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Ersterteilung Fahrerlaubnis bei mehrfachen Verurteilungen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis

Fahrerlaubnis trotz mehrfacher Verurteilungen?

Das VG Berlin wies die Klage eines serbischen Staatsbürgers auf Ersterteilung einer Fahrerlaubnis ab. Der Kläger, mehrfach wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt, konnte die notwendige Fahreignung nicht nachweisen. Er scheiterte daran, ein gefordertes medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen, was als Indiz für mangelnde Fahreignung gedeutet wurde.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 K 330/21  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Klage abgewiesen: Das Gericht entschied gegen den Kläger, der die Erteilung einer Fahrerlaubnis begehrte.
  2. Mehrfache Verurteilungen: Der Kläger wurde mehrfach wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt.
  3. Fehlendes Gutachten: Der Kläger legte das vom LABO geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht vor.
  4. Zweifel an der Fahreignung: Das Gericht sah in der Nichtvorlage des Gutachtens einen hinreichenden Grund, an der Fahreignung des Klägers zu zweifeln.
  5. Rechtliche Grundlage: Die Entscheidung basierte auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV und weiteren relevanten rechtlichen Normen.
  6. Serbischer Staatsbürger: Der Kläger, ein serbischer Staatsangehöriger, strebte die Erteilung von Fahrerlaubnissen für die Klassen AM, B und L an.
  7. Strafrechtliche Bewährung: Trotz strafrechtlicher Bewährung wurde seine Fahreignung angezweifelt.
  8. Rechtsmittel: Der Kläger nutzte mehrere Rechtsmittel (Widerspruch, Klage), die jedoch erfolglos blieben.

Fahrerlaubnis und Verkehrsrecht: Ein rechtliches Dilemma

Im Zentrum des aktuellen Rechtsdiskurses steht die Ersterteilung einer Fahrerlaubnis nach mehrfachen Verurteilungen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Dieses Thema berührt grundlegende Fragen des Verkehrsrechts und wirft Licht auf die juristischen Herausforderungen, die entstehen, wenn Personen trotz vorheriger Rechtsverstöße eine offizielle Fahrerlaubnis anstreben. Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin hat sich mit dieser Thematik auseinandergesetzt und liefert wichtige Erkenntnisse darüber, wie das Rechtssystem mit solchen Fällen umgeht.

Die Entscheidung, ob jemandem nach wiederholten Gesetzesbrüchen im Straßenverkehr die Erlaubnis zum Führen eines Fahrzeugs erteilt wird, ist von signifikanter Bedeutung. Sie betrifft nicht nur die individuellen Rechte und Pflichten des Antragstellers, sondern auch die allgemeine Verkehrssicherheit und Rechtsordnung. Der Fall vor dem VG Berlin beleuchtet, wie juristische Instanzen mit dem Spannungsfeld zwischen Rehabilitation und Verkehrssicherheit umgehen. Die Ablehnung der Klage und die damit verbundenen Kosten des Verfahrens sowie die Anforderung einer Sicherheitsleistung sind Schlüsselelemente, die in diesem Kontext Beachtung finden. Diese Entscheidung wirft ein Schlaglicht auf die delikaten Abwägungen, die in solchen Fällen vorgenommen werden müssen.

Die Details dieses spezifischen Falles sind nicht nur für Rechtsexperten, sondern auch für die Öffentlichkeit von Interesse. Sie bieten Einblicke in die Funktionsweise des Rechtssystems und dessen Umgang mit komplizierten Verkehrsrechtslagen. Tauchen Sie mit uns in die Tiefen dieses spannenden Rechtsfalls ein, um zu verstehen, wie das VG Berlin zu seiner Entscheidung kam und welche Implikationen dies für ähnliche Fälle in der Zukunft haben könnte.

Rechtsstreit um die Ersterteilung der Fahrerlaubnis

Das Verwaltungsgericht Berlin befasste sich mit einem bemerkenswerten Fall: Ein serbischer Staatsbürger, geboren 1984, beantragte beim Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) die Ersterteilung einer Fahrerlaubnis für die Klassen AM, B und L. Dieser Antrag wurde jedoch aufgrund von Bedenken hinsichtlich seiner Fahreignung abgelehnt. Grundlage für diese Bedenken waren fünf vorherige Verurteilungen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Der Kläger hatte demnach zwischen September 2009 und Dezember 2017 mehrfach gegen § 21 StVG verstoßen.

Ablehnung der Fahrerlaubnis und die geforderte Gutachtenvorlage

Im Oktober 2020 informierte das LABO den Antragsteller über die bestehenden Zweifel an seiner Fahreignung. Es forderte ihn auf, innerhalb von sechs Monaten ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen, um zu klären, ob zukünftig mit weiteren Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften zu rechnen sei. Der Kläger kam dieser Aufforderung jedoch nicht nach. In seiner Verteidigung argumentierte er, dass von einer geistigen oder körperlichen Nichteignung nicht ausgegangen werden könne, und bezog sich dabei auf ein Urteil des Landgerichts Berlin, welches eine isolierte Sperre ausschloss.

Juristischer Weg des Klägers und LABOs Argumentation

Nachdem das LABO die Erteilung der Fahrerlaubnis im März 2021 ablehnte, legte der Kläger Widerspruch ein. Das LABO wies diesen jedoch zurück, indem es betonte, dass die Deliktsart „Fahren ohne Fahrerlaubnis“ eine grundsätzliche Missachtung der Verkehrssicherheit darstelle. Der Kläger erhob daraufhin Klage, argumentierte aber vergeblich, dass die strafrechtlichen Verurteilungen nicht unter § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV fielen. Der Beklagte hielt die Klageanträge für unzulässig und verwies auf die Begründung des Ausgangs- und Widerspruchsbescheids.

Entscheidung des VG Berlin und deren Begründung

Das VG Berlin wies die Klage des Antragstellers schließlich ab. Es stellte fest, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Beauftragung der Prüfstelle mit seiner Prüfung hatte, da ihm die Fahreignung fehlte. Die Anordnung zur Begutachtung war sowohl formell als auch materiell rechtmäßig. Das Gericht betonte, dass die Nichtvorlage des geforderten Gutachtens ein hinreichender Grund für die Annahme mangelnder Fahreignung sei. Die Entscheidung berücksichtigte die vorherigen Verurteilungen des Klägers und die Tatsache, dass er das geforderte Gutachten nicht vorgelegt hatte. Der Kläger wurde außerdem dazu verpflichtet, die Kosten des Verfahrens zu tragen.

In diesem Urteil spiegeln sich die komplexen Abwägungen wider, die in Fällen der Ersterteilung einer Fahrerlaubnis nach mehrfachen Verkehrsverstößen erforderlich sind. Es zeigt auf, wie das Rechtssystem mit der Balance zwischen individuellen Rechten und der öffentlichen Verkehrssicherheit umgeht.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Wie wirken sich „Verurteilungen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis“ auf die Erteilung einer Fahrerlaubnis aus?

Fahren ohne Fahrerlaubnis ist in Deutschland eine Straftat, die gemäß § 21 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet werden kann. Es ist wichtig zu unterscheiden zwischen dem Fahren ohne Fahrerlaubnis und dem Fahren ohne Führerschein. Letzteres bezieht sich auf das Fahren ohne den physischen Nachweis der Fahrerlaubnis und wird in der Regel mit einem Verwarnungsgeld von 10 Euro geahndet.

Die Auswirkungen einer Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis auf die Erteilung einer Fahrerlaubnis können vielfältig sein. Eine solche Verurteilung kann dazu führen, dass die zuständige Führerscheinstelle eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) anordnet, bevor eine neue Fahrerlaubnis erteilt wird. Die MPU ist ein Test, der die Eignung einer Person zum Führen eines Fahrzeugs bewertet. Wenn die MPU nicht bestanden wird, bleibt der Führerschein bei den Behörden.

Darüber hinaus kann eine Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis auch zu einer Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis führen. Diese Sperrfrist kann von einigen Monaten bis zu mehreren Jahren reichen, abhängig von den genauen Umständen des Falles.

Es sollte auch beachtet werden, dass das Fahren ohne Fahrerlaubnis zusätzlich drei Punkte im Fahreignungsregister in Flensburg zur Folge hat. Ein hoher Punktestand in diesem Register kann ebenfalls die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis beeinträchtigen.

Schließlich kann eine Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis auch dazu führen, dass die Haftpflicht- und Rentenversicherungsansprüche erlöschen. Dies kann finanzielle Auswirkungen haben und die Fähigkeit einer Person, eine Fahrerlaubnis zu erhalten oder zu behalten, weiter beeinträchtigen.


Das vorliegende Urteil

VG Berlin – Az.: 4 K 330/21 – Urteil vom 25.11.2022

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweiligen Vollstreckungsbetrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die erstmalige Erteilung einer Fahrerlaubnis.

Der 1984 geborene Kläger ist serbischer Staatsangehöriger. Er beantragte unter dem 4. Februar 2020 beim Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) die erstmalige Erteilung einer Fahrerlaubnis für die Klassen AM, B und L. Mit Schreiben vom 26. Oktober 2020 teilte die Behörde dem Kläger daraufhin mit, dass Bedenken an dessen Fahreignung bestünden. Diese stützte die Behörde auf insgesamt fünf Verurteilungen des Klägers wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG), die auf Fahrten zwischen September 2009 und Dezember 2017 beruhten. Während das zuständige Amtsgericht Tiergarten zunächst durch Strafbefehle entschieden hatte, ergingen am 28. Januar 2016, am 11. Oktober 2016 sowie am 30. Oktober 2018 jeweils Strafurteile. Die im letztgenannten Urteil (3031 Js 8032/18 290) verhängte Freiheitsstrafe von sechs Monaten änderte das Landgericht im Berufungsverfahren ((571) 232 AR 299/18 Ns (2/19)) dahingehend ab, dass die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde und die Sperrfrist entfiel. Daher forderte das LABO den Kläger innerhalb von sechs Monaten zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens im Ersterteilungsverfahren auf, in dem die Frage beantwortet werden solle, ob bei ihm aufgrund der aktenkundigen Tatsachen zukünftig mit Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften zu rechnen sei. Dabei bezog sich die Behörde auf § 11 Abs. 3 Nr. 5 und § 11 Abs. 6 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) und wies zugleich darauf hin, dass im Fall einer Nichtbeibringung von einer mangelnden Fahreignung ausgegangen werden dürfe. Ferner wies die Behörde den Kläger auf die Möglichkeit der Akteneinsicht hin. Hiergegen wandte der nunmehr anwaltlich vertretene Kläger mit Schreiben vom 7. November 2020 ein, es erschließe sich nicht, weshalb von einer geistigen oder körperlichen Nichteignung seiner Person ausgegangen werde. Aus dem Berufungsurteil des Landgerichts Berlin vom 17. Juni 2019 folge, dass ein isolierter Entzug bzw. eine isolierte Sperre nicht angeordnet werden dürften. Die Kammer habe keinen Grund gesehen, an seiner charakterlichen Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu zweifeln. Diese Beurteilung setzt eine umfassende Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Fahrerlaubnisinhabers voraus. Erschwerende Umstände hätten nicht vorgelegen. Eine erhebliche Straftat im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr liege nicht vor, insbesondere deute nichts auf ein erhöhtes Aggressionspotenzial hin. Auch habe keine Fahrt unter Drogen- oder Alkoholeinfluss stattgefunden. Wenn die Fahrerlaubnis nach Absolvierung der Prüfungen erteilt werde, könne er auch denklogisch nicht mehr wegen des Delikts Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt werden.

Mit Bescheid vom 23. März 2021 lehnte das LABO die Erteilung einer Fahrerlaubnis ab. Im Fall des Klägers hätten Bedenken an seiner Kraftfahreignung bestanden. Der Aufforderung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei er nicht nachgekommen. Er habe also selbst dazu beigetragen, dass die Bedenken nicht ausgeräumt worden seien.

Hiergegen legte der Kläger unter dem 16. April 2021 Widerspruch ein. Dabei wiederholte er die bislang vorgetragenen Gründe. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2021 wies die Behörde den Widerspruch zurück. Dabei wiederholte und vertiefte das LABO die bereits genannten Gründe. Ergänzend führte es aus, die Deliktsart Fahren ohne Fahrerlaubnis sei durch eine grundsätzliche Einstellung eines Kraftfahrers zur Verkehrssicherheit charakterisiert. Derjenige, der ein solches Delikt vor Antritt der Fahrt begehe, stelle seine subjektiven Bedürfnisse über die normativen Gegebenheiten des Straßenverkehrs. Etwaige wirtschaftliche Auswirkungen der Versagung der Fahrerlaubnis könnten nicht berücksichtigt werden.

Gegen den am 8. Juli 2021 zugestellten Bescheid wendet sich der Kläger mit der am 9. August 2021 (einem Montag) erhobenen Klage. Ergänzend zum bisherigen Vorbringen trägt er vor, der Gesetzgeber habe aus gutem Grund zwischen den einzelnen Verstößen im Straßenverkehr differenziert und unterschiedliche Folgen hieran geknüpft. Daher fielen strafrechtliche Verurteilungen nicht unter § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV. Wenn die strafrechtliche Verurteilung die charakterliche Nichteignung des Delinquenten verneine, sei auch die Behörde hieran gebunden. Schließlich habe auch das Amtsgericht in seinem Beschluss vom 2. November 2021 ((290 DS) 3031 Js 2496/16 (34/15) Bwh1) die Reststrafe nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich wörtlich, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23. März 2021 (III C 1314/091284) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2021 (III AbtL 2 Ni-565/21C) zu verurteilen, die beantragte Genehmigung zum Erwerb der Fahrerlaubnis zu erteilen, hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, den Kläger nach Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hält die Klageanträge für unzulässig und verweist im Übrigen in der Sache auf die Begründung von Ausgangs- und Widerspruchsbescheid. Die Eignungszweifel resultierten aus sechs Eintragungen im Fahreignungsregister und dürften trotz der strafrechtlichen Bewährung berücksichtigt werden. Soweit sich der Kläger überdies darauf berufe, dass die Fahrerlaubnisbehörde an die Feststellungen des Strafgerichts gebunden sei, gelte dies ausdrücklich nur im Rahmen eines Entziehungsverfahrens. Die Eignungsprüfung sei im Erteilungsverfahren den Fahrerlaubnisbehörden überantwortet. Das Landgericht habe dem Kläger lediglich eine Chance einräumen wollen, die Fahrerlaubnis nunmehr zu erwerben und nur deshalb keine isolierte Sperre angeordnet. Eine irgend geartete Aussage zur Kraftfahreignung gehe damit nicht einher. Gleiches gelte schließlich für die Feststellung der Bewährung des Klägers. Diese sei mit der Kraftfahreignung des Klägers keinesfalls deckungsgleich.

Für weitere Einzelheiten zum Sach- und Streitstand und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die Streitakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen, welche vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

I. Im Einverständnis der Beteiligten konnte der Berichterstatter (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO) entscheiden. Das Urteil ergeht trotz der Abwesenheit des Klägers bzw. seines Bevollmächtigten im Termin der mündlichen Verhandlung, weil die Beteiligten unter Hinweis auf diese Rechtsfolge geladen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO). Soweit der Bevollmächtigte in seinem unmittelbar vor dem Termin übersandten Schriftsatz vom 25. November 2022 sein Ausbleiben mit „Symptomen einer Covid-19-Erkrankung“ erklärt hat, gibt dies zu einer nochmaligen Vertagung der Sache keinen Anlass, zumal er ohnehin ein Einverständnis mit einer schriftlichen Entscheidung erklärt und damit auf eine mündliche Verhandlung verzichtet hat.

II. Die Klage ist zulässig. Soweit der Kläger im Hauptantrag wörtlich die Erteilung einer Genehmigung zum Erwerb der Fahrerlaubnis beantragt hat, geht dies fehl, weil es einer solchen Genehmigung nach der gesetzlichen Konzeption nicht bedarf. Vielmehr ist das Verfahren bei der erstmaligen Erteilung einer Fahrerlaubnis nach § 22 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1980), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 18. März 2022 (BGBl. I S. 498) wie folgt ausgestaltet: Nach Absatz 2 Satz 1 der Vorschrift hat die Fahrerlaubnisbehörde u.a. zu ermitteln, ob Bedenken gegen die Eignung des Bewerbers zum Führen von Kraftfahrzeugen bestehen. Dazu hat sie nach Satz 2 auf seine Kosten eine Auskunft aus dem Fahreignungsregister und dem Zentralen Fahrerlaubnisregister einzuholen. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung des Bewerbers begründen, verfährt die Fahrerlaubnisbehörde nach den §§ 11 bis 14 (§ 22 Abs. 2 Satz 5 FeV). Liegen nach Absatz 3 alle Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis vor, hat die Fahrerlaubnisbehörde den Führerschein ausfertigen zu lassen und auszuhändigen. Muss der Bewerber – wie hier – demgegenüber noch die nach § 15 erforderliche Prüfung ablegen, hat die Fahrerlaubnisbehörde die zuständige Technische Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr mit der Prüfung zu beauftragen und ihr den vorbereiteten Führerschein ohne Angabe des Datums der Erteilung der beantragten Klasse unmittelbar zu übersenden (Absatz 4 Satz 1 FeV).

Der Antrag des in der mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Klägers dürfte daher sinngemäß nach § 88 VwGO dahingehend zu verstehen sein, dass er – unter gleichzeitiger Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide – die Verurteilung der Behörde begehrt, die Prüfstelle mit der Prüfung zu beauftragen (vgl. im Rahmen eines Verfahrens nach § 123 Abs. 1 VwGO hierzu jeweils VG Saarlouis Beschluss vom 27. Juli 2021 – 5 L 682/21, BeckRS 2021, 30027 Rn. 22, und OVG Magdeburg Beschluss vom 25. Juni 2021 – 3 M 120/21, BeckRS 2021, 17640). Während die Entscheidung des Prüfers über das Nichtbestehen der Fahrprüfung nur im Rahmen der Entscheidung anfechtbar ist, mit der die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis versagt (vgl. VG Hannover Beschluss vom 9. Juli 2021 – 5 A 4133/21, BeckRS 2021, 46135 Rn. 12 m.w.N.), ist das Rechtsschutzbegehren, die zuständige Behörde zu verurteilen, die zuständige Technische Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr mit der Prüfung zu beauftragen, daher als Minus in einem Verpflichtungsbegehren auf Erteilung der Fahrerlaubnis enthalten (vgl. VGH München, Beschluss vom 20. Februar 2020 – 11 C 19.1980, BeckRS 2020, 4529 Rn. 14 m.w.N.). Damit richtet sich das Begehren des Klägers – anders als der Beklagte meint – nicht auf eine grundsätzlich nicht selbstständig angreifbare Verfahrens- oder Vorbereitungshandlung im Sinne des § 44a VwGO, zumal anderenfalls effektiver Rechtsschutz nicht zu erlangen wäre. Ein auf eine isolierte Feststellung der Fahreignung seitens der Behörde gerichtetes Begehren bliebe demgegenüber zurück und ist damit weniger rechtsschutzintensiv.

III. Die Klage ist aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Beauftragung der Prüfstelle mit seiner Prüfung (§ 22 Abs. 4 Satz 1 FeV). Denn es fehlt ihm an der Fahreignung, so dass der angegriffene Bescheid rechtmäßig ist und ihn nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV – auf den, wie bereits ausgeführt, im Rahmen des Neuerteilungsverfahrens nach § 22 Abs. 2 Satz 5 FeV zurückzugreifen ist – darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser sich weigert, sich untersuchen zu lassen oder er das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. So verhält es sich vorliegend. Der Kläger hat das im Schreiben des LABO vom 26. Oktober 2020 angeforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht beigebracht.

Voraussetzung für eine hierauf gestützte Fahrerlaubnisentziehung ist allerding stets, dass die Anordnung zur Begutachtung ihrerseits rechtmäßig ist. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (st. Rspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 – 3 C 20.15 – juris, Rn. 19 sowie VGH München, Beschluss vom 10. März 2021 – 11 CS 20.2474 – juris, Rn. 20). Dies war hier der Fall.

1. Die Aufforderung an den Kläger, ein Gutachten über seine Fahreignung durch eine amtlich anerkannte Begutachtungsstelle beizubringen, ist rechtmäßig erfolgt. Die Anordnung war formell und materiell rechtmäßig.

a) Den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV entsprechend hat das LABO unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens festgelegt, welche Frage im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären ist, nämlich ob beim Kläger aufgrund der aktenkundigen Verstöße – er ist in der Vergangenheit insgesamt fünf Mal wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) verurteilt worden – zu erwarten ist, dass er zukünftig gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verstößt.

Die Behörde hat ferner in Einklang mit § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV unter Darlegung der genannten Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle oder Stellen mitgeteilt, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist (hier binnen sechs Monaten nach Erhalt des Schreibens) auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat; sie hat schließlich auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in die zu übersendenden Unterlagen hingewiesen.

Schließlich entsprach die Anordnung § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV, weil sie einen Hinweis darauf enthielt, dass im Fall einer Nichtbeibringung von einer mangelnden Fahreignung ausgegangen werden dürfe

b) Die Anordnung zu Beibringung eines Gutachtens zur Klärung von Eignungszweifeln ist auch materiell rechtmäßig erfolgt. Rechtsgrundlage hierfür ist § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV. Danach kann die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) zur Klärung von Eignungszweifeln angeordnet werden, entweder bei einer erheblichen Straftat, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr steht, oder bei Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen. Letzteres ist hier der Fall. Es besteht kein Zweifel daran, dass die genannten Verurteilungen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis sich auf Straftaten beziehen, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen. Auch die von ihm selbst – vermeintlich – zu seinen Gunsten angeführte Entscheidung des OVG Lüneburg (Urteil vom 8. Juli 2014 – 12 LC 224/13 – juris, Rn. 50) geht jedenfalls bei mehrfachen Verurteilungen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis vom Vorliegen des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV aus. Damit geht das Argument des Klägers, die von ihm begangenen Straftaten fielen nicht unter § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV (erheblicher Verstoß oder wiederholten Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften) von vornherein ins Leere; hierauf hat die Behörde ihre Anordnung erkennbar auch gar nicht gestützt. Gleiches gilt für den Vortrag, die Taten wiesen kein erhöhtes Aggressionspotenzial auf bzw. seien nicht unter Alkohol- oder Drogeneinfluss begangen worden.

Zutreffend verweist der Beklagte darauf, dass die strafrechtlichen Verurteilungen hier hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen für die Behörde nicht bindend waren. Denn § 3 Abs. 4 StVG, wonach die Fahrerlaubnisbehörde zum Nachteil des Inhabers der Fahrerlaubnis vom Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen kann, als es sich auf die Feststellung des Sachverhalts oder die Beurteilung der Schuldfrage oder der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht, erstreckt sich nur auf das Entziehungsverfahren, um das es hier nicht geht.

Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass die zuletzt begangenen Straftat zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zwar sieht § 56 Abs. 1 Satz 1 StGB vor, dass das Gericht bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aussetzt, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dieser Vorschrift liegt aber eine andere Zielrichtung zugrunde als der dem Gefahren- und Sicherheitsrecht zuzuordnenden fahrerlaubnisrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung (vgl. VG Mainz Beschluss vom 5. Januar 2016 – 3 L 1528/15 –, BeckRS 2016, 40213). Das Strafgericht trifft also lediglich eine auf die Begehung weiterer Straftaten bezogene Prognoseentscheidung. Diese kann die erforderliche psychologisch-fachliche Untersuchung des Betroffenen, die der Feststellung eines stabilen Einstellungswandels dient, nicht adäquat ersetzen (so auch VG Braunschweig, Urteil vom 21. Januar 2014 – 6 A 101/13 – juris, Rn. 24).

Die Anordnung der Vorlage eines Gutachtens schließlich war auch verhältnismäßig. Sie war geeignet, die zu Recht weit gefasste Fragestellung nach künftigen straßenverkehrsrechtlichen Verstößen des Klägers zu klären. Der Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass in den bisherigen aktenkundigen Verstößen eine allgemeine Haltung des Klägers zum Ausdruck kommt, straßenverkehrsrechtliche Vorschriften zu missachten. Damit greift der Einwand des Klägers zu kurz, künftig – wenn sein Klagebegehren Erfolg habe – könne er denklogisch nicht wieder mit Verstößen wie denjenigen aus der Vergangenheit in Erscheinung treten. Sie war auch im Übrigen erforderlich und angemessen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit entspricht § 167 VwGO und den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

BESCHLUSS

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

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