AG Bad Kreuznach – Az.: 47 OWi 275/21 – Beschluss vom 11.11.2021
Leitsatz:
Entlastende Umstände im Sinn des § 109a Abs. 2 OWiG sind nur solche wesentlicher Art. Umfasst sind alle Tatsachen, die den gegen den Betroffenen erhobenen Vorwurf ausräumen. Wesentlicher Umstand kann der Name von Entlastungszeugen sein.
In dem Bußgeldverfahren wegen Ordnungswidrigkeit hat das Amtsgericht Bad Kreuznach durch die Richterin Wollschläger am 11.11.2021 beschlossen:
1. Auf den Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung vom 11.10.2021 wird festgestellt, dass die notwendigen Auslagen des Betroffenen im Bußgeldverfahren mit dem Aktenzeichen 010201009940 der Kreiskasse auferlegt werden.
2. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last.
3. Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Gründe:
I.
Am 28.07.2020 wurde gegen den Betroffenen ein Bußgeldbescheid erlassen, mit dem ihm ein Verstoß gegen die 8. Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz vorgeworfen wurde. Gegen den Bußgeldbescheid legte die Verteidigung mit Schriftsatz vom 04.08.2020 Einspruch ein und beantragte Akteneinsicht.
Der Verteidigung wurde die Akteneinsicht mit Schreiben vom 05.08.2020 gewährt.
Mit Schreiben vom 06.08.2020 wurde der Einspruch von der Verteidigung begründet. Die Verteidigung nannte im Rahmen der Einspruchsbegründung zur Entlastung des Betroffenen die Namen mehrerer Zeugen.
Mit Schreiben vom 28.10.2020 teilte die Bußgeldstelle der Verteidigung mit, die Einlassung sei nicht geeignet, den Betroffenen zu entlasten und übersandte die Akten über die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach an das Amtsgericht Bad Kreuznach. Mit Beschluss vom 16.11.2020 verwies das Amtsgericht Bad Kreuznach gemäß § 69 Abs. 5 OWiG das Verfahren wegen offensichtlich ungenügender Aufklärung des Sachverhalts an die Kreisverwaltung Bad Kreuznach zurück. Zur Begründung führte das Amtsgericht Bad Kreuznach aus, der Einlassung des Betroffenen sei seitens der Verwaltungsbehörde nicht nachgegangen worden. Die Verwaltungsbehörde habe es insbesondere unterlassen, die von der Verteidigung genannten Zeugen zu vernehmen.
Mit Schreiben vom 23.09.2021 erfolgte die Einstellung des Verfahrens gemäß §-46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen wurden diesem auferlegt. Zur Begründung führte die Bußgeldstelle aus, der Betroffene habe erst nach Erlass des Bußgeld-bescheids entlastende Umstände vorgebracht. Daher sei § 109a Abs. 2 OWiG anwendbar.
Hiergegen wendet sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung der Verteidigung vom 11.10.2021.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig und begründet.
Bei einer Einstellung gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO gilt hinsichtlich der dem Betroffenen entstandenen Auslagen grundsätzlich § 105 OWiG i.V.m. § 467a Abs. 1 StPO. Nach dieser Vorschrift wären die Kosten der Kreisverwaltung aufzuerlegen.
§ 109a Abs. 2 OWiG enthält für die notwendigen Auslagen des Betroffenen einen fakultativen Ausnahmetatbestand zu der oben genannten Kostenfolge. Nach dieser Vorschrift kann von der oben genannten Kostenfolge abgesehen werden, wenn dem Betroffenen Auslagen entstanden sind, die er durch ein rechtzeitiges Vorbringen entlastender Umstände hätte vermeiden können.
Entlastende Umstände sind nur solche wesentlicher Art. Umfasst sind alle Tatsachen, die den gegen den Betroffenen erhobenen Vorwurf ausräumen. Wesentlicher Umstand kann der Name von Entlastungszeugen sein (vgl. Göhler OWiG, Gürtler § 109a Rn. 10).
Weiterhin muss der Umstand für den Verfahrensausgang (Einstellung, Freispruch) kausal gewesen sein (vgl. Göhler OWiG, Gürtler § 109a Rn. 10). Hieran fehlt es vorliegend. Die Bußgeldbehörde sah die Einlassung der Verteidigung gerade nicht als geeignet an, um den Betroffenen zu entlasten. Es ist daher davon auszugehen, dass die Bußgeldbehörde auch bei früherer Nennung der Entlastungszeugen zu keinem anderen Ergebnis gekommen wäre.