Skip to content
Menü

Durchschnittliche Bußgeldsache – Anspruch auf Mittelgebühr

Verkehrsrecht und Bußgeldverfahren: Anspruch auf Mittelgebühr in der Rechtsschutzversicherung

Dieses Urteil des Amtsgerichts Delbrück (Az.: 2 C 285/19), vom 21.08.2020, behandelt die Frage des Anspruchs auf die sogenannte Mittelgebühr im Rahmen eines durchschnittlichen Bußgeldverfahrens. Hierbei geht es insbesondere um den Fall eines Klägers, der sich gegen einen Bußgeldbescheid aufgrund einer angeblichen Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr zur Wehr gesetzt hat. Der Kern des Rechtsstreits liegt in der Frage, inwieweit die Kostenübernahme durch die Rechtsschutzversicherung des Klägers für die anfallenden Anwaltskosten zu bewerten ist.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 C 285/19 >>>

Wertung der Bedeutung einer Bußgeldangelegenheit

Die Auseinandersetzung dreht sich hauptsächlich um die Definition einer „durchschnittlichen“ Bußgeldsache. Der Kläger argumentiert, dass die Behauptung einer Ordnungswidrigkeit, selbst wenn sie nur mit einem Bußgeld von 25 Euro belegt ist, eine bedeutende Angelegenheit für den betroffenen Bürger darstellen kann. Der Kläger bezieht sich hierbei auf sein ideelles Interesse, seine Unschuld zu beweisen, und argumentiert, dass diese Interessenlage nicht allein anhand des finanziellen Wertes des Bußgeldes bemessen werden darf.

Rolle des Anwalts und der Rechtsschutzversicherung

In dem Urteil wird die Position des Anwalts und seine Verantwortung bei der Beurteilung der Angelegenheit beleuchtet. Es wird deutlich gemacht, dass der Rechtsanwalt durch seine Nähe zum Fall und Kenntnis der individuellen Umstände des Mandanten besser in der Lage ist, die Bedeutung der Angelegenheit zu bewerten. In diesem Kontext wird die Rolle der Rechtsschutzversicherung in Frage gestellt, welche die Bedeutung des Falls anscheinend ausschließlich anhand des finanziellen Interesses des Versicherten bemisst.

Relevanz des ideellen Interesses des Auftraggebers

Die Anerkennung des ideellen Interesses des Auftraggebers durch das Gericht ist ein wesentliches Merkmal dieses Urteils. Das Gericht betont, dass die Betroffenheit eines durchschnittlichen Bürgers bei einer angeblichen Ordnungswidrigkeit nicht nur durch die Höhe der Geldbuße bemessen werden darf. Diese Auffassung könnte bedeutsam für zukünftige Urteile in ähnlichen Bußgeldsachen sein.

Schlussbetrachtung: Das Urteil und seine Implikationen

Zusammengefasst hebt dieses Urteil die Bedeutung des ideellen Interesses des Bürgers hervor und stellt die Rolle und Verantwortung des Anwalts in der Beurteilung der Bedeutung einer Angelegenheit in den Vordergrund. Gleichzeitig wird die Praxis der Rechtsschutzversicherungen kritisiert, welche die Bedeutung eines Falls anscheinend ausschließlich anhand des finanziellen Interesses des Versicherten bemessen. Dies könnte weitreichende Implikationen für zukünftige Bußgeldverfahren und die Rolle der Rechtsschutzversicherungen haben.


Das vorliegende Urteil

AG Delbrück – Az.: 2 C 285/19 – Urteil vom 21.08.2020

1. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten durch unmittelbare Zahlung an diesen von anwaltlichen Kosten in Höhe von 77,35 Euro freizustellen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet, lediglich in Bezug auf die Nebenforderung ist sie unbegründet.

Zwischen den Parteien ist dem Grunde nach unstreitig, dass die Beklagte aus dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrag zur Übernahme der dem Kläger im Zusammenhang mit dem gegen ihn bei der Bußgeldbehörde der Stadt E geführten Bußgeldverfahren entstandenen Rechtsanwaltskosten verpflichtet ist.

Neben dem bereits reguliertem Betrag in Höhe von 349,27 Euro hat die Beklagte einen weiteren Betrag in Höhe von 77,35 Euro zu zahlen, weil insgesamt Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 426,62 Euro entstanden sind. Die Abrechnung der Rechtsanwaltskosten durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers ist nicht zu beanstanden. Dazu wird verwiesen auf das vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer I erstellte Gebührengutachten, auf welches das Gericht nach eigener Prüfung seine Entscheidung zu stützen vermochte. Die Ausführungen, welche vollumfänglich in Bezug genommen werden, sind schlüssig und nachvollziehbar.

Insbesondere der Vorwurf der Beklagten, das Gutachten genüge nicht den Anforderungen des § 14 Abs. 2 RVG, weil die Rechtsanwaltskammer durch die Schlussfolgerung, dass die Sache bereits deshalb, weil der Auftraggeber bußgeldrechtlich in Anspruch genommen werde und er sich dagegen wehren müsse, weil er nicht der Fahrer gewesen sei, bei der Bewertung der Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber als „durchschnittlich“ einzustufen sei, gezeigt habe, dass sie nicht über eine gutachterliche Unparteilichkeit verfüge, ist nicht im Ansatz begründet und angesichts des Renommees, welches die Beklagte als Rechtsschutzversicherungsunternehmen für sich in Anspruch nimmt, durchaus befremdlich. Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer hat in der entsprechenden Passage des Gutachtens dezidiert dargelegt, was Maßstab für die Bestimmung dieses Merkmales ist. Beispielsweise ist neben dem wirtschaftlichen Interesse des Auftraggebers (auf welches die Beklagte ausschließlich abzustellen scheint, indem sie immer wieder auf die Höhe der Geldbuße von „nur“ 25 Euro abstellt) auch dessen ideelles Interesse maßgeblich. Wenn der Vorstand der Rechtsanwaltskammer sodann ausführt, dass vor diesem Hintergrund auch allein der aus Sicht des Auftraggebers ungerechtfertigte Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit durchaus eine durchschnittliche Bedeutung haben kann, ist dies in keiner Art und Weise zu beanstanden. Der Vorwurf des Begehens einer Ordnungswidrigkeit – und sei sie auch nur mit einer Geldbuße von 25 Euro belegt – kann einen durchschnittlichen – gesetzestreuen – Bürger durchaus belasten. Er wird dadurch in seinem Anstands- und Ehrgefühl verletzt, sofern er meint, die Ordnungswidrigkeit nicht begangen zu haben. Er muss sich gegen einen aus seiner Sicht unberechtigten Vorwurf zur Wehr setzen können. Wenn seine diesbezüglichen Sorgen nicht ernst genommen werden, führt dies dazu, dass er den Glauben an und das Vertrauen in den Rechtsstaat verliert. Ob die vorgenannten Erwägungen auf den streitgegenständlichen Fall zutrafen, hat der Anwalt bei Bestimmung der Gebühr nach einer pflichtgemäßen Gesamtabwägung zu beurteilen, worauf der Vorstand der Rechtsanwaltskammer in seinem Gutachten ebenfalls hinweist. Der Rechtsanwalt kennt die Umstände der Mandatsbearbeitung, die nicht sämtlich aktenkundig sein müssen, besser als ein Außenstehender, weshalb ihm auch ein großzügiger Beurteilungsrahmen zuzubilligen ist. Weshalb die Beklagte meint, gerade in diesem Fall die konkreten Umstände des Falles besser zu kennen als der sachbearbeitende Rechtsanwalt und deshalb „von oben herab“ feststellen zu können, dass es dem Auftraggeber nur um dessen wirtschaftliche Interessen gegangen sei, welche in Anbetracht eines Bußgeldes von nur 25 Euro als unterdurchschnittlich zu beurteilen seien, ist nicht im Ansatz nachvollziehbar.

Soweit der Kläger auch die Verzinsung des Anspruches auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten aus Verzugsgesichtspunkten begehrt, war die Klage abzuweisen. Verzugszinsen auf den Freistellungsanspruch können nicht gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB zuerkannt werden. Dass bei dem Kläger ein konkreter Schaden durch die bisherige Nichtzahlung der Anwaltsgebühren eingetreten wäre, ist nicht vorgetragen. Verzugszinsen auf einen Freistellungsanspruch können mangels Rechtsgrundlage auch nicht entsprechend der Regelung beim Zahlungsanspruch verlangt werden, da § 288 BGB auf einen Freistellungsanspruch nicht anwendbar ist (vgl. Staudinger/Manfred Löwisch/Cornelia Feldmann (2014), § 288, Rn. 8 m.w.N.).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Klageabweisung in Bezug auf die geltend gemachte Verzinsung des Freistellungsanspruchs rechtfertigte keine von § 91 Abs. 1 ZPO abweichende Kostenentscheidung. Die Zuvielforderung war verhältnismäßig gering und hat keine höheren Kosten verursacht, auch weil sie lediglich eine Nebenforderung betraf.

III.

Die Regelung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

IV.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 77,35 Euro festgesetzt.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Haben Sie einen Bußgeldbescheid erhalten?

Mit unserer Hilfe teure Bußgelder und Fahrverbote vermeiden!

Wir überprüfen Ihren Bußgeldbescheid kostenlos und unverbindlich auf Fehler und die Möglichkeit eines Einspruchs.
Blitzer Bußgeld prüfen

Rechtstipps aus dem Verkehrsrecht

Urteile über Bußgeld und Ordnungswidrigkeiten

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!