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Bußgeldverfahren Gebührenbemessung – Mittelgebühr als Ausgangspunkt gerechtfertigt

AG Hamburg-Harburg – Az.: 621 OWi 128/21 – Beschluss vom 03.06.2021

In dem Bußgeldverfahren wegen § 62 OWIG beschließt das Amtsgericht Hamburg-Harburg – Abteilung 621 – durch den Richter pp. am 03.06.2021:

1. Auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 04.05.2021 wird der Kostenfestsetzungsbescheid der Freien und Hansestadt Hamburg — Behörde für Inneres und Sport – vom 20.04.2021 aufgehoben. Die Gebühren und Auslagen werden auf 573,58 € festgesetzt.

2. Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens sowie die insoweit notwendigen Auslagen des

Betroffenen trägt die Staatskasse.

Gründe:

Der Verteidiger begehrt aus eigenem Recht die Korrektur des Kostenfestsetzungsbescheides vom 20.4.2021. Der Antrag ist nach §§ 108, 62 OWiG zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet.

Zugrunde liegt ein straßenverkehrsrechtliches Bußgeldverfahren wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes außerorts, das mit 160,00 EUR zu ahnden wäre und bei Verurteilung ein Fahrverbot von einem Monat, sowie einen Punkt im FAER als mittelbare Folge mit sich bringen würde.

Der Verteidiger hatte gegen den Bußgeldbescheid fristgemäß am 16.12.2020 Einspruch eingelegt und diesen Einspruch mit Schreiben vom 20.01.2021 begründet. Die Behörde hatte sodann am 11.02.2021 nach Anzeigenrücknahme die Einstellung des Verfahrens vorgenommen und den Bußgeldbescheid zurückgenommen (BI. 35 d.A.).

Der Verteidiger hat am 24.03.2021 (BI. 37 d.A) einen Ausgleichsantrag für die angefallenen Anwaltsgebühren gestellt. Er bezifferte seine Gebühren und Auslagen wie folgt:

Tätigkeit im Bußgeldverfahren

1) Grundgebühr, § 14 RVG i. V. m. Nr. 5100 VV RVG: 110,00 €

2) Verfahrensgebühr, § 14 RVG i. V. m. Nr. 5103 W RVG: 176,00 €

3) Erledigungsgebühr, § 14 RVG i.V.m. Nr. 5115, 5210 VV RVG: 176,00 €

4) Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG: 20,00 €

5) Umsatzsteuer, Nr. 7008 RVG: 91,58 €

Gesamtbetrag 573,58 €

Der Gesamtbetrag entspricht der obigen Tenorierung. Mit Bescheid vom 20.04.2021 hat die Bußgeldbehörde die Gebühren auf 202,30 EUR gekürzt: Grundgebühr 60 EUR, Verfahrensgebühr 90 EUR, Erledigungsgebühr 00,00 EUR, Pauschale 20 EUR, Mehrwertsteuer 32,30 EUR. Bei durchschnittlichen Verkehrsordnungswidrigkeiten sei üblicherweise nur eine herabgesetzte Mittelgebühr anzusetzen. Das Verfahren habe keine tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten aufgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Verteidiger mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Die Mittelgebühr sei jeweils gerechtfertigt, da auch in straßenverkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeitsverfahren grundsätzlich von der Mittelgebühr auszugehen sei. Weiterhin stelle die Angelegenheit bereits aufgrund der drohenden Eintragung eines Punktes im Verkehrszentralregister eine besondere Bedeutung für den Betroffenen dar. Weiterhin sei auf die individuelle Bedeutung für den Mandanten abzustellen. Vorliegend habe auch die Verhängung eines Fahrverbotes im Raume gestanden – dies sei vorliegend grundlegend verkannt worden.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig gemäß §§ 108 Abs. 1 Nr. 3, 62 OWiG. Insbesondere wahrt er die zweiwöchige Frist des § 108 Abs. 1 Satz 2 OWiG.

Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.

Die Bußgeldbehörde hat die seitens des Verteidigers beantragte Auslagen- und Gebührenfestsetzung bei der Grundgebühr nach Nr. 5100 VV RVG sowie der Verfahrensgebühr nach Nr.5103 VV RVG und der Erledigungsgebühr nach Nr. 5115 RVG zu Unrecht gekürzt.

Die Rahmengebühr nach § 14 RVG ist unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen zu bestimmen. Hiernach war die Mittelgebühr festzusetzen.

Unter der Geltung der BRAGO war streitig, ob in Bußgeldverfahren wegen alltäglicher Verkehrsordnungswidrigkeiten die Mittelgebühr oder lediglich nur im unteren Bereich des jeweiligen Rahmens liegende Gebühren als angemessen angesehen werden können. Unter der Geltung des RVG ist jedoch nach weit überwiegender Rechtsprechung bei straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren grundsätzlich der Ansatz der Mittelgebühr als Ausgangspunkt gerechtfertigt (vgl. AG München Endurteil v. 2.12.2019 — 213 C 16136/19; AG Landstuhl Beschl. v. 8.4.2020 — 2 OWi 186/20; AG Trier Beschl. v. 8.12.2020 — 35a OWi 58/20). Insbesondere wird die Mittelgebühr in der Regel als gerechtfertigt angesehen, wenn ein Fahrverbot in Frage steht oder Eintragungen in das Verkehrszentralregister (vgl. AG Frankenthal AGS 2005, 293 f, AG Viechtach AGS 2007, 83f, AG Pinneberg AGS 2005, 552 f; AG Trier Beschl. v. 8.12.2020 — 35a OWi 58/20). Dies ist hier der Fall. In dem Bußgeldbescheid vom 16.12.2020 wurde gegen den Betroffenen ein Bußgeld in Höhe von 160,00 € festgesetzt. Diese Festsetzung zieht die Eintragung von einem Punkt im Fahreignungsregister nach sich. Weiterhin wurde ein einmonatiges Fahrverbot festgesetzt.

Des Weiteren ist ein Anspruch auf Erstattung einer Erledigungsgebühr nach Nr. 5115 Abs.1 Nr.1 VV RVG vorliegend gegeben. Ein entsprechender Anspruch entsteht dann, wenn das behördliche Verfahren gemäß § 46 Abs. 1 OWiG iVm § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wird. Dies war vorliegend der Fall. Die Argumentation der Behörde, die hiesige Einstellung beruhe allein auf der Recherche der Verwaltungsbehörde hinsichtlich der Beschilderung, überzeugt schon deshalb nicht, da insofern die Tatbestandsmäßigkeit der Nr. 5115 Abs.1 Nr.1 VV RVG nicht negiert wird. Insofern reicht ein Beitrag „zur Förderung des Verfahrens“. Das ist weniger als „zur Erledigung“ (BGH, Urteil vom 18. 9. 2008 – IX ZR 174/07). Damit spannt VV 5115 den Rahmen sehr weit. Die Ausführungen des Verteidigers in dessen Einspruchsbegründung vom 20.01.2020 waren jedenfalls als Förderung der Verfahrenseinstellung geeignet und demnach als tatbestandsmäßige „Mitwirkung“ zu der Einstellung des behördliche Verfahrens zu sehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 62 Abs.2 i.V.m. 473, 467 Abs.1 StPO.

Diese Entscheidung ist gemäß § 62 Abs.2 S.2, § 108 Abs.1 OWiG nicht anfechtbar.

 

 

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