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Vertretungsbefugnis in Untervollmacht auftretender Terminsvertreter ohne schriftliche Vollmacht

KG Berlin – Az.: 3 Ws (B) 270/18 – 122 Ss 126/18 – Beschluss vom 29.10.2018

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 17. September 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgericht Tiergarten zurückverwiesen.

Gründe

Der Polizeipräsident in Berlin hat gegen den Betroffenen wegen eines fahrlässig begangenen Rotlichtverstoßes eine Geldbuße und ein einmonatiges Fahrverbot festgesetzt. In dem Einspruchsschreiben hat die Verteidigerin, Rechtsanwältin X, erklärt, einer Entscheidung im Beschlussverfahren werde widersprochen, „soweit nicht ausdrücklich eine gegenteilige Erklärung erfolgt.“ In der Hauptverhandlung war der erlaubt abwesende Betroffene durch den in Untervollmacht der Verteidigerin auftretenden Rechtanwalt Y verteidigt. Im Hauptverhandlungsprotokoll vom 2. August 2018 findet sich ein Passus, der – bereinigt um Streichungen und Ergänzungen – wörtlich wie folgt lautet: „Der Verteidiger erklärte nunmehr: ‚Ich beschränke den Einspruch auf die Rechtsfolgen. Ferner erklärt ferner, daß ich mit einer Entscheidung im Beschlußwege einverstanden bin‘.“

Am 4. September 2018 hat die Verteidigerin dem Gericht mitgeteilt: „Der Einspruch wurde bereits in der Hauptverhandlung auf die Rechtsfolgen beschränkt. Darüber hinaus wird beantragt, unter angemessener Erhöhung des Bußgeldes auf das Fahrverbot zu verzichten. Einer Entscheidung im Beschlusswege unter Verzicht auf eine Begründung wird bei Kompensation des Fahrverbots zugestimmt.“ Hierauf hat das Amtsgericht den angefochtenen Beschluss erlassen, durch den gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 200 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot festgesetzt worden ist. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat Erfolg.

Die Voraussetzungen, unter denen das Amtsgericht nach § 72 OWiG im Beschlussweg entscheiden darf, lagen hier nicht vor. Der Betroffene hatte dem durch seine Verteidigerin bereits bei der Einspruchseinlegung widersprochen und später – wirksam – vom Widerspruch nur den Fall ausgenommen, dass durch Beschluss vom Fahrverbot abgesehen würde.

Aus der Erklärung des in Untervollmacht aufgetretenen Rechtsanwalts Y, er sei „mit einer Entscheidung im Beschlusswege einverstanden“, ergibt sich nichts anderes. Ob das durch § 72 Abs. 1 Satz 2 OWiG vorgesehene Verfahren einzuhalten gewesen wäre, kann ebenso dahinstehen, wie die Frage, ob der Rechtsanwalt zu einer solchen Erklärung überhaupt befugt war. Zweifel hieran ergeben sich daraus, dass sich bei den Akten zwar eine als „Terminsvollmacht“ bezeichnete Untervollmacht der Verteidigerin Rechtsanwältin X befindet. Die wirksame Vertretung eines von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbundenen Betroffenen setzt aber nach § 73 Abs. 3 OWiG eine schriftliche Bevollmächtigung voraus, also eine Vertretungsvollmacht (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt Beschluss vom 2. März 2018 – 3 Ws (B) 71/18 -; Seitz/Bauer in Göhler, OWiG 16. Aufl., § 73 Rn. 27). Die Verteidigerin Rechtsanwältin X hat überhaupt keine schriftliche Vollmacht zu den Akten gereicht, so dass auch der nur als „Terminsvertreter“ beauftragte und unterbevollmächtigte Rechtsanwalt Y den Betroffenen nicht wirksam vertreten konnte. Zwar konnte der Rechtsanwalt als Verteidiger auftreten und im eigenen Namen Erklärungen abgeben und Anträge stellen. Für den Betroffenen konnte er aber keine wirksamen Prozesserklärungen abgeben. Dies gilt jedenfalls für die Beschränkung des Einspruchs. Für die nach § 72 Abs. 1 OWiG abzugebenden Erklärungen wird zumindest in der Literatur vertreten, dass der Verteidiger sie im eigenen Namen abgeben kann (vgl. HK-OWiG/Krumm, § 72 Rn. 4).

Hierauf kommt es aber nicht entscheidend an. Denn selbst wenn die Zustimmung Rechtsanwalts Y zunächst wirksam gewesen wäre, wäre sie durch das Schreiben der Verteidigerin – Rechtsanwältin X – vom 4. September 2018 wirksam modifiziert worden. Hierdurch wurde nämlich die Zustimmung zur Entscheidung durch Beschluss mit der Bedingung verbunden, dass vom Fahrverbot abgesehen wird. Diese nachträgliche Einschränkung war prozessual zulässig (vgl. zur identischen Sachlage OLG Düsseldorf NJW 1990, 1059). Der für Rechtsmittel bestehende Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit gilt für die nach § 72 Abs. 1 OWiG abgegebene Erklärung jedenfalls dann nicht, wenn es ausschließlich in der Hand des Gerichts liegt, ob es der Bedingung Rechnung tragen will oder nicht (vgl. Senge in Karlsruher Kommentar, OWiG 5. Aufl., § 72 Rn. 19 mwN). Denn beim Widerspruch handelt es sich nicht um ein Rechtsmittel, sondern um ein prozessuales Gestaltungsmittel besonderer Art (vgl. OLG Hamm NStZ 1982, 388; HK-OWiG/Krumm, § 72 Rn. 5; Seitz/Bauer in Göhler, aaO, § 72 Rn. 20 ff; Senge in Karlsruher Kommentar, aaO). Dies hat zur Folge, dass eine einmal erklärte Zustimmung zur Entscheidung nach § 72 OWiG grundsätzlich auch widerrufen und – argumentum a maiore ad minus – beschränkt werden kann. Auf die nach § 72 Abs. 1 Satz 2 OWiG für den Widerspruch vorgesehene Frist kommt es dabei nicht an, weil hier weder der gesetzlich vorgesehene Hinweis gegeben noch die Frist gesetzt worden ist. Damit hat das Amtsgericht trotz des für die konkrete Entscheidung bestehenden Widerspruchs des Betroffenen nach § 72 OWiG entschieden. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben, und die Sache ist an das Amtsgericht Tiergarten zur neuen Entscheidung zurückzuverweisen.

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