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Bußgeldbewehrter Verstoß gegen Sozialvorschriften im Straßenverkehr

Geldbuße für Fahrtenschreiber-Verstöße im Rübentransport

Unternehmen, die Zugmaschinen ausschließlich für Transportdienstleistungen und nicht für land- oder forstwirtschaftliche Aktivitäten nutzen, müssen Fahrtenschreiber einsetzen und Fahrerkarten verwenden; eine Privilegierung gemäß der Fahrpersonalverordnung besteht nicht, was die Verurteilung des Betroffenen zu einer Geldbuße wegen fahrlässigen Verstoßes bestätigt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 Ws 165/21 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Unternehmen, die ihre Fahrzeuge lediglich im Auftrag landwirtschaftlicher Betriebe nutzen, fallen nicht unter die Ausnahmevorschriften der Fahrpersonalverordnung für land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten.
  • Die Verpflichtung zur Nutzung von Fahrtenschreibern und Fahrerkarten gilt somit auch für diese Unternehmen.
  • Eine Ausnahme von dieser Pflicht besteht nicht, selbst wenn die Fahrzeuge innerhalb eines Umkreises von 100km vom Standort des Unternehmens eingesetzt werden.
  • Die Fahrzeuge wurden zum Zwecke des Rübentransports verwendet, was als reine Transportleistung und nicht als land- oder forstwirtschaftliche Tätigkeit gilt.
  • Der Unternehmer, der seine Mitarbeiter anwies, ohne Fahrtenschreiber zu fahren, handelte fahrlässig und war sich des Verstoßes bewusst oder hätte es sein müssen.
  • Eine weite Auslegung der Ausnahmeregelungen würde sowohl die Verkehrssicherheit als auch den fairen Wettbewerb im Transportgewerbe beeinträchtigen.
  • Die Verurteilung zu einer Geldbuße basiert auf der fahrlässigen Missachtung der gesetzlichen Pflichten zur Nutzung von Fahrtenschreibern und Fahrerkarten.

Sozialvorschriften für Berufskraftfahrer

Die Sozialvorschriften für Berufskraftfahrer regeln die Lenk- und Ruhezeiten im Straßengüterverkehr. Sie dienen dem Arbeits- und Gesundheitsschutz der Fahrer sowie der Verkehrssicherheit. Kernstück ist die EU-Verordnung über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften, die die maximalen Tageslenk- und wöchentlichen Arbeitszeiten festlegt.

Zur Kontrolle der Einhaltung sind Fahrtenschreiber in den Fahrzeugen vorgeschrieben. Bei Verstößen drohen Bußgelder und weitere Sanktionen. Die korrekte Anwendung der Vorschriften ist für Unternehmen im Transportgewerbe von zentraler Bedeutung, um Strafen zu vermeiden und den fairen Wettbewerb zu gewährleisten.

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➜ Der Fall im Detail


Verstoß gegen Fahrpersonalgesetz führt zu Geldbuße

Der Fall dreht sich um einen fahrlässigen Verstoß gegen das Fahrpersonalgesetz (FPersG), speziell um die Nichtbenutzung des Fahrtenschreibers und die Nichtverwendung der Fahrerkarten durch Mitarbeiter eines Unternehmens.

Fahrtenschreiber
(Symbolfoto: Phoenixns /Shutterstock.com)

Der Betroffene, Prokurist der R. und Partner Speditions- und Lagergesellschaft mbH sowie Geschäftsführer einer weiteren Gesellschaft, die Agrardienstleistungen erbringt, setzte fünf LKW-Fahrer zum Rübentransport ein. Er wies diese an, bei ihren Fahrten die Fahrerkarten nicht in das Kontrollgerät einzustecken, basierend auf der Annahme, dass die Fahrzeuge unter eine Ausnahmeregelung der Fahrpersonalverordnung fallen würden, weil sie angeblich für land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt werden.

Gerichtsurteil und seine Begründung

Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt wies die Rechtsbeschwerde des Betroffenen zurück und bestätigte damit das Urteil des Amtsgerichts Magdeburg, welches den Betroffenen zu einer Geldbuße von 1.000,00 € verurteilte. Die Entscheidung beruhte auf der Feststellung, dass die genutzten Fahrzeuge nicht für land- oder forstwirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 FPersV verwendet wurden, sondern für gewerbliche Gütertransporte, und somit der Pflicht zur Nutzung von Fahrtenschreibern und Fahrerkarten unterlagen. Das Gericht betonte, dass Ausnahmevorschriften eng auszulegen sind und der Schutz der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten sowie die Straßenverkehrssicherheit im Vordergrund stehen.

Subjektive Tatseite und fahrlässiges Handeln

Der Betroffene hätte bei angemessener unternehmerischer Sorgfalt erkennen können, dass seine Handlungsweise einen Verstoß gegen die Fahrpersonalverordnung darstellt. Ein möglicher Irrtum über die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung wurde als vermeidbar angesehen, da die Nichtanwendbarkeit für den Betroffenen klar erkennbar gewesen sein sollte. Das Amtsgericht führte aus, dass die R. und Partner Speditions- und Lagergesellschaft mbH offensichtlich kein landwirtschaftliches Unternehmen ist und die Ausnahmeregelung somit nicht greift.

Relevanz der Entscheidung für die Praxis

Das Urteil verdeutlicht die strikte Handhabung der Vorschriften des Fahrpersonalgesetzes und die Bedeutung der Fahrtenschreiber und Fahrerkarten für die Überwachung der Lenk- und Ruhezeiten von LKW-Fahrern. Es unterstreicht auch die Wichtigkeit einer korrekten Auslegung von Ausnahmeregelungen, um Rechtsverstöße und daraus resultierende Bußgelder zu vermeiden.

Abschließende juristische Bewertung

Die Kostenentscheidung folgt den üblichen Grundsätzen, wonach der unterliegende Teil die Verfahrenskosten zu tragen hat. Das Gericht stützt sich auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Dieser Fall illustriert nicht nur die rechtlichen Pflichten von Transportunternehmen im Umgang mit Fahrpersonalvorschriften, sondern dient auch als Warnung für andere Unternehmen, die ähnliche Transportdienstleistungen anbieten, die gesetzlichen Bestimmungen genau zu prüfen und einzuhalten.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was versteht man unter dem Fahrpersonalgesetz und wer ist davon betroffen?

Das Fahrpersonalgesetz (FPersG) regelt in Deutschland die Durchführung der EU-Sozialvorschriften im Straßenverkehr sowie bestimmte Bußgeldtatbestände. Es gilt für das Fahrpersonal von Kraftfahrzeugen und Straßenbahnen.

Vom FPersG betroffen sind insbesondere Unternehmen und Fahrer, die gewerblichen Güter- oder Personentransport auf öffentlichen Straßen durchführen. Dies umfasst Fahrzeuge ab einem zulässigen Gesamtgewicht von 2,8 Tonnen im Güterverkehr sowie Fahrzeuge mit mehr als 9 Sitzplätzen einschließlich Fahrer im Personenverkehr.

Das FPersG dient dazu, die EU-Verordnungen zu Lenk- und Ruhezeiten sowie zum Kontrollgerät (Fahrtenschreiber) national umzusetzen und zu konkretisieren. Es enthält unter anderem Zuständigkeitsregelungen und Bußgeldvorschriften bei Verstößen. Zusammen mit der Fahrpersonalverordnung (FPersV) bildet es den Kern des deutschen Fahrpersonalrechts.

Ziel des FPersG ist es, die Sicherheit im Straßenverkehr zu verbessern, faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und den Arbeitsschutz für das Fahrpersonal zu gewährleisten. Dazu verpflichtet es Unternehmen und Fahrer zur Einhaltung der vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten sowie zur ordnungsgemäßen Nutzung des Kontrollgeräts.

Verstöße gegen das FPersG können empfindliche Bußgelder nach sich ziehen. Unternehmen müssen durch geeignete Organisations- und Kontrollmaßnahmen sicherstellen, dass ihre Fahrer die gesetzlichen Vorgaben einhalten. Dazu zählen insbesondere die korrekte Planung der Touren unter Beachtung der Lenk- und Ruhezeiten sowie die regelmäßige Auswertung der Fahrerkarten- und Massenspeicherdaten.

Welche Rolle spielen Fahrtenschreiber und Fahrerkarten im Kontext des FPersG?

Fahrtenschreiber und Fahrerkarten spielen eine zentrale Rolle bei der Umsetzung und Kontrolle der Vorschriften des Fahrpersonalgesetzes (FPersG):

Fahrtenschreiber (auch digitale Tachographen genannt) zeichnen automatisch Daten wie Lenk-, Ruhe- und Arbeitszeiten sowie gefahrene Geschwindigkeiten auf. Sie sind in Fahrzeugen ab 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht sowie Bussen mit mehr als 9 Sitzplätzen einschließlich Fahrer Pflicht. Ab Juli 2026 gilt dies auch für Fahrzeuge über 2,5 Tonnen. Der Fahrtenschreiber dient somit als technisches Kontrollinstrument zur Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten.

Fahrerkarten sind personengebundene Chipkarten, die zusammen mit dem Fahrtenschreiber verwendet werden müssen. Sie speichern die Identität des Fahrers sowie dessen Lenk- und Ruhezeiten für 28 Tage. Jeder Fahrer benötigt eine eigene Fahrerkarte, um aufzeichnungspflichtige Fahrten durchführen zu können. Die Karte muss zu Beginn der Fahrt in den Fahrtenschreiber eingesteckt werden.

Das Auslesen der Daten aus Fahrtenschreiber und Fahrerkarte ist Pflicht des Unternehmens. Die Fahrtenschreiberdaten müssen spätestens alle 90 Tage, die Fahrerkartendaten alle 28 Tage heruntergeladen und mindestens 1 Jahr lang archiviert werden. Dies ermöglicht die Kontrolle der Einhaltung der Sozialvorschriften.

Verstöße gegen die Vorschriften zu Fahrtenschreibern und Fahrerkarten, wie Manipulation oder Missbrauch, stellen Ordnungswidrigkeiten dar und können mit Bußgeldern geahndet werden. Bei schweren Verstößen kann die Fahrerkarte auch eingezogen werden.

Zusammengefasst dienen Fahrtenschreiber und Fahrerkarten als technische Hilfsmittel, um die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten lückenlos zu dokumentieren und zu kontrollieren. Sie sind damit ein zentraler Bestandteil des Fahrpersonalrechts und tragen wesentlich dazu bei, die Ziele des FPersG wie Verkehrssicherheit und fairen Wettbewerb zu gewährleisten.

Was sind die Folgen eines Verstoßes gegen das Fahrpersonalgesetz?

Verstöße gegen das Fahrpersonalgesetz (FPersG) und die dazugehörige Fahrpersonalverordnung (FPersV) können empfindliche Bußgelder sowohl für Fahrer als auch für Unternehmen nach sich ziehen.

Nach den §§ 8 und 8a FPersG können Bußgelder von bis zu 30.000 Euro festgesetzt werden. Dies ist der Maximalsatz, der bei geringfügigen oder erstmaligen Verstößen in der Regel nicht zum Ansatz kommt. Dennoch sind auch die Regelbußgelder nicht zu unterschätzen.

Häufige Verstöße und die dafür vorgesehenen Bußgelder sind beispielsweise:

<ul><li>Unterschreitung der täglichen Ruhezeiten: 30 € je angefangene halbe Stunde für den Fahrer, 90 € für das Unternehmen
</li>
<li>Überschreitung der zulässigen Tageslenkzeit um bis zu 1 Stunde: 30 € für den Fahrer, 90 € für das Unternehmen; um bis zu 2 Stunden: 60 € bzw. 180 €
</li>
<li>Nicht-Mitführen der Fahrerkarte oder Nicht-Aushändigung dieser: 180 € für Fahrer und Unternehmen
</li>
<li>Nicht ordnungsgemäß durchgeführte Wochenruhezeit: 250 € für den Fahrer, 375 € für das Unternehmen
</li>
</ul>
Werden die Daten aus Fahrtenschreiber und Fahrerkarte nicht oder nicht rechtzeitig ausgelesen und gespeichert, drohen dem Unternehmen Bußgelder von 750 € pro Fahrer und 24-Stunden-Zeitraum.

Finden Pflichtverletzungen im Bereich der Aufsichtsmaßnahmen vorsätzlich oder fahrlässig statt, können die Behörden eine Ahndung über den § 130 OWiG anstreben, dessen Strafrahmen Bußgelder von bis zu einer Million Euro vorsieht.

Neben den Bußgeldern können bei schweren Verstößen auch strafrechtliche Konsequenzen drohen. Gefährdet der Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz die Gesundheit oder Arbeitskraft des Fahrers, kann der Arbeitgeber nach § 23 Abs. 1 ArbZG mit Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr oder empfindlichen Geldstrafen belangt werden.

Um Bußgelder und andere Sanktionen zu vermeiden, sind Unternehmen daher gut beraten, durch geeignete Organisations- und Kontrollmaßnahmen die Einhaltung der Vorschriften sicherzustellen. Dazu zählen insbesondere die korrekte Tourenplanung unter Beachtung der Lenk- und Ruhezeiten sowie die regelmäßige Auswertung der Fahrerkarten- und Massenspeicherdaten.

Gibt es Ausnahmeregelungen im Fahrpersonalgesetz und für wen gelten diese?

Das Fahrpersonalgesetz (FPersG) und die dazugehörige Fahrpersonalverordnung (FPersV) sehen eine Reihe von Ausnahmen vor, die bestimmte Fahrzeuge und Tätigkeiten von den Vorschriften zu Lenk- und Ruhezeiten sowie zur Aufzeichnungspflicht ausnehmen:

Fahrzeuge zwischen 2,8 und 3,5 Tonnen zulässiger Gesamtmasse sind ausgenommen, wenn sie

  • zur Beförderung von Material, Ausrüstungen oder Maschinen verwendet werden, die der Fahrer zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit benötigt, soweit das Lenken nicht die Haupttätigkeit darstellt („Handwerkerklausel“), oder
  • für Auslieferungsfahrten im Handwerk genutzt werden, bei denen das Lenken ebenfalls nicht die Haupttätigkeit ist.

Für diese Ausnahmen gibt es seit 2008 keine Begrenzung mehr auf einen 50km-Umkreis um den Betriebsstandort.

Weitere Ausnahmen gelten u.a. für:

  • Fahrzeuge von Rettungsdiensten, Feuerwehr und Polizei
  • Fahrzeuge im Linienverkehr bis 50 km Linienlänge
  • Fahrzeuge mit einer Höchstgeschwindigkeit bis 40 km/h
  • Fahrzeuge im Werkverkehr von Bauunternehmen im 100km-Umkreis
  • land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge im 100km-Umkreis
  • Transporte tierischer Nebenprodukte wie Gülle im 250km-Umkreis
  • Leerfahrten im Zusammenhang mit Straßenunterhaltungsarbeiten im 100km-Umkreis
  • Fahrzeuge für Fahrschulunterricht und Fahrprüfungen
  • Spezialfahrzeuge zum Transport von Ausrüstung für Zirkusse und Jahrmärkte
  • Fahrzeuge zum Milchsammeln und zur Rückgabe von Milchbehältern

Die vollständigen Ausnahmekataloge finden sich in Artikel 3 und 13 der EU-Verordnung 561/2006 sowie in §18 FPersV und §1 Abs. 2 FPersV.

Zu beachten ist, dass die Ausnahmen von den Lenk- und Ruhezeiten nicht automatisch auch für andere Rechtsbereiche wie das Berufskraftfahrer-Qualifikations-Recht oder das Güterkraftverkehrsrecht gelten. Hier ist stets eine Einzelfallprüfung nötig.

Trotz Ausnahmen von Lenk- und Ruhezeiten gilt für die betroffenen Fahrer weiterhin das Arbeitszeitgesetz mit seinen Vorgaben zur Arbeitszeit. Auch die Pflicht zum Einbau eines Kontrollgeräts entfällt in der Regel, wenn eine Ausnahme greift.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 18 Abs. 1 Nr. 3 Fahrpersonalverordnung (FPersV): Diese Vorschrift regelt Ausnahmen von der Pflicht zur Benutzung eines Fahrtenschreibers für land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen innerhalb eines 100km-Radius vom Standort des Unternehmens. Im vorliegenden Fall ist sie zentral, da der Verstoß auf der Annahme basierte, diese Ausnahme würde für die betroffenen Transporte gelten, was nicht der Fall war.
  • Fahrpersonalgesetz (FPersG): Grundlegendes Gesetz zur Regelung der Arbeitszeiten, Ruhezeiten und Überwachung des Fahrpersonals im Straßenverkehr. Der fahrlässige Verstoß gegen dieses Gesetz durch Nichtbenutzung des Fahrtenschreibers und der Nichtverwendung der Fahrerkarten war Gegenstand des Urteils.
  • Art. 3 Abs. 1, 33 VO (EU) 165/2014: Diese EU-Verordnung legt die Verpflichtungen zur Installation und Nutzung von Fahrtenschreibern im Straßenverkehr fest. Sie wurde angeführt, um den objektiven Tatbestand des Verstoßes zu bestätigen, da der Betroffene die Fahrzeuge gewerblich im Straßenverkehr nutzte.
  • §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO: Rechtsgrundlagen für die Kostenentscheidung des Gerichts. Sie legen fest, dass der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Diese Normen unterstreichen das Prinzip der Kostenverantwortlichkeit in gerichtlichen Verfahren.
  • § 11 Abs. 2 OWiG: Betrifft den Verbotsirrtum im Ordnungswidrigkeitenrecht. Dieser Paragraph wurde herangezogen, um zu beurteilen, ob der Betroffene fahrlässig handelte, indem er davon ausging, seine Handlungen seien rechtmäßig. Im Kontext des Falles ist dies relevant, da der Betroffene einem vermeidbaren Irrtum unterlag.
  • Artikel 3 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014: Ermöglicht den Mitgliedsstaaten, bestimmte Fahrzeuge von der Pflicht zum Einbau und zur Benutzung eines Fahrtenschreibers auszunehmen. Diese Norm bildet die rechtliche Basis für die nationalen Ausnahmeregelungen und wurde im Kontext der Auslegung der FPersV angeführt.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 1 Ws 165/21 – Beschluss vom 18.11.2021

Leitsatz

Unternehmen, die ihre Zugmaschinen lediglich im Auftrag eines land- oder fortwirtschaftlichen Betriebs einsetzen (hier der Abtransport von Rüben), entfalten keine land- oder forstwirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 FPersV und unterfallen nicht der dort normierten Privilegierung. Dementsprechend besteht für die Mitarbeiter des Unternehmens eine Pflicht zur Benutzung von Fahrtenschreiber und der Verwendung von Fahrerkarten.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Magdeburg vom 29. Juni 2021 wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Der Betroffene wurde mit Urteil des Amtsgerichts Magdeburg vom 29. Juni 2021 wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen das Fahrpersonalgesetz (FPersG), nämlich der Nichtbenutzung des Fahrtenschreibers und der Nichtverwendung der Fahrerkarten durch Mitarbeiter seines Unternehmens, zu einer Geldbuße von 1.000,00 € verurteilt.

Nach den Feststellungen ist der Betroffene Prokurist der R. und Partner Speditions- und Lagergesellschaft mbH mit Sitz in B. , Ortsteil W. . Gegenstand des Unternehmens ist die Durchführung und Vermittlung von Transport- und Lagergeschäften jeglicher Art. Der Betroffene ist zugleich Geschäftsführer der R. und Partner A.service GmbH & Co. KG mit Sitz in W. . Gegenstand dieses Unternehmens ist die Erbringung von Agrardienstleistungen für Landwirte. Das Unternehmen bewirtschaftet keine eigenen landwirtschaftlichen Flächen. Der Betroffene hat vorliegend fünf LKW-Fahrer als Saisonkräfte zum Rübentransport eingesetzt und diese angewiesen, bei der Benutzung des Fahrtenschreibers (EG-Kontrollgerätes) bei sämtlichen Fahrten die jeweiligen Fahrerkarten nicht in das Gerät einzustecken. Dadurch war eine Kontrolle der Lenk- und Ruhezeiten der jeweiligen Fahrer nicht möglich. Zur Begründung bezog sich der Betroffene auf die Ausnahmeregelung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 Fahrpersonalverordnung (FPersV), wonach bei land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen ein Fahrtenschreiber nicht verwendet werden muss, wenn diese für land- oder forstwirtschaftliche Tätigkeiten in einem Umkreis von bis zu 100km vom Standort des Unternehmens verwendet werden, das das Fahrzeug besitzt, anmietet oder least. Der Betroffene übergab den Fahrern Schriftstücke, aus denen sich bei einer Kontrolle ergeben sollte, dass für die Fahrzeuge im Umkreis von 100km kein Fahrtenschreiber betätigt werden müsse. Die fünf Lastkraftwagen waren als land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen (LOF) zugelassen, wurden jedoch zum Tatzeitpunkt nicht für land- oder forstwirtschaftliche Tätigkeiten eingesetzt, sondern für reine Transportleistungen.

Zur subjektiven Tatseite hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der Betroffene bei Beachtung der unternehmerischen Sorgfalt den Verstoß gegen die Fahrpersonalverordnung hätte erkennen und vermeiden können. Im Hinblick auf einen Irrtum im Sinne von § 11 Abs. 2 OWiG hätte dem Betroffenen bewusst sein müssen, dass die R. und Partner Speditions- und Lagergesellschaft mbH nach ihrem Unternehmenszweck kein landwirtschaftliches Lohnunternehmen sei und die vom Betroffenen zitierten Hinweise zu den Sozialvorschriften im Straßenverkehr gerade zwischen landwirtschaftlichen Lohnunternehmen und dem reinen Speditionsgeschäft unterscheiden würden. Nach Ziffer 6.5 der zwischen Bund und Ländern abgestimmten Hinweise zu den Sozialvorschriften im Straßenverkehr von Januar 2020 finde die Ausnahme nur Anwendung, wenn die Beförderung zum Beispiel durch ein landwirtschaftliches Lohnunternehmen als Teil einer land- oder forstwirtschaftlichen Tätigkeit zu sehen sei. Reine Beförderungen unterlägen dem Ausnahmetatbestand nicht, wobei ergänzend darauf hingewiesen werde, dass die Ausübung von Verkehrstätigkeiten mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen gerade verhindert werden solle.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner auf die Sachrüge gestützten Rechtsbeschwerde.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Magdeburg vom 29. Juni 2021 gemäß § 349 Abs. 2 StPO in Verbindung mit § 79 Abs. 3 OWiG als unbegründet zu verwerfen.

Mit Beschluss vom 17. November 2021 ist die Sache durch den Einzelrichter dem Senat in der gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG vorgesehenen Besetzung übertragen worden.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Eine Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht ergeben.

1. Die Feststellungen des Amtsgerichts, nach denen der Betroffene als verantwortlicher Verkehrsunternehmer den objektiven Tatbestand der §§ 8 Abs. 1 Nr. 1a Fahrpersonalgesetz (FPersG) i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 3 Fahrpersonalverordnung (FPersV) i. V. m. Art. 3 Abs. 1, 33 VO (EU) 165/2014 des Rates über Fahrtenschreiber im Straßenverkehr verwirklicht hat, sind nicht zu beanstanden.

Auf den Betroffenen, der im vorliegenden Fall als Unternehmer fünf seiner Mitarbeiter angewiesen hat, die jeweiligen Lastkraftwagen, die im Straßenverkehr zur gewerblichen Güterbeförderung benutzt werden, ohne Fahrtenschreiber zu betreiben, findet die Verordnung (EU) Nr. 165/2014 Anwendung (vgl. Artikel 3 Abs. 1 Satz 1 dieser Verordnung i. V. m. Artikel 2 Abs. 1a der Verordnung (EG) Nr. 561/2006). Von der daher grundsätzlichen Verpflichtung zum Einbau und zur Benutzung eines Kontrollgerätes können die Mitgliedsstaaten gem. Artikel 3 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 jedoch die in Artikel 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 genannten Fahrzeuge freistellen. Der deutsche Gesetzgeber hat von dieser Ermächtigung unter Verweisung auf die Verordnung (EG) Nr. 561/2006, welche die Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 ab dem 11. April 2007 ersetzt hat, durch § 18 Abs. 1 Nr. 3 FPersV Gebrauch gemacht. Nach dieser Vorschrift werden land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen, die für land- oder forstwirtschaftliche Tätigkeiten in einem Umkreis von 100km vom Standort des Unternehmens verwendet werden, das das Fahrzeug besitzt, anmietet oder least, ausgenommen.

Die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestands erfüllen die Fahrzeuge des Unternehmens, dessen Prokurist der Betroffene ist, nicht. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts handelt es sich zwar um land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen, indes werden diese hier nicht für land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 3 FPersV verwendet. Vielmehr handelt es sich um einen gewerblichen Gütertransport, der von dem Ausnahmetatbestand nicht erfasst ist. Es gilt der allgemeine Rechtsgrundsatz, dass Ausnahmevorschriften eng auszulegen sind. Hiervon ist im Fahrpersonalrecht nicht abzuweichen. Eine enge Auslegung der Voraussetzungen gebietet nicht zuletzt der Normzweck. Das Ziel der Verordnung, nämlich die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Kraftverkehrssektor und die Straßenverkehrssicherheit, würde durch eine weitergehende Auslegung der Ausnahmevorschrift beeinträchtigt, weil den Fahrern nicht mehr der Schutz ihrer Arbeitsbedingungen zugutekäme (vgl. EuGH, Urteil vom 21. November 2019, C-203/18 und C-374/18; Urteil vom 07. Februar 2019, C-231/18; OLG Stuttgart, Beschluss vom 29. September 2011, 5 Ss 1141/09 – alle zitiert nach juris). Diese würde auch zu Unsicherheit im Straßenverkehrsgewerbe, weil die Fahrzeuge rechtmäßig über einen längeren Zeitraum ohne Ruhezeiten geführt werden könnten (vgl. nur EuGH, Urteil vom 21. November 2019, C-203/18 und C-374/18 – zitiert nach juris), und bei den Vollzugsbehörden sowie zu Schwierigkeiten bei der Auslegung, Anwendung, Durchsetzung und Kontrolle dieser Vorschriften führen, was dem Zweck einer besseren Kontrolle und Durchsetzung im Straßenverkehrsgewerbe zuwider liefe (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 23. Januar 2020, (1 Z) 53 Ss-OWi 592/19 (349/19) – zitiert nach juris). Eine weite Auslegung verfälscht zudem den Wettbewerb im Transportgewerbe, weil andere Anbieter von Transportdienstleistungen, die der Verpflichtung zur Nutzung eines Fahrtenschreibers unterfallen, im Hinblick auf Ruhezeiten benachteiligt werden (vgl. nur EuGH, Urteil vom 21. November 2019, C-203/18 und C-374/18; Urteil vom 07. Februar 2019, C-231/18; Urteil vom 13. März 2014, C-222/12 – beide zitiert nach juris).

Das Amtsgericht hat unter Zugrundelegung dieser Grundsätze zutreffend angenommen, dass der Betroffene als Unternehmer im Sinne von Art. 33 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 165/2014 mit dem Abtransport der Rüben eine normale Transportleistung und nicht eine landwirtschaftliche Tätigkeit erbringt. Der Abtransport der nach den Feststellungen des Amtsgerichts bereits geernteten und angehäuften Rüben erfordert trotz der bei der Verladung durchgeführten Reinigung der Rüben keine besonderen Spezialfahrzeuge. Die Rüben werden verladen und verbracht. Zudem ist der Abtransport der Rüben – worauf die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift an den Senat zutreffend hingewiesen hat – mangels rascher Verderblichkeit zeitlich gut planbar. Gründe, die Fahrer der Lastkraftwagen im Hinblick auf die Ruhezeiten zu benachteiligen und den Betroffenen als Unternehmer im Rahmen einer Befreiung von der Verpflichtung zur Nutzung eines Fahrtenschreibers im Verhältnis zu anderen Transportunternehmen zu privilegieren, ergeben sich bei dieser Sachlage nicht. Hierfür bestehen im Rahmen von Erntetransporten tatsächlich überhaupt nur dann Anhaltspunkte, wenn die Feldfrüchte, etwa wegen deren schneller Verderblichkeit, unmittelbar nach der Ernte zügig verbracht werden müssen, weil dann eine Beschränkung der Ruhezeiten gerechtfertigt sein könnte.

2. Auch die Feststellungen zur subjektiven Tatseite tragen den Schuldspruch.

Gegen die Annahme fahrlässigen Handelns ist nichts zu erinnern. Zutreffend ist das Amtsgericht weiterhin davon ausgegangen, dass sich der Betroffene bei Begehung der Taten nicht in einem vermeidbaren Verbotsirrtum gem. § 11 Abs. 2 OWiG befunden hat. Danach handelt ein Täter nicht vorwerfbar, wenn ihm bei Begehung der Handlung die Einsicht, etwas Unerlaubtes zu tun, namentlich weil er das Bestehen oder die Anwendbarkeit einer Rechtsvorschrift nicht kennt, fehlt und er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Es bestehen schon Zweifel daran, dass der Betroffene einem Irrtum unterlegen ist, da die R. und Partner Speditions- und Lagergesellschaft mbH zweifellos kein landwirtschaftliches Unternehmen ist. Dies kann aber dahinstehen, denn ein möglicher Irrtum des Betroffenen war hier in jedem Fall vermeidbar, weil die Nichtanwendbarkeit der Ausnahmevorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 3 FPersV für den Betroffenen problemlos erkennbar war. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat sich der Betroffene gerade auf Ziffer 6.5 der zwischen Bund und Ländern abgestimmten Hinweise zu den Sozialvorschriften im Straßenverkehr von Januar 2020 berufen. Diese erklären die Ausnahme aber nur für anwendbar, wenn die Beförderung zum Beispiel durch ein landwirtschaftliches Lohnunternehmen als Teil einer land- oder forstwirtschaftlichen Tätigkeit erbracht wird, was hier aber offensichtlich nicht der Fall war. Auch der dortige Hinweis, dass reine Beförderungen dem Ausnahmetatbestand nicht unterliegen und die Ausübung von Verkehrstätigkeiten mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen gerade verhindert werden soll, sprechen für eine Erkennbarkeit eines möglichen Irrtums.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

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