliegend offen bleiben. Denn bei summarischer Prüfung liegt eine evidente Unrichtigkeit des Bußgeldbescheides vom 4. Juli 2019 nicht vor. Für die Annahme der Unrichtigkeit bedarf es erst eines Beweises, beispielsweise durch die Beiziehung des vorgelegten Fotos (Führerschein) und der eidesstattlichen Versicherung. Dem Bußgeldbescheid allein lässt sich eine Unrichtigkeit jedenfalls nicht entnehmen. Der vom Antragsteller vorgelegten eidesstattlichen Versicherung und der vom Bruder unterzeichneten Bestätigung, dass er der Fahrer gewesen sei, sowie dem Vergleich der Lichtbilder ist keine ins Gewicht fallende beweiskräftige Bedeutung beizumessen. Zum einen lassen die vorgelegten Lichtbilder (Führerschein des Antragstellers und Beweisfoto des Bußgeldbescheides) nicht zweifelsfrei erkennen, dass es sich um verschiedene Personen handelt, zumal die Fotos zu unterschiedlichen Zeitpunkten entstanden sind. Vielmehr handelt es sich jeweils um männliche Personen, bei denen sich auch die Gesichtszüge nicht erheblich unterscheiden. Es ist daher nicht von vornherein auszuschließen, dass es sich nicht um die gleiche Person handelt. Zum anderen hat der Antragsteller die mit dem Bußgeldbescheid geahndeten zwei eingetragenen Punkte im Fahreignungsbewertungssystem sowohl bei der Ermahnung als auch bei der Verwarnung hingenommen, ohne sich dagegen zu wehren oder bereits damals ein Wiederaufnahmeverfahren anzustrengen. Es ist schwer nachvollziehbar, dass der Antragsteller diese Punkte hingenommen hat, wenn er den Geschwindigkeitsverstoß nicht begangen hat, zumal ihm fühlbare Konsequenzen bereits durch die Ermahnung und Verwarnung vor Augen geführt wurden und er ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass er bei Erreichen von acht Punkten mit dem Entzug der Fahrerlaubnis rechnen muss. Von einer evidenten Unrichtigkeit des Bußgeldbescheides vom 4. Juli 2019 ist deshalb nicht auszugehen.

Im Übrigen spricht entgegen der Auffassung des Antragstellers viel dafür, dass eine Bindung auch nicht ausnahmsweise entfällt, wenn die im Straf- oder Bußgeldverfahren zu Lasten des Betroffenen ergangene Entscheidung inhaltlich evident unrichtig ist (so OVG NRW, B.v. 9.6.2020 – 16 B 1223/19 – juris; so auch OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 28.5.2015 – OVG

1 S 71.14 – juris; offenlassend: OVG NRW, B.v. 28.8.20143 – 16 B 904/13 – juris; VGH Baden-Württemberg, B.v. 4.11.2013 – 10 S 1933/13 – juris). Denn es widerspricht dem den Willen des Gesetzgebers entsprechenden klaren, keine Ausnahme zulassenden Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Vorschrift, wonach die Fahrerlaubnisbehörde aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung in Verfahren dieser Art gerade nicht prüfen muss, ob die punktebewehrte Ahndung zu Recht erfolgt ist (vgl. OVG NRW, B.v. 9.6.2020 – 16 B 1223/19 – juris mit Verweis auf

BT-Drucks. 13/6914, S. 69). Zudem bestehen im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG keine Bedenken, da der Betroffene über hinreichende Rechtsschutzmöglichkeiten im Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenverfahren verfügt. Der Betroffene kann sich gegen die straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Ahndung zur Wehr zu setzen, um (auch) die Berücksichtigung der betreffenden Taten im Verfahren nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem zu vermeiden (OVG NRW, B.v. 9.6.2020 – 16 B 1223/19 – juris). Im Übrigen würde eine Inzidentprüfung des Bußgeldbescheides durch die Fahrerlaubnisbehörde auf evidente Unrichtigkeit erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten und Manipulationsmöglichkeiten eröffnen. Durch die Bindungspflicht wird von vornherein verhindert, dass der im Bußgeldbescheid genannte Fahrerlaubnisinhaber zunächst bewusst kein Rechtsmittel einlegt und erst nach Ablauf der dreimonatigen Verjährungsfrist oder auch gegebenenfalls erst nach einigen Jahren unter Berufung auf das Beweisfoto geltend macht, den Verkehrsverstoß nicht begangen zu haben, um auf diese Weise einer fahrerlaubnisrechtlichen Maßnahme zu entgehen. Die uneingeschränkte Bindungspflicht verhindert auch das Entstehen erheblicher Abgrenzungsschwierigkeiten und kaum zu rechtfertigender Ungleichheiten, denn problematisch ist etwa, wie weit die begehrte Ausnahme gehen soll (vgl. OVG Berlin-Branden-burg, B.v. 28.5.2015 – OVG 1 S 71.14 – juris).

Sind nach alledem die Voraussetzungen für eine auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis erfüllt, ist angesichts des zwingenden Charakters dieser Vorschrift kein Raum für die Berücksichtigung besonderer Härten, die sich für den Betroffenen hieraus behauptetermaßen ergeben. Es wäre Sache des Antragstellers gewesen, durch ein rechtskonformes Verhalten vor dem Erreichen von 8 Punkten dafür Sorge zu tragen, dass ihm die Fahrerlaubnis erhalten bleibt. Die beruflichen Auswirkungen der Fahrerlaubnisentziehung stellen keine Umstände dar, die im Rahmen der Interessenabwägung dazu führen, dass dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers entgegen der gesetzlichen Wertung in § 4 Abs. 9 StVG Vorrang vor dem öffentlichen Vollzugsinteresse einzuräumen wäre. Die mit dieser Entscheidung für den Antragsteller verbundenen Nachteile müssen von ihm im Hinblick auf den hohen Rang der durch die Verkehrsteilnahme eines ungeeigneten Kraftfahrers gefährdeten Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit und das Interesse an der Verkehrssicherheit hingenommen werden.

Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass der streitgegenständliche Bescheid vom 3. Juni 2020 entgegen der Auffassung des Antragstellers wirksam ist. Einer förmlichen Zustellung an den Antragsteller bedarf es nicht. Für die Wirksamkeit genügt die Bekanntgabe. Der Bescheid wurde auch dem Antragsteller gegenüber bekanntgegeben. Der Einwand der Bevollmächtigten, es befinde sich keine Vollmacht bei den Akten, kann nicht durchgreifen, da die Bevollmächtigte die Bevollmächtigung mit Schreiben vom 14. Mai 2020 anwaltlich versichert hat (vgl. Blatt 58 der elektronischen Behördenakte). Es bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte, an der Richtigkeit anwaltlicher Versicherung zu zweifeln. Deshalb ist die anwaltliche Versicherung ordnungsgemäßer Bevollmächtigung ausreichend, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Anwalt nach § 1 BRAO unabhängiges Organ der Rechtspflege ist. Auch die Bekanntgabe an die Anwaltssozietät genügt, da die Bevollmächtigte nach außen hin als Mitglied der Sozietät aufgetreten ist. Im Übrigen wäre ein etwaiger Bekanntgabe- oder Zustellungsmangel jedenfalls geheilt, da der Antragsteller den Bescheid tatsächlich erhalten hat.

Nach alledem sind die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG erfüllt und dem Antragsteller war ohne weiteres Ermessen die Fahrerlaubnis zu entziehen.

2. Mithin ist auch der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins wiederherzustellen nicht erfolgreich, da sich die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV als Annexentscheidung zur Fahrerlaubnisentziehung als rechtmäßig erweist.

Der bezüglich der Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Sofortvollzug wahrt auch die Begründungsanforderung des § 80 Abs. 3 VwGO. Nach dieser Vorschrift ist das besondere öffentliche Vollzugsinteresse, dessentwegen ein Abwarten der Entscheidung über die Klage nicht möglich ist, besonders darzulegen. Es entspricht insoweit der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Kammer, dass dies mit den Gründen, die den Bescheid selbst tragen, gerechtfertigt wird. Diesen Anforderungen wird die vorliegende Begründung im angegriffenen Bescheid gerecht. Es wird insoweit in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins erforderlich gewesen sei, weil ein besonderes öffentliches Interesse daran bestehe, Sicherheitsrisiken für andere Verkehrsteilnehmer zu reduzieren. Zudem wird durch die Abgabe des Führerscheins die fehlende Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs mit Außenwirkung dokumentiert. Es kann bei den Kontrollorganen nicht über die Gültigkeit des Führerscheins getäuscht werden.

II. Die Kostenentscheidung basiert auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 46.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung des Jahres 2013.

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