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Errichten einer baulichen Anlage ohne Genehmigung ordnungswidrig – Bußgeld

OLG Stuttgart – Az.: 4 Rb 33 Ss 897/18 – Beschluss vom 22.11.2018

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Esslingen am Neckar vom 28. Mai 2018 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Esslingen am Neckar zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Esslingen am Neckar hat gegen die Betroffene wegen „einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit, nämlich der wissentlichen Errichtung einer genehmigungspflichtigen Anlage ohne die dafür erforderliche Baugenehmigung“ eine Geldbuße von 6.000 Euro verhängt. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen mit der Sachrüge. Die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart hat die Verwerfung der Rechtsbeschwerde beantragt.

II.

Zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ist der Senat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich der Vorsitzenden berufen (§ 80a Abs. 2 Satz 1 OWiG).

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge Erfolg. Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen den Schuldspruch wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 75 Abs. 1 Nr. 9 LBO nicht, denn es teilt die Tatsachen nicht mit, aus denen sich ergibt, dass das Bauvorhaben der Betroffenen genehmigungspflichtig war. Auch lassen die Feststellungen die Prüfung, ob die Betroffene eine andere Ordnungswidrigkeit verwirklicht hat, nicht zu.

1. Nach den Feststellungen ließ die Betroffene im Zeitraum zwischen Dezember 2015 und dem 21. Januar 2016 als Bauherrin umfangreiche Umbauarbeiten an einer bestehenden Lagerhalle in Neuhausen auf den Fildern für eine Nutzungsänderung in ein Hotel „wissentlich ohne die dafür erforderliche Baugenehmigung“ vornehmen. Trotz einer ihr gegenüber als Bauherrin mit Entscheidung vom 2. Februar 2016 verfügten Einstellung der Bauarbeiten wurde bei einer Kontrolle vor Ort am 25. Mai 2016 ein weiterer Baufortschritt, der in einen Zustand kurz vor Fertigstellung des Vorhabens mündete, festgestellt. Eine von der Betroffenen im Dezember 2015 beantragte Baugenehmigung wurde erst am 29. August 2016 erteilt.

2. Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Errichtens einer baulichen Anlage ohne Genehmigung nach § 75 Abs. 1 Nr. 9 LBO nicht.

a) Nach dieser Vorschrift handelt ordnungswidrig, wer als Bauherr eine nach § 49 LBO genehmigungspflichtige Anlage ohne Genehmigung errichtet. Nach § 2 Abs. 13 Nr. 1 LBO steht die Nutzungsänderung der Errichtung gleich. Die Verwirklichung des Tatbestandes erfordert aber ein genehmigungspflichtiges Vorhaben. Von der allgemeinen Genehmigungspflicht für bauliche Anlagen, wie sie in § 2 Abs. 1 LBO legaldefiniert sind, nimmt § 49 LBO ausdrücklich unter anderem solche Vorhaben aus, für die das Kenntnisgabeverfahren nach § 51 LBO gilt (Hofmeister/Mayer in BeckOK Bauordnungsrecht BW, § 75 LBO Rn. 41 (Stand: September 2018)).

Die vorhabenbezogenen Voraussetzungen für das Kenntnisgabeverfahren sind in § 51 Abs. 1 LBO geregelt. Unter anderem unterstellt § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO Gebäude der Gebäudeklassen 1 bis 3, die in § 2 Abs. 4 LBO definiert sind, dem Kenntnisgabeverfahren. Die Bestimmung schließt zwar Gaststätten vom Kenntnisgabeverfahren ausdrücklich aus. Darunter fallen Schank- und Speisewirtschaften im Sinne von § 1 des Landesgaststättengesetzes vom 10. November 2009 (GBl. S. 628, 629), § 1 Abs. 1 GastG, auch wenn sie gaststättenrechtlich keiner Erlaubnis bedürfen (LT-Drucks. 14/5013 S. 48; Landel BeckOK Bauordnungsrecht BW, § 38 LBO Rn. 49 (Stand: September 2018); Schlotterbeck in Schlotterbeck, LBO, 7. Aufl., § 51 Rn. 8). Dies gilt – anders als bei der Definition des § 38 Abs. 2 Nr. 15 LBO – auch für Betriebsgebäude für Schank- oder Speisewirtschaften mit nicht mehr als 40 Gastplätzen (LT-Drucks. 14/5013, S. 51; Seith in BeckOK Bauordnungsrecht BW, § 51 LBO Rn. 15.2 (Stand: Februar 2018)). Beherbergungsbetriebe sind jedoch durch Art. 8 Nr. 1 Buchstabe c des Gesetzes zur Umsetzung von Vorschlägen zu Bürokratieabbau und Deregulierung aus den Regionen vom 21. Juni 2005 (BGBl. I. S. 1666, 1669) von der Begriffsbestimmung des Gaststättengewerbes, an die die landesrechtliche Regelung anknüpft, ausgenommen worden (BR-Drucks. 666/04, S. 16; BR-Drucks. 126/05; BT-Drucks. 15/5480, S. 3). Hotelbetriebe sind nur dann eine Gaststätte, wenn zum Beherbergungsbetrieb ein Restaurant gehört, das nicht nur Hotelgästen, sondern auch Dritten zur Verfügung steht (Ambs in Erbs/Kohlhaas § 1 GastG Rn. 2 (Stand: Oktober 2008)).

§ 51 Abs. 2 LBO beinhaltet bauplanungsrechtliche Voraussetzungen für das Kenntnisgabeverfahren. Danach muss das Vorhaben innerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB, der nach dem 29. Juni 1961 rechtsverbindlich geworden ist, oder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Sinne der §§ 12, 30 Abs. 2 BauGB und außerhalb des Geltungsbereichs einer Veränderungssperre im Sinne des § 14 BauGB liegen. Es darf den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widersprechen.

b) Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen ist nicht belegt, dass die hier in Rede stehende Anlage genehmigungspflichtig war. Das Amtsgericht gibt weder Tatsachen an, welche die vorhabenbezogenen Voraussetzungen des Kenntnisgabeverfahrens ausschließen, noch stellt es Umstände fest, nach denen die bauplanerischen Voraussetzungen des Kenntnisgabeverfahrens nicht vorliegen. Die bloße Rechtsbehauptung, das Bauvorhaben sei genehmigungspflichtig, genügt hier nicht. Die Genehmigungsbedürftigkeit einer baulichen Anlage ist ein komplexer Rechtsbegriff, dessen tatsächliche Grundlagen das Tatgericht festzustellen hat, wenn sich dies nicht ausnahmsweise aufgrund der Umstände von selbst versteht.

Den Feststellungen lässt sich auch im Gesamtzusammenhang nicht entnehmen, dass die hier in Rede stehende bauliche Anlage nicht unter die Gebäudeklassen 1 bis 3 fällt. Das Amtsgericht trifft insbesondere keine Feststellungen zur Höhe des Gebäudes. Das Rechtsbeschwerdegericht kann deshalb nicht beurteilen, ob das Gebäude eine Höhe von mehr als sieben Metern – gemessen von der Fußbodenoberkante des höchstgelegenen als Aufenthaltsraum nutzbaren Geschosses zur Geländeoberfläche im Mittel – aufweist (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 LBO). Auch die gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG in Bezug genommenen Lichtbilder der Außenansicht des Gebäudes lassen dies nicht zweifelsfrei erkennen.

Die Errichtung einer Gaststätte, die das Kenntnisgabeverfahren ausschließt, ist nicht belegt. Allein die beabsichtigte Nutzung als Hotel impliziert nicht zwingend, dass eine Schank- oder Speisewirtschaft, die nicht nur den Hotelgästen zur Verfügung steht, eingerichtet werden sollte.

Das Amtsgericht verhält sich auch nicht dazu, ob das Bauvorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt und gegebenenfalls dessen Festsetzungen widerspricht.

Schließlich ergibt sich die Genehmigungsbedürftigkeit der Anlage auch nicht daraus, dass die Betroffene eine Baugenehmigung beantragt hat, die später auch erteilt wurde. Zwar erteilt im Allgemeinen eine Behörde nur dann eine Genehmigung, wenn auch eine Genehmigungspflicht besteht. Gemäß § 51 Abs. 5 LBO kann aber der Bauherr bei Vorhaben, die dem Kenntnisgabeverfahren unterfallen, gleichwohl das Genehmigungsverfahren beantragen. Weil es bei solchen Vorhaben im Belieben des Bauherrn steht, das Kenntnisgabeverfahren oder ein Baugenehmigungsverfahren zu wählen (Schlotterbeck in Schlotterbeck, LBO, 7. Aufl., § 51 Rn. 22), lässt die Erteilung der Genehmigung keinen Schluss auf die Genehmigungsbedürftigkeit zu.

Die Sache, die weiterer Feststellungen bedarf, wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts (§ 79 Abs. 6 OWiG), die auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu befinden haben wird, zurückverwiesen.

III.

Errichten einer baulichen Anlage ohne Genehmigung ordnungswidri
(Symbolfoto: Von Dmitry Kalinovsky/Shutterstock.com)

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Sollte das Vorhaben der Betroffenen tatsächlich dem Kenntnisgabeverfahren unterfallen, wird das Tatgericht zu prüfen haben, ob die Betroffene eine Ordnungswidrigkeit nach § 75 Abs. 1 Nr. 11 LBO dadurch begangen hat, dass sie entgegen § 59 Abs. 4 oder 5 LBO mit der Bauausführung begonnen hat.

Bei einer neuen Beweiswürdigung durch das Tatgericht wird insbesondere Bedacht darauf zu nehmen sein, auch tragfähig darzulegen, weswegen gegebenenfalls von vorsätzlichem Handeln ausgegangen wird.

Weiter wird das Tatgericht auf den bereits in der Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft enthaltenen Hinweis (vgl. BayObLG, Beschluss vom 27. Juni 1990 – 3 Ob OWi 35/90, NVwZ-RR 1990, 535; Hofmeister/Mayer in BeckOK Bauordnungsrecht BW, § 75 LBO Rn. 45 (Stand September 2018)) zu achten haben, dass angesichts der Baueinstellungsverfügung vom 2. Februar 2016 das bis dahin möglicherweise unbefugte Bauen durch die Zustellung einer Baueinstellungsanordnung als (auch prozessual) selbständiger Verstoß zu bewerten ist. Für das nachfolgende Handeln der Betroffenen fehlt es bisher an der Verfahrensvoraussetzung eines diese Tat umfassenden Bußgeldbescheides. Der Bußgeldbescheid benennt als Tatzeitraum ausdrücklich Dezember 2015 bis Januar 2016. Das Nachtatgeschehen könnte somit nur im Rahmen der Bußgeldzumessung gewertet werden.

Für die Bemessung des Bußgelds sind gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 OWiG die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft, Grundlage. Bei nicht geringfügigen Ordnungswidrigkeiten, die bei einer Ahndung mit mehr als 250 Euro vorliegen, sind zudem regelmäßig die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betroffenen zu berücksichtigen (§ 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG). Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen gehören Umstände, die geeignet sind, die Fähigkeit des Betroffenen, eine bestimmte Geldbuße aufzubringen, zu beeinflussen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Dezember 2007 – IV-2 Ss (OWi) 83/07 – (OWi) 64/07 III, juris Rn. 30).

Allerdings scheint dem Senat – sollte die neue Verhandlung keine wesentlich anderen Umstände als bisher zu Tage bringen und rechtsfehlerfrei eine Ordnungswidrigkeit nach § 75 Abs. 1 Nr. 9 LBO festgestellt werden – die bisher verhängte Geldbuße von 6.000 Euro selbst für ein Handeln nur bis 2. Februar 2016 keinesfalls unangemessen hoch angesichts der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und des Vorwurfs, der die Betroffene trifft. Dies umso mehr als bisher – zumindest nicht ersichtlich – der wirtschaftliche Vorteil, den die Betroffene aus der Ordnungswidrigkeit durch ein deutlich früheres Fertigstellen des Bauvorhabens gezogen haben dürfte und der vom Tatgericht unter Umständen sogar geschätzt werden könnte, in keiner Weise berücksichtigt wurde (vgl. § 17 Abs. 4 OWiG; Gürtler in Göhler, OWiG, 17. Auflage, § 17 Rn. 45 mwN).

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