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Fahrerlaubnisentziehung  – 8 Punkte – Verkehrsverstöße vor Ermahnung und Verwarnung begangen

Entzug der Fahrerlaubnis: Verkehrsverstöße und Punktesystem im Fokus

Im vorliegenden Fall geht es um die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund von Verkehrsverstößen, die vor einer Ermahnung und Verwarnung begangen wurden. Der Antragsteller erreichte einen Punktestand von acht Punkten im Fahreignungs-Bewertungssystem, was nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) die Entziehung der Fahrerlaubnis zur Folge hat. Der Antragsteller argumentierte, dass er aufgrund der zeitlichen Abläufe bei Erhalt der Ermahnungs- und Verwarnungsschreiben keine Möglichkeit mehr gehabt hätte, sein Verhalten zu ändern. Das Hauptproblem in diesem Fall liegt in der rechtlichen Frage, ob die Fahrerlaubnisentziehung rechtmäßig ist, obwohl die Verkehrsverstöße vor der Ermahnung und Verwarnung begangen wurden.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 L 577/23.KO >>>

Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung

Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz entschied, dass die Fahrerlaubnisentziehung rechtmäßig ist. Sie stützte ihre Entscheidung auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG, wonach der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gilt, wenn er acht oder mehr Punkte im Fahreignungs-Bewertungssystem erreicht hat. Die Kammer betonte, dass die Fahrerlaubnisentziehung bei der summarischen Prüfung offensichtlich rechtmäßig ist.

Berücksichtigung von Verkehrsverstößen vor Ermahnung und Verwarnung

Das Gericht wies darauf hin, dass nach § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 StVG Verkehrsverstöße unabhängig davon berücksichtigt werden, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind. Dies bedeutet, dass Verkehrsverstöße, die vor der Ermahnung und Verwarnung begangen wurden, bei der Berechnung des Punktestandes berücksichtigt werden. Das Gericht betonte, dass es nicht darauf ankommt, ob durch die Maßnahmen eine effektive Verhaltensänderung des Betroffenen herbeigeführt werden konnte.

Priorität des Schutzes der Allgemeinheit

Das Gericht stellte klar, dass das Ziel, die Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrern zu schützen, Vorrang vor dem Erziehungsgedanken hat. Dies gilt insbesondere bei Fahrern, die sich durch eine Anhäufung eng aufeinander folgender Verkehrsverstöße als ungeeignet erwiesen haben. Negative berufliche Auswirkungen der Entziehung der Fahrerlaubnis, wie der Verlust des Arbeitsverhältnisses, wurden vom Gesetz- und Verordnungsgeber als im Interesse des Schutzes anderer Verkehrsteilnehmer hinzunehmende Härten eingestuft.

Anordnung des Sofortvollzugs

Die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins war ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin konnte den Antragsteller nach § 47 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) rechtmäßig zur Ablieferung seines Führerscheins auffordern. Die Abwägung der gegenseitigen Interessen fiel zu Ungunsten des Antragstellers aus, da sich die Ablieferungspflicht bei der gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweist.


Das vorliegende Urteil

VG Koblenz – Az.: 4 L 577/23.KO – Beschluss vom 19.07.2023

In dem Verwaltungsrechtsstreit w e g e n Fahrerlaubnis hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der Beratung vom 19. Juli 2023 beschlossen:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 10.000,– € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.

Der bei verständiger Würdigung des Antragsbegehrens (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO)

hinsichtlich der gemäß § 4 Abs. 9 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO sofort vollziehbaren Fahrerlaubnisentziehung auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers und hinsichtlich der für sofort vollziehbar erklärten Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins auf deren Wiederherstellung gerichtete Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 und 2 VwGO zulässig, aber unbegründet.

1. Bei der vom Gericht zu treffenden eigenen Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO überwiegt das öffentliche Interesse am Vollzug der Fahrerlaubnisentziehung das Interesse des Antragstellers, die Fahrerlaubnis vorläufig behalten zu dürfen. Denn die Fahrerlaubnisentziehung erweist sich bei der in Eilverfahren angezeigten summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig.

Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG. Danach gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist zu entziehen, wenn sich nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem ein Stand von acht Punkten oder mehr ergibt.

Diese Voraussetzung lag zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis vor. Ausweislich der in der Verwaltungsakte befindlichen Unterrichtung durch das Kraftfahrbundesamt hatte der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt einen Punktestand von acht Punkten erreicht.

Zudem hat die Antragsgegnerin die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 StVG

beachtet und die nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 StVG vorgesehenen Maßnahmen ergriffen. Sie hat den Antragsteller mit Schreiben vom 28. März 2023 bei einem Punktestand von vier Punkten ermahnt und bei einem Punktestand von sieben Punkten mit Schreiben vom 16. Mai 2023 verwarnt.

Der Antragsteller kann mit seinen hiergegen gerichteten Einwänden nicht durchdringen. Er macht geltend, er habe aufgrund der zeitlichen Abläufe bei Erhalt des Ermahnungsschreibens vom 28. März 2023 bzw. des Verwarnungsschreibens vom 16. Mai 2023 keine Möglichkeit mehr gehabt, die Verstöße aus dem Oktober und November des vergangenen Jahres ungeschehen zu machen und sein Verhalten zu ändern. Der Sinn und Zweck der Schreiben könne deshalb nicht mehr erreicht werden.

Dem steht § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 StVG entgegen. Danach werden bei der Berechnung des Punktestandes Zuwiderhandlungen unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind. Diese Vorschrift soll die Punktebewertung eines Verkehrsverstoßes auch dann ermöglichen, wenn er vor dem Ergreifen einer Maßnahme begangen wurde, bei dieser Maßnahme aber noch nicht verwertet werden konnte, beispielsweise weil deren Ahndung erst später Rechtskraft erlangt hat oder sie erst später im Fahreignungsregister eingetragen oder der Behörde zur Kenntnis gelangt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2017 – 3 C 21.15 –, juris, Rn. 24). Es kommt somit nicht darauf an, ob durch die Maßnahmen eine effektive Verhaltensänderung des Betroffenen herbeigeführt werden konnte. Entsprechendes ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung: „Es kommt nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem demnach nicht darauf an, dass eine Maßnahme den Betroffenen vor der Begehung weiterer Verstöße erreicht und ihm die Möglichkeit zur Verhaltensänderung einräumt, bevor es zu weiteren Maßnahmen kommen darf. Denn das neue System kennt keine verpflichtende Seminarteilnahme und versteht den Erziehungsgedanken damit auch nicht so, dass jede einzelne Maßnahme den Fahrerlaubnis-Inhaber individuell ansprechen können muss in dem Sinne, dass nur sie die Verhaltensbeeinflussung bewirken kann. Die Erziehungswirkung liegt vielmehr dem Gesamtsystem als solchem zu Grunde, während die Stufen in erster Linie der Information des Betroffenen dienen. Die Maßnahmen stellen somit lediglich eine Information über den Stand im System dar.“ (vgl. BT-Ds. 18/2775, S. 9 f.)

Das Ziel, die Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrern zu schützen, soll Vorrang vor dem Erziehungsgedanken haben. Dies gilt insbesondere bei Fahrern, die sich durch eine Anhäufung eng aufeinander folgender Verkehrsverstöße als ungeeignet erwiesen haben (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2017 – 3 C 21.15 –, juris, Rn. 23). Da mithin die Voraussetzungen der Fahrerlaubnisentziehung vorlagen, war diese zwingend zu entziehen. Eine andere Bewertung ist hier nicht ausnahmsweise deshalb geboten, weil die Entziehung der Fahrerlaubnis – wie der Antragsteller geltend macht – zum Verlust seines Arbeitsverhältnisses führen würde. Negative berufliche Auswirkungen der Entziehung der Fahrerlaubnis kommen nicht selten vor und sind vom Gesetz- und Verordnungsgeber bei der Schaffung der hier einschlägigen Regelungen berücksichtigt und als im Interesse des Schutzes anderer Verkehrsteilnehmer hinzunehmende Härten eingestuft worden.

2. Die Anordnung des Sofortvollzugs gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO hinsichtlich der Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.

Sie begegnet keinen formellen Bedenken; insbesondere wurde sie ausreichend begründet. Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Bescheides schriftlich zu begründen. Die Begründung soll auf den konkreten Fall abstellen und darf nicht lediglich formelhaft sein. Sie darf dennoch knapp sein und es darf auf die Gründe des zu vollziehenden Verwaltungsaktes Bezug genommen werden, wenn diese zugleich die besondere Dringlichkeit rechtfertigen (vgl. OVG RP, Beschluss vom 28. Januar 2021 – 1 B 11431/20.OVG –, juris, Rn. 6). Diesen Anforderungen genügt die Begründung des Sofortvollzugs durch die Antragsgegnerin. So wird insbesondere dargelegt, dass der Antragsteller ansonsten durch Vorzeigen des Führerscheins den Anschein des Bestehens einer gültigen Fahrerlaubnis erwecken könnte.

Die Anordnung des Sofortvollzugs ist ebenso wenig materiell-rechtlich zu beanstanden. Die im Rahmen von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Abwägung der

gegenseitigen Interessen fällt zu Ungunsten des Antragstellers aus, da sich die Ablieferungspflicht bei der gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweist. Da die Fahrerlaubnisentziehung wie oben dargelegt rechtlich nicht zu beanstanden ist, konnte die Antragsgegnerin den Antragsteller nach § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV rechtmäßig zur Ablieferung seines Führerscheins auffordern.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Kammer hat sich dabei an den Ziffern 1.5, 46.2, 46.3, 46.4 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 orientiert.

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